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… mit einem menschlichen Herzen geliebt. Predigt zum Herz-Jesu-Sonntag 2015

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2015-06-15

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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(LJ B) Lesungen: Hos 11,1.3–4.8a.c–9; (Eph 3,8–12.14–19) Joh 19,31–37

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„Der Sohn Gottes, hat sich in seiner Fleischwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit menschlichen Händen hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen gehandelt, mit einem menschlichen Herzen geliebt. Geboren von Maria, der Jungfrau, ist er in Wahrheit einer aus uns geworden, in allem uns gleich außer der Sünde.“[1]

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Mit diesen Worten, liebe Gläubige, fasst das zweite Vatikanische Konzil in seiner pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute das Geheimnis der Mensch­werdung Gottes in Jesus Christus zusammen. Es sagt dabei auf sehr schlichte, ja fast lapidare, Weise einige ganz große Gedanken aus. Christus ist in Wahrheit einer von uns, in allem – man höre – in allem uns gleich außer der Sünde. Und er hat als Mensch mit den Kräften, Anlagen und Organen gedacht, gefühlt und gehandelt wie wir auch. Genannt werden die Hände zum Arbeiten, der Geist zum Denken, der Wille zum Handeln und schließlich das Herz zum Lieben – und da sind wir natürlich beim Thema des heutigen Herz-Jesu-Sonntags.

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Ein Hände-Jesu-Fest gibt es nicht. Auch kein Geist- oder Wille-Jesu-Fest. Aber ein Herz-Jesu-Fest gibt es. Das mag daran liegen, dass die Liebe, die Jesus uns zeigt, das Zentrale an ihm ist. Er wurde nicht als großer Lehrer des Denkens berühmt, obwohl man ihn Rabbi, „Meister“ nannte. Aber wenn es ihm darum gegangen wäre, als großer Theologe oder Philosoph in die Geschichte einzugehen, dann hätte er selber was geschrieben und nicht nur seine Jünger berichten lassen. Auch als großen Arbeiter und Handwerker verehren wir ihn nicht, obwohl er beim Heiligen Joseph ein Handwerk gelernt und wohl auch eine Zeit lang ausgeübt hat. Aber es ist kein von Jesus gezimmerter Tisch oder Türstock erhalten geblieben. Am ehesten kann man ihn noch als großen Entscheider und Handelnden sehen – und so sind auch seine ihm nachfolgenden Gefährten der Gesellschaft Jesu bekannt für ihre Fähigkeit der Unterscheidung der Geister und bieten „Entscheidungsworkshops“ an. Aber im Vordergrund des Lebens und Handelns Jesu stand die Liebe und um dieser Liebe willen mussten dann auch die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Wie aber genau ist die Liebe zu verstehen?

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Die Lesung aus dem Buch Hosea greift einen Fall zwischenmenschlicher Liebe auf und vergleicht die Liebe Gottes zu den Menschen mit ihm: Die Liebe von Eltern zu ihren Kindern. Von Eltern, die ihren Kindern wirklich alles Erdenkliche tun, sie pflegen und hegen und dann die Erfahrung machen müssen, dass die Kinder sie verlassen und sogar im Stich lassen. Diese Erfahrung wurde in unserer Lesung gekürzt, aber sie deutet sich an, wenn es am Ende heißt „Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken und Efraim nicht noch einmal vernichten. Denn ich bin Gott, nicht ein Mensch, der Heilige in deiner Mitte. Darum komme ich nicht in der Hitze des Zorns.“ Und so zeigt sich ein neues Element für unsere Überlegungen: Menschliche Liebe ist anfällig für Missverständnisse und Verletzungen; für Neidgefühle, Besitzansprüche, Rivalitäten, Eifersüchteleien und sogar Zorn. Oft haben Menschen auch Gott so erfahren. Und doch widerspricht er hier im Buch des Propheten Hosea: Weil er nicht ein Mensch ist, sondern Gott, darum kommt er nicht in der Hitze des Zornes.

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Die Bibel ist voll von Erzählungen der Liebe und des Zornes, der Gewalt und der Versöhnung. Im Hohenlied der Liebe besingen zwei Liebende geneseitig ihre Schönheit und ihr Verlangen nacheinander – und die Kirche bekennt dieses Lied als göttlich inspiriert. Die Bibel erzählt aber auch von den geilen alten Männern, die Susanna durch falsche Beschuldigungen zum Sex zwingen wollen (Dan 13,15ff.), und von Potifars Frau, die Josef verführen will und, als er sich weigert, ihn der versuchten Vergewaltigung beschuldigt (Gen 38,7ff.). Wenn wir heute Presse und Internet durchforsten, stoßen wir auf ganz ähnliche Geschichten. Da hat sich nichts geändert. Das erotische Verlangen – es gehört zum bereicherndsten, aber auch zum abgründigsten, was das Leben für uns bereithält. Von der erotischen Liebe ist allerdings im Zusammenhang mit Jesus kaum die Rede. Aber indem die Kirche ein Sakrament der Ehe kennt, lehrt sie uns, dass auch in der erotischen Liebe sich die Liebe Gottes und die Liebe Christi manifestieren kann.

