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Halb- und Wenigkommunion? Eventkommunion? Kommunionvorbereitung als Lernplatz für Geschwisterlichkeit

Autor:Klein Irmgard
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2020-10-10

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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In diesem Frühjahr fiel David und Magdalenas Erstkommunion fürs erste aus, da alle Gottesdienstgemeinschaften mit mehr als vier Teilnehmer*innen in Präsenz abgesagt wurden. Mit digitalen Ersatzleistungen haben Pfarrgemeinden viel überbrückt, aber die Feier zum ersten Kommuniongang der Kinder konnte nun doch nicht als Online-Event veranstaltet werden. Jetzt im Herbst dürfen sie endlich – ausschließlich die Familienangehörigen sind aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen als Feiergemeinde zugelassen. Eigentlich eine Halb-kommunion, denn das Gros der Communio, die Mehrheit der Pfarrgemeinde ist ja abwesend.[1]

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Aus religionspädagogischer Perspektive ist die Vorbereitung auf die Erstkommunion, die manchmal auch etwas weiter als „Eucharistiekatechese“ gefasst wird und damit die Lernschritte und die Erfahrungsbildung, die sich nach der Feier der Erstkommunion anschließen miteinschließen, ein didaktisch herausforderndes Unterfangen, da die dichten Glaubensgeheimnisse und das liturgische Ritual vom Leben, Denken und Handeln der Kinder weit entfernt sind. Es gilt diese Bildungsprozesse in theologischer wie auch in anthropologischer Verantwortung zu kontextualisieren. Jeweilige, für die Teilnehmenden gerade geeignete Lernwege zu entwerfen und mit ihnen zu gehen, um „ […] eine Plattform der Begegnung zu gestalten zwischen den Teilnehmenden mit ihren Lebenserfahrungen und tradierten biblisch-christlichen Erfahrungen“[2] ist nicht leicht. Lob, Dank und Anerkennung gebühren daher allen pastoralen Mitarbeiter*innen und den vielen Ehrenamtlichen, den engagierten Müttern und Vätern, die diesen katechetischen Spagat immer noch oder immer wieder tun. Sie tun es für uns, die in dieser Hinsicht untätigen Kirchenmitglieder. Denn Trägerin der Katechese sind der Bischof und wir, die gesamte Gemeinde, die kraft des gemeinsamen Priesteramtes aller Getauften am katechetischen Dienst des Bischofs mitwirken (LG 10, AA 3).

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Gegenseitige Fremdheit als Problemanzeige

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Sicherlich ist eine Problemanzeige angebracht. Selbst engagierte und aufgeschlossene Messgeherinnen weichen meistens aus, wenn Erstkommunion oder Firmung am Programm stehen. Insofern zeigt die heuer gewählte Feiergestalt nur eine ohnehin schon spürbare Fremdheit. So viel Ferne, so viel Ungeübte scheinen oft mit den als „Eventkommunion“ wahrgenommenen Liturgien in den liturgischen Rahmen hereinzukommen. Sie unterbrechen die routinierten Feiergewohnheiten. Auch bei Familiengottesdiensten möchte man ja ohne Familie gar nicht so gern teilnehmen. Ob der aufwändig gestalteten „Übersetzungsarbeit“ für besondere Feierteilnehmer*innen drängt sich die Frage auf: Haben sich die Feiern der Eucharistie so sehr ins Unverständliche und zu sakramentalen Insider-veranstaltungen eingeigelt und sind befremdlich geworden? Das ist aus vielen Gründen schade. Unter anderem auch für die liturgischen Feiergemeinschaften, die unter Überalterung und starker Ausdünnung leiden. „Quelle und Höhepunkt“ (SC 10) bleiben einem weiteren Kreis verschlossen, versiegelt oder auch vorenthalten.

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Gemeinschaftliche Lernwege der Geschwisterlichkeit

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Nun scheinen manchen Beobachtern die Praxis und Materialien der Kommunionvorbereitung sowie die Feier der Erstkommunion aus sakramententheologischem wie liturgischem Blickwinkel defizitär und es wird als praktikabler Lösungsweg[3] vorgeschlagen, dass Kleinstgruppen innerhalb der „gewöhnlichen“ Sonntagseucharistie zur Erstkommunion gehen sollten. Dieser Vorschlag bedenkt stark die Bedürfnisse von Liturgie und Kirche und nimmt weniger die Kindergruppen als Kirche und ihr Feiern als ein gottesdienstlich wichtiges Feiern wahr und ernst. Gerade vor dem Hintergrund der wieder neu bedachten Geschwisterlichkeit (Fratelli tutti 2020) und einem dringenden Mühen um dieselbe halte ich den andernorts gemachten Vorschlag, die Kindergruppe aufzusplittern aus pädagogischer Sicht für weniger gemeinschaftsförderlich und möchte an dieser Stelle auf Chancen und Kostbarkeiten hinweisen, die sich in der immer wieder gewagten Erstkommunionkatechese und in ihrer an vielen Orten oft als Jahrgangsfeier in der Pfarrgemeinde realisierten Eucharistiefeier bieten (können).

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Erstens wirken sich Formen der Erstkommunionkatechese und die besonders gestaltete Feier auf die Religiosität der Eltern[4] aus. Damit ergibt sich eine nicht zu verspielende Möglichkeit, die Schätze der Frohbotschaft anschlussfähig an Lebenskontexte zu machen, die kirchliche Präsenz nur fragmentiert und am Rande wahrnehmen. Hier geht es um innerkirchliche Geschwisterlichkeit in pluralen gesellschaftlichen Settings. Während allsonntägliche Pfarrgemeindegottesdienste oft wenig Milieuvariation aufweisen, ist diese Unterschiedlichkeit und Buntheit an Lebenszusammenhängen bei Erstkommunionfeiern deutlich spürbar.

