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Ein bedeutungsschwangerer Tag. Predigt zum Fest der Unbefleckten Empfängnis

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2015-12-09

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Ein bedeutungsschwangerer Tag ist heute. Und dies vor allem deswegen, weil wir uns liturgisch jenes Augenblicks der Menschheitsgeschichte vergegenwärtigen, in dem eine Frau namens Anna, eine bereits in die Jahre gekommene Frau, eine Frau, die im letzten Provinzloch des römischen Reiches lebte: im besetzten Nazareth in Galiläa, in dem diese Frau schwanger wurde.

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“Und was ist da schon Besonderes dabei?”, wird der zum Zynismus in Sachen Religion neigende Zeitgenosse fragen. “Tagtäglich werden doch unzählige Frauen weltweit schwanger. Soweit ich weiß, waren die an der Zeugung beteiligten Eltern keine Promis; der lokale Boulevard sah jedenfalls keinen Grund, die Schwangerschaft auf der letzten Seite des vielgelesenen Blattes zu vermelden. Die Eltern waren ja keine Hollywoodstars, weder Politiker, noch Wirtschaftsbosse und schon gar nicht die von der Polizei beobachteten Extremisten.”

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Und doch schaffte das Kind, das da heute empfangen wurde zur absoluten Ausnahmeerscheinung der Menschheit zu werden. Einmalig in seiner Bedeutung und unwiederholbar. Der Engel im Evangelium nennt dieses bereits erwachsen gewordene Kind: “die Begnadete”. Eine begnadete Frau also, ein ganz besonderer Mensch - und trotzdem ein Mensch wie Du und ich! Biologisch gezeugt und geboren auf eine Art und Weise wie die meisten Menschen gezeugt und geboren werden. Keine Göttin also, keine Heldin und schon gar nicht die Ausnahmeerscheinung einer Selbstmordattentäterin, die sich mit Sprengstoff umgürtet, mit Dynamit schwanger wird, damit sie die erfahrbaren Sackgassen des gnadenlosen Alltags durch das Opfer ihres Lebens sprengt. Nein! Diese Begnadete stellt den Inbegriff der Alternative dar, einer Alternative für all das, was wir von unserem gebeutelten Alltag kennen. Hinein gezeugt und hineingeboren in eine Welt voll von Widerspruch, in eine Welt voll von Leid, von Lüge und Gewalt, verkörpert diese Frau die Antwort Gottes auf die Herausforderung dieser Scheißwelt, einer Welt, in der die Teufelskreise von Sünde und Schuld, von Destruktivität und Lüge die Oberhand zu haben scheinen. Weil von Gott begnadet unterbricht diese Frau die Teufelskreise. Sie tut dies aber nicht unter Zuhilfenahme von Terror und Gewalt. Nein! Sie unterbricht die Teufelskreise dadurch, dass sie selber schwanger wird. Anstatt Leben auszulöschen, tut sie das neue Leben gebären. Und sie gebiert nicht nur einen Menschen “von der Stange”. Nein: sie gebiert die Antwort Gottes auf diese unsere Welt. Sie gebiert den “neuen Menschen”! Einen Menschen, der seinerseits einmalig ist in seiner Bedeutung und unwiederholbar. Diese von Gott begnadete Frau wird selber schwanger , sie wird den Sohn Gottes zur Welt bringen, jenen “neuen und vollkommenen Menschen, der sich in seiner Menschwerdung gewissermassen mit jedem Menschen vereinigt” (wie dies die Kirche in einem der letzten Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils, das auf den Tag genau vor 50 Jahren am 7. Dezember 1965 verabschiedet wurde, sagte): “Dieser Sohn Gottes hat wie wir gelebt, mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichen Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen hat er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen geliebt” (Gaudium et spes 22).

