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Ein neues Gotteslob

Autor:Rotter Hans
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:Die deutschen Bischöfe lassen eine Neufassung des "Gotteslob" erstellen. Damit ist natürlich auch die Gelegenheit zu einer neuen Bearbeitung des Österreich- und des Innsbrucker Diözesanteiles gegeben. Ein solches Gebet- und Gesangbuch ist pastoral und theologisch von größter Bedeutung. Es wäre zu hoffen, dass man sich auch an unserer Fakultät intensiv an der hier notwendigen Diskussion beteiligt.
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2002-05-03

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Die deutsche Bischofskonferenz hat den Auftrag erteilt, eine neue Bearbeitung des Gottesslob (=GL) herauszubringen. Das sollte auch Anlass zu einer breiten Diskussion geben, nicht zuletzt im Blick auf den Österreich- und den Diözesanteil. Das Gebet- und Gesangsbuch berührt die Religiosität der meisten Katholiken weit mehr als manches, was an gescheiter Theologie in der theologischen Ausbildung betrieben wird. Für die Spiritualität vieler Katholiken ist das GL zweifellos neben der Heiligen Schrift das wichtigste Buch. Es ist das Gebet- und Gesangbuch für den ganzen deutschen Sprachraum (ausgenommen die Schweiz). Darüber hinaus findet man es in deutschsprachigen Gemeinden in der ganzen Welt (z.B. im südlichen Afrika, wo etwa in Namibia sogar ein eigener Diözesanteil vorliegt). In Novosibirsk gibt es ein Gesangbuch, dessen Herausgeber (Anton Romme) in Innsbruck studiert hat. Er hat viele Lieder aus den Gotteslob übernommen und die Texte ins Russische übersetzt. Auch solche Beobachtungen verdeutlichen die Bedeutung des GL.

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Ich möchte im Folgenden ausschließlich auf den Gesangsteil eingehen. Ein Urteil über die Wichtigkeit und Qualität der übrigen Texte möchte ich hier nicht abgeben.

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Als das Gotteslob 1975 eingeführt wurde, war es wohl gegenüber den früheren meist nur für eine Diözese bestimmten Gesangbüchern des deutschen Sprachraums ein erheblicher Gewinn.

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a) Touristen, die gerade in Tiroler Kirchen nicht selten einen Großteil oder auch die Mehrheit der Gottesdienstbesucher darstellen, müssen sich mehr in dem Maße wie bisher durch unbekannte Lieder ausgeschlossen fühlen. Man hat gemeinsame Lieder für manche überdiözesanen Treffen, wo die verschiedenen traditionellen Fassungen ein ärgerliches Problem sein können, wenn man z.B. "Tauet Himmel den Gerechten" oder "Schönster Herr Jesus" singen möchte und davon die verschiedensten Melodien verbreitet sind. Es wird auch bei Gottesdienstübertragungen im Fernsehen angenehm empfunden, wenn Lieder gesungen werden, die in ihrer Fassung vertraut sind.

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b) Es sind viele ökumenische Lieder zur Verfügung für ökumenische Gottesdienste oder auch für Mischehepaare, die gemeinsam den Gottesdienst besuchen wollen. Die Neuausgaben von nicht-katholischen Gesangsbüchern enthalten allerdings auch manche sehr schöne Lieder, die wir übernehmen könnten und sollten, auch um dem ökumenischen Anliegen noch mehr entgegen zu kommen.

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c) Das GL von 1975 hat Lieder aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert stark zurückgedrängt zugunsten älterer oder auch moderner Lieder, was oft musikalisch, aber auch textlich ein echter Fortschritt war. Es ist mir allerdings unverständlich, dass unser Diözesananhang die "Erste Messreihe" mit dem früheren Text noch einmal abgedruckt hat (GL 915-920), der aus guten Gründen für den allgemeinen Teil (462-473) grundlegend überarbeitet worden ist. Warum man bei 468 nur eine Strophe übernommen hat, ist ebenfalls schwer einzusehen.

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Manchmal war man bei Auswahl und Neufassung der Lieder vielleicht etwas zu puristisch und hat viele beliebte Lieder ausgesondert, die dann zum Teil wieder in den Landes- und Diözesanteilen aufgenommen wurden (manche Lieder von 15 und mehr Diözesen. "Erde singe, dass es klinge" ist z.B. in 18 Diözesananhängen aufgenommen!) Überhaupt enthalten diese Anhänge, die je nach Diözese von sehr unterschiedlicher Qualität sind, oft schönes Liedgut, von dem manches es wohl verdienen würde, wieder in den Hauptteil aufgenommen zu werden. - Aus verständlichen Gründen sind Kompositionen aus der Zeit unmittelbar vor Erscheinen des GL unverhältnismäßig stark vertreten. Hier sollte man bei einer Neuausgabe auch einiges einsparen.

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d) Inzwischen ist eine Neufassung des Textes vieler Lieder in inklusiver Sprache erfolgt, die noch allgemein Geltung bekommen soll, damit Frauen (-gemeinschaften) nicht mehr singen müssen "Nun Brüder sind wir frohgemut" etc.. Zudem hat in vieler Hinsicht der Reichtum des Liedschatzes, insbesondere auch seine liturgische Verwendbarkeit deutlich zugenommen.