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Die Liebe des Herzens Jesu aber, die scheint darüber hinauszugehen: Denn die erotische Liebe ist ein gegenseitiges Schenken und Beschenktwerden. Es geht dabei nicht darum, dass man peinlich genau darauf achtet, dass sich das genau die Waage hält. Liebe ist kein Handel. Aber, wenn es total einseitig wird, wenn nur mehr einer gibt und der andere nur mehr nimmt, dann ist das eine harte Belastungsprobe für die Liebe – sei es die erotische, oder auch eine freundschaftliche Liebe. Der inzwischen emeritierte Papst Benedikt hat in seiner Enzyklika Deus caritas est darauf hingewiesen, dass wir Menschen überfordert sind, wenn wir nur Liebe schenken wollten, und gar nie beschenkt würden;[2] ja, dass der Versuch, so etwas zu leben, eine Art Hybris ist, sein zu wollen wie Gott.

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Wie ist das aber mit Jesus und seinem Herzen, das zwar ganz ein menschliches Herz war, das aber in einer innigen Einheit mit Gott stand? Sollte das heutige Evangelium, das uns ganz unvermittelt unter das Kreuz führt, an dem schon der Leichnam Jesu hängt, dessen Herz durchbohrt wird, was Blut und Wasser hervorquellen lässt, sollte dieses Evangelium uns etwas über die Liebe Jesu erzählen können? Nicht, wenn wir es isoliert für sich betrachten. Aber durchaus, wenn wir es im Zusammenhang des Lebens Jesu sehen.

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Er verkündete einen Gott der reinen Liebe, einen, der trotz der menschlichen Tendenz zu Eifersucht und Gewalt, diesen Haltungen gerade nicht verfällt. Und gerade deshalb, weil andere Menschen Jesus seine innige Nähe zu Gott neideten, klagten sie ihn an und töteten ihn. Und jetzt? Eine Zwickmühle. „Steig doch vom Kreuz herunter“ – höhnen die einen. „Ich nehm’ ein Schwert und verteidige dich“ – danach handelt ein anderer. Beide sehen nicht, was das bedeuten würde: Es wäre die Rückkehr zum irgendwann doch im Zorn, in der Übermacht, in der göttlichen Vergewaltigung daherkommenden Gott. „Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt!“

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Wir wissen eigentlich: So kann Liebe nicht funktionieren: menschliche Liebe nicht; und göttliche erst recht nicht. Aber, wie leicht fallen wir zurück in dieses archaische Muster. Jesus hat das nicht getan. Lieber ließ er sich das Herz durchbohren. Jesus hat es ja selbst erklärt, wie es um die Liebe seines Herzens aussah: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) Auf die Gefahr hin, es zu übertreiben, möchte ich noch hinzufügen: Es gibt keine größere Liebe, als wenn jemand seine Feinde zu seinen Freunden macht, indem er für sie sein Leben hingibt. Genau das hat ja Jesus für uns und alle Menschen getan, durch die Liebe seines menschlichen Herzens.

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Wir können das nicht durch einfachen Entschluss nachmachen, das wäre ebenfalls selbstüberfordernde Hybris. Aber wir können darum bitten, dass der Heilige Geist auch uns immer inniger mit Gott verbinde, so dass wir mit unseren menschlichen Händen für die Liebe arbeiten, mit unserem menschlichen Geist mitfühlend Denken, mit unserem menschlichen Willen gemäß der Liebe entscheiden und mit unserem menschlichen Herzen immer mehr christus-ähnlich lieben können.

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[1] Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute. Gaudium et Spes, Nr. 22.

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[2] Vgl. Benedikt XVI, Papst: Deus caritas est, 2005. Heiliger Stuhl. Online: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/encyclicals/documents/hf_ben-xvi_enc_20051225_deus-caritas-est_ge.html [03/30 2014], Nr. 7-11, vgl. auch: Ratzinger, Joseph: Zur Theologie der Ehe. In: Krems, G. / Mumm, R. (Hg.): Theologie der Ehe. Veröffentlichung des ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen. Regensburg 1969, 81-115, v.a. 101-103.

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