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Ite - missa est (Geht, ihr seid gesandt). Predigt am 7. 7. 2025 in der Jesuitenkirche

Autor:Niederbacher Bruno
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2025-09-28

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Zweiundsiebzig andere sucht Jesus aus und sendet sie. Es sind Menschen wie du und ich. Wir verbringen Zeit mit Jesus, wir hören seine Worte, wir halten Mahl mit ihm, wir erfahren Gemeinschaft mit ihm und untereinander, und am Ende der Messe heißt es dann: Ite, missa est, wörtlich: „Geht, sie ist gesandt!,“ gemeint ist die hier versammelte Kirche. Die offizielle Übersetzung lautet: „Gehet hin in Frieden!“ Wir werden also hinausgesandt in die Welt, in die Dörfer, Ortschaften und Orte, in denen wir zu tun haben. Wir sind unterwegs in göttlicher Mission.

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Aber was heißt das? Mit welcher Einstellung soll ich hinausgehen? Ich neige dazu, die Welt und die Menschen negativ zu sehen. Die täglich schlechten Nachrichten nähren diese Neigung. Auch die Erfahrungen mit anderen Menschen, sogar mit Mitbrüdern, sind nicht immer erfreulich. Da gerate ich schnell ins Grübeln: „Die Welt ist schlecht, und man begegnet Trotteln, hochgradigen Spinnern, Egoisten und amoralischen Gottesleugnern.“ Jesus hingegen sieht die Welt anders. Er sagt: „Die Ernte ist groß.“ Es gibt so viele Früchte, die ständig reifen. Ich soll sie sehen lernen. So heißt es auch bei Jesaja (43, 19) einmal: „Siehe, nun mache ich etwas Neues. Schon sprießt es, merkt ihr es nicht?“ Und in der heutigen Lesung: „Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust.“ (Jes 66, 11) Gott ist wie eine Mutter, die ständig gibt, uns am Leben erhält, nährt. Jemand schrieb: „Das eine ist mir so klar und spürbar wie selten: Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen. Wir aber sind oft blind.“ Das schreibt nicht jemand, der unter einer Palme am Strand liegt und einen Cocktail schlürft, sondern einer, der mit gefesselten Händen auf das Todesurteil wartet: P. Alfred Delp SJ am 17. November 1944 in einer Zelle im Gefängnis Berlin-Tegel. Die Welt ist Gottes so voll. Jesus formuliert es so: „Gottes Reich ist nahe.“ (Lk 10,9) Gott ist nahe, er wirkt jetzt und jetzt und jetzt. Die Ernte ist groß. Sieh doch hin!

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Ich laufe also mit der Die-Ernte-Ist-Groß-Brille durch die Stadt. Im Supermarkt kaufe ich Kekse für die Mitbrüder. An der Kasse vor mir steht ein junger Mann. Er hat sich offensichtlich verletzt und muss auf zwei Krücken gehen. Und vor ihm steht noch ein anderer, sehr junger Mann. Er sagt zum Mann mit den Krücken: „Geh vor, du hast es schwerer.“ Ich beobachte diese Szene und denke: Wow, das hätte ich jetzt nicht erwartet. Ellbogengesellschaft sieht anders aus. Die Ernte ist groß.

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Die Früchte zu sehen ist vielleicht das erste, das ich lernen soll, wenn ich in göttlicher Mission unterwegs bin, bei mir und bei anderen. Einmal kann ich mich vertrauensvoll in Gottes Hände fallen lassen, einmal erlebe ich, wie ich durch eine schwere Zeit getragen werde, einmal kann ich jemandem verzeihen, einmal verschenke ich Zeit oder Geld, um Menschen in Not beizustehen, einmal besuche ich einen Menschen, der krank ist, und bereite ihm Freude. In Belfast radelte ich durch die Stadt und brachte Menschen, die nicht mehr in die Kirche kommen konnten, die Kommunion.  „You made my day,“ sagte eine Frau am Ende meines Besuchs: „Du hast meinen Tag gerettet. Du hast mich für heute glücklich gemacht.“ Es wachsen Früchte und Früchte und Früchte.

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Noch am selben Abend nach meiner Erfahrung im Supermarkt gehe ich in die Stiftskirche Wilten. Unsere Kirchenmusikdirektorin dirigiert die Es-Dur Messe von Franz Schubert. Es ist himmlisch. Während der Chor das litaneihafte „Gratias agimus tibi“ singt, wandert mein Blick zum Hochaltar. Ganz oben ist der Thron Salomons. Es ist dort einer dargestellt, der mehr ist als Salomon, es ist der auferstandene Christus, der mit offenen Armen auf uns wartet. Und ich denke mir, der junge Mann im Supermarkt und Christus vermitteln mir die göttliche Botschaft: Du bist willkommen. Ich will dir Gutes. Das erste und wichtigste Wort des Auferstandenen ist: „Der Friede sei mit euch.“ Mit diesem Wohlwollen, mit diesem guten Wunsch sind wir unterwegs in göttlicher Mission. „Sagt als erstes: Friede diesem Haus!“ (Lk 9,5)

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Missionarisch sein heißt: Den Duft des Wohlwollens und Friedens um sich verbreiten: in der Familie, in der Kommunität, am Arbeitsplatz, im Supermarkt… Jeder Ort, an dem ich mich befinde, ist ein Ort der Sendung. Das könnte ansteckend sein.

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Es gibt Gedichte, die man einmal hört und nie mehr vergisst. So geht es mir mit dem Gedicht „Anmut und Behagen“ von Madeleine Delbrêl, das P. Bernhard Meyer SJ einmal am Ende einer Vorlesung über Liturgie vortrug. Darin lamentiert Delbrêl, dass wir die Liebe Gottes oft nicht spielen können wie ein Geigenspieler, der nach vielem Üben ohne Anstrengung seine Melodien spielt:

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Ein großer Schmerz für uns ist es,
dass wir deine schöne Musik so freudlos spielen,
Herr, der du uns Tag um Tag bewegst.
Dass wir immer noch bei den Tonleitern sind,
bei der Zeit der anmutslosen Bemühungen.
Dass wir zwischen den Menschen hindurchgehn
wie schwerbeladene, ernste, überanstrengte Leute.
Dass wir es nicht fertigbringen, über unserm Winkel der Welt,
w
ährend der Arbeit, der Hast, der Ermüdungetwas auszubreiten wie
Anmut und Behagen der Ewigkeit.

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Dieser letzte Satz war es, der bei mir hängen blieb: etwas auszubreiten wie Anmut und Behagen der Ewigkeit. Das heißt für mich missionarisch sein: Mit dem, was wir erlebt haben und geworden sind, mit unserer einzigartigen Persönlichkeit, die Menschen spüren lassen, dass Gott nahe ist, dass sie willkommen sind. Durch unser Wohlwollen, durch unsere Herzlichkeit, durch unsere Bereitschaft zu teilen, durch unser Gebet, durch unseren Frieden …  über unserm Winkel der Welt, während der Arbeit, der Hast, der Ermüdung etwas auszubreiten wie Anmut und Behagen der Ewigkeit.

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