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Freuen? – Worüber denn? Gedanken zu Gaudete 2020

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2020-12-15

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen (Lesejahr B): Jes 61,1-2a.10-11; (1 Thess 5,16-24); Joh 1,6-8.19-28

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„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Denn der Herr ist nahe.“

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So lautet der Eröffnungsvers, von dem der heutige Sonntag seinen Namen hat: Gaudete – Freut euch.

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Liebe Gläubige, wie geht es Ihnen, wenn man Sie im Advent dieses außergewöhnlichen Jahres auffordert, sich zu freuen? Empfinden Sie das als Aufmunterung oder vielmehr als Zumutung? Worüber oder worauf sollen wir uns denn freuen – auf Weihnachten, von dem wir nicht wissen, wie wir es feiern können und ob seine Feier nicht unsere oder die Gesundheit unserer Liebsten ernstlich gefährdet? Auf die Besuche, die wir uns großteils verkneifen müssen? Man könnte sich darüber freuen, dass der Advent einmal wirklich eine stille Zeit ist – oder ist es doch so, dass uns jetzt der vorweihnachtliche Rummel fehlt, auch wenn es in den vergangenen Jahren etwas zu viel war? Sind nicht die momentanen Gründe für die Stille eher traurige Gründe und mindert das nicht die Freude darüber?

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Ich will das alles gar nicht leugnen. Die kindliche Vorfreude auf Weihnachten, die in normalen Jahren nicht nur die Kinder ergreift, ist dieses Jahr getrübt und mit Angst durchzogen. Aber die Kirche, die sich freiwillig Beschränkungen auferlegt hat und noch auferlegt, die vieles im Ablauf anders macht, um die Sicherheit zu erhöhen, die sich der Probleme und Gefahren wohlbewusst ist, feiert trotzdem heute Gaudete und stellt den üblichen Vers aus dem Philipperbrief des Apostels Paulus an den Anfang dieser Feier.

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Vielleicht sollten wir gerade heuer den Blick darauf lenken, dass dieser Text ja ursprünglich nicht im Zusammenhang mit Weihnachten, mit der Geburt Jesu, stand. Er stand in einem Brief des Paulus, den dieser aus dem Gefängnis an die Gemeinde in Philippi schrieb, die die erste war, die Paulus in Europa gegründet hatte und die ihm offenbar sehr am Herzen lag.

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War dem Paulus im Gefängnis nach Gaudi zumute? Wohl eher nicht. Seine Aufforderung, sich zu freuen, ist nicht für einen besonderen Anlass gedacht, vielmehr sagt er ja, man solle sich zu jeder Zeit im Herrn freuen. Paulus ist überzeugt: Menschen, die an Christus glauben, haben jederzeit Grund sich zu freuen. Und er gibt den Grund dafür auch an: „Denn der Herr ist nahe.“ Man kann das so lesen, dass Christus jetzt nicht da ist, aber bald kommen wird. Man kann das aber auch so lesen, dass uns durch Christus Gott immer nahe ist. So wie er sich schon ganz am Anfang dem Mose gezeigt hat als der Gott, der mit ihm ist, als der Gott, der da ist. Deshalb fährt Paulus in seinem Brief fort: „Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott.“ Wieder nachgefragt: Ist er wirklich so naiv, uns sagen zu wollen, dass wir uns keine Sorgen machen sollen? Nein, es geht ihm darum uns zu sagen, dass all unsere Sorgen umfangen sind von der Nähe und Sorge Gottes für uns. Darum können wir in jeder Lage unsere Bitten vor Gott bringen, denn er ist nahe. Darum meint Paulus auch, dass wir unsere Bitten immer auch mit Dank verbinden sollten: Denn Gott ist nahe – auch und gerade, wenn wir dunkle Zeiten erleben.

