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Johannes und Jesus – Rivalen?
(Gaudete 2022 (LJ A))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2022-12-14

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Jes 35,1–6a.10; (Jak 5,7–10); Mt 11,2–11

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Liebe Gläubige,

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die kirchliche Leseordnung macht mit uns heuer vom zweiten auf den dritten Adventsonntag einen Zeitsprung: Letzte Woche haben wir gehört, wie Johannes am Jordan getauft, ein Gericht über heuchlerische Menschen verkündet und einen Größeren, der nach ihm komme, angekündigt hat. Heute nun, ist dieser Johannes bereits im Gefängnis und schickt seine Leute zu Jesus, um sich zu erkundigen, was er von ihm halten soll. Obwohl wir jetzt ein Matthäus-Jahr haben, haben manche von uns wohl auch im Hinterkopf, dass Jesus und Johannes nach dem Lukasevangelium entfernte Verwandte waren; Lukas erzählt jedenfalls, dass die Mütter der beiden – Maria und Elisabeth – Cousinen gewesen seien. Was ist das also für ein Verhältnis zwischen den Söhnen dieser Frauen?

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Wir haben es wohl mit zwei Großcousins zu tun, Johannes ca. ein halbes Jahr älter, beide gläubige Juden, und beide scharen einen Kreis von Jüngern und Jüngerinnen um sich. Ich finde es überraschend, wie positiv die beiden übereinander reden. Denn eigentlich würde es naheliegen, dass sich die beiden als Rivalen, ja als Konkurrenten empfinden.

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Johannes, ein Prediger, Prophet, rustikal gekleidet, radikal in Botschaft und Auftreten, ruft die Menschen zur Umkehr, warnt sie vor einem drohenden Gericht, möchte sie aufrütteln, indem er ihnen sagt, wie ernst ihre Lage ist. Und dann kommt sein nur wenig jüngerer Großcousin und fängt auch an zu predigen, sammelt – wie Johannes – Jüngerinnen und Jünger um sich, redet aber viel weniger vom Gericht, sondern mehr von der unendlichen Barmherzigkeit Gottes, davon, dass das Reich Gottes schon da sei und sich die Menschen nicht fürchten sollten. Johannes und vor allem jene, die ihm nachfolgen, könnten also den Eindruck bekommen: Jesus ist zuerst einmal ein billiger Nachmacher, ein Trittbrettfahrer, der gemerkt hat, wie spannend es sein kann, als Prophet die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, im Mittelpunkt zu stehen, Jünger und Jüngerinnen zu haben –, der dann aber eine Botschaft verkündet, die viel leichter verdaulich ist, die vermeintlich weniger aneckt. Sie könnten den Eindruck haben: Jesus stiehlt dem Johannes die Show. Der kleine Großcousin möchte den älteren ausstechen. So könnten sie gedacht haben.

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Und doch, selbst wenn es so gewesen sein sollte, es bleibt nicht dabei, weil sowohl Jesus als auch Johannes die Größe des jeweils anderen anerkennen. Keiner von beiden hat es nötig, sich selber dadurch wichtig zu machen, dass er den anderen klein macht oder herabsetzt. Im Gegenteil, beide sprechen in höchsten Tönen voneinander. Letzte Woche Johannes: „Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Sandalen auszuziehen.“ (Mt 3,11). Diese Woche Jesus: „Amen, ich sage euch: Unter den von einer Frau Geborenen ist kein Größerer aufgetreten als Johannes der Täufer“ (Mt 11,11). Diese beiden Menschen wurden deshalb nicht zu Rivalen und Gegnern, weil sie sich nicht auf das Spiel des Heruntermachens des anderen und des sich dadurch selber Beweihräucherns eingelassen haben. Weil sie einander anerkennen konnten.

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Auf die Frage der Jünger des Johannes, wer er sei, antwortet daher Jesus auch nicht mit stolzen Selbstaussagen: Er sagt nicht „Hallo, ich bin der Christus, der Sohn Gottes“, er verweist auf die Dinge, die er tut. Und an diesem Tun wird Johannes erkennen, wer Jesus ist. Nicht der hohe Anspruch macht die hohe Bedeutung, sondern das Tun, das dem entspricht, was wir in der Lesung aus dem Jesajabuch als Handeln Gottes gehört haben. Jesus bezieht sich zurück auf den großen Propheten, der die Rückkehr aus dem Exil verkündet und vorbereitet hat. Das Handeln Gottes, das dort beschrieben ist, wird in Jesu Tun wieder konkret. Darauf weist er die Jünger des Johannes hin, das muss genügen. Seine eigenen Jünger und Jüngerinnen weist er dann auf die Größe des Johannes hin, damit sie ja nicht auf falsche Rivalitätsgedanken kommen. Oft sind es ja gerade die Anhänger und Anhängerinnen von wichtigen Personen, die viel eher Rivalitäten zwischen ihren Idolen erzeugen als diese Personen selber.

