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Von Ausbildung, Bildung und Herzensbildung. Ansprache des Studiendekans der Katholisch-theologischen Fakultät zum Akademischen Festakt am 21. April 2018

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2018-04-24

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Sehr geehrte Frau Vizerektorin Tanzer, Frau Prof. Dannerer, liebe Studierende, verehrte Eltern, Verwandte, Freunde und Bekannte unserer Absolventinnen und Absolventen und natürlich ganz besonders Sie, die Sie heute den Abschluss Ihres Studiums feiern, seien Sie alle herzlich gegrüßt.

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Wenn ich mich nicht verzählt habe, schließen heute 7 Personen ihr BA-Studium, vier ein Lehramtsstudium, zwei ein MA-Studium, eine ein Diplomstudium und drei ihr Doktoratsstudium ab. Die Themen der drei Dissertationen ermöglich es mir dabei einige Anliegen im Horizont von Bildung und Ausbildung zu umreißen – und darum geht es ja bei allen heute gefeierten Abschlüssen.

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Elisabeth Rifeser untersuchte in ihrer kirchengeschichtlichen Dissertation das Wirken einer Frau, die auf ihre Weise und für ihre Zeit dem Bildungsgedanken neue Wirksamkeit gab: Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts war es nicht selbstverständlich, dass Frauen an einer Schule unterrichten und Mädchen diese Schule besuchen konnten. Die Südtirolerin Maria Hueber ermöglichte das durch die Gründung der Franziskaner Tertiarschwestern und durch ihre Bemühungen, diesen die Möglichkeit zu erwirken, Mädchen zu unterrichten. Wie sie das tat, welche Schwierigkeiten sie dabei überwinden musste und welche Spiritualität die Schwestern lebten, hat Elisabeth Rifeser in ihrer umfangreichen Arbeit erforscht. Man könnte sagen: eine historische Arbeit, zeitlich weit weg von uns, und ein theologisches Binnenthema, das heute nur wenige interessiert. Das hieße aber doch unterschätzen, was in dieser Arbeit und in der erforschten Person immer mitschwingt: Der Wert von Bildung und Ausbildung per se.

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In keiner Politikerrede darf der Hinweis darauf fehlen und natürlich muss das auch ein Studiendekan bei einer akademischen Feier sagen, aber sind wir uns wirklich bewusst, was der Wert von Bildung ist? Ich spreche hier nicht von seinem ökonomischen oder monetären Wert. Ich denke daran, dass Bildung Menschen befähigen kann, selbstmächtig zu sein, sich und die Welt besser zu verstehen, Urteile über wahr und unwahr, richtig und falsch kritisch zu hinterfragen, sie aber auch zu begründen. Ausbildung brauchen wir, damit unsere Wirtschaft Arbeitskräfte hat und die Menschen Arbeitsplätze finden. Bildung aber brauchen wir, damit die Menschen Urteilsfähigkeit besitzen und selbstverantwortlich ihr Leben meistern könne, ja letztlich damit die Gesellschaft nach menschlichen Werten geordnet werden kann und die Errungenschaften von Freiheit, Menschenrechten und Demokratie erhalten bleiben. Das ist ein Wert, der Ihnen allen, die Sie heute ein Studium abschließen, in diesem Studium angeboten wurde – und es wäre wichtig, dass sie ihn ergreifen und wie einen Schatz hüten – was immer Sie sonst tun.

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Bildung muss dabei aber nicht etwas Abgehobenes, Besserwisserisches sein, das gar auf andere, die formal weniger gebildet sind, herabschaut. Bildung könnte gerade sein, dass man die in der einem jeweils begegnenden Kultur, auch der Volkskultur, enthaltenen Werte entdecken und heben kann. Umso schlimmer ist es, wenn stattdessen diese Werte umfunktioniert werden und die Kultur instrumentalisiert wird für ideologische Zwecke.

