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Von der Evakuierung eines Großraumflugzeugs. Zum Evangelium von der engen Tür
(Gedanken zum 21. Sonntag im Jahreskreis (LJ C) 2019)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2019-09-22

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Jes 66,18–21; (Hebr 12,5–7.11–13;) Lk 13,22–30

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Der A 380, der vom europäischen Flugzeughersteller Airbus hergestellt wird, ist laut Wikipedia[1] das größte in Serienfertigung produzierte zivile Verkehrsflugzeug in der Geschichte der Luftfahrt. Es hat auf seinen zwei Decks eine Kapazität von bis zu 853 Passagieren, eine Reichweite von 15.200 km und eine Reisegeschwindigkeit von etwa 900 km/h. Beim A 380 ist es seit der Aufnahme des Linienbetriebs im Jahr 2007 zu keinen ernsten Zwischenfällen gekommen, bei denen Passagiere schwer verletzt worden oder gar zu Tode gekommen wären.

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Nein – Sie haben sich nicht in eine Werbeveranstaltung von Airbus verirrt. Mir ist dieses Flugzeug tatsächlich bei der Lektüre des heutigen Evangeliums in den Sinn gekommen, und wenn ich Ihnen erkläre, warum, dann ist die halbe Predigt schon gelaufen.

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Alle, die schon einmal geflogen sind, wissen, wie lästig und mühsam das Ein- und Aussteigen in so einen Flieger sein kann. Zuerst das Warten an der Gepäckaufgabe, dann die Sicherheitskontrollen, die jedes Jahr noch unangenehmer zu werden scheinen, und am Schluss den richtigen Platz im Flugzeug finden, warten bis andere umständlich ihr Handgepäck verstaut haben – dann selber das eigene mindestens genauso umständlich unterbringen – das dauert. Und beim Aussteigen geht es nur unwesentlich schneller – dafür ist man aber nach dem langen Flug auch schon todmüde und oft gibt es ein großes Gedränge, weil es plötzlich alle eilig haben.

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Doch, so verführerisch es ist, die enge Tür, von der Jesus spricht, mit dem normalen Ein- und Aussteigen in ein Flugzeug zu vergleichen, ich denke, dieser Vergleich würde uns in die Irre führen. Es gibt nämlich noch ein Detail über den A 380, das ich Ihnen bisher verschwiegen habe:

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Jedes Passagierflugzeug muss im Notfall schnellstmöglich evakuiert werden können. Kein Flugzeug wird für den Verkehr zugelassen, wenn nicht in einem real durchgeführten Test nachgewiesen wird, dass schon durch die Hälfte seiner Ausgänge alle Passagiere innerhalb von 90 Sekunden, d.h. eineinhalb Minuten, das Flugzeug verlassen können. Beim Test des A 380 gelang es, innerhalb von 78 Sekunden 853 Passagiere und 20 Besatzungsmitglieder durch die Hälfte der Ausgänge zu evakuieren – das ist schon beachtlich. Hier hat man sich offensichtlich bemüht, so viele Menschen wie möglich, innerhalb so kurzer Zeit wie möglich durch die engen Türen zu bekommen, und es hat funktioniert, obwohl absichtlich Hindernisse wie Decken, Kissen und Zeitungen im Weg lagen und die Notbeleuchtung das einzige Licht war.

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Und wenn man nun diesen Notausstieg mit dem gewöhnlichen Ein- und Ausstieg vergleicht, kann man die Frage leichter beantworten, wie man durch die enge Tür kommt: Nicht das Drängen und Schubsen ist der Schlüssel, sondern im Gegenteil, das ruhige und geordnete Vorgehen. Diejenigen, die nicht so schnell können, brauchen besondere Hilfestellung durch die Crew und hoffentlich auch durch agilere Passagiere, sonst wird das nichts mit dem Durchkommen durch die enge Tür in 90 Sekunden. Und bei der Evakuierung eines Flugzeugs muss man alles Unnötige zurücklassen: das Handgepäck, Mäntel, Jacken und Hüte, Kameras und Laptops. Es geht ja ums Überleben.

