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„Gott selber hilft“. Predigt zum ersten Advent 2025 in der Jesuitenkirche

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2025-12-03

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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„Binde deinen Karren an einen Stern!“ Das geflügelte Wort wird Leonardo da Vinci zugeschrieben, dem Universalgenie, das aus eigener Erfahrung wohl wissen musste, was es denn für einen Unterschied macht, ob man vor den Karren des eigenen Lebens bloß einen Esel, ein Pferd, gar einen – damals noch unbekannten – Traktor spannt oder eben einen Stern. Auch wenn der Esel, das Pferd und der Traktor den Karren aus dem Dreck ziehen können, eines vermögen sie nicht. Sie vermögen das nicht zu leisten, was der Stern vermag: jener Stern, der eigentlich nur meinen Blick nach oben lenkt, so dass ich mehr sehe als bloß den allernächsten Schritt, jener Stern, der mir also hilft, über meine begrenzte Wahrnehmung und die Abgründe meiner Welt zu springen.

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Liebe Schwestern und Brüder, warum dieser Einstieg in die Predigt am ersten Adventsonntag? Bloß deswegen, weil Sterne im Adventskaufrausch Konjunktur haben und – so paradox es klingen mag – die Botschaft des Advents verdunkeln? Nein! Der Grund ist ein anderer. Es ist der Mann, der im achten Jahrhundert vor Christus lebte, der nicht nur seinen Lebenskarren an einen bestimmten Stern gebunden hat, sondern auch den Karren seiner Landsleute. Schon sein Name weist hin auf diesen Stern. JESAJA, zu Deutsch: „Geholfen hat JHWH“, deswegen auch „Hilfe ist JHWH“! Der zynische Zeitgenosse wird spotten: Nichts, als frommes Gerede? Und dies in einer Situation, die alles andere als gut ist? Ob im Jahr 2025, oder 740 vor Christus? Was macht es schon?

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Warum wird dieser alte Text (Jes 2,1-5) in der Liturgie vergegenwärtigt?   Die großen Teile der Bevölkerung in Jerusalem waren damals schrecklich verarmt, die sog. Eliten erstickten geradezu an Wohlstand und Korruption. Nord- und Südreich, Israel und Juda suchten eine militärische Allianz zustande zu bringen, rüsteten auf Teufel komm raus. Die Angst vor dem mächtigen Feind, die Angst vor Assyrien verdunkelte den Politikern die Zukunftsperspektive. Und viele Spezialisten für die Zukunftsprognosen schürten bloß Angst. Dass diese Spezialisten damals weder wissenschaftlich, noch journalistisch ausgewiesen waren, stellt den einzigen Unterschied zur Gegenwart. Das Klima ist das Gleiche.

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In diese Situation hinein lässt Jesaja den Stern blinzeln. Er malt diesen Stern mit ausdruckstarken Bildern: Da schmieden die Menschen ihre Schwerter zu Pflugscharren, ihre Lanzen zu Winzermessern. Die Kriegslogik wird zur Logik der Beschaffung von Nahrung umgemünzt. Damit niemand mehr zu hungern braucht. Nicht Begeisterung für den Krieg in der Situation der Bedrohung rettet das Volk, sondern Recht und Gerechtigkeit. Recht und Gerechtigkeit zwischen den Nationen.

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Warum fasziniert dieser Text und dies schon fast 3000 Jahre lang? Liebe Schwestern und Brüder, Israel und Juda sind damals trotz militärischer Allianzen und Hochrüstungspolitik unter die persische, dann babylonische Herrschaft gekommen. Assyrien und Babylon sind dann aber untergegangen. Und wie viele Reiche und wie viele Staaten sind noch in diesen fast 3000 Jahren von der Erdoberfläche verschwunden? Und dies trotz oder auch wegen der – wie auch immer ausgetüftelten – Rüstungsprojekte? Warum fasziniert also dieser Text? Die Antwort ist einfach, wenn auch missverständlich. Der Stern, den Jesaja an den Lebenskarren bindet hat einen Namen. JHWH hilft, GOTT SELBER HILFT. Also doch frommes Gerede? Nein! Dieser Stern fällt nicht unter die Kategorie der frommen Floskeln. Menschen, die diesen Glauben an den Karren ihres Lebens gebunden haben, werden von ihrem Engagement, dem politischen und dem sozialen Engagement, nicht entpflichtet. Ganz im Gegenteil! Aber: Der Stern erleuchtet diesen Menschen die Gebiete, auf denen sie tätig sind. Der Stern schenkt ihnen Licht in der Dunkelheit. Er schenkt Licht in der Dunkelheit der politischen Bedrohung, minimiert damit Angst, den schlechten Ratgeber der Politik.

