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Europa soll sich kein „Mäuseherz“ implantieren lassen

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2016-06-05

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Unter diesem Titel berichtete die kathpress von einer Predigt des Innsbrucker Dogmatikers Jozef Niewiadomski zum Herz-Jesu-Fest in Weerberg am 3. Juni 2016. Hier die Predigt im Volltext:

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Tiere! Tiere beherrschen jene Bühne, die das Wort Gottes uns allen vor unseren Augen am Herz-Jesu-Fest aufbaut (vgl. Ez 34,11-16; Lk 15,3-7). Wo man nur hinschaut: Schafe! Nichts als Schafe. Und auch die Hirten natürlich. Jene Hirten, die sich um die Schafe kümmern. Nicht die Hirten, die nur sich selbst weiden und nur auf Kosten ihrer Schafe leben, wie all die korrupten Amtsträger. Einen wunderbaren Text, haben wir das gehört, einen Text, den jede Politikerin, jeder Politiker und natürlich auch jeder Seelsorger sich zu eigen machen müßte, wenn er/sie seinem/ihrem Amt gerecht werden will. Denn: Was sind die Politiker anders als Hirten? Was die Priester und Bischöfe? Bei all der notwendigen Trennung von Thron und Altar, bei all der notwendigen Unterscheidung von Religion und Politik treffen sich die beiden Sorten von Amtsträgern an ein und demselben Zaun, bei jener Latte, an der ihr Amt gemessen wird: Um des Menschen willen! Um des Menschen willen gibt es Politik und auch Religion. Um des konkreten Menschen willen sind da die Seelsorger und die Politiker. Nicht um ihrer selbst willen.

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Liebe Kinder (natürlich auch Jungschützen und Jungmusikanten), weil es heute auf dieser Herz-Jesu-Bühne schon so viele Tiere gibt, will der Prediger noch eines dazu gesellen; eines das fast immer da ist: im Stall, in den Scheunen, auf der Wiese, gar in der Kirche. Die allgegenwärtige Maus. Es hat also einmal eine Maus gegeben. Und diese hatte Angst. Nicht vor anderen Mäusen. Nein! Sie hatte Angst vor dem Fremden. Sie hatte Angst vor der Katze. So beschwor sie den Zauberer, er möge ihr doch mit seinem Zaubertrick zur Hilfe kommen. Und sie in eine Katze verwandeln. Prompt erschien der Zauberer, sprach sein Abrakadabra-Mantra, und unsere Maus erwachte als Katze. Doch nun hatte sie Angst vor dem Hund. Wiederum flehte sie den Zauberer an, er möge sie verwandeln. Und siehe da, sie wurde zum Hund. Die Geschichte scheint eine unendliche Geschichte zu sein. Denn der Hund hatte nun Angst vor dem Wolf. Wiederum schritt der Zauberer ein, weil er ja in die Pflicht genommen wurde. Und der Hund mutierte zum Wolf. Doch der Wolf hatte Angst vor dem Jäger. Und der Zauberer erfüllte wiederum seine Pflicht, doch der Jäger hatte Angst vor seinen Mitmenschen. Da sprach der Zauberer – längst seiner Zauberei überdrüssig: Ganz gleich, wer oder was du auch bist. Du hast ja bloß das Herz einer Maus, und verdienst nichts anderes als das Geschick einer Maus.

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Und er verwandelte den Jäger zurück in eine Maus. Liebe Schwestern und Brüder, Blickt man sich umher in unserem Land, schaut man auf Europa, so hat man das Gefühl, dass da eine seltsame Transplantation im Gange ist. All die Schafe, so unterschiedlich sie auch sein mögen: schwach oder stark, fett oder mager, verletzt oder pumperlgsund, all die Schafe und auch die Hirten kriegen nach und nach ein neues Herz. Ein Mäuseherz wird da der Bevölkerung implantiert. Ein Herz, das Angst hat, im Grunde Angst vor allem, was ihm widerfährt: Angst vor der Klimakatastrophe, Angst vor dem Zusammenbruch der EU, Angst vor den Flüchtlingen, Angst vor Rechtspopulisten, Angst vor der Macht der Grünen, Angst vor dem Islam, Angst vor dem morgigen Tag! Emsig bemühen sich all die Kommentatoren, all die Politikwissenschaftler und unzählige andere Spezialisten den Menschen zu erklären, sie brauchen keine Angst zu haben. All diese politisch korrekten Gesundbeterinnen vermögen aber die Angst nicht zu beseitigen. Sie bleibt, wird gar immer größer. Die Situation erinnert mich an den alten Witz. Ein Mann sitzt beim Psychiater. Er glaubt, eine Maus zu sein. Nach einer gut bezahlten Therapiestunde steht der Mann auf; der Psychiater sagt: Nun wissen sie, dass sie keine Maus sind, nicht wahr?Ja!, antwortet der Mann, verlässt das Beratungszimmer, kommt aber sofort zurück: Was ist den los?, fragt der Psychiater. Draußen sitzt eine Katze. – Na und?, sagt der Arzt, Sie wissen doch, dass sie keine Maus sind! – Ich schon, antwortet der Mann. Aber die Katze weiß es nicht!