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Das Gotteslob ist inzwischen 27. Jahre alt geworden und wird, bevor es von der neuen Bearbeitung abgelöst wird, wohl noch seinen 30 Geburtstag erleben, was für ein derartiges Gesangsbuch sicher ein hohes Alter darstellt.

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Im Blick auf die Wünsche, die man an eine neue Auflage haben kann, darf man wohl auf einige Schwächen dieses Buches hinweisen.

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a) Lieder singen sich ab. Wenn man zum hundertsten Mal "Lobe den Herren" gesungen hat, hat man das dringende Bedürfnis nach Abwechslung. Das empfinden vielleicht weniger die Senioren, sehr viel mehr aber junge Leute. Schon deshalb wird es hohe Zeit, neue Lieder zur Verfügung zu stellen. "Singt dem Herrn ein neues Lied!" Überhaupt scheint mir, dass die jungen Leute beim GL von 1975 weniger als Zielgruppe ins Auge gefasst waren, jedenfalls konnte ich schon damals erleben, dass Jugendliche bei einem Einkehrtag es ablehnten, das GL zur Hand zu nehmen und nur bereit waren, rhythmische Lieder zu singen.

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b) Manche Lieder in unserem GL überfordern die durchschnittliche Gemeinde. Sie werden dann oft in schauerlicher Weise zurecht gesungen und rhythmisch verunstaltet. Beispiele sind das Schlusslied der Schubertmesse (802,9) und einige moderne Lieder wie etwa GL 534, das eigentlich zur Begleitung eine Band mit Schlagzeug bräuchte. - Die Schubert- aber auch die Haydnmesse ("Hier liegt vor deiner Majestät im Staub die Christenschar") sind in ihrem Text theologisch so fragwürdig (aufklärerisch bis freimaurerisch), dass man sich eigentlich eine völlige textliche Neufassung überlegen sollte, wie das bei manchen anderen Liedern oft mit gutem Erfolg vorgenommen wurde. (Vgl. Alles meinem Gott zu ehren 615 oder Maria, dich lieben 594)

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c) Relativ viele Lieder werden in 99% der Gemeinden praktisch nie gesungen. Sie gehören dann auch nicht in ein Gesangbuch, so wenig wie ein Anzug, den man seit 10 oder 15 Jahren nicht mehr getragen hat, in den Kleiderschrank gehört. (Vgl. GL 271, 273, 274, 425ff, 499, 515, 539, 548, 552, 631, 636, 641, 652 usw.) Wenn solche Lieder in ganz speziellen Fällen für eine ganz besondere Gemeinde dennoch erwünscht sind, kann man sie auf Blättern austeilen.

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d) Die Melodien für Antiphonen, Alleluja- und Kyrie-Rufe sind manchmal musikalisch nichtssagend, manchmal zu schwierig (vgl.452), einige auch zahlenmäßig zu viele (etwa 30 Alleluja-Rufe!).

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e) Das GL enthält kaum mehrstimmige Gesänge (ausgenommen 358,3 und einige Kanonlieder) im Gegensatz zu katholischen und anderen Gesangsbüchern in der Schweiz, die teilweise alle Lieder mehrstimmig darbieten.

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f) So gut wie völlig fehlen die heute so beliebten rhythmischen Lieder. Auch wenn vieles davon musikalisch nicht sehr hochwertig ist, werden sie doch mit weit mehr Freude gesungen als etwa viele Messreihen in unserem GL. Nicht umsonst findet man in vielen Kirchen und Gemeinschaften Sammlungen mit rhytmischen Liedern. Einige von diesen Liedern hat man offenbar in einer eigenen Ergänzungsbuch zum GL mehr versteckt als veröffentlicht. Auch Taize-Lieder sollte man aufnehmen, die ja liturgisch sehr gut verwendbar sind.

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Der Österreich- und der Diözesanteil sollten ruhig etwas reichlicher ausgestattet werden, möglichst mit Liedern, die bei uns gerne gesungen werden, speziell von Jugendlichen und "kleinen Gemeinschaften".

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Das Beharren auf den immer gleichen traditionellen Liedern wird manchmal damit gerechtfertigt, dass man zur Einführung und Einübung neuer Lieder einen Kantor bräuchte, den man nicht hat. Wenn man eingesehen hat, wie wichtig die Pflege und Erneuerung des Liedschatzes einer Gemeinde ist, dann lässt sich für dieses Problem gewöhnlich eine Lösung finden. Es darf nicht so sein, wie ich es erlebt habe, dass man an einem hohen Feiertag vom Vorsänger gesagt bekommt, er singe lieber die Schuber-Messe als die von Haydn, ganz zu schweigen von anderen Messreihen, weil die Gemeinde die erstere besser kann. Die gleiche Gemeinde lässt aber einen recht ordentlichen Schüler-Chor auftreten!

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Gemeindegesang bedarf einer ständigen Pflege und Erneuerung. Die Ausarbeitung einer Neufassung des GL sollte einen wirklichen Fortschritt im katholischen Kirchengesang bringen! Man sollte nicht zu viel Angst vor wesentlichen Änderungen haben.

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