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Sich rühmen (Predigt in der Jesuitenkirche, 3. Juli 2022 11h)

Autor:Hofmann Stefan, SJ Stefan
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2022-07-07

Inhaltsverzeichnis

I. 
II. 

Inhalt

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Predigt zu:  Evg:  Lk 10,1–12.17–20 und 2. Lesung Gal 6,14–18

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I.

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„… esst und trinkt, was man euch anbietet; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn.“ (Lk 10,7) Das ist ein Grundprinzip der Gerechtigkeit. Dieser Satz könnte prinzipiell von einem Philosophen stammen – von Aristoteles z.B., obwohl Aristoteles noch nicht so sehr von Rechten sprach. Tatsächlich ist der Satz dem Lukasevangelium entnommen. Jesus betont (zu Recht): „Wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn.“

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In diesen Tagen, so kurz vor dem Beginn der Schulferien, denken manche von uns vielleicht ganz ähnlich: „Wer arbeitet, hat ein Recht auf Freizeit.“ Oder: „auf Erholung!“
Und es ist gut, sich dessen bewusst zu sein, dass man etwas geschafft hat: Eine getane Arbeit; eine geschaffte schwierige Zeit; ein abgeschlossenes Projekt; eine gerettete Beziehung. Es ist nur gut, wenn wir da nicht gleich weiterziehen, sondern innehalten und danken und auch ein wenig stolz sind.

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Wer arbeitet, „hat ein Recht auf seinen Lohn“ (Lk 10,7). In der neuen Einheitsübersetzung heißt es: „ein Arbeiter ist seines Lohnes wert“. Diese Übersetzung liegt näher am griechischen Original (ἄξιος γὰρ ὁ ἐργάτης τοῦ μισθοῦ αὐτοῦ.) Der Grundgedanke ist sicher verständlich: Wer gearbeitet hat, dem kommt etwas zu. Wenn eine Person ihrem Nachbarn hilft und ihm den Rasen mäht, dann schuldet ihr der Nachbar etwas: zumindest schuldet er ihr einen Dank.
Jesus sagt: der Arbeiter ist des Lohnes „wert“. Dem Arbeiter, der Arbeiterin „gebührt“ der Lohn also. Hier liegt der Gedanke eines Zukommens und einer Entsprechung vor: Der Lohn kommt der Arbeiterin bzw. dem Arbeiter zu.

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II.

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Es gibt die Versuchung zur falschen Demut: die innere Stimme, die uns sagt: Lieber nicht hinschauen, auf das, was du geschafft hast, sonst wirst du stolz! Lieber nicht davon sprechen, sonst werden die anderen neidisch. Ignatius nennt so etwas „falsche Demut“.[1] Richtig wäre es ihm zufolge, wenn wir unsere Begabungen und das Geschaffte ganz freimütig anerkennten. Und bei ChristInnen heißt das natürlich: sie auch als eine Gabe des Schöpfers anerkennen: „Das und das habe ich geschafft: Toll! Gott hat mir die Kraft dazu gegeben. Ist das nicht großartig?“

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Wer arbeitet, ist „seines Lohnes wert.“ Man darf sich auch nach christlichen Maßstäben „rühmen“. Das Lob bzw. der Ruhm, sie sind ja eine Art von Lohn: etwas Zukommendes, eine Entsprechung angesichts einer Leistung oder eines guten Werkes. Beim christlichen „Rühmen“ bleiben das Lob und der Ruhm nur nicht beim Ich stehen. Der sich rühmende Christ, die Christin, sie würden eher so denken: „Ich habe es geschafft. Klar, es war auch Deine Gabe, Herr. Hallelu-ja!“

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Im Evangelium kommen die 72 Jünger zurück: voll Freude, dass Ihnen – wie es heißt – die Dämonen gehorchten. Jesus korrigiert nur bedingt: Sie dürfen sich durchaus dessen bewusst sein, dass sie Vollmacht und Stärke empfangen haben und dass sie den Menschen, zu denen sie gesendet waren, so viel Gutes tun konnten. Jesus kritisiert die erzählte Freude am Machtgefühl. Luther übersetzt: „Freut euch nicht darüber, dass euch die Geister untertan sind.“ (Lk 7,20) Vielmehr sollen sie sich darüber freuen, dass ihre Namen im Himmel verzeichnet sind.