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Seien wir uns aber ehrlich: Wichtiger als die Politik ist für einen jeden von uns das persönliche Leben. Der Stern mit dem Namen: „GOTT SELBER HILFT“ schenkt das Licht in der Dunkelheit meiner persönlichen Krisen. Gerade dann, wenn politische und soziale Strategien an ihr Ende geraten. Also dann, wenn wir radikal scheitern. Von Menschen gemieden werden. Wenn wir alt und krank werden, zu Hause bleiben und uns ausgeschlossen erleben: von dem alltäglichen Hin und Her. Schmerzen, Müdigkeit und Schlaflosigkeit statt Lebensenergie! Ungefragt kommen dann nur noch die Tränen, nicht der Schlaf. Da hilft es wenig, den sprichwörtlichen Esel, oder gar den modernen Traktor vor den Karren des zunehmend einsamen und verbitterten Lebens zu spannen. Man kommt nicht vom Fleck, weil die Gedanken sich bloß im Kreis drehen.  Und die Perspektive fehlt. Denn der Stern, der da in die Dunkelheit unserer Gegenwart leuchten müsste, glitzert für viele Menschen nicht. Für allzu viele! Gefangen im krank und alt werdenden Körper, eingeschlossen in einem kalten sozialen Exil leiden unzählige Menschen, weil ihnen der Stern des Glaubens und der Hoffnung abhandengekommen ist. Worauf können sie noch hoffen? Welche Antwort bietet ihnen Advent?

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In vier Wochen – in der Heiligen Nacht – werden wir die Fortsetzung der heutigen Lesung aus dem Buch Jesaja hören. Der Stern, den Jesaja seinen Zeitgenossen – dem Volk, das in Dunkeln lebt – an den Karren bindet, wird da mit einem konkreten Leben verbunden: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt“ (vgl. Jes 9,5). Dieser Sohn, der ja der Sohn Gottes ist, sucht sein Leben lang den Stern an den Karren seiner Mitmenschen zu binden. Und er scheitert, erleidet in seinem Sterben sogar das Gefühl der Gottverlassenheit. Er fällt damit so tief wie kein Mensch fallen kann, damit er diejenigen, die versagen, jene die scheinbar gottverlassen sterben, auffangen kann. So wird er selber zum Stern par excellence!

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Liebe Schwestern und Brüder, die gregorianische Schola hat heute beim Einzug den traditionellen Introitus des ersten Adventssonntags gesungen: „Ad te levavi animam meam. Deus meus, in te confido, non erubescam: Zu Dir habe ich meine Seele erhoben. Mein Gott auf Dich vertraue ich. Lass mich nicht scheitern.“ Stellvertretend für uns alle haben damit die Sängerinnen und Sänger unseren Karren an diesen Stern gebunden, den Stern, der über dem Horizont unseres Lebens glitzert. An den Stern, der nicht von dieser Welt ist, den Stern, der uns alle zu unserer Heimat im Himmel führen will. Mit dem Stern des Glaubens an das ewige Leben in Gott, jenem Stern, den wir vor den Karren unseres Lebens binden, werden wir nicht scheitern. Vielmehr können wir dann deswegen unseren Lebensweg beschreiten und uns auch freuen über die vielen Kräfte, die uns auf diesem Weg ein Stück weiterhelfen, also: über all die vielen Esel, Pferde, Traktoren und vieles andere mehr.

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Übrigens: weil Dietrich Bonhoeffer – der große evangelische Theologe –  diesen glitzernden Stern an seinen Lebenskarren gebunden hat, konnte er im Gefängnis in den Tagen, in denen er auf die Vollstreckung des Todesurteils wartete, sein weltberühmtes Gedicht schreiben: „Von guten Mächten treu und still umgeben, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

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