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Kennen wir den Heiligen Geist? Gedanken zum 6. Ostersonntag
(Gedanken zum 6. Ostersonntag am 21. Mai 2017)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2017-05-30

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Apg 8,5-8.14-17); 1 Petr 3,15-18; Joh 14,15-21

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Liebe Gläubige,

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kennen wir den Heiligen Geist? Jesus sagt im Evangelium, dass die Welt den Geist der Wahrheit nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt, dass aber seine Jüngerinnen und Jünger den Geist kennen, weil er bei ihnen, ja sogar in ihnen sein wird. Sollte es uns da nicht Sorgen machen, wenn wir nicht sicher sind, ob wir den Heiligen Geist kennen? Wir sind Menschen, die in dieser Welt leben, die nicht weltfremd oder gar jenseitig sein wollen, die mit beiden Beinen fest auf der Erde stehen wollen – und jetzt sagt Jesus, dass die Welt diesen Geist, der doch uns beseelen sollte, nicht kennt, nicht sieht und nicht empfangen kann. Müssen wir uns also entscheiden zwischen weltfremd und geistvoll?

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Ich denke, das kommt darauf an, was man unter Welt oder weltfremd – und unter Geist und geistvoll versteht. Wenn Jesus heute davon spricht, dass die Welt den Geist der Wahrheit nicht kennt, dann ist das im selben Sinn zu verstehen wie seine Aussage vor Pilatus, dass sein Königtum nicht von dieser Welt sei. „Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier.“ (Joh 18,36). Und etwas später fährt Jesus fort: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ (Joh 18,37)

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Wieder geht es um Wahrheit und ihren Gegensatz zur Welt; Jesus ist in die Welt gekommen, um die Wahrheit zu bringen, aber die Welt nimmt sie nicht an, so wie sie den Geist der Wahrheit nicht annimmt.

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Wo aber ist das Königreih Jesu, das auch seinen Heiligen Geist kennt? Ist es im Jenseits, etwa im „Himmel“? Nicht wenn wir den Himmel bloß als einen anderen Ort verstehen. Das Jenseits dieses anderen Orts würde ja doch wieder wie diese Welt gedacht – nur eben weit weg und in ferner Zukunft. Wenn wir aber mit „Himmel“ nicht einen Ort meinen, sondern eine andere Struktur der Wirklichkeit und ihrer Werte, dann könnte diese Wirklichkeit, dieses Königreich auch hier auf der Erde sein. Es wäre dann unter uns, ja in uns – und wäre dennoch nicht von dieser Welt.

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Jesus ist geboren und in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen und so unser Beistand zu sein. Das Resultat war, dass man ihn wegen Gotteslästerung hingerichtet hat. Er hat einen anderen Beistand geschickt, welcher der Geist der Wahrheit ist und in den Gläubigen lebt. Doch um welche Wahrheit geht es? Welche Wahrheit ist es, für die Jesus gestorben ist? Warum musste er gerade für diese Wahrheit sterben?

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In dieser Welt scheint die Wahrheit zu sein, dass Macht und Gewalt immer zusammengehen. Diejenigen sind mächtiger, die mehr Gewalt anwenden. Und je mehr Gewalt jemand bereit ist einzusetzen, desto mehr kann er seine Macht ausbauen. Diese Wahrheit kennt Pilatus, diese Wahrheit kannten die römischen Kaiser und sie kennen auch heutige Machthaber – und wir kennen sie durchaus auch. Und wenn dies schon unter uns Menschen so ist, dann ist für die Logik der Welt klar, dass Gott, der Allmächtige, auch der All-Gewaltige und letztlich der Gewalttätigste von allen ist. Und genau da liegt der Fehler. Wenn es so wäre, dann wäre Jesu Königreich von dieser Welt und seine Leute hätten Pilatus und seine Schergen niedergekämpft und gezeigt, welcher Herrscher mächtiger ist.

