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Abschiedsworte für P. Hans Rotter SJ (Requiem am 18. März 2014)

Autor:Palaver Wolfgang
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2014-03-20

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Liebe Trauergemeinde,

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zuerst möchte ich den Rektor der Universität entschuldigen, der gerne an diesem Requiem teilgenommen hätte, aber aufgrund des Besuchs des Bundesministers verhindert ist. Zahlreiche weitere Kollegen haben sich für heute entschuldigt, der Fakultät aber auch mitgeteilt, dass sie mit uns im Gebet verbunden sind.

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Im Gedenken an P. Hans Rotter möchte ich Stationen seines Lebensweges und seinen wissenschaftlichen Werdegang nachzeichnen, um zu zeigen, welches geistliche und geistige Erbe er uns hinterlassen hat.

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Hans Rotter wuchs im katholischen Bayern in der Nähe von Rosenheim auf. Er wurde kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland geboren und musste sich daher – wie er in seiner kleinen moraltheologischen Biographie von 2007 schreibt -- schon in seiner frühen Jugend mit den Ambivalenzen von Autorität auseinandersetzen. Nach dem Krieg kam er in das Erzbischöfliche Studienseminar in Traunstein und besuchte dort das Humanistische Gymnasium, übrigens nur wenige Jahre nach den damaligen Oberklasslern Georg und Joseph Ratzinger.

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Gleich nach dem Abitur trat er 1953 in die Gesellschaft Jesu ein. Viele Jahre später schreibt er, welche tiefe Erfahrung für ihn die großen Exerzitien waren: „Diese Exerzitienwochen waren das spirituelle Fundament für mein weiteres Leben.“[1] Hans Rotter war und blieb Zeit seines Lebens aus tiefstem Herzen Jesuit. Er studierte dann Philosophie und Theologie in Pullach, Innsbruck und München. Die Neuscholastik erlebte er als zu einengend, wenn er bemerkt, dass damals ein neuer Gedanke oft erst geäußert werden durfte, wenn der Nachweis gelang, dass er schon bei Thomas von Aquin gedacht worden war. Dagegen begeisterte ihn Karl Rahner, an dem er vor allem den Mut bewunderte, sich mit heiklen und oft tabuisierten Themen auseinanderzusetzen. Er bemerkte dazu: „Das war eine Theologie, die nicht von Konvention und Angst geprägt war, sondern die einen neuen Aufbruch wagte.“

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Besonders litt Hans Rotter unter der damals üblichen Moraltheologie, die von einer kleinlichen Kasuistik geprägt war, eine für ihn abstoßende Nähe zum juridischen Denken aufwies und „nichts von einem biblischen Geist oder einer Dynamik, wie ich sie von Karl Rahner her kannte“, aufwies.

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Für uns heute ist es ein Segen, dass Hans Rotter vom Orden beauftragt wurde, sich für eine Dozentur in Moraltheologie vorzubereiten. Er entwickelte nämlich im Laufe der Jahre eine personalistische Moraltheologie, die die Sackgassen der kasuistisch-juridischen Morallehre der vorkonziliaren Zeit überwand und es möglich machte, auf die konkreten Nöte der Menschen von heute gute Antworten zu geben. Er betonte gegen eine Überbewertung der objektiven Erkenntnis die geschichtliche und soziale Bedingtheit allen Erkennens und ethischen Urteilens. Vor allem das dialogische Denken Martin Bubers wurde für Hans Rotter wichtig. Ein erstes Ergebnis seiner Arbeit war die Habilitationsschrift, die in zweiter und erweiterter Auflage unter dem Titel Grundgebot Liebe erschien. Dieser Buchtitel fasst Hans Rotters Moraltheologie gut zusammen. Es ist die Liebe, die aller bloßen Kasuistik und aller engen Gesetzlichkeit immer übergeordnet bleiben muss.

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Hans Rotters Lebenswerk ist eine überzeugende Antwort auf jenes Grundproblem unserer modernen Welt, das der kanadische Philosoph Charles Taylor als „regelfixierte Transformation des Christentums“ bezeichnete.[2] Dabei meinte er nicht nur die moderne Welt als solche, sondern auch die Kirche, die beispielsweise mit ihrem Sexualkodex Menschen regelkonform ausgrenzt und damit jenem Geist der christlichen Liebe widerspricht, der das Neue Testament prägt.

