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Von königlicher (All-)Macht. Gedanken zum Christkönigssonntag 2019

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2019-11-28

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (2 Sam 5,1–3); Kol 1,12–20; Lk 23,35b–43

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Liebe Gläubige,

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auf den ersten Blick könnte die Spannung zwischen den Texten des heutigen Sonntags nicht größer sein: hier der Brief an die Gemeinde in Kolossä, der von Jesus spricht als Bild des unsichtbaren Gottes und Erstgeborenem der ganzen Schöpfung, kundtut, in ihm, durch ihn und auf ihn hin sei alles erschaffen, denn er sei vor aller Schöpfung – ein einziges Bekenntnis zur Gottheit Christi; dort das Lukasevangelium, das uns einen Menschen vorstellt, der als Gotteslästerer verurteilt wurde, zwischen zwei Schwer­ver­bre­chern am Kreuz hängt, mit Essig gequält und mit Häme ver­spot­tet wird – die Darstellung eines ausgestoßenen Verlorenen im Endstadium. Und diese Texte legt uns die Kirche heute zum Christkönigsfest vor. Den ersten Text aus dem Kolosserbrief kann man ja gut mit Christkönig in Verbindung bringen, aber den zweiten? Hat sich da vielleicht jemand bei der Auswahl des Evangeliums grob vertan?

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Dem ist sicher nicht so, und das merken wir, wenn wir einen zweiten Blick auf unsere Texte riskieren: Da ist auch im Brief nach Kolossä davon die Rede, dass Christus der Erstgeborene der Toten sei und am Kreuz durch sein Blut Frieden gestiftet habe, und da erzählt uns das Lukasevangelium, wie der am Kreuz hängende und gemarterte Jesus einen Platz im Paradies vergibt. Es ist also gar nicht so, dass der eine Text nur vom göttlichen Herrn und der andere vom geschundenen Menschen spricht, sondern – trotz unterschiedlicher Betonung – bringen beide Texte beides zusammen: den Kreuzestod und die souveräne Größe Jesu. Und das ist auch die Intention der Kirche, wenn sie uns zum Christkönigsfest diese Lesungen vorstellt: Christus – souverän, wie ein König – und doch bei den Geringsten – auf dem Kreuzesthron, wie ein Kirchenlied sagt.

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Die Spötter unter dem Kreuz verstehen das nicht. Wenn Jesus ein König ist, dann soll er sich doch bitte aus dieser misslichen Lage befreien und damit ein für allemal klären: Ist er es oder ist er es nicht, der Sohn Gottes? Wenn ja, dann soll er sich eben selber helfen. Wenn er sich nicht hilft, dann ist er es eben nicht, das erscheint ihnen nur logisch. Doch – stellen wir uns die Szene einmal plastisch vor: Die Soldaten und die umstehenden Menschen verspotten Jesus und plötzlich zieht dieser in Hollywood-Manier die Hände samt Nägeln aus dem Holz, dann die Nägel aus Händen und Füßen und hüpft vom Kreuz herab oder fährt gleich in den Himmel auf. Wie ginge es denn dann weiter? Wäre das nur grotesk? Wäre es nicht v.a. furchterregend? Würden sich die, die eben noch gelästert hatten, plötzlich niederwerfen und Jesus anbeten?

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Das könnte man wohl annehmen. In diesem Fall hätte aber Jesus nicht Frieden gestiftet am Kreuz. Er hätte die Menschen bestärkt im Glauben an einen über­wäl­ti­gen­den, die Menschen mit Gewalt zur Ordnung zwingenden, übermäch­ti­gen Gott, dessen Einstellung ein Satz aus Goethes Erlkönig auf den Punkt bringen würde: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!“ All das Lie­bes­gesäusel von vorher wird durch diesen einen Satz als Lug und Trug entlarvt. Und genau so hätte eine wundersame Selbsterrettung Jesu seine Sätze von der alles vergebenden Liebe Gottes, die bis zur Feindesliebe geht, als Betrug erwiesen. Feindesliebe fordern kann jeder. Glaubhaft wird diese Forderung aber erst, wenn der, der sie erhebt, selbst diese Feindesliebe lebt. Und wenn er sie sogar lebt, während er selber gerade von diesen Feinden zu Tode gefoltert wird, dann übersteigt das die Kräfte der meisten Menschen. Jesus hatte diese Kraft. Er war so erfüllt von der Kraft Gottes, dass er sogar um Vergebung für jene bitten konnte, die gerade dabei waren, ihn umzubringen: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34) Diese Bitte geht dem heutigen Ausschnitt aus dem Evangelium unmittelbar voran: auf diese Bitte hin verspotten die Menschen Jesus und fordern ihn auf, sich zu retten – und sie bewahrheiten damit, was Jesus gerade gesagt hat: sie wissen nicht, was sie tun; und sie wissen auch nicht, was Jesus tut: nämlich sie retten.

