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Karfreitagsfürbitte für die Ukraine

Autor:Lumma Liborius
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2022-03-25

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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In Absprache mit der katholischen Österreichischen Bischofskonferenz hat das Österreichische Liturgische Institut in Salzburg eine zusätzliche Bitte für die „Großen Fürbitten“ in der Karfreitagsliturgie 2022 veröffentlicht. Hier der Text mit kurzem Kommentar:

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Lasst uns (auch) beten für die Menschen in der Ukraine und in allen Kriegsgebieten der Erde;
für alle, die vor dem Schrecken der Gewalt geflohen und ihrer Heimat beraubt sind;
für alle Frauen und Männer, die mit ihrem Leben einstehen für die Abwehr des Bösen und für den Schutz der Schwachen und Verfolgten.

Beuget die Knie. — Erhebet euch.

Allmächtiger, ewiger Gott,
du hast Mitleid mit den Geringen und Armen, die Unterdrücker aber stürzt du.
Wie du Israel aus der Knechtschaft Ägyptens geführt hast, so rette in unseren Tagen alle Opfer von Krieg und Gewalt.
Wandle die Herzen derer, die Böses tun, und lass den Frieden siegreich sein.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. — Amen.

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Im Einzelnen:

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Lasst uns beten für die Menschen in der Ukraine und in allen Kriegsgebieten der Erde...

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Der Krieg in der Ukraine ist der konkrete Anlass, für den diese Fürbitte verfasst wurde. Man sollte aber dabei nicht übersehen, dass immer irgendwo auf der Welt Krieg herrscht. Daher nimmt dieses Gebet nicht ausschließlich die Ukraine in den Blick, sondern alle Kriegsgebiete. Es ist ein Gebet für alle, die von Krieg betroffen sind: die Guten wie die Bösen, die Gewalttätigen wie die Gewaltopfer.

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...für alle, die vor dem Schrecken der Gewalt geflohen und ihrer Heimat beraubt sind...

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„Schrecken der Gewalt“ ist keine wörtliche Übernahme aus den liturgisch gebräuchlichen Bibelübersetzungen, aber doch ein vertrauter poetischer Ausdruck, der vielen Formulierungen etwa aus dem Kontext von Klagepsalmen eng verwandt ist. Das Wort „Heimat“ ist bewusst gewählt, da es nicht nur den Wohnort bezeichnet, sondern auch Herkunft, Sicherheit und emotionale Zugehörigkeit zum Ausdruck bringt. Die Wortwahl macht deutlich, wie gravierend und tiefgreifend der Verlust für all jene ist, die vor dem Krieg geflohen sind.

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...für alle Frauen und Männer, die mit ihrem Leben einstehen für die Abwehr des Bösen und für den Schutz der Schwachen und Verfolgten.

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Krieg ist nicht schön. Krieg ist grausam, verstörend, traumatisch und zerstörerisch. Liturgie darf das nicht ignorieren, zugleich ist Liturgie immer ein poetisch-symbolisches Ritual. Der Text umfasst alle, die für das Gute und gegen das Böse handeln, seien sie bewaffnet oder unbewaffnet. Der Genitiv „des Bösen“ ist doppeldeutig: Es kann sich um einen bösen Menschen handeln – Krieg beweist, dass es böse Menschen gibt –, aber auch um „das Böse“ als etwas Abstraktes, das in der Welt gegenwärtig ist, bis hinein in die Herzen jedes einzelnen Menschen. Der Text will nicht simplifizierend urteilen, aber dennoch die Wirklichkeit beim Namen nennen.

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Es mag überflüssig erscheinen, ausdrücklich „Frauen und Männer“ zu erwähnen, aber diese Formulierung kann beispielsweise daran erinnern, dass es – entgegen früher eingespielten Geschlechterrollen in Kriegszeiten – durchaus Frauen gibt, die (mit der Waffe) „für die Abwehr des Bösen“ einstehen, ebenso wie Männer, die ihr Leben (in Pflegeberufen) „für den Schutz der Schwachen“ einsetzen.

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Allmächtiger, ewiger Gott – Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. — Amen.

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Der Eröffnungs- und Schlussworte des Orationstextes sind dieselben wie in allen anderen Karfreitagsfürbitten. Diese zusätzliche Fürbitte reiht sich also nahtlos in das gesamte Ritual ein. Gerade dadurch soll sie den Versammelten ermöglichen, sich weniger auf die Form als mehr auf den Inhalt fokussieren zu können.