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Hans Rotters weiteres Lebenswerk baute auf seiner Betonung der Liebe und des Dialogs auf. So wie es am Beginn der Pastoralkonstitution des Konzils Gaudium et spes heißt, dass „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute“ auch für die Kirche Vorrang haben müssen, hat sich auch das weitere Werk von Hans Rotter vor allem mit den drängendsten Nöten der Menschen auseinandergesetzt. In seinen Abschiedsworten anlässlich der Emeritierung im Jahre 2001 nennt er die Themen, die ihn besonders bewegt haben: Euthanasie, Gentechnik, Klonen, künstliche Befruchtung, Schwangerschaftsabbruch, außereheliche Lebensgemeinschaften, Ehescheidung, Homosexualität, Gefängnis- und Todesstrafe sowie Krieg, Terrorismus und Rache. Er wusste, dass es sich bei einigen dieser Fragen um heikle Themen handelt, die auch innerkirchlich nicht unproblematisch waren. Er meinte dazu in seinem autobiografischen Artikel: „Ich glaube …, dass der Moraltheologe sich der Nöte der Menschen anzunehmen hat. Die Kirche darf den Menschen nicht ungebührliche Lasten auferlegen, die die Repräsentanten der Kirche vielleicht mit keinem Finger anrühren. … Wir sollten lieber riskieren, uns da oder dort den Mund zu verbrennen, als gegenüber Unrecht zu schweigen.“

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Sosehr Hans Rotter sich als gehorsamer Jesuit und Mann der Kirche verstand – ich konnte das als einer seiner Assistenten im Laufe von vierzehn Jahre immer wieder auch ganz konkret erleben –, sosehr engagierte er sich auch für die Reform der Kirche. Seine Parteinahme für die Sorgen der Menschen brachte ihn in Konflikte mit dem Lehramt, die er aber nicht zur medialen Aufmerksamkeitssteigerung ausnutzte, sondern sorgsam zu beantworten versuchte und bis zu einem gewissen Grad auch einfach in Geduld ertrug.

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Er gehörte auch zu den Proponenten des von Tirol ausgehenden Kirchenvolksbegehrens. Wer heute seinen autobiografischen Zugang zur Moraltheologie nachliest und seine vielen Publikationen im Blick hat, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er in vielen Punkten Impulse des jetzigen Papstes Franziskus vorweg nahm. Ich bin heute froh, dass ich P. Rotter am 29. Dezember letzten Jahres in Zams noch besuchen und mich mit ihm austauschen konnte. Weil ich vermutete, dass er mit der Richtung von Papst Franziskus sehr einverstanden war, fragt ich ihn: „Hans, wie gefällt Dir der neue Papst?“ Die kurze Antwort bestätigte meine Vermutung. Er antwortete: „Ein Goldjunge.“

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Hans Rotter hat nicht nur vom Grundgebot Liebe gesprochen und geschrieben, sondern dieses auch gelebt. Es beeindruckt mich, wenn er in seinen Abschiedsworten von 2001 betonte, dass er sich gerade auch deshalb für die aktuellen Fragen der Öffentlichkeit engagierte, weil ihm bewusst war, dass der Steuerzahler, der seine Professur bezahlte, damit auch ein Recht auf verständliche Antworten hatte. Nach seiner Emeritierung stellte sich Hans Rotter in den Dienst kranker Menschen und wurde von 2001 bis 2005 Krankenhausseelsorger in Zams, um dann ab 2005 als Spiritual im Mutterhaus der Zammer Barmherzigen Schwestern zur Verfügung zu stehen. Obwohl er gesundheitlich seit mehreren Jahren beeinträchtig war, blieb Hans Rotter ein Vorbild für die Sorge um die anderen.

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Neben Wissenschaft, Forschung und Seelsorge gehörten aber auch Musik, das Schachspiel und die Pflege der Gemeinschaft zum Menschen Hans Rotter.

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In seiner Theologie ist Hans Rotter immer wieder auch auf die christliche Eschatologie zu sprechen gekommen. Auch seine Vorstellungen vom Himmel sind dabei personal geprägt. Er verweist auf die Gottesschau und die Mahlgemeinschaft.

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Lieber Hans, ich wünsche Dir diese Gemeinschaft in der Gegenwart Gottes, und wer Dich sehr gut kennt, weiß, dass Du sicher nichts dagegen hättest, wenn es auch im Himmel jeden Freitag das aktuelle Zeit-Rätsel gäbe. Wir sind dankbar für Dein geistiges und geistliches Erbe, das Du uns zurückgelassen hast.

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[1] H. Rotter, Meine Suche nach der Moral: K. Hilpert (Hg.), Theologische Ethik – autobiografisch (Paderborn 2007), 169-185.

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[2] C. Taylor, Replik: M. Kühnlein - M. Lutz-Bachmann (Hg.), Unerfüllte Moderne? – Neue Perspektiven auf das Werk von Charles Taylor, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2018 (Berlin 2011), 821-861, hier 860.

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