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Seltsamerweise merkt das nur einer: ein Verbrecher, den man mit Jesus kreuzigt. Stellen wir uns auch das plastisch vor: Drei Männer werden zum Tod verurteilt und hingerichtet, zwei, weil sie Verbrecher sind, einer, weil er angeblich ein Gotteslästerer ist. Die Menge johlt und verspottet den Gotteslästerer. Einer der Verbrecher spottet mit. Indem er das tut, distanziert er sich von den anderen beiden Verurteilten und wird Teil der Menge, die sie verurteilt hat und hinrichtet. Die Menge hat ihn als Verbrecher ausgeschlossen und zum Tod verurteilt; indem er mit ihr lästert und spottet, macht er sich doch noch zu einem Teil von ihr. Sogar im Sterben will er noch dazugehören. Sein Mitspotten ist wie ein letztes Auflehnen gegen den endgültigen Ausschluss aus der Gemeinschaft der Menschen. Er gehört zur Mehrheit, auch wenn sie ihn nicht haben will.

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Anders der zweite: Er stellt sich auf die Seite dessen, den gerade alle Verspotten, der von allen ausgegrenzt und niedergemacht wird. Dieser Ver­bre­cher schafft es auszusteigen aus der Gemeinschaft der Gewalttäter und Spötter, die überzeugt sind, dass Gott auch ein Gewalttäter ist. Ja mehr noch: Er schafft es, seine eigene Schuld anzuerkennen, er verfällt nicht der Versuchung sich verstohlen in die Gemeinschaft der vermeintlich Anständigen einzureihen, indem er sich über einen anderen erhebt. Auch über den ersten Verbrecher erhebt er sich nicht, er stellt sich auf eine Stufe mit ihm, aber möchte ihm die Augen öffnen für seine wahre Situation. Und dann erkennt er: Wenn einer das tut, was Jesus tut, wenn einer unschuldig in Feindesliebe den grundlosen Hass der anderen erträgt und sogar um Vergebung für sie bittet, dann kann man von diesem Vergebung erhoffen – egal, was man getan hat, und egal, wie spät im Leben. Mehr ist es nicht als eine Hoffnung. Er bittet nicht um Vergebung; er bittet darum, von Jesus nicht vergessen zu werden, wenn der in sein Reich kommt.

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Und damit hat er etwas Ungeheueres erspürt: Jesus ist ein König, er geht nicht in den endgültigen Tod, er geht durch den Tod in sein Reich, in dem Macht und Gewalt nicht dasselbe sind. Die Macht Gottes schafft Leben und dient dem Leben, Gewalt bedroht und zerstört Leben. Wir mit unserer begrenzten Macht brauchen manchmal Gewalt um Leben zu schützen – aber das geht dann nur, indem wir anderes Leben bedrohen. Zu denken, dass Gott es ebenso machen würde, entwirft Gott nach dem Modell unserer Begrenztheit. Und das wird ihm nicht gerecht.

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Was traditionell Allmacht Gottes heißt, ist nicht die Fähigkeit, Beliebiges, Unlogisches oder gar Gewalttätiges zu tun, sondern ist vor allem die Macht, Leben zu schaffen und Leben zu schenken, auch und gerade dort, wo scheinbar der Tod schon gewonnen hat. „In ihm hat alles Bestand“, sagt der Brief an die Kolosser. Und er kann dies so mutig behaupten, weil er weiß: Alles ist schon durch ihn und auf ihn hin erschaffen und er hat sich für alles hingegeben, um dadurch alles zu versöhnen. Christkönig ist das Fest, an dem wir uns an diese Spannung herantasten und immer wieder versuchen können zu verstehen, dass jemand gerade dann königlich souverän ist, wenn er oder sie in Feindesliebe auf Gewalt verzichtet und in der Hoffnung auf die Kraft Gottes sogar für seine Feinde um Vergebung bitten kann.

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Was aber bedeutet das für uns und unseren Alltag? Ich denke auch wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott gewaltfrei handelt, weil Gewalt ein Zeichen von Schwäche ist und Allmacht keine Gewalt braucht. Wenn wir manchmal Gewalt brauchen, um uns oder andere zu schützen, dann müssen wir uns bewusst sein, dass das an unserer menschlichen Begrenztheit liegt. Auch wir sollten wachsam sein, um nicht mit der Menge zu verurteilen und zu spotten, sondern uns zu dem Ausgestoßenen bekennen, von dem wir glauben, dass Gott mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnt; und das müsste Konsequenzen haben, wie wir mit Ausgestoßenen umgehen. Und schließlich: Auch wir dürfen auf Vergebung hoffen, wenn wir unsere Schuld nicht verdrängen, sondern uns Christus, dem König zuwenden.

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