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Unser Problem ist, dass wir Gott dann oft nicht mehr wahrnehmen, dass uns die Behauptung seiner Nähe dann vielleicht sogar wie Hohn vorkommt, weil wir seine Gegenwart nicht spüren. Wir fühlen uns dann von Gott verlassen. Darum braucht es Zeuginnen und Zeugen, die für uns in unserer Dunkelheit Zeugnis ablegen für Gott, für das Licht, das er in die Welt sendet. Johannes war so ein Zeuge – und das hat die Religionsführer verunsichert und beunruhigt. „Wer bist du?“, wollen Sie wissen. Auch Jesus werden sie das später fragen. Sie denken von einem Titel her: Wer den richtigen Titel hat, ist berechtigt etwas im Namen Gottes zu tun. Wenn man der Christus ist oder wenigstens ein Prophet, dann hat man das Recht, zu tun, was Johannes tut. Der sieht es aber anders. Ihm kommt es nicht auf einen Titel an, er denkt von seiner Aufgabe, von seiner Mission, her: „Ich bin die Stimme eines Rufers in der Wüste …“, so seine Selbstbeschreibung. Für ihn ist wichtig, was er zu tun hat. Und wenn er das tut, wozu er berufen und gesandt ist, dann hat er auch die Berechtigung dazu. Er weist darauf hin, dass das auch mit dem so ist, der kommen wird: Er steht mitten unter ihnen und sie kennen ihn nicht, aber er ist von einer Erhabenheit und Würde, die alles übertrifft.

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Der Herr ist nahe, aber wir erkennen ihn nicht, wir sehen ihn nicht, weil uns die Abwesenheit der gewohnten Formen, die Unmöglichkeit, alles so zu machen, wie wir es immer machen, bedrückt, verängstigt oder verärgert. Diese gewohnten Formen sind nicht überflüssig oder gar schlecht; nein, sie sind lange gewachsene Traditionen und halten den Glauben an die absolute Nähe Gottes – an seine Menschwerdung – lebendig. Dennoch sind sie nur Formen und das Eigentliche liegt dahinter. Die Formen wollen darauf hinweisen und es zugänglich machen. Sie können es aber auch verdecken und verbergen, wenn wir uns zu sehr aus sie konzentrieren. Es ist wie mit den Titeln, nach denen die Pharisäer fragen: Sie sagen etwas aus, wenn sie verraten, welche Mission sich mit ihnen verbindet. Aber wenn sie an die Stelle der Mission treten, verdecken sie diese.

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Als gläubige Christinnen und Christen ist es auch unsere Aufgabe, Zeugnis abzulegen, Zeugnis dafür, dass der Herr dieser Welt nahe ist – immer und zu jeder Zeit, auch und gerade, wenn wir das nicht wahrnehmen. Nicht jeder und jede von uns nimmt es nämlich zur gleichen Zeit wahr oder nicht wahr. Der eine kann gerade in großer Dunkelheit sein und kein Licht sehen – aber eine andere nimmt das Licht wahr und kann Zeugnis dafür ablegen. Nicht so, als ob die Dunkelheit und die Angst nicht da wären. Sie sind da und sie gehen auch nicht einfach weg, wenn man an Gott glaubt. Aber so, wie es die großen Gebete der Bibel, die Psalmen, auch immer wieder getan haben: Sie haben versucht, die Erfahrung wachzurufen, dass der Herr schon einmal in einer schlimmen Situation nahe war und letztlich Befreiung geschenkt hat. Die ständige Freude an Gott, zu der Paulus auffordert, ist keine Gaudi, weil man immer super drauf und einem nur zum Lachen zumute ist. Diese Freude ist eine tiefere Freude, die auch am Grund von Angst und Trauer überleben kann und aus der Erfahrung kommt: Der Herr hat es schon einmal getan, er hat schon einmal Rettung geschickt – und er wird es wieder tun. Dafür können wir einander und der Welt Zeugnis ablegen, wenn wir der Aufgabe gerade gewachsen sind – und wenn wir es nicht sind, dürfen wir darauf hoffen, dass jemand dies uns bezeugt und uns die Erinnerung an die Heilstaten Gottes wachruft.

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Wenn das geschieht, können wir vielleicht mit dem Propheten Jesaja sagen: „Meine Seele jubelt über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, / er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt / und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt. Denn wie die Erde ihr Gewächs hervorbringt / und der Garten seine Saat sprießen lässt, so lässt GOTT, der Herr, Gerechtigkeit sprießen / und Ruhm vor allen Nationen.“

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Beten wir dafür, dass wir dazu überzeugt „Amen“ sagen können.

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