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Die seltsamen Wege Gottes. Predigt zum Pfingstsonntag

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2016-05-23

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Predigt zum Pfingstfest, im Anschluss an Joel 3,1- 5 und Joh 3.16- 21, gehalten in der Jesuitenkirche am 15. Mai 2016 um 11.00 Uhr.

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Über alles Fleisch wurde der Geist ausgegossen. Über das weibliche und männliche Fleisch, über Menschen aller Rassen und Klassen, über Junge und Alte. Nicht nur über das katholische Fleisch, auch über das protestantische und orthodoxe. Über Juden und Muslime. Über Buddhisten und Menschen aller möglichen Religionen. Selbst über die Nichtglaubenden. Mehr noch: nicht nur über das menschliche Fleisch wurde der Geist ausgegossen. Auch über Tiere und Pflanzen, über die ganze Schöpfung also. Die ganze Schöpfung atmet den Geist Gottes. Denn gerade dieser Geist bringt die besten Saiten der Schöpfung zum Klingen. Alles was atmet, alles was lebt, lobe den Herrn! Alles was lebt, lebt ja, zur Ehre Gottes. Diese Glaubensvision des über alles ausgegossenen Geistes motiviert zu einer wertschätzenden Haltung. Sie ist am Werk, wenn Menschen miteinander sprechen, wenn sie über die Grenzen ihrer Religionen und Kulturen hinweg das Gemeinsame betonen. Wenn sie – wie die Theoretiker es sagen – den gemeinsamen Ethos zu leben suchen. Diese Vision des über alles Fleisch ausgegossenen Geistes ist am Werk, wenn Menschen sich bemühen – so würde es jedenfalls der sprichwörtliche Mann von der Straße sagen, wenn sie halt anständig sind und sich die Köpfe nicht einschlagen, einander helfen und nett zueinander sind.

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Ist mit diesem Zugang, dem Zugang der die Pluralisten zum Dialog der Religionen und Kulturen beflügelt, das Geheimnis von Pfingsten ausgelotet? Auch wenn der Christ die Frage zuerst mit einem „Ja” beantworten wird, muss er doch im zweiten Schritt einen kreativen Widerspruch anmelden und das „Ja” durch ein „Jein” korrigieren. So wunderbar das Bild des Propheten Joel auch sein mag, so lässt es doch die Wege Gottes in jene Pfade einmünden, die allem Menschen vertraut sind, weil diese Pfade halt menschlich, gar allzu menschlich bleiben. Der Ausgießung des Geistes folgt ja in dieser Vision der große und schreckliche Tag: der Tag der Abrechnung. Und wer wird da gerettet? Natürlich bloß diejenigen, die den Namen des Herrn anrufen: die Getreuen also, diejenigen die sich bemüht haben, die Ordentlichen, die dazu Gehörenden. Und was ist mit den Anderen?, werden die Kritiker fragen. Werden sie verdammt? Oder nur annihiliert? Kehren sie ins Nichts zurück?

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Liebe Schwestern und Brüder! Ein klugen Kopf hat einmal gesagt: die Wahrheit zum Thema: „Mensch”, wenn sie auf einen Punkt gebracht werden soll, lautet: „Der Mensch irrt!” Er verirrt sich, er ist fähig seinem eigenen Untergang entgegenzulaufen. Und dies mit Lust, mit Freude und Spontaneität. Oft irrt er in bester Absicht. Und noch öfter irrt er, weil er der abgründigen Bosheit verfallen ist, einer Bosheit, zu der kein Tier fähig ist. Der Mensch irrt. Und die Wahrheit zum Thema: „Gott”? „Gott schafft es nicht den irrenden Menschen fallen zu lassen.” Ganz gleich welchen Menschen: den Katholiken, den Muslim, den Agnostiker. Und dies nicht deswegen, weil Gottes Wege Laissez-faire-Wege sind. Dies nicht deswegen, weil Gott ein moderner Jupi ist, dem anything goes seine Lebensmaxime bleibt, der zwar alles mögliche zusagt, sich aber dann im Wirrwarr der vielen Möglichkeiten verliert und letztendlich auch nichts hält. Nein: Gott schafft es nicht, den irrenden Menschen fallen zu lassen, weil er Gott ist, die Liebe selbst. Und damit sind wir bei der tiefsten Schicht des Pfingstgeheimnisses angelangt, jener Tiefe des Glaubens, wo uns der spezifisch christliche Gottesbegriff offenbart wird und auch die seltsamen Wege dieses Gottes, der ja die Liebe bleibt, gezeigt werden. Weil er die Libe ist, kann er den irrenden Menschen niemals fallen lassen. Deswegen hat er sich in den Menschen verliebt, deswegen seltsame Wege zu diesem Menschen beschritten. Wer hat den Menschen sozusagen geheiratet.