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Doch da ist noch etwas: Obwohl Jesus sich in die Tradition des Jesaja stellt, verändert er diese auch: Jesaja sprach von der Rache und der Vergeltung Gottes. Davon sagt Jesus nichts, so ähnlich die Beschreibung seines Tuns sonst ist. Seine Akzentsetzung ist anders als bei Jesaja und anders als bei Johannes. Jesus kann das tun ohne die anderen herabzusetzen, ohne sie gering zu schätzen. Er erkennt ihre Größe an, reiht sich in ihre Tradition ein und setzt doch eigene Akzente und verorten dadurch Neues im Wohlbekannten. Und aus diesen Akzenten entsteht dann echt Neues.

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Und er weiß: Wenn man Aufmerksamkeit auf sich zieht, wird man irgendwann Anstoß erregen, ob nun die Botschaft vermeintlich leicht oder angeblich schwer verdaulich ist: dem Johannes ging es so und Jesus wird es auch so ergehen. Irgendwann wollen die Menschen an ihren Helden, an wichtigen Persönlichkeiten, etwas finden, das sie ärgert und über das sie sich aufregen können, und dann werden sie es auch finden. Ein paar Verse nach dem heutigen Evangelienausschnitt stellt Jesus fest: „Johannes ist gekommen, er isst nicht und trinkt nicht und sie sagen: Er hat einen Dämon. Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt und sie sagen: Siehe, ein Fresser und Säufer, ein Freund der Zöllner und Sünder! Und doch hat die Weisheit durch ihre Taten Recht bekommen.“ (Mt 11,18-19) Was man auch tut, es wird verkehrt sein, wenn die Menschen sich schon entschieden haben, dass es verkehrt sein muss, wenn sie genug haben von einer prominenten Person. Dennoch kann diese gerade das von der Situation Erforderte, das der Weisheit Gottes entspricht, getan haben.

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Worüber sollen wir uns also freuen an diesem Gaudete, und was können wir lernen und versuchen selber zu leben? Da ist zunächst die Frage der Rivalität: Durch wen fühlen wir uns bedroht in unserem Selbstwert? Müssen wir das wirklich oder könnten wir nur nicht sehen und anerkennen, wo andere Talente haben? Gerade jüngere Menschen, gerade uns nahestehende Menschen – kann ich ihre Größe anerkennen ohne mich selber klein zu fühlen, und kann ich sie auch spüren lassen, dass ich sie anerkenne und schätze? Und wenn ich der oder die Jüngere bin? Kann ich neue Akzente setzen ohne alles, was vorher war, schlecht zu machen? Kann ich – statt Traditionen abzuwürgen – auf sie aufbauen und ihnen gerade dadurch zu neuer, zeitgemäßer Entwicklung verhelfen? Wie schön wäre es doch, wenn das alles in unserer Kirche öfter möglich wäre! Und bei wem bin ich mir schon von vorneherein sicher, dass das, was er oder sie macht, auf jeden Fall schlecht, dumm, sinnlos ist? Liegt es an ihnen oder an meiner Voreinstellung? Wen habe ich hochgejubelt, um ihn oder sie dann wieder fallen zu lassen und negativ zu sehen?

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Wie auch immer so eine kritische Selbstreflexion ausgehen wird, ob eher peinlich oder erfreulich für mich, es kommt trotzdem nicht in erster Linie auf uns an. In erster Linie kommt es auf den an, der sich uns zuwendet, der keine Rivalität zu uns aufbaut; der in all seiner Größe niemanden klein macht, sondern alle erhebt. In erster Linie kommt es auf Gott an.

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Freuen können wir uns also über die Zuwendung Gottes, die uns durch Jesaja und Johannes verheißen und durch Jesus unwiderruflich gebracht wurde: Wenn wir uns wegen all unserer Rivalitäten und Unzulänglichkeiten wüstenartig vertrocknet fühlen, kraftlos und ausgelaugt, dann sagt Jesaja auch uns: „Jubeln werden die Wüste und das trockene Land, […] Sie werden die Herrlichkeit des HERRN sehen, / die Pracht unseres Gottes. […] Dann werden die Augen der Blinden aufgetan / und die Ohren der Tauben werden geöffnet. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch / und die Zunge des Stummen frohlockt, denn in der Wüste sind Wasser hervorgebrochen / und Flüsse in der Steppe.“ (Jes 35,1-2.5-6). 

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