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Vielleicht lässt sich der entscheidende Unterschied zwischen den zwei Arten des Sich-Rühmens so bestimmen:

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  • Wenn wir uns einfachhin selbst rühmen, dann heben wir uns meist im Vergleich zu anderen hervor. Dann gibt es die Tendenz dazu, andere klein zu machen. Dann denken wir: „Ich hab’s besser als diese.“ Oder: „Ich war besser als er.“
  • Wenn wir uns aber dessen rühmen, was wir auch selbst empfangen haben, dann ist dieser Vergleich mit anderen gar nicht mehr nötig. Im Gegenteil, dann gibt es eine Öffnung dafür, auch das zu preisen, was andere empfangen haben:
     „Mir ist wirklich etwas Tolles gelungen. Ich hatte gehofft, Gott würde mir helfen. Es hat geklappt. Ich bin wirklich dankbar. – Wie schön, dass auch Dir so Schönes gelungen ist!“ So könnte es einem dann über die Lippen kommen.
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III.

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Es lohnt sich, das Gesagte abschließend um eine Beobachtung zu Paulus ergänzen. Paulus schreibt den Galatern einen Satz, der das Bisherige nicht in Frage stellt, der uns aber doch zum Nachdenken anregen kann. Paulus spricht von sich selbst und schreibt: „Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.“ (Gal 6,14)

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Liebe Schwestern und Brüder, wie können wir diesen Wunsch des Paulus nachvollziehen? Wie geht das, wie kann man sich des Kreuzes Jesu rühmen? Was heißt es, wenn eine Person sagen wollte: Mein höchster Ruhm, das ist das Kreuz Jesu!

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Ich kann diese Frage nicht für alle beantworten. Mir kommt es allerdings so vor, als würde diese Person sagen: „Was auch immer geschieht, was auch immer die Welt bewundert… das Wertvollste ist schon geschehen: Jesus hat am Kreuz schon alles getan. Seine Liebe hat es geschafft; über Gewalt und Leid hat sie gesiegt. – Ich werde mich engagieren. Ich werde kämpfen. Allerdings darf ich wissen: Das Entscheidende ist schon geschehen. Auf diese Errungenschaft will ich schauen. Auf diese Tat will blicken. Es hat mich gerettet. Deshalb will mich mich des Kreuzes Jesu rühmen.“

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Liebe Schwestern und Brüder, ich weiß: Wer so denkt, ist tief religiös geprägt. Für uns moderne Menschen ist dies nicht selbstverständlich. Wem würde dieser Satz so schnell über die Lippen kommen: „Ich will mich des Kreuzes Jesu rühmen“?
Diese Erfahrung der Fremdheit sollte uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Gedanke von Paulus stammt, von einem der größten Zeugen des christlichen Glaubens.

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Paulus lehnt nicht ab, was ich zuerst betont habe: dass es eine christliche Art gibt, sich zu rühmen; dass wir die Dinge, die wir geschafft haben und die uns gelingen, mit Ruhe anblicken und uns dessen rühmen dürfen, dass wir – durch Gottes Gnade – so Großes und Schönes geschafft haben.

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Vielleicht können wir „sich einer Sache rühmen“ auch mit „sich angesichts der Sache glücklich schätzen“ übersetzen. In unser aller Leben gibt es Höhen und Tiefen, Gelungenes und weniger Gelungenes. Es ist gut, den Blick auch auf jenen Dingen ruhen zu lassen, die uns gelungen sind – und vielleicht sollten wir hier nicht nur an die (vermeintlich) großen Leistungen denken, sondern v.a. auf die vielen kleinen Momente des Alltags: ein gelungenes Kochgericht, ein gutes Handling einer schwierigen Beziehung, eine überstandene schwierige Zeit usw. All diese Erfolge oder „Leistungen“ sind wertvoll. Es ist gut, sie wertzuschätzen und sich christlich selbst zu rühmen. Gerade, wenn andere es so großzügig vergessen, uns zu rühmen, sollten wir uns diese Freude nicht so schnell nehmen lassen! 😉

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Das Gedanke des Paulus, dass er sich allein des Kreuzes Jesu rühmen möchte, tut dem Gesagten keinen Abbruch. Er ist allerdings nicht weniger wertvoll: Er schenkt dem Paulus – und jenen, die dieses persönliche Zeugnis des Paulus beherzigen möchten, – einen Ankerpunkt jenseits dieser vergänglichen Welt. Wenn wir uns des Kreuzes (und damit der siegreichen Liebe) Jesu rühmen, dann ist dieser Ruhm ganz unabhängig von jedem persönlichen Erfolg oder Misserfolg. Diese Weise des Sich-Rühmens macht uns unabhängig von jedem Gelingen oder Misslingen. Es verankert uns in Seiner Liebe und lässt diese Liebe bei uns ankommen.

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Amen

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[1] Ignatius von Loyola, Brief an Teresa Rejadell (18. Juni 1536), in: M. Schlosser, Die Gabe der Unterscheidung. Texte aus zwei Jahrtausenden. 2. erweiterte Auflage, Sankt Ottilien 2015, 205–212, 207.

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