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Rom lehnt Prof. Martin Lintner als Dekan der PTH Brixen ab

Autor:Guggenberger Wilhelm, Hofmann Stefan, Ladner Gertraud
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2023-06-29

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Am 26. Juni 2023 teilten der Dekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen Prof. Dr. Alexander Notdurfter und Diözesanbischof Dr. Ivo Muser der Diözese Bozen-Brixen folgendes öffentlich mit:

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„Das Hochschulkollegium der PTH Brixen hat P. Dr. Martin M. Lintner OSM, Professor für Moraltheologie und Spirituelle Theologie, zum Dekan für die Amtsperiode vom 1. September 2023 bis 31. August 2025 gewählt. Nach den kirchlichen Vorschriften ist für die Übernahme dieses Amtes die Zustimmung des Heiligen Stuhls notwendig. Das hierfür zuständige Dikasterium für die Kultur und die Bildung (ehemals Bildungskongregation) hat dem Diözesanbischof Dr. Ivo Muser mitgeteilt, dass diese Zustimmung wegen Publikationen Prof. Lintners zu Fragen der katholischen Sexualmoral nicht erteilt wird.

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Im Einvernehmen mit Prof. Lintner verzichtet Bischof Muser auf das Rechtsmittel eines hierarchischen Rekurses gegen diesen Entscheid. Das Hochschulkollegium muss somit einen neuen Dekan bzw. eine neue Dekanin wählen.“

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Auch wenn dezidiert festzuhalten ist, dass die kirchliche Lehrbefugnis für Prof. Lintner von gegenständlicher Angelegenheit nicht betroffen ist, ist eine derartige Entscheidung dazu angetan, die Reputation eines Theologen zu beschädigen. Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Innsbruck arbeitet seit vielen Jahren in vielfältiger Weise sehr fruchtbar mit der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen zusammen. Es gibt einen regen Austausch auf der Ebene der Studierenden und der Lehrenden. Gegenwärtig wird auch ein gemeinsamer Universitätslehrgang zu Angewandter Ethik sehr erfolgreich durchgeführt, in dem Prof. Lintner eine zentrale Rolle spielt.

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Als Vertreterinnen der Fächer Moraltheologie und Christliche Gesellschaftslehre an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck ist es uns ein Anliegen darauf hinzuweisen, dass es nicht nur der Kollegenschaft in Innsbruck, sondern im gesamten deutschen Sprachraum schwer fällt zu verstehen, wodurch die Entscheidung des Dikasteriums für die Kultur und die Bildung begründet sein könnte.

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Am 28. Juni veröffentlichte die Vorsitzende der Internationalen Vereinigung für Moraltheologie und Sozialethik Marianne Heimbach-Steins gemeinsam mit den SprecherInnen der entsprechenden Arbeitsgemeinschaften in Deutschland, Österreich und Südtirol Katharina Klöcker, Thomas Weisser, Michael Rosenbergerund Michelle Becka eine Pressemitteilung, in der es unter Anderem heißt:

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„Die Verweigerung des römischen Nihil obstat für die Wahl von Martin Lintner zum Dekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen nehmen wir mit Unverständnis zur Kenntnis. Wir kritisieren die disziplinarische Intervention des Dikasteriums für die Kultur und die Bildung als fachlich unangemessen und nicht nachvollziehbar. Martin Lintners Positionen spiegeln einen breiten Konsens innerhalb der deutschsprachigen Moraltheologie und weit darüber hinaus. Seit dem Nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia (2016) finden sie sich zunehmend auch in lehramtlichen Schreiben.

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Für die Entscheidung werden keine Argumente genannt. Die fehlende Transparenz der Entscheidung und des Verfahrens lässt keine andere Wahl, als in dem disziplinarischen Vorgehen eine kuriale Machtdemonstration zu sehen. Sie kann in der aktuellen weltkirchlichen Situation nur als Einschüchterungsversuch verstanden werden. Das antidiskursive kuriale Vorgehen, das theologische Forschung und Lehre am Gängelband der Disziplin zu führen trachtet, macht Aufrufe zum Dialog unglaubwürdig.“

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Abgesehen davon, dass trotz allen Bemühens um eine synodale Kirchenstruktur, römische Entscheidungen nach wie vor in einer Weise erfolgen, die weder das Gespräch mit den betroffenen Personen sucht, noch nachvollziehbare Begründungen nennt, gibt auch der Hinweis darauf zu denken, dass Prof. Lintners Publikationen zur Sexualmoral die Ausübung des Dekansamtes unmöglich machen.

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Ein differenzierter Diskurs über diesen für das menschliche Leben so wichtigen Bereich in der theologischen und kirchlichen Öffentlichkeit ist für die zuständigen vatikanischen Stellen offenbar unerwünscht. Martin Lintner griff dankenswerter Weise Themen auf, die gesellschaftlich sehr präsent sind, nahm dazu in ausgewogener Weise Stellung und versuchte, die kirchlichen Positionen in Auseinandersetzung mit Human- und Sozialwissenschaften weiterzuentwickeln. Wird derlei Diskurs von Seiten des Lehramts untersagt, ist zu befürchten, dass Theologie und Kirche endgültig jegliche Glaubwürdigkeit und Gesprächsfähigkeit in einem zentralen Feld der Ethik und Anthropologie verlieren. Damit droht nicht nur der wissenschaftlichen Theologie, sondern auch unserer Kirche in ihrem pastoralen Bemühen darum, das menschliche Leben in all seinen Höhen und Tiefen zu begleiten, großer Schaden.

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