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Rezension von: Luna Born, Missbrauch mit den Missbrauchten

Autor:Ladner Gertraud
Veröffentlichung:
Kategoriekurzessay
Abstrakt:
Publiziert in:AEP Informationen. Feministische Zeitschrift für Politik und Gesellschaft. Nr. 2/2020; https://aep.at/aep-informationen/
Datum:2020-06-16

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Luna Born: Missbrauch mit den Missbrauchten. Mehr Träume, als die katholische Kirche zerstören kann. Tectum Verlag Baden-Baden 2019, ISBN 978-3-8288-4340-0, 282 Seiten, 25,70 Euro.

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Luna Born beschreibt in diesem Buch ihren Weg von der Entscheidung, sexuellen Missbrauch durch einen Priester der römisch-katholischen Kirche in Deutschland anzuzeigen, bis hin zur Anerkennung ihres Falles. Sie beschreibt den ermüdenden Gang durch die Struktur Kirche und die Probleme, die dabei offensichtlich werden. Sie schreibt spannend und konsequent aus ihrer Perspektive: Was zunächst eine Perspektive des verwundeten Opfers ist, wird im Laufe der Entwicklung zu einer Perspektive der Betroffenen. Was zunächst als ein bedrückendes Buch von oder über Missbrauchsopfer anmutet, wird zum „Glücksbuch … und eine Liebeserklärung an das Leben“ (Covertext).

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Das Buch gliedert sich in drei Teile; das Coverbild und weitere Bilder im Innern des Buches – gemalt von der Autorin – veranschaulichen die emotionale Verarbeitung des Geschehenen. Jedem einzelnen der Unterabschnitte voran geht ein Zitat aus aktuellen Pressemeldungen als leitendes Motto zum Thema.

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Der erste Teil des Buches gibt als Der rote Faden eine Leseanweisung. Es beginnt mit dem Vorwort von Pater Klaus Mertes (S. VII-XIII), der einzelne Themen hervorhebt: die Haltung von Vertretern kirchlicher Institutionen gegenüber den Betroffenen, die Rolle der Unschuldsvermutung bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen, problematische Seiten der Anerkennungszahlungen, die kirchliche Sprache und Entscheidungsstruktur. Im Vorab der Autorin (S. 1-6) erklärt diese, warum dieses Buch als Glücksbuch zu lesen ist, wieso sie unter ihrem Künstlernamen schreibt und alle Personen, mit denen sie im Laufe des Verfahrens zu tun hat, anonymisiert. Wie in anderen Publikationen ein Abkürzungsverzeichnis, folgt hier eine zweiseitige Liste der anonymisierten Ansprechpartner*innen der Autorin in den Bistümern.

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In dreiundzwanzig Abschnitten befasst sich der zweite Abschnitt des Buches (Teil Eins; S. 9-176) mit dem Verlauf des Geschehens, von den Begleitumständen der sexuellen Übergriffe, der Entscheidung zur Anzeige, den verschiedenen Ansprechpersonen in den befassten Bistümern, bis hin zum aktuellen Stand zur Zeit der Drucklegung des Buches. Beschreibungen des Geschehens im Verfahren und im privaten Leben wechseln ab mit Tagebuchauszügen und leicht lesbaren Erläuterungen zur Posttraumatischen Belastungsstörung, dazu, dass es in der Kirche keine Gewaltenteilung gibt, zur Bedeutung von Bischöfen für die Herangehensweise an Aufarbeitung, zur Vermischung von staatlichem Rechtssystem und Seelsorge, zur Täter-Opfer-Umkehr.

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Der dritte Abschnitt des Buches (Teil Zwei) beschreibt in fünfzehn Abschnitten (S. 177-263) Struktur und Strukturprobleme der römisch-katholischen Kirche, die Missbrauch und Vertuschungbegünstigen. Die Autorin stellt zu Beginn die Schuldfrage und unterscheidet klar zwischen der Verantwortung Einzelner (Schuld) und strukturellen Bedingungen, die sexuelle Übergriffe und deren Vertuschung ermöglichen und vereinfachen. Anschließend erörtert sie, welche Bedeutung strukturellen Gegebenheiten zukommen: Zwangszölibat, Benachteiligung der Frauen, Doppelmoral, Sexualität und Kirche, die Vorbereitung der Priester auf Nosex, die erhöhte moralische Stellung der Geistlichen, monarchische Entscheidungsstrukturen, kirchliches Rechtssystem als Paralleljustiz zum staatlichen Rechtssystem, Vermischung von Rechtssystem und Seelsorge. Sie wiederholt und vertieft dabei einige Punkte, die bereits im vorangegangen Teil behandelt wurden.

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Wiederum konsequent aus der Perspektive eines Opfers bzw. einer Betroffenen beschreibt die Autorin dann die Umsetzung bzw. Auswirkungen der Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz im Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener auf diese. Als strukturelles Kernproblem ortet Born die Herangehensweise des Kirchenrechts an sexualisierte Gewalt als Verstoß gegen das sechste Gebot (can. 1395 CIC), ohne dass die Missachtung der Würde und der Rechte von Betroffenen je in den Blick genommen wird.

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Die Beschreibung des guten Endes – neue Träume, positive Veränderungen im eigenen Leben -, ein Dank, sowie Anmerkungen und ein Abbildungsverzeichnis beschließen dieses Buch.

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Dieses Buch habe ich über die Kar- und Ostertage gelesen. Und es ist wirklich ein österliches Buch. Luna Born findet klare Worte und Bilder, unter anderem für das Ausgeliefert-Sein an willkürliche Umgangsweisen in Mein Bischof = mein Schicksal, in energetisches Schulterzucken für das Abschieben von Verantwortung, die Verdrehung des SchuldPfeils für die Opfer-Täter-Umkehr. Mancher theologischen Differenzierung mag es mangeln. Aber Born schreibt – wie ich nochmals hervorheben möchte – konsequent aus der Perspektive einer Betroffenen, und genau diese Perspektive macht das Buch so wertvoll. 

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