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Hoffnung oder Verzweiflung am Ende der Tage?
(Zwischen Jesja und Jesus)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Die Lesungen zum 1. Adventsonntag stellen uns zwei sehr verschiedene Visionen der letzten Tage vor Augen: eine friedliche, beruhigende, ja fast idyllische – und eine gewalttätige, furchterregende, ja vielleicht Verzweiflung auslösende. Und, was es noch schlimmer macht: die furchterregende steht im Neuen Testament und kommt aus dem Munde Jesu; die angenehme spricht der alttestamentliche Prophet Jesaja. Hier wird mir also der gern gebrauchte Kniff, die Frohbotschaft Jesu gegen einen vermeintlich gewalttätigen alttestamentlichen Gott auszuspielen, nicht weiterhelfen können. Was ist also die Botschaft dieses 1. Adventsonntags – ist sie wirklich eine Frohbotschaft?
Publiziert in:
Datum:2013-12-04

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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1. Adventsonntag 2013, Lesejahr A

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Lesungen: Jes 2,1-5; (Röm 13,11-14a;) Mt 24,29-44 (37-44)

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Liebe Gläubige,

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die Lesungen zum 1. Adventsonntag stellen uns zwei sehr verschiedene Visionen der letzten Tage vor Augen: eine friedliche, beruhigende, ja fast idyllische – und eine gewalttätige, furchterregende, ja vielleicht Verzweiflung auslösende. Und, was es noch schlimmer macht: die furchterregende steht im Neuen Testament und kommt aus dem Munde Jesu; die angenehme spricht der alttestamentliche Prophet Jesaja. Hier wird mir also der gern gebrauchte Kniff, die Frohbotschaft Jesu gegen einen vermeintlich gewalttätigen alttestamentlichen Gott auszuspielen, nicht weiterhelfen können. Was ist also die Botschaft dieses 1. Adventsonntags – ist sie wirklich eine Frohbotschaft?

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Der Prophet Jesaja ist zunächst eigentlich ein Unheilsprophet. Er muss Israel davor warnen, dass es – wenn es sich nicht bekehrt – Krieg und Zerstörung, ja Verschleppung ins Exil zu erwarten hat. Und dieses Exil wird ja auch eintreten, weil Israel nicht auf Jesaja hört. Und doch, mitten in seinen unheilschwangeren Warnungen hält Jesaja inne und spricht vom Ende der Tage. Und er weist darauf hin, dass am Ende der Tage alles gut ausgehen wird. Dann werden nicht die Israeliten verschleppt werden, sondern die Nationen kommen nach Jerusalem und zwar weder als Eroberer noch als Verschleppte, sondern als Pilger. Sie kommen, weil sie erkennen, dass vom Gott Jakobs die richtige Weisung kommt, und sie folgen dieser Weisung. Das schönste Bild, die schönste Hoffnung des Jesaja ist: Die fremden Völker, die so oft militärisch überlegen waren, sie lassen sich von Gott zurechtweisen und machen ihre Kriegswaffen zu Lebenswerkzeugen: aus tötenden Schwertern werden Nahrung schaffende Pflugscharen und aus durchbohrenden Lanzen werden Wein erntende Winzermesser. Dann ist der Krieg für immer beendet. So die Vision des Jesaja, so die Hoffnung vieler Menschen immer wieder auf der Welt, heute besonders in Syrien, im Nahen Osten und, und, und …

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Und ausgerechnet Jesus sieht es anders? Ist bei ihm ist das Ende eines mit Schrecken? In welcher Situation spricht er? Jesus steht fast am Ende eines langen Weges. Drei Jahre lang hat er verkündigt, geheilt, Dämonen ausgetrieben, Sünden vergeben und die Menschen von der absoluten Güte und Barmherzigkeit des Vaters zu überzeugen versucht. Er ist dabei vor allem auf Widerstand gestoßen. Gerade jene, die es am ehesten hätten verstehen müssen, die Schriftgelehrten und Pharisäer, haben ihn massiv abgelehnt und er musste sich hitzige Streitgespräche mit ihnen liefern. Und nun stehen sie kurz davor ihn zu töten; er geht sehenden Auges in den Tod. Ihm zeigen sich nur Aussichten auf Gewalttat und Mord: auf der einen Seite seine Gegner, die ihn töten und beseitigen wollen; auf anderen Seite gewaltbereite Zeloten, die ihn als Anführer eines gewaltsamen Aufstandes gegen die Römer gewinnen wollen; schließlich noch die Jünger, die ihn zwar mit dem Schwert verteidigen würden, aber sobald er ihnen befiehlt, das Schwert wegzustecken, nehmen sie Reißaus und lassen ihn im Stich. Jesus muss sich entscheiden, welchen Weg er geht. Wenn er nicht auch der Gewalt verfallen oder Reißaus nehmen will, dann bleibt ihm nichts anderes als diese ganze massive Gewalt auf sich zu nehmen. Als ein Jünger ihn mit dem Schwert verteidigen will, lehnt Jesus dies ab mit den Worten: „Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.“ (Mt 26,52) Wenn die Schwerter nicht zu Pflugscharen werden, töten sie auch den, der sie benützt. Und wenn die Lanzen nicht zu Winzermessern werden, sondern Menschen wie den am Kreuz hängenden Jesus durchbohren, entmenschlichen sie auch jene, die sie benützen. Vor der Passion Jesu scheint es, als sei all sein Reden und Tun vergeblich gewesen, denn die Menschen bleiben der Gewalt verschrieben. Bleiben sie das auch bei seiner Wiederkunft in Herrlichkeit, so scheint Jesus zu sagen, dann kommt es zu der beängstigenden Situation, die er uns beschreibt.

