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Eine pilgernde Kirche als Suchende mit den Suchenden

Autor:Palaver Wolfgang
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:Moment: Sonderbeilage der Tiroler Tageszeitung Nr. 114 (vom Juli), 1.
Datum:2014-07-26

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Die religiöse Situation in Tirol hat sich in den letzten zweihundert Jahren radikal verändert. Noch vor etwas mehr als 150 Jahren wurde im Tiroler Landtag mit großer Mehrheit das von Kaiser Franz Joseph I. erlassene Protestantenpatent abgelehnt, dass in ganz Österreich den Protestanten eine weitgehende Gleichstellung mit der katholischen Kirche einräumte. Aus Tiroler Sicht sollten Protestanten nicht einmal Grundeigentümer werden dürfen, um die religiöse Einheit des Landes nicht zu schwächen. Heute leben wir dagegen in einer religiös pluralen Welt. Zwar bekennen sich noch immer fast 80 % aller TirolerInnen zur katholischen Kirche, doch inzwischen zählen Menschen ohne Bekenntnis und Muslime zu den am stärksten wachsenden Gruppen in Tirol. Auch orthodoxe Christen leben vermehrt neben den schon länger ansässigen Protestanten bei uns. Weitere Religionsgemeinschaften tragen zur wachsenden Buntheit bei. Die neue „Multireligiöse Plattform Innsbruck“ ist ein gutes Beispiel, wie Zusammenarbeit und Austausch dieser neuen Herausforderung positiv begegnen können.

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Neben dem wachsenden Pluralismus lässt sich eine weitere wichtige Entwicklung festhalten. Nicht mehr so sehr die Unterscheidung zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen kennzeichnet unsere Gesellschaft, sondern quer durch alle Glaubensgemeinschaften (inklusive den Konfessionslosen) zeigt sich eine Tendenz von spirituell Eingesessenen oder heimisch Gewordenen (dwellers) hin zu spirituell suchenden Menschen (seekers). Religiöse Beheimatung bleibt wichtig, aber immer mehr Menschen erfahren sich als Fragende und Suchende, denen traditionell vorgegebene und scheinbar eindeutige Antworten nicht mehr genügen. Tomáš Halík, ein tschechischer Soziologe, der in der kommunistischen Zeit geheim zum katholischen Priester geweiht wurde und heuer den international renommierten Templeton Prize erhielt, sieht in der Zunahme der Suchenden in unserer Welt eine der entscheidenden Herausforderungen für die Kirche von heute. Diese veränderte Welt braucht eine Kirche, die sich als „Suchende mit den Suchenden“ auf den Weg macht. Es geht um die Wiederentdeckung der Pilgerexistenz. Eine pilgernde Kirche, die sich auf die Fragen von heute einlässt, kann sich auch viel leichter für die Suchenden in den anderen Religionen und unter den Nicht-Religiösen öffnen.

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Diese notwendige Offenheit für die gemeinsame Suche darf aber nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden. Eine plurale Welt braucht auch klarere Profile. Zu Recht betont Papst Franziskus die Option für die Armen als eine Haltung, die die Botschaft Jesu Christi wieder lebendig werden lässt und für die Kirche in allen Bereichen bedeutsam bleibt. Auch hier ist eine pilgernde Kirche gefragt, die wegen ihres leichteren Gepäcks für jene Menschen aufmerksam bleiben kann, die am Rande der Gesellschaft stehen. Wir brauchen nur die vielen Flüchtlinge in Europa wahrnehmen. Eine Kirche, die den Blick für die Ärmsten übt, kann zu einer verstärkten Solidarität in der Gesellschaft beitragen. Die Caritas geht hier vorbildlich voraus. Doch sie allein wäre zu wenig. In jedem Gottesdienst, in den alltäglichen Aktivitäten der Kirche muss unsere besondere Sorge um die Ärmsten spürbar sein. Beim heurigen Konzilstag in Strass im Zillertal waren beispielsweise ganz selbstverständlich auch Asylanten aus dem Flüchtlingsheim St. Gertraudi mit dabei.

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