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Liebe Schwestern und Brüder, ein bedeutungsschwangerer Tag ist heute. Und dies auch deswegen, weil unsere Zeit schwanger ist. Schwanger mit Angst: mit Angst vor dem Terror, mit Angst vor der Migration armer Menschen, Menschen, die vor der Gewalt fliehen! Unsere Zeit ist schwanger mit Angst vor der Flüchtlingswelle, deren Ende nicht absehbar ist. Und sie ist schwanger mit Angst vor der Klimakatastrophe. Diese Angst gebiert Misstrauen, sie gebiert das Bedürfnis nach Sicherheit, das Bedürfnis nach schnellen und einfachen Lösungen, vor allem nach Lösungen, für die die anderen zur Kasse gebeten werden. Diese gleichsam ungewollte Schwangerschaft der Angst auf die viele Politiker und viele Medienschaffende mit der Haltung der political correctness reagieren, indem sie sofort den Abortus verkünden, den scheinbar so einfach zu vollziehenden Schwangerschaftsabbruch als Lösung anbieten, indem sie die Angst weg disputieren, oder auch weg bomben, auf jeden Fall unter das Kuratel der Sicherheitsorgane stellen wollen, diese ungewollte Schwangerschaft, die Schwangerschaft der Angst will Papst Franziskus, will die Kirche, wollen wir mit einer regelrechten Schwangerschaftsgymnastik begleiten, damit eben nicht Misstrauen geboren wird. Unsere bedeutungsschwangeren Tage, diese Zeit also, die mit Angst schwanger geht soll gleichsam von Barmherzigkeit durchflutet werden. Deswegen ist der heutige Tag ein bedeutungsschwangerer Tag, weil die Kirche heute das Jahr der Barmherzigkeit eröffnet. Ein Jahr, in dem wir alle uns um eine veränderte Beziehung zum Leben bemühen sollen. Und wo und wie fangen wir da an?

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Die begnadete Frau, jene Frau, die paradigmatisch für den bedeutungsschwangeren heutigen Tag steht, ruft uns allen zu: “Ihr habt doch schon angefangen. Mit eurem Gang zu dieser Feier habt ihr das erste Zeichen gesetzt für den Wandel!” Die Begnadete ruft uns nämlich jene Worte in Erinnerung, die uns heute als das Wort Gottes aufgerüttelt haben. “In ihm, dem neuen Menschen, dem vor mir geborenen Sohn Gottes hat Gott euch alle, hat Gott uns alle erwählt. Und er hat im Voraus uns dazu bestimmt seine Söhne, seine Töchter zu werden” (vgl. Eph 1,5). Die Begnadete, jene die selber schwanger wurde und das neue Leben gebar verhilft uns heute zu einer “alternativen Schwangerschaft”. Wir sollen diesen Raum schwanger verlassen. Nicht die Schwangerschaft der Angst soll es aber sein, sondern die Schwangerschaft des Glaubens, des Glaubens daran, dass wir aus Liebe im Voraus dazu bestimmt sind, dazu begnadet sind selber zu lieben. Mitten in dieser Welt lebend, einer Welt, die voll von Widersprüchen, von Lüge und Gewalt ist, einer Welt, die vielen Menschen bloß als eine Scheißwelt erscheint, mitten in dieser Welt lebend, wissen wir und begnadet, glauben wir uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt Menschen der Barmherzigkeit zu werden, mit menschlichen Herzen zu lieben und so die ungewollte Schwangerschaft der Angst in Richtung einer Geburt zu begleiten, bei der nicht Misstrauen, sondern Vertrauen geboren wird.

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Ein bedeutungsschwangerer Tag ist heute. Denn heute vor 50 Jahren wurde das Zweite Vatikanische Konzil abgeschlossen, ein Konzil, das der Kirche ein neues, ein menschenfreundliches Gesicht schenkte. Die letzten Dokumente, die gestern vor 50 Jahren verabschiedet wurden, stehen paradigmatisch für dieses neue Gesicht das: “Kirche in der Welt von heute”, eine Kirche, der nichts, was menschlich ist, fremd sein soll. Und das Bekenntnis zur Religionsfreiheit als einem großen Wert, der uns alle auf den Weg der Begegnung mit Anderen, nicht aber auf den Weg der Gewalt und des Terrors gegen die Anderen mitnimmt. Das von Papst Franziskus heute eröffnete Jahr der Barmherzigkeit soll all die Sackgassen unserer Welt bündeln und sie mit unserer veränderten Beziehung zum Leben konfrontieren: mit der Haltung der Barmherzigkeit. Beten wir, dass der bedeutungsschwangerer Tag, das bedeutungsschwangere Jahr nicht Misstrauen gebiert. Gestärktes Vertrauen, Vertrauen auf Gott und seine Welt, Vertrauen in die Mitmenschen soll dieses Jahr der Barmherzigkeit gebären: Sie sollen Früchte des heiligen Jahres werden! 

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