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Macht uns Jesus nicht auch oft darauf aufmerksam, dass uns das Festhalten an unnötigen Dingen daran hindert, in sein Reich zu kommen? Hat er nicht die Pharisäer und Schriftgelehrten harsch kritisiert, weil sie den Menschen Lasten auferlegt haben, die es ihnen verunmöglichten, durch die enge Tür zu gelangen, anstatt ihnen zu helfen, indem sie ihnen die Last erleichterten? Und sollte das bei der Crew seiner Kirche anders sein? Wenn der Papst sagt, die Kirche müsste wie ein Lazarett sein, das Verwundete pflegt, dann bedeutet das doch auch: Jenen, die sich schwer tun sich zu bewegen, durch die enge Tür zu helfen, anstatt ihnen den Weg zusätzlich zu erschweren oder gar zu versperren. – Übrigens kann man daran auch sehen: Alle Witze, die von den kirchlichen Vertretern als Bodenpersonal sprechen, täuschen sich. Es gibt kein Bodenpersonal: Wir sitzen alle in dem Flugzeug und müssen alle durch die enge Tür. Und wenn wir eines lernen können von den Flugzeugtestern, dann, dass wir nur hindurchkommen, wenn wir es gemeinsam tun und jeder versucht, es dem anderen zu erleichtern. Und natürlich nützt es dabei nichts, ob man mit dem Piloten schon mal gegessen und getrunken oder einen seiner Vorträge gehört hat; bei der Flugzeugevakuierung sind alle gleich wichtig!

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Jetzt scheine ich mich aber endgültig vergaloppiert zu haben mit meinem Vergleich: Jesus als Bruchpilot eines Flugzeugs, das evakuiert werden muss? Das geht ja nun doch zu weit, oder? – Jesus sagt: „Ihr habt alle Unrecht getan“. Die Notlandung ist also nicht die Schuld des Piloten, auch nicht die Schuld des Konstrukteurs oder einiger weniger, sondern irgendwie sind alle mitschuldig an dieser Notlandung – und hier endet nun tatsächlich mein Vergleich, denn für das, was Jesus getan hat, ist der Ausdruck Notlandung dann doch etwas zu banal und verharmlosend.

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Wir müssen nämlich ernüchtert konstatieren, dass seine Botschaft, wie man durch die enge Tür kommt, nicht angenommen wurde. Seine Gegner haben nicht nur den Menschen die Lasten nicht erleichtert, sie haben Jesus die ultimative Last aufgebürdet – das Kreuz. Derjenige, der wollte, dass man den Menschen den Weg zum Leben öffnet und ihnen bei dessen Bewältigung hilft, der sollte vom Leben abgeschnitten und hinausgedrängt werden, und die Tür sollte so eng verschlossen sein, dass er nie wieder hereinkommen könnte. Die enge Tür des Todes sollte ihn für immer unter Verschluss halten.

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Diese Tür hat Jesus in seiner Auferstehung aufgesprengt und damit auch jenen noch einmal einen Weg eröffnet, die die Botschaft von der Liebe Gottes, die jedem hilft, nicht verstanden haben oder verstehen wollten und den Boten dieser Kunde getötet haben. Auch das versagende fliegende Personal – religiöse Führer, die den Menschen schwere Lasten auferlegen – und die versagenden Mitreisenden – Gläubige, die andere geringschätzen und zurückdrängen – haben noch einmal eine Chance bekommen, weil sie sehen können, dass Gott sogar die enge Tür des Todes öffnen kann und öffnen wird für alle, die ihm vertrauen. Und dann ist nicht mehr die Frage relevant, wie viele gerettet werden, sondern ob ich vertraue, dass all jene gerettet werden, die ehrlich um Hilfe bitten und sich tatsächlich helfen lassen.

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Was bleibt also für uns, liebe Gläubige? Zum einen die Aufforderung wachsam zu sein und zu schauen, was uns hindert durch die enge Tür zu kommen: was wir zurücklassen müssen, obwohl wir es gerne festhielten; aufmerksam zu sein, wo wir anderen Hilfe und Unterstützung sein können oder wo wir sie behindern und abdrängen; wenn wir zum kirchlichen – quasi fliegenden – Personal gehören, immer wieder zu checken, ob wir den Menschen Lasten auflegen oder abnehmen, ob wir ihnen beim Gehen helfen oder sie zurückhalten und niederdrücken. Zum anderen aber das Wissen: Wir alle haben Unrecht getan. Das ist aber nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass Jesus die verschlossene Tür wieder aufgestoßen hat. Nicht, weil wir ihn besonders gut kennen würden, sondern weil er es nicht zulässt, dass jemand ausgesperrt bleibt, der um Hilfe ruft und sie auch annimmt.

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Übrigens: Der A 380 wird ab 2021 nicht mehr gebaut. Die Nachfrage nach einem Großraumflugzeug hat nachgelassen. Da verkneife ich es mir jetzt lieber, noch weitere Parallelen zu ziehen.

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Amen.

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[1] Alle Angaben über den A 380 entnommen am 22.8.2019 aus https://de.wikipedia.org/wiki/Airbus_A380.

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