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Keine Fron und kein Leichnam Gedanken zum Fronleichnamsfest 2017

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2017-06-23

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Dtn 8,2-3.14b-16a); 1 Kor 10,16-17; Joh 6,51-58

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Liebe Gläubige,

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finden Sie nicht auch, dass unser heutiger Festtag in der Umgangssprache einen etwas seltsamen Namen hat: Fron-Leichnam. Offiziell heißt er „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“ – das ist etwas lang und insofern etwas sperrig –, aber Fron-Leichnam? Welche Assoziationen löst das aus?

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Das Wort Fron kommt sonst heute nicht mehr vor, aber manche kennen vielleicht noch den Ausdruck Frondienst oder Fronarbeit leisten. Im Mittelalter konnten die Herren – das mittelhochdeutsche Wort vron heißt: „was den Herrn betrifft“ – von den Leibeigenen und sogar von freien Bauern bestimmte Dienste verlangen, etwa, dass sie auch die Arbeit in der Landwirtschaft der Herren erledigten; dafür bekamen sie Schutz von den Herren. Doch je länger das System dauerte, desto mehr wurde es zur Ausbeutung. Die Leibeigenen schufteten für die Herren und konnten ihre eigenen Felder nicht mehr bestellen; die Herren ließen sie aber sonst im Stich. Schließlich wurde die Leibeigenschaft und mit ihr die Fron abgeschafft.

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Tatsächlich kommt der Wortteil Fron in Fronleichnam von demselben mittelhochdeutschen Wort; es geht also um etwas, das den Herrn betrifft. Geht es aber um seinen Leichnam? Nein, denn auch das Wort Leichnam ist hier nicht in seiner heutigen Bedeutung zu verstehen, sondern ebenso mittelhochdeutsch. Und da bedeutet licham oder lichnam so viel wie Körper oder Leib – und zwar durchaus einen lebendigen Leib. Fronleichnam hat also nichts mit Frondienst und auch nichts mit einer Leiche zu tun, sondern bedeutet so viel wie des Herren Leib.

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So weit, so gut, könnte man sagen. Aber ein wenig komplizierter will ich es doch noch machen. Mag das Wort Fronleichnam bedeuten, was ich gerade dargelegt habe, so könnte man sich doch fragen: Was ist denn die Voraussetzung dafür, dass der Leib des Herrn eine solche Bedeutung erhielt, wie wir sie nun in einem eigenen Hochfest feiern? War es dazu nicht notwendig, dass dieser Leib am Kreuz starb und als Leichnam ins Grab gelegt wurde? Es heißt doch im Philipperbrief: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.“ (Phil 2,6-8) „Er wurde wie ein Sklave“ – der Unterschied zwischen einem Sklaven und einem Leibeigenen ist gar nicht so groß. Man könnte also noch einmal fragen: Musste nicht der Herr zu einem Sklaven, zu einem Leibeigenen werden um Frondienst zu leisten und dieser Leibeigene zu einem Leichnam, damit wir dieses Fest feiern können? Geht es darum an Fronleichnam?

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Man könnte weiterfragen, wessen Sklave Jesus eigentlich wurde. Der Sklave Gottes? – Davon ist eigentlich keine Rede. Jesus ist der Sohn Gottes und er spricht von seinem Vater nicht wie von einem Sklaventreiber. Schon eher könnte man sagen: Die Menschen haben Jesus zu ihrem Sklaven gemacht, indem sie ihn getötet haben. Aber auch das kann so nicht stimmen: Jesus hat sich frei in seinen Tod gegeben; er war keines Menschen Sklave oder Leibeigener; gerade seine Unabhängigkeit und innere Freiheit haben die Menschen an ihm fasziniert. Wessen Sklave also? Es heißt: „Er wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“. Dieser Text geht davon aus, dass wir Menschen schon Sklaven waren, und dass Jesus Sklave wurde, gerade weil und indem er uns gleich wurde. Wessen Sklaven sind also wir?

