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Musste der Auferstandene wirklich leiden? Predigt zum 3. Ostersonntag

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2018-04-18

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Predigt im Anschluss an Apg 3,12-15.17-19 und Lk 24,35-48, gehalten in der Jesuitenkirche am 15. 04. 2018 um 11. Uhr.

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„Nein! Gestorben ist er nicht. Sollte er das gewesen sein, was man sich von ihm erzählte: der Gesandte Gottes, ein Gerechter, einer, der in einem direkten Kontakt mit Gott selber stand. Sein Leben lang! Einen solchen Propheten hätte Gott sicher nicht dem Tod überlassen. Sollten sich die Mörder seiner schon bemächtigt haben, so hätte Gott ihn sicher in allerletzter Sekunde entrückt. Ihn weggerissen in seinen Himmel. Gekreuzigt wurde auf jeden Fall ein anderer. Ein Gottloser.“ So oder auch ähnlich – liebe Schwestern und Brüder – denken gläubige Muslime über die letzten Stunden Jesu. Und sie tun dies, weil Mohammed selber im Koran die Botschaft überlassen hat, mit dem Bekenntnis zum Tod und zur Auferstehung Jesu hätten die Christen die Geschichte Jesu verfälscht. Er musste nicht leiden, geschweige denn sterben. Gott habe ihn gerettet, indem er ihn lebendig in den Himmel entrückte. Genauso wie  er dies auch (später) mit Mohammed tat.

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Mit der Schwierigkeit, das Leiden und den Tod Jesu zu begreifen stand Mohammed in dieser Welt nicht allein. Schon die Jüngerinnen und Jünger, vor allem jene, die sich von Jesus eine handfeste Verbesserung der irdischen Existenz versprachen, jene also, die Jesus ausschließlich in den Kategorien politischer Theologie begriffen haben und sich eine Veränderung politischer Verhältnisse erwarteten (als Messias sollte er Befreiung von der verhassten Herrschaft der römischen Zentrale bringen), aber auch jene, die eine wundersame Veränderung des Alltags erhofften (Krankheiten sollten verschwinden und Armut, vom  Hunger ganz zu schweigen) und natürlich die Jünger, die mit Jesus auch ihren eigenen Aufstieg im Leben verbunden haben, sich selber Top-Positionen in einem messianischen Reich versprachen, diese Jüngerinnen und Jünger konnten sich vom Schock nicht erholen. Vom Schock, dass dieser Jesus wie der letzte Abschaum der Gesellschaft krepierte. Von Gott und seinen Wundern keine Spur!

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Und nun: dieses irrwitzige Wunder. Er steht in ihrer Mitte, oder auch er geht mit ihnen. Ein Gespenst, oder zumindest ein Geist? Eine böse Einbildung des schlechten Gewissens? Oder nur ein Wunschtraum einiger letztlich unaufgeklärter Menschen? Bis auf den heutigen Tag legt die aufgeklärte menschliche Vernunft den Menschen bloß diese Antworten nahe!

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„Kommt, berührt mich! Berührt meine durchbohrten Hände und Füße. Berührt meine verletzte Brust. Ich bin es. Gebt mir zu essen!“

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„Ausgerechnet einen gebratenen Fisch sollte er gegessen haben.  Dass ich nicht lache“, wird der Zyniker sagen. Und der „Möchtegern-Fromme“? Schon in der zweiten Generation von Christen gab es eine breite Strömung von ganz frommen Menschen, die der Auffassung waren, dass Jesus nicht am Kreuz gestorben ist, vielmehr dass er am Ölberg tanzte, während auf Golgota ein anderer am Kreuze starb. Denn: Gott, Sohn Gottes mit einem menschlichen – wenn auch nach dem Tod verklärten – Leib? Gottes Sohn, der isst und trinkt? „Der Leib des Erlösers musste doch ein anderer gewesen sein als unser Leib. Gegessen und getrunken hat er – so steht es jedenfalls in der Bibel. Die Verdauung hat es bei ihm sicher nicht gegeben. Und dies schon während seines irdischen Lebens“, dachten fromme syrische Theologen in der Alten Kirche.

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Ostern, liebe Schwestern und Brüder, muss dem menschlichen Verstand eine Zumutung bleiben. Kommt mir der Osterglaube allzu glatt von den Lippen, so ist es kaum die Osterbotschaft, vielmehr wird  da Ostern durch die Brille des Osterhasen gesehen. Warum? Warum musste der Auferstandene leiden? Was erzählte er selber den Jüngerinnen und Jüngern, als er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften erschloss? Hat Petrus in seiner Predigt an das Volk, hat er mit seiner Kurzformel den springenden Punkt erwischt? „Den Urheber des Lebens habt ihr – wenn auch aus Unwissenheit – den Urheber des Lebens habt ihr getötet. Gott hat ihn aber auferweckt!“ Was könnte das für uns heißen? Für die Menschen, die im 21. Jahrhundert leben, in einer hochwissenschaftlich entwickelten, globalisierten Welt? Lassen sie mich das so ausdrücken:

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Wissentlich, oder auch unwissentlich vergreift ihr euch, vergreifen wir uns alle am Leben in all den Formen, die wir halt kennen und mit unseren Sinnen wahrnehmen. Wir beuten die Natur aus und zerstören sie auch. Wir lassen Menschen verhungern und schauen weg. Wir plagen uns selber, oft auf eine geradezu schockierende Art und Weise, wenn wir unsere Körper martern. Wir lassen menschliche Leiber oft monatelang an den Schläuchen der Intensivstationen hängen. Mehr noch: Oft schlagen wir Menschen, die wir lieben, werden auch selber vergewaltigt. Oft lassen wir Menschen durch unsere Hand sterben, gerade auch jene, die wir lieben. Oder, weil wir sie zu lieben glauben. Der menschliche Leib ist halt der privilegierte Ort, an dem wir das Leben in seiner schönsten Form erfahren: „Liebe und Leib, wann ließen die im Lieben je sich scheiden?“ Der Körper, der Körper des Tieres, der menschliche Leib sind aber auch ganz konkrete Orte, an dem uns das Leben in die Abgründe des Schmerzes und des Todes mitreißt. Ja: wir vernichten die Natur, wir töten die Körper, wir martern die Leiber, wir töten das Leben. Menschlich, ja allzu menschlich ist die Erfahrung der Leiblichkeit. Erschreckend und faszinierend zugleich. Den Menschen, gerade den denkenden Menschen in die Tiefe der Banalität stürzend, oder aber zu den Gipfeln der Ekstase verführend.

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Und Ostern? Ostern dazwischen? Ostern präsentiert uns die Leiblichkeit des Menschen und auch  unser aller Umgang mit dieser Leiblichkeit, unser mysterium tremendum et fascinosum. Mehr noch: Ostern nimmt den Leib und auch den Umgang mit dem Leib in das Geheimnis des göttlichen Lebens, in das Geheimnis göttlicher Liebe hinein. Und auf welchen Wegen? Auf dem Weg der Entrückung? Auf dem Weg des Sich-Verdrückens, der Flucht aus dem Raum, in dem man in die Atemnot kommt? Weil Schmerzen unerträglich werden und der Fall in die Tiefe der Verzweiflung keine Grenze zu kennen scheint. Auf dem Weg des allzu glatt begriffenen Wunders göttlicher Allmacht, die sich die Hände niemals schmutzig macht und sich auf jeden Fall nicht verletzen lässt? Weil sie immer eine gläserne Wand parat hat, die den Menschen so wie er faktisch ist: zerrissen, widersprüchlich, den Schmerzen ausgeliefert, den Tränen und dem Tod, weil sie diesen Menschen ordentlich auf Distanz hält ? Einem modernen Therapeuten nicht ganz unähnlich. Ein solcher Weg  nimmt die menschliche Geschichte nicht ernst. Er ersetzt bloß die erfahrenen Sackgassen, die erlittenen Abgründe durch neue Verletzungen, durch neue Leidens- und Sterbenserfahrungen, durch neue Gewalteruptionen. Er verwandelt nichts, aber auch gar nichts!

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Nein, liebe Schwestern und Brüder, so hirnrissig es einigen rationalistisch verkappten  Naturwissenschaftlern vorkommen mag:  Das Wunder von Ostern zeigt einen radikal anderen Weg. Den Weg, auf dem die Leiblichkeit in der Liebe vollendet wird. Es ist dies der Weg, der all die Größe des menschlichen Leibes in den Vordergrund rückt: unzählige Freuden unserer Leiblichkeit, die wir beim Essen und Trinken und Schmusen und all den uns beglückenden Nuancen der Sexualität erfahren. Aber auch die tiefen Freuden aus der Erfahrung der Caritas, der austeilenden Liebe, der empathischen, mitfühlenden und mitleidenden Liebe. Es ist dies aber auch der Weg, der den erschreckenden Sackgassen, gar den Abgründen menschlicher Existenz, die mit der Leiblichkeit verbunden sind, nicht ausweicht. Deswegen steigt  Gottes Sohn in diese Abgründe hinunter, wird gequält und getötet, ja begraben. Auf dass all die materiellen Spuren seiner Existenz vermodern und auch verschwinden. Er durchleidet die menschliche Leiblichkeit in all den denkbaren Nuancen, um diese Leiblichkeit in der Liebe zu vollenden. In der göttlichen Liebe!

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Und er schenkt uns auf die Herausforderung des österlichen Wunders noch eine Zumutung, indem er uns seine verklärte Leiblichkeit zur Verinnerlichung überlässt. Unter den Gestalten von Brot und Wein können wir sie empfangen. Gar verdauen! Damit sie auch zu einem Teil unserer Leiblichkeit werden und uns verwandeln. Zugegebenermaßen: das Wunder von Ostern mutet uns viel zu. Wir müssen es auch nicht bis in die letzten Konsequenzen verstehen. Wohl aber müssen wir es loben, damit wir seine verwandelnde Kraft erfahren. Erfahren im Alltag. Vor allem aber erfahren, wenn uns die Luft ausgeht.

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