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Wir haben aber eine Chance, das zu vermeiden. Die Chance besteht darin, die Prophezeiung des Jesaja wahr zu machen: Wenn wir auf den Pfaden des Gottes Jakobs gehen, der ja der Vater Jesu ist; wenn wir Menschen unsere Schwerter zu Pflugscharen, unsere Lanzen zu Winzermessern, unsere Panzer zu Wohncontainern und unsere Kriegsmarinen zu Rettungsflotten machen, dann, ja dann müsste das Kommen des Menschensohns zum Gericht anders aussehen, dann könnte es so aussehen wie bei Jesaja.

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Und doch … Das Schicksal Jesu und der Fortgang der Weltgeschichte seither machen das nicht sehr wahrscheinlich. Also doch düstere, so gar nicht adventliche Aussichten? Oder gibt es noch eine zweite Chance?

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Ich denke, ja. Denn eines haben wir noch nicht bedacht: Was es bedeutet, dass Jesus diese Gewalt freiwillig auf sich nimmt und damit auch auf jede Vergeltung und jede Rückzahlung verzichtet. Die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen, weil andere es ihnen mit dem Schwert oder Schlimmerem vergelten werden. Jesus aber hat für jene um Vergebung gebetet, die ihn verfolgten, und hat keine Absicht es ihnen mit gleicher Münze heimzuzahlen. Er schützt sogar seine Gegner, indem er sich nicht gegen sie wehrt und nicht auf Vergeltung sinnt.

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Das Zeichen des Menschensohnes, das bei seinem Kommen am Himmel erscheint, was anderes sollte es sein als das Zeichen des Kreuzes? Das Kreuz ist jenes Zeichen, das die menschliche Gewalttätigkeit entlarvt und zugleich die göttliche Barmherzigkeit offenbart. Der Menschensohn, der zum Gericht kommt, ist ja kein anderer als derjenige, der selbst seinen Vater um Vergebung für seine Gegner gebeten hat. Wie sollte er selbst nun als Rächer wiederkommen? Und so stellt sich die Frage: Das Schreckliche, Furchteinflößende, von dem im Text des Evangeliums die Rede ist, kommt das, weil Christus wiederkommt? Kommt das gar, weil Christus es bei seinem Kommen mitbringt? Oder ist es gerade umgekehrt? Ist das Schreckliche und Furchteinflößende etwas, das auf der Welt geschieht, wenn wir uns nicht an die Mahnung des Jesaja und an das Gebot Jesu, das Gebot der Nächsten- und Feindesliebe, halten? Ja, es sind die Menschen, die Furcht und Schrecken verbreiten, und gerade wenn dieser Schrecken am größten ist, wenn niemand mehr Hoffnung hat und Verzweiflung um sich greift, wenn also niemand Rettung erwartet, dann kommt die Rettung in Gestalt des Menschensohns, Jesus Christus!

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Wenn es so zu lesen ist, dann gibt es schon einen Unterschied zwischen Jesaja und Jesus – und dann muss man sagen, ist die Botschaft Jesu zugleich pessimistischer und hoffnungsvoller: Pessimistischer, was unsere Fähigkeit angeht, der Weisung Gottes zu folgen und unsere Waffen in Instrumente des Lebens zu verwandeln. Die Erfahrung Jesu zeigt, dass wir das wohl nicht schaffen werden. Zu sehr haben wir Angst davor, übervorteilt, ausgebeutet und unterdrückt zu werden – und darum meinen wir immer wieder, uns wehren zu müssen; und wie oft ist das Wehren ein präventiver Angriff! Nicht nur, wenn die Amerikaner militärisch unterwegs sind, sondern auch im Kleinen in unserem Alltag. Andererseits sagt Jesu Botschaft darüber hinaus: Die letzte Erlösung, das letzte Heil hängt nicht von uns ab. Es hängt vom ihm ab. Von dem, der kommt im Zeichen des Kreuzes, das das Zeichen der allvergebenden Liebe und Barmherzigkeit Gottes ist. Der, der kommen wird in diesem Zeichen verwandelt die letzten Tage von Tagen des Schreckens in Tage der Hoffnung und der Erlösung. Und vielleicht ist dann die Vorbereitung auf dieses Kommen doch etwas Adventliches, etwas, das auch uns heute Hoffnung schenken kann und uns befähigt, zumindest ein paar Schwerter umzuschmieden und ein paar Lanzen zu verwandeln in Lebenshilfe, Lebensmittel, Lebensraum für Menschen, die in Not sind – damit der Menschensohn nicht in eine ganz so unheile Welt kommen muss, wenn er wiederkehrt.

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