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So ist es aber nicht. Das Gesetz dieser Welt, nach dem Macht gleich Gewalt ist und umgekehrt, gilt im Königreich Jesu nicht; gerade das bedeutet es, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Er ist in unsere Welt gekommen, um von dieser Wahrheit Zeugnis abzulegen. Und die Welt kann diese Wahrheit und darum auch den Geist dieser Wahrheit nicht empfangen, denn würde sie ihn empfangen, wäre sie nicht mehr die Welt, sondern das Reich Christi. Christus hat für dieses Reich und seine Wahrheit sein Leben gegeben. Denn wie anders sollte man Menschen davon überzeugen, dass bei Gott Macht und Gewalt nicht Hand in Hand gehen, sondern Gegensätze sind, als dadurch, dass man selbst in der Situation äußerster Gewalt nicht selbst zur Gewalt greift, sondern sein Leben in die Hände Gottes legt. Gottes Macht erweist sich zum einen darin, dass er Jesus befähig hat dies zu tun trotz seiner Angst und seiner menschlichen Schwachheit. Weltfremd und abgehoben, in dem Sinne, dass er nicht wusste, was Sache ist, war Jesus dabei ganz sicher nicht: er wusste ja, worauf er sich eingelassen hatte, und ging sehenden Auges auf dieses Leiden zu. Was ihm fremd war, war allerdings der Gedanke, Gewalt anzuwenden, um die Menschen dem Gott der Liebe untertan zu machen. Denn täte man das, dann wäre er eben nicht mehr der Gott der Liebe, sondern ein Herrscher dieser Welt.

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Die Macht Gottes zeigt sich dann aber vor allem darin, dass er diesen Jesus wieder von den Toten auferweckt hat. Das ist die eigentliche und höchste Wahrheit, um die es geht: Die Macht Gottes ist nicht verknüpft mit Gewalt, deren letztes Ziel es immer ist Leben zu zerstören; die Macht Gottes ist verknüpft mit Liebe, deren letztes Ziel es immer ist, Leben hervorzubringen. Diese Welt ist tief verstrickt in den Sumpf der Gewalt. Doch das Königreich Gottes und Christi ist erfüllt von den fruchtbaren Wassern der Liebe.

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Papst Franziskus erklärte erst unlängst: „Zärtlichkeit ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. […] Je mächtiger man ist, desto mehr werden sich die eigenen Handlungen auf andere auswirken, desto mehr ist man verpflichtet, demütig zu handeln. Ansonsten wird Ihre Macht Sie und andere ruinieren, […] wenn man seine Macht nicht mit Demut und Zärtlichkeit verbindet.“[1] Ich denke, darin spricht der Papst genau diese Einsicht aus.

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Und wir, wohin gehören wir? Kennen wir den Heiligen Geist? Ist er in uns? Sind wir bereit, um der Wahrheit der Liebe willen auf Gewalt zu verzichten und uns der Macht Gottes anheimzugeben? Wenn ich von mir ausgehe, dann würde ich sagen: Meistens nicht; meistens haben wir zwar guten Willen und wollen es versuchen, aber das Durchhaltevermögen verlässt uns doch sehr bald wieder – und dann ist es uns doch lieber Gewalt zu tun, um uns zu schützen, als Gewalt zu erleiden um der Liebe willen. Ich würde sagen, wir sind gespaltene und zerrissene Menschen: Ein Teil von uns kennt den Heiligen Geist und möchte mit ihm für die Wahrheit der Liebe eintreten, auch wenn es uns etwas kostet; aber ein anderer Teil ist dieser Welt verhaftet, möchte erfolgreich und mächtig nach den Regeln dieser Welt sein, und nimmt dafür in Kauf, auch mal zu Gewalt zu greifen, wenn es vielleicht auch nur verbale oder geistige Gewalt ist – für die körperliche sind wir uns dann doch oft zu schade, aber selbst das ist nicht eindeutig so.

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Wenn das so sein sollte und es Ihnen auch so geht wie mir, dann beweist das, dass wir tatsächlich ausgespannt sind zwischen dieser Welt und dem Reich Gottes. Dieses Ausgespanntsein zeigt aber, dass der Heilige Geist schon in uns wirkt. Sonst wären wir nämlich nur dieser Welt verhaftet. Der Heilige Geist steht uns bei, damit wir nicht wieder ganz dieser Welt verfallen; er hilft uns in unserem inneren Kampf um die Treue zur Wahrheit der Liebe, die ohne Gewalt ist. Wenn es Momente gibt, in denen wir diese Wahrheit deutlich sehen, ja vielleicht sogar Momente, in denen wir sie leben können, dann kennen wir den Heiligen Geist, obwohl wir auch noch Kinder dieser Welt sind. Horchen wir in uns hinein, wann wir das sanfte, leise Säuseln (vgl. 1 Kön 19,12f.) dieses Geistes spüren. Trauen wir diesem Geist und vertrauen wir ihm, dass er uns ganz zu Kindern Gottes macht.

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