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Das bringt mich zur geschichtswissenschaftlichen Dissertation von Herrn Nikolaus Hermann Max Hagen mit dem Titel: „Kultur- und Identitätspolitik im Gau Tirol-Vorarlberg 1938-1945“. Wenn Kultur identitär verengt wird, mag sie zunächst besonders urwüchsig und originär erscheinen, meist ist das aber eine Illusion, die erkauft wird durch das Ausblenden der feinen Nuancen und Unterschiede, die auch zur Kultur gehören. Über die in dieser Arbeit analysierte Kulturpolitik des Nationalsozialismus hinaus scheint mir bedenkenswert: Nicht alle Nazis waren ungebildet. Gar einige trugen Doktortitel oder andere akademische Würden. Das weist uns darauf hin, dass Bildung allein keine Garantie dafür ist, dass Menschen sich für das Richtige entscheiden. So ist auch heute die Verbindung von Bildung mit Gerechtigkeit, Recht und Demokratie kein Automatismus. Bildung gibt uns Instrumente an die Hand, aber sie macht uns nicht zu besseren Menschen.

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Und hier komme ich zur bibelwissenschaftlichen Dissertation von Augustine Thang Zawm Hung mit dem Titel „Paul’s Life Experience as Paradigm of the Transforming Power of Divine Grace“. In dieser Arbeit untersucht Herr Thang Zawm Hung die autobiografischen Abschnitte im paulinischen Brief an die Galater und wertet sie dahingehend aus, ob und wie die Bekehrungserfahrung des Apostels Paulus als paradigmatisch gelten kann, für das was man theologisch die verwandelnde Kraft göttlicher Gnade nennt. Wenn man nicht Theologe oder Theologin ist, klingt das wohl sehr fremd. Wenn man nicht religiös ist, wird einen die Rede von göttlicher Gnade vielleicht sogar befremden. Doch ist in dieser theologischen Rede eine Grunderfahrung der Menschheit gedeutet: Um das Richtige anzustreben und zu tun, reichen Bildung und Ausbildung, ja reicht willentliche Anstrengung alleine nicht. Es braucht so etwas wie eine Umkehr, eine Öffnung für Wahrheiten, die über einen selbst und den eigenen Nutzen hinausgehen. Es braucht Empathie- und Beziehungsfähigkeit für die Bedürfnisse anderer, man könnte auch sagen, obwohl es etwas pathetisch klingt: es braucht Herzensbildung. Christlich geprägte Menschen schreiben diese Fähigkeit dem Wirken göttlicher Gnade zu. Alle Menschen, die sich der Bedeutung dieser Fähigkeit bewusst sind, wissen aber, dass wir sie nicht herstellen oder programmieren können. Alle, die in Erziehung und Bildung tätig sind – von Eltern über KindergartenpädagogInnen bis zu Universitätslehrenden –, wissen, dass sie die Haltungen der Achtsamkeit, der Solidarität und der Rücksichtnahme zwar begünstigen oder erschweren können – aber machen können wir sie nicht. Denn die Menschen, die wir ausbilden, sind so viel mehr als das, was andere versuchen ihnen beizubringen. Und das ist natürlich auch gut so.

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Sie alle, die Sie heute ein Studium beenden, sind mehr als die Kenntnisse, die Sie sich in diesem Studium erworben haben; jede und jeder von Ihnen ist eine einmalige, unverwechselbare Person, deren Tiefe und deren Würde weit über das hinausreichen, was sich durch Leistungsbeurteilungen und Abschlusszeugnisse dokumentieren lässt. Sie vollenden nun einen Abschnitt Ihres Bildungsweges und können dadurch selbst dazu beitragen, andere zu bilden und auszubilden.

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Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie den Schatz der Bildung, der Ihnen angeboten wurde, hegen, ihn nach Kräften erweitern und fruchtbar zur Anwendung bringen. Mehr noch wünsche ich Ihnen aber die Fähigkeit, dabei nicht nur an das eigene Wohl und das eigene Fortkommen zu denken, sondern an das große Ganze. Denn die Tiefe und Würde einmaliger Personen besitzen nicht nur wir; sie besitzen alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrem Bildungstand. Dies nicht aus dem Blick zu verlieren wäre ein schönes Zeichen dafür, dass Sie über das Studium hinausgehende menschliche Werte leben.

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Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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