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Und wie dies halt bei den jungen Ehen der Fall ist, hat er auch den Menschen mit seiner Liebe trunken gemacht. Mehr noch: er macht ihn immer noch trunken! Doch: wie lange geht so etwas gut? Wie lange ist es gut gegangen? Blickt man zurück auf die Geschichte des Bundes mit Gott, auf die Szenen dieser Ehe, so müßte man sagen, die Beziehung zwischen Gott und den Menschen gleicht auf vielen Seiten der Bibel einer Ehe, die in einer permanenten Ehekrise steckt. Gleich nach der Trauung scheint sich der Ehemann geändert zu haben, so denkt sich jedenfalls die des Ehebundes überdrüssig gewordene Ehefrau (die hier in diesem Vergleich für die Menschheit steht). Gleich nach der Trauung wird der Ehemann zu einem unerträglichen Pedanten, der alles regeln will, der bei jeder Gelegenheit mit seinen Belehrungen anfängt, was man da zu tun habe und zu unterlassen. Bei jeder Gelegenheit warnt er, weist hin auf die möglichen Folgen: „Pass bloß auf! Du kannst ja fallen. Dich verletzten. Du wirst dich erkälten!” „Du kannst mich mal”, denkt sich die Ehefrau, der die ständigen Warnungen auf die Nerven gehen. Wie eine pedantische Kindergartentante, oder wie ein Polizist erscheint er dem Ehepartner. Auf jeden Fall wie ein eifersüchtiger Geliebter. Wie oft bricht da die Kommunikation zwischen Gott und Mensch? Wie oft beherrscht das Schweigen die Szene dieser Ehe? Wie oft das stille Fluchen bei beiden Partnern? Das Fluchen in sich hinein. Ein Fluchen, das aber bei Gott immer wieder mit dem Satz endet: „Am liebsten würde ich Dich verlassen, vergessen. Doch: vergisst die Mutter ihr Kind? Nein! So werde auch ich Dich nicht fallen lassen.” Die seltsamen Wege Gottes können eben nur mit einem Grund entschuldigt werden: Er will seine Ehepartner nicht fallen lassen. Wie dies aber oft in einer Ehe der Fall ist, wo die Krise permanent bleibt, gerade diese seine Bemühung entfremdet den Partner noch mehr. Und auch wenn der Partner irrte, kehrt er doch irgendwann dem allzu pedantischen Gott, dem überkorrekten Polizisten, dem eifersüchtigen Liebhaber, er kehrt ihm erst recht den Rücken. Läuft davon, sucht sich andere Götter. Götter mit oder auch ohne diesen Namen.

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Was bleibt denn, liebe Schwestern und Brüder, diesem Gott, der ja die Liebe ist, der gerade, weil er Gott ist, den Menschen niemals fallen lässt, schon gar nicht dann, wenn dieser ihm den Rücken gekehrt hat, was bleibt diesem Gott anders übrig als selber Mensch zu werden? Selber an jenen Ort zu kommen, wo sich der Mensch geflüchtet hat? In die Sackgasse der Banalität, die Sackgasse der Aggression, des Selbsthasses. Oder aber in die Sackgasse des Terrors der Tugend, der unmenschlichen Lebensdisziplin, die alles menschliche erstickt. In die Sackgasse der Gottverlassenheit und des Todes! Die seltsamen Wege Gottes verdichten sich ja in jenem Mann aus Nazareth, der alle bis dahin gekannten Maßstäbe durch seine Liebe und durch seine Lebensbejahung sprengt. Er kommt nicht um zu geißeln, nicht um zu richten, nicht um noch einmal Maßstäbe zu setzen! Nicht um Übermenschliches zu präsentieren und die Menschen, die genug haben von solch aufgeblasenen Gottheiten noch einmal zu frustrieren. Er kommt um zu retten, den Menschen, der dem liebenden Gott den Rücken gekehrt hat zu zeigen, dass Gott ihm immer noch liebt und ihn niemals aufgibt. Jesus von Nazareth als ein solch menschgewordener Gott? Ich möchte heute auf eine Kleinigkeit hinweisen, die aber im höchsten Ausmaß sinnstiftend bleibt. Die griechischen Göttern blieben unsterblich, und dies nur deswegen, weil sie weder Brot gegessen, noch Wein getrunken haben. Jesus isst und trinkt, zeigt den Menschen, dass sie sich nicht zu verstellen brauchen, wenn sie mit Gott ewig leben wollen. Sie brauchen ihr Menschsein nicht zu negieren, so als ob sie halbe Engeln wären. Ja: sie können irren, können versagen, sich gar ganz verirren in einer Sackgasse des Lebens.

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Und das waren nicht bloß fromme Worte. Die Sackgasse wurde zur bitteren Realität. „Wir haben ein Gesetz... Wir haben eine Ordnung. Und nach dem Gesetz muss er sterben, sterben wie all die Gottlosen, die Verfluchten, die Verdammten.” Die seltsamen Wege Gottes münden in der Sackgasse des Todes und der Gottverlassenheit. Der in den Menschen verliebte Gott landet dort, wo seine Ehepartner landen können und auch landen: in der existentiellen Sackgasse. Dort, wo die Liebe scheinbar aufhört zu existieren. Er landet dort, um selber diese Sackgasse zu sprengen und die Liebe doch als die stärkste Macht zu zeigen und sich in seiner Gottheit gerade im Tod zu offenbaren.

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Doch: wie steht es nun um all die Menschen, die diese Tiefe nicht nur nicht glauben, sondern sie auch ausdrücklich ablehnen, gar lächerlich machen. Wie steht es um all die Zyniker? Aber auch um die sich religiös ernsthaft bemühenden Muslime, Buddhisten und andere auch? Es ist der Geist Gottes (und damit sind wir bei der tiefsten Schicht des Glaubensmysteriums von Pfingsten angelangt), der diese Menschen, der gar alle Menschen in Verbindung bringt mit dem Mysterium Christi. Und zwar auf Wegen, die Gott allein bekannt sind (vgl. Gaudium et spes 22). Als Christen glauben wir und hoffen, dass Gott die Menschen, dass er alle Menschen, dass Gott den ganz konkreten Menschen niemals fallen lässt, ihn niemals aufgibt. Dass also der schreckliche Tag der Abrechnung durch den menschgewordenen Gott verwandelt wurde. Weil dieser den Tag stellvertretend durchgelitten hat. Dass also durch IHN, die menschgewordene göttliche Liebe, alle Menschen gerettet werden. Die Konkretisierung des Weges dieser Rettung dürfen wir getrost dem Heiligen Geist überlassen.

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