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...du hast Mitleid mit den Geringen und Armen, die Unterdrücker aber stürzt du....

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Dieser Textabschnitt greift Ps 72,4 auf, der in der Einheitsübersetzung lautet: „Er schaffe Recht den Elenden im Volk, er rette die Kinder der Armen, er zermalme die Unterdrücker“. Allerdings sollte der Eindruck vermieden werden, dass hier Lust auf Gewalt und Rache geweckt werden soll. Deswegen ist das sehr martialische „zermalmen“ durch die Ausdrucksweise des Magnificat in Lk 1,52 ersetzt: „er stürzt die Mächtigen (vom Thron)“.

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...Wie du Israel aus der Knechtschaft Ägyptens geführt hast, so rette in unseren Tagen alle Opfer von Krieg und Gewalt....

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Israels Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens ist eines der zentralen biblischen Narrative. Dieser biblische Bezug soll zeigen, wie radikal die Erfahrung des Krieges ist: sowohl für diejenigen, die unmittelbar davon betroffen sind, als auch für diejenigen, die von außen mit Angst und Ratlosigkeit zusehen. Befreiung von Gewalt ist eines der grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse überhaupt; jeder Friede kann als Analogie zur österlichen Ur-Erfahrung Israels gesehen werden.

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Die Befreiung Israels hat übrigens keineswegs erst in der Osternacht ihren liturgischen Ort. In den Improperien, den Gesängen zur Kreuzverehrung am Karfreitag, heißt es unter anderem: „Aus der Knechtschaft Ägyptens habe ich dich herausgeführt“. Von dort ist die Formulierung übernommen, wobei es durchaus auch denkbar gewesen wäre, für die Fürbitte einen noch drastischeren Ausdruck zu nehmen, etwa „Sklaverei in Ägypten“.

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Das Exodusnarrativ erinnert auch an eine Tatsache, die nicht ignoriert werden sollte: Wo immer jemand gewinnt, muss jemand anderes verlieren. Israel kann nur aus Ägypten gerettet werden, indem die Truppen des Pharaos zerstört werden. Jesus kann nur vom Tod auferstehen, indem die Macht des Todes zerstört wird. Man kann keinen Frieden wollen, ohne dass dabei die Gewalt vernichtet wird.

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...Wandle die Herzen derer, die Böses tun, und lass den Frieden siegreich sein.

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Der Gebetstext expliziert nicht, wer diejenigen sind, die Böses tun, aber er bringt klar zum Ausdruck, dass es solche Menschen gibt. Auch Jesus hat das gesagt. Die Liturgie ignoriert nicht, dass es böse Menschen gibt, vielmehr betet sie um deren Bekehrung.

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Im hebräischen Alten Testament ist das „Herz“ nicht so sehr der Sitz der Emotion als mehr der Sitz der Vernunft: ein an dieser Stelle nicht ganz unbedeutendes Detail.

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Das Adjektiv „siegreich“ mag sehr massiv und triumphalistisch klingen, aber auch hier gilt: Es gibt keinen Sieg ohne Verlierer. Der Frieden kann die Gewalt nicht überwinden, ohne dass die Gewalt am Ende als Verlierer dasteht.

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— Diesen Text haben wir für Österreich erarbeitet. Nach meiner Information soll er für die deutschsprachige Schweiz unverändert übernommen werden. Die Liturgische Kommission der Deutschen Bischofskonferenz hat den Text als Vorlage für weitere Überlegungen genommen und plant, eine leicht adaptierte Variante zu publizieren.

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Die Österreichische Fassung mit Vertonung findet sich hier: https://www.liturgie.at/dl/lmslJKJKLNOlOJqx4LJK/Karfreitagsbitte_Ukraine_Format_Karwochenmessbuch_mit_Noten_pdf

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Einige ergänzende Informationen gibt es auf der Website des Liturgischen Instituts: https://www.liturgie.at/pages/liturgieneu/service/gestaltungshinweise/gestaltung_artikel/article/137949.html

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Dieser Beitrag beruht auf einem am 21. März 2022 veröffentlichten englischen Artikel im PrayTellBlog: https://www.praytellblog.com/index.php/2022/03/21/good-friday-intercession-for-ukraine

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