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Ich würde sagen: Wir sind die Sklaven und Sklavinnen, die Leibeigenen des Todes. Wir wissen, dass unser lebendiger Leib einmal ein Leichnam sein wird. Nichts ist sicher, außer der Tod, sagt das Sprichwort. Und doch wollen wir den Tod nicht, wir tun alles, um ihn so lange wie möglich hinauszuzögern; aber er lässt sich nicht vermeiden. Unser Leib, er scheint letztlich nicht uns zu gehören, sondern dem Tod, dem Grab, der Verwesung. Und indem der Sohn Gottes uns gleich wurde, wurde auch er Leibeigener des Todes und ein Leichnam stand am Ende seines Lebens.

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Und hier jetzt müssen wir sagen: Eben nicht! Nicht ein Leichnam stand am Ende seines Lebens, sondern ein Auferstehungsleib. Christus wurde wie ein Mensch und war Sklave des Todes, damit wir werden wie er, so dass auch am Ende unseres Daseins kein Leichnam steht, sondern ein Auferstehungsleib. Der Herr wurde zum Leibeigenen, damit die Leichname der Leibeigenen wieder lebendige Körper werden. Und dies alles verdichtete Jesus, indem er Brot und Wein zu Symbolen dieses Geschehens machte.

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Brot – das Lebens-Mittel schlechthin – schenkt uns Kraft und Lebendigkeit in unserem irdischen Leben und ist daher das geeignetste Zeichen auch für das unzerstörbare Leben, das uns Christus schenken will. Wein – der Saft der Freude und des Festes – hebt uns über unseren Alltag hinaus schon im irdischen Leben und ist das geeignetste Zeichen für das ewige Fest, zu dem Christus uns einlädt. Wir haben teil an diesem Leib und diesem Blut und werden – wenn man so will – in einem ganz anderen Sinn die Leibeigenen Christi: Nicht als wären wir seine Sklaven; sondern, indem wir seinen Leib und sein Blut empfangen, geht er ein in unseren Leib und wird uns eigen; und wir werden dadurch zu seinem eigenen Leib, zum Leib der Kirche. Eine Leibeigenschaft ganz anderer Art.

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Nichts anderes sagt Jesus in seinem Gespräch mit den Juden: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.“ Und die Konsequenz daraus ist gerade die Befreiung aus der Leibeigenschaft des Todes: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag.“ Es geht hier darum, dass Jesus mit seiner ganzen Existenz, mit Haut und Haaren – oder eben mit Leib und Blut – dafür da ist und sich dafür einsetzt, dass wir der Sklaverei des Todes entkommen, lebendig sind und bleiben.

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Und so müssen wir sagen: Ja, es stimmt, der Sohn Gottes hat unser Sklavenschicksal geteilt und wurde ein Leibeigener des Todes, damit wir nicht als Leichnam enden. Ein Frondienst und ein Leichnam waren nötig, um uns zu erlösen. Aber das feiern wir heute nicht.

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Heute feiern wir das Resultat dieser Erlösung: Der Herr lebt und als Lebendiger gibt er sich uns zur Nahrung – symbolisch in Brot und Wein – damit auch wir leben, und zwar nicht nur im hier und jetzt, sondern letztlich in unzerstörbarer freudiger Lebenskraft. Am Fest Fronleichnam geht es nicht um Fronarbeit und um einen Leichnam, es geht um die lebendige Gegenwart unseres Herrn in der Welt und in uns selbst. Er möchte mit seinem Leib unser eigen werden, damit auch wir mit unserem ganzen Sein ihm gehören und seine Kraft in uns spüren und in die Welt tragen, so wie ihn viele heute Vormittag in der Prozession durch die Stadt getragen haben.

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Ich wünsche uns, dass wir die Gegenwart des Herrn in uns öfter spüren und sie deutlicher hinaustragen in die Welt, nicht nur am Fest Fronleichnam, sondern auch im Alltag unseres Lebens.

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