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Über das Protokoll hinweggesetzt: Die dritte Frau des argentinischen Präsidenten beim Treffen mit Papst Franziskus dabei.

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2016-03-01

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Die Medien haben es damals noch registriert. Als der Bundespräsident Joachim Gauck vom Papst Benedikt 2012 empfangen wurde, durfte seine Lebensgefährtin Daniela nicht dabei sein. Klar und eindeutig ist die Besuchsordnung durch das vatikanische Protokoll geregelt. Als offizielle persönliche Begleitung eines Gastes des Papstes wird in einem solchen Fall nur akzeptiert, wer mit diesem in einer kirchenrechtlich korrekt geschlossenen Ehe lebt. Weil dies bei Gauck nicht der Fall ist, musste Daniela „zu Hause” bleiben. Eine derartige Regelung wird als kulturell-diplomatische Unterstützung des katholischen Eheverständnisses angesehen; sie hat auch sehr viel mit jener familiärer Atmosphäre zu tun, die noch vor ein paar Jahren selbstverständlich dazu führte, dass Lebensgefährten eines (geschiedenen) Kindes den Festen in der Familie fern bleiben mussten. Ihre Anwesenheit hätte ja als Billigung des Verhältnisses gedeutet werden können. Auch wenn in unseren Tagen im Kontext der „Geschiedenen-Wiederverheirateten” diese Strategie abgestorben ist, lebt sie noch vielerorts, beispielsweise im Kontext schwuler Partnerschaften.

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Als am Samstag, 27. Februar 2016, Papst Franziskus den argentinischen Präsidenten Mauricio Macri in einer Privataudienz empfing, war seine dritte Frau Juliana Awada selbstverständlich dabei. Die mediale Berichterstattung konzentrierte sich auf die Spannung zwischen dem Präsidenten und dem Papst, sowie auf die politischen und sozialen Themen des Gesprächs. Der Bruch mit dem Protokoll des Vatikans blieb (bis auf wenige konservative Medien) unbeachtet und unkommentiert. Dabei trägt das Ereignis durchaus Sprengkraft in sich. Macri ist kirchenrechtlich immer noch mit seiner ersten Ehefrau gültig verheiratet; die Bemühungen um eine Annullierung waren erfolglos. Standesamtlich war er inzwischen ein zweites Mal verheiratet und ist auch ein zweites Mal geschieden worden. Die jetzige Frau Juliana Awada, Tochter eines muslimischen Vaters und einer katholischen Mutter, heiratete er 2010. Damit ist der Präsident ein Musterbeispiel jener kirchenrechtlich an den Rand gedrängten Katholiken, um deren legitimen Platz in der Kirche das Lehramt derzeit ringt. Im Abschlussdokument, den die Bischöfe nach der Familiensynode Papst Franziskus übergeben haben, findet sich der (zwar mit einer großen Zahl von Gegenstimmen angenommene) Text über den Umgang der Kirche mit diesen Katholiken:

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„Getaufte, die geschieden und zivil wiederverheiratet sind, müssen auf die verschiedenen möglichen Weisen stärker in die Gemeinschaft integriert werden, wobei zu vermeiden ist, Anstoß zu erregen. Die Logik der Integration ist der Schlüssel ihrer pastoralen Begleitung, damit sie nicht nur wissen, dass sie zum Leib Christi, der die Kirche ist, gehören, sondern dies als freudige und fruchtbare Erfahrung erleben können. Sie sind Getaufte, sie sind Brüder und Schwestern, der Heilige Geist gießt Gaben und Charismen zum Wohl aller auf sie aus. Ihre Teilnahme kann in verschiedenen kirchlichen Diensten zum Ausdruck kommen: es ist daher zu unterscheiden, welche der verschiedenen derzeit praktizierten Formen des Ausschlusses im liturgischen, pastoralen, erzieherischen und institutionellen Bereich überwunden werden können. Sie dürfen sich nicht nur als nicht exkommuniziert fühlen, sondern können als lebendige Glieder der Kirche leben und reifen, indem sie diese wie eine Mutter empfinden, die sie immer aufnimmt, sich liebevoll um sie kümmert und sie auf dem Weg des Lebens und des Evangeliums ermutigt.” (84)

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Das Bestimmung des vatikanischen Protokolls stellt wohl eine der Formen von solchem Ausschluss dar. Indem sich Franziskus über diese Normen hinwegsetzt, diese damit eigentlich ändert, macht er den nächsten Schritt auf dem Weg der Änderung des Verhältnisses der lehramtlichen Kirche zu den Ausgegrenzten. Dem Vernehmen nach kostete der Schritt einiges an Überzeugungsarbeit beim Staatsekretariat. Ob es bei den Gesprächen auch darum ging, wieweit die Änderung nun „Anstoß” erregen wird, wissen wir nicht. Sie scheint in unserer schnelllebigen Welt zuerst gar unbemerkt geblieben zu sein. Der Schritt wird aber und darf auch nicht ohne Folgen bleiben. Die Diözesen und Pfarreien sind ja durch den Schritt ermutigt worden, ihrerseits konkrete Integrationsschritte zu setzen. Und sich weniger davon zu fürchten, dass man mit Integration „Anstoß” erregt.

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