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Zweitens wirkt sich die gemeinsame Feier der Kinder auf sie selbst als geschwisterliche Gemeinschaft aus. Die im Jahrgang sichtbare Communio-Dimension entfällt bei Splittergruppen völlig. Die in besonderer Weise verkostete Gemeinschaft mit Jesus im Fest der Heiligen Kommunion lässt sich bei weitem nicht auf den Empfang der Hostie reduzieren. Eine solche Engführung ist nicht zulässig. (SC 7) Christus ist in vielfältiger Weise gegenwärtig: in der Gemeinschaft, im Wort, im priesterlichen Vorsteher. In allen feiernden Kindern, die Kirche sind und beten und singen. "Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen" (Mt 18,20)

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Katechetische Lernprozesse als sozio-konstruktive Erfahrungsbildung

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Drittens bedienen auch die besten katechetischen Materialien, die vielleicht im Online-Design und eventuell österreichweit implementiert werden, allein eine kognitivistische Sicht auf religiöse Bildung und konzentrieren sich damit auf reproduzierbares Inhaltswissen. Diese Sicht greift bei einem umfassenden Verständnis, welches katechetische Bemühungen als eine Hinführung und Ermöglichung der Einwurzelung des eigenen Lebensfadens im Gewebe der kirchlichen Gemeinschaft mit anderen am Horizont hat, zu kurz. Kommunionbegleitungskonzepte setzen aus entwicklungs- und sozialisationstheoretischer Begründung im Wissen um die lebenslange Dynamik der vieldimensionalen Erfahrungsbildung auf einer tieferen und breiteren Ebene als der rationalen Vermittlung an. Ohne Begegnung untereinander und Erfahrungen eines gemeinsamen Unterwegsseins der Kinder können sich David und Magdalena gar nicht als mitgemeinte Teile des Volkes Gottes erkennen lernen bzw. in Geschwisterlichkeit einüben beginnen.

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Viertens geht ein Lernweg der Ortsgemeinde verloren, wenn ihre Feiergewohnheit ununterbrochen fortbesteht. Es braucht die irritierende Konfrontation mit dem, was quer zu ihrem Habitus steht. Da können wir als erwachsene Feiergemeinschaft eine Fragekultur entwickeln – wo seid ihr? Was braucht ihr, damit wir an einem gemeinsamen Tisch Platz finden können? Insofern nimmt eine gastlich und auf Kinder ausgerichtete besondere Liturgie als neugierige Gottesdienstgemeinschaft ihren Dienst an der Einheit ernst. Dass dies nicht bei einem einmaligen „Eventgottesdienst“ bleiben möge, ist ein begrüßenswerter Entwicklungsvorschlag für Pfarrgemeinden. Es gilt, so konzipiert Lumma, eine Willkommenskultur für unterschiedliche Lebensalter, Milieus und im liturgischen Handeln auch ungeübte Menschen zu entwickeln und in der allsonntäglichen ars celebrandi zu verankern.[5]

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„Am gemeinsamen Tisch Platz haben“ – wie geht das?

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„Erstkommunion bedeutet initiationstheoretisch, ‚am gemeinsamen Tisch einen Platz haben‘ (Kohler-Spiegel 2008: 44), aufgenommen sein in die Gemeinschaft und herausgefordert werden zur Begegnung.“[6]Diese Herausforderung bleibt wechselseitig zwischen denen, die schon am Tisch Platz haben und denen, die neu hinzukommen, bestehen. Insofern ist die geschwisterliche Sicht auf die Entwicklung intra- und extrakirchlicher Gemeinschaftsbeziehungen eine fortdauernd spannende. Lernwege der Eucharistiekatechese, die sensibel die Communio-Dimension innerhalb der neuen Tischgäste mitbedenken, fördern und einbeziehen, sind ein kostbares und vielversprechendes Feld der Einübung in Geschwisterlichkeit.

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[1] Es werde „die Initiation in eine konkrete Gemeinde verfehlt, wenn sich zur Erstkommunionfeier gar nicht die real vor Ort bestehende Gemeinschaft, sondern nur eine ad hoc zusammengestellte Personengruppe aus Erstkommunionkindern und ihren Angehörigen versammelt“, diagnostiziert Lumme. Lumma, Liborius: Erstkommunion: Schwächen der gegenwärtigen Praxis und ein Vorschlag zur Weiterentwicklung (2019 07 23)

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[2] Scheidler, Monika (2011): Das didaktische Profil der Katechese. In: Angela Kaupp (Hg.): Handbuch der Katechese. Für Studium und Praxis (Grundlagen Theologie), 109–129, S. 129.

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[3] Lumma, Liborius: Erstkommunion: Schwächen der gegenwärtigen Praxis und ein Vorschlag zur Weiterentwicklung  (2019 07 23)

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[4] Vgl. Biesinger, Albert: Erstkommunion_Erstkommunionkatechese__2018-09-20_06_20(1). In: WiReLex 2016, 1–17, S. 3-4.

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[6] Altmeyer, Stefan; Biesinger, Albert; Boschki, Reinhold; Herrmann, Dieter; Hiller, Simone; Kießling, Klaus (2015): Religiöse Sozialisation im Rahmen der Erstkommunionkatechese. Theorien und Stand der Forschung. In: Forschungsgruppe „Religion und Gesellschaft“ (Hg.): Werte - Religion - Glaubenskommunikation. Eine Evaluationsstudie zur Erstkommunionkatechese, 15–46, S. 17-18.

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