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Liebe Schwestern und Brüder, warum diese flapsigen Geschichten an einem derart ehrwürdigen Tiroler Fest? Das Herz-Jesu-Gelöbnis und das Herz-Jesu-Fest stehen für viel mehr als bloß für eine nette Tiroler Tradition. Das Gelöbnis wurde in Zeiten der Not, in Zeiten der Bedrohung geleistet - es war eine für die damalige Zeit adäquate Reaktion auf das, was den Menschen damals widerfuhr. Die Menschen hatten ja Angst, Angst vor dem morgigen Tag. Sie wussten es noch genau, dass der Mensch, dass jeder Mensch leicht zu einem Wesen mutieren kann, in dem bloß ein Mäuseherz schlägt: wenn dieser Mensch nicht auf einem festen Fundament steht, wenn er nicht von einem Netzwerk umfangen bleibt, wenn er sich im Leben nicht getragen fühlt. Getragen und begleitet auch von guten Hirten: jenen, die den verloren gegangenen Tieren nachgehen, die die Vertriebenen zurückbringen, die Verletzten verbinden, die Schwachen kräftigen, die Fetten und Starken behüten. Deswegen vertrauten sich unsere Ururgroßmütter und Ururgroßväter jenem Gott an, der ein Herz für die Menschen hat. Sie baten ihn, er möge auch ihnen ein Herz schenken, ein Herz, das des Menschen würdig ist. Er möge das ängstliche Mäuseherz verwandeln und ihnen ein Herz mit dem Qualitätsmerkmal der personalen Würde schenken. Und Gott hat sie nicht enttäuscht. Er schenkte ihnen dieses menschliche Herz. Deswegen standen die beherzten Tiroler nicht bloß stur und stramm in der Welt da. Die beherzten Tiroler standen ihren Mann, die beherzten Tirolerinnen standen ihre Frau gerade dann, wenn es darauf ankam, das Herz zu öffnen, das Herz zu zeigen und die Herzlichkeit zu leben.

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Diese beherzten Ururgroßeltern rufen uns heute zu, uns allen, die wir in diesem Land leben: den waschechten Tirolern, und den Zugereisten: den Tiroler mit Migrationshintergrund (dazu zählt ja auch der Prediger selbst), den in diesem Land Urlaub machenden und den Flüchtlingen, die hier ein Stück Heimat gefunden haben: Macht euch nichts vor. Euch allen ist – wenn ihr ehrlich seid – die Versuchung des Mäuseherzens nicht fremd; auch euch kann angst und bange werden, angesichts all dessen, was sich in eurer Mitte ereignet. Ihr braucht keine Hobbytherapeuten, die euch die Angst bloß wegerklären; ihr braucht auch keine Zauberer, die eure Angst manipulieren, weil sie auf die Schuldigen zeigen. Ihr braucht nicht mehr und nicht weniger als ein Wunder: Das Wunder der gewandelten Herzen. Lacht nicht! Dieses Wunder kann sich ereignen. Ja: es ereignet sich tagtäglich. Wir haben es erlebt und wir bezeugen es: So wahr Gott lebt, wandelt er die menschlichen Herzen. Gott handelt nicht wie der Zauberer, der bloß die äußere Form wandelt, aber das Herz, die Mitte des Geschöpfes unberührt lässt. Er wandelt das Herz, weil er uns seinen Sohn schenkt. Weil sich dieser auf unsere Augenhöhe erniedrigt, uns geradezu zu sagen scheint: Schau mir in die Augen, Kleines! (fast schon so wie in der berühmten Szene aus dem Film Casablanca, in der Humphrey Bogart zu Ingrid Bergman in einer hoffnungslosen Situation sagt: Schau mir in die Augen, Kleines! und so ihre Stimmung verwandelt). Aus dem Herz einer ängstlichen Maus, die ja sich bloß fürchtet, in jeder Situation bloß ihre eigene Haut zu retten sucht, gerade deswegen aber ihr Leben lang zittern muss: weil sie den Anderen bloß als Gegner, bloß als Feind wahrnimmt, aus dem Herzen einer ängstlichen Maus wird dank dem göttlichen Wunder ein Menschenherz. Ein Herz mit dem Qualitätssiegel der personalen Würde. Ein Herz, das fast zur grenzenlosen Empathie fähig wird. Ein Herz, das sich verschenken kann, sich tagtäglich bis zum letzten Atemzug verschenkt. Ein Herz, wie man es bei den beherzten Tirolerinnen und Tiroler finden.

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