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Von Titeln, Regionen und Mauerresten: der Weihbischof

Autor:Lumma Liborius
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2013-05-15

Inhalt

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0          Einleitung

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Römisch-katholische Diakone werden gelegentlich scherzhaft als „Geheimnis des Glaubens“ bezeichnet – nicht nur, weil der Diakon ebendiesen Ruf in der Eucharistiefeier vorträgt, sondern auch, weil das Amt des Diakons in seiner genauen Umschreibung und theologischen Bedeutung bis heute unklar bleibt und die Identität des Diakonates, der durch das II. Vatikanische Konzil neue Impulse erhielt, noch nicht sicher gefunden ist.

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Es gibt aber auf einer anderen Ebene der kirchlichen Hierarchie ein mindestens ebenso großes „Geheimnis des Glaubens“, nämlich das Amt des Weihbischofs, oder, wie die lateinische Sprache des Kirchenrechtes präziser ausdrückt, episcopus auxiliaris[1] („Hilfsbischof“).

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1          Was ist ein Weihbischof?

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Ein Bischof in der katholischen Kirche kann Diözesanbischof (episcopus dioecesanus) sein, das heißt: Er leitet in der Tradition, die sich schon im 2. Jahrhundert in der Christenheit zu manifestieren begann, als Einzelperson eine Ortskirche, also eine Diözese (ein Bistum). Dies ist das Prinzip des Monepiskopats, also des „Einzel-Bischofsamtes“. In der Spätantike war eine Diözese gleichbedeutend mit einer Stadt (civitas) und deren umliegenden Dörfern und Höfen, in der späteren Entwicklung nahm die Diözese größere Ausmaße an und entspricht heute beispielsweise in Österreich in etwa einem Bundesland.

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Scheidet ein Diözesanbischof – meist aus Alters- oder Krankheitsgründen – aus dem Amt, wird er zum „Altbischof“ (episcopus emeritus). Er behält die sakramentalen Vollmachten eines Bischofs – er kann zum Beispiel Presbyter und Diakone ordinieren –, darf diese aber nur noch im Auftrag des jeweils zuständigen Diözesanbischofs ausüben, da er selbst ja nicht mehr eigenverantwortlicher Leiter einer Diözese ist.

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Für den Weihbischof (episcopus auxiliaris) gilt im Prinzip dasselbe. Der Unterschied ist, dass der Weihbischof von vornherein einzig dazu bestimmt ist, einem anderen Bischof in der Ausübung seines Amtes und unter dessen Autorität zu helfen.

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Die Vorstellung, dass es in einer Diözese zwei oder mehrere Bischöfe gebe, von denen dann der eine der Vorgesetzte des oder der anderen sei, widerspricht zunächst dem Konzept des Monepiskopats. Mitarbeiter eines Bischofs sind nicht andere Bischöfe, sondern Presbyter und Diakone (und natürlich auch alle weiteren hinzukommenden Ämter und Dienste in der Ortskirche).

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Das Einrichtung des Weihbischofsamtes ist daher nur nachzuvollziehen und zu legitimieren aus geschichtlicher Perspektive. Daher ein ganz kurzer Blick auf die Geschichte des „Hilfsbischofs“.[2]

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2          Zur Geschichte des Weihbischofsamtes

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Für die frühe Kirche galt der Grundsatz: Eine Ordination setzt voraus, dass konkreter Bedarf nach der Besetzung eines entsprechenden Amtes besteht. Es gilt also nicht: „Je mehr Bischöfe, umso besser“, sondern: Dann und nur dann, wenn ein Bischofssitz neu besetzt werden muss, wird ein Bischof für diesen Bischofssitz ordiniert. Das Amt definiert und legitimiert sich durch seine ekklesiale Einordnung, und zwar in eine konkrete Ortskirche. Wird eine Ordination vorgenommen, ohne dem Ordinierten von vornherein seinen konkreten Dienst in der Ortskirche zuzuweisen, so ist diese Ordination null und nichtig (Prinzip der „relativen Ordination“). [3]

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Im Zuge der Ausbreitung des Islam (ab dem 7. Jahrhundert) verkleinerten sich die christlichen Gemeinden im Nahen Osten und in Nordafrika, manche Christen verließen unter Druck und Bedrohung ihre angestammte Heimat. Dies galt auch für die Bischöfe, die dann in Europa Zuflucht fanden und von dortigen Bischöfen aufgenommen wurden. Da sich die Diözesen mittlerweile geographisch ausgedehnt hatten und der Bischof viel auf Reisen war, um Gemeinden zu besuchen, Firmungen zu spenden[4] und Ordinationen vorzunehmen, war die Anwesenheit eines „Gastbischofs“ eine willkommene Hilfe. Der „Gastbischof“ konnte dem Diözesanbischof Aufgaben abnehmen und wurde so zum „Hilfsbischof“ im Dienst des Diözesanbischofs.

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Ziel der exilierten ersten Generation dieser Bischöfe war, zurückkehren und das Gemeindeleben in ihrer Heimat wieder aufzunehmen: ein Wunsch, der sich zumeist nicht erfüllte. Verbrachte nun ein solcher Gastbischof viele Jahre oder gar Jahrzehnte in seiner „Gastgeberdiözese“, so war seine Anwesenheit selbstverständlich geworden. Was lag also näher, als nach seinem Tod einen neuen Bischof zu ordinieren, und zwar auf den „Titel“ (titulus) der verlorengegangenen Diözese? Auf diese Weise konnte man den praktischen Bedarf nach bischöflichen Diensten befriedigen und zugleich signalisieren, dass man die de facto untergegangene Ortskirche immer noch de jure als existent betrachtete und bereit war, sie eines Tages wieder mit Leben zu erfüllen.

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So wurde es nach und nach zur Selbstverständlichkeit, dass in einer großen Diözese nicht nur der Diözesanbischof amtiert, sondern neben ihm weitere Hilfsbischöfe mitarbeiten, die auf den Titel einer untergegangenen Diözese ordiniert sind.[5] Österreich hat heute zehn Diözesen (neun territorial umschriebene sowie das personal umschriebene Militärordinariat); in vier davon – Stand 10. Mai 2013 – sind Weihbischöfe tätig (Wien 2, Salzburg 1, St. Pölten 1, Graz-Seckau 1). Zum Vergleich: In Deutschland sind es[6] 27 Diözesen, in 21 davon gibt es Weihbischöfe (Münster 5, Köln, Paderborn und Trier je 3, Aachen, Augsburg, Essen, Freiburg, Hamburg, Hildesheim, München und Rottenburg-Stuttgart je 2, Bamberg, Berlin, Erfurt, Fulda, Limburg, Mainz, Regensburg, Speyer und Würzburg je 1). Jeder Weihbischof ist formal „Titularbischof“ einer (nicht real existierenden) Diözese. Der Status als „Gastbischof“ wird bis heute in der Amtsbezeichnung deutlich: So ist beispielsweise Franz Scharl „Titularbischof von Gerafi und Weihbischof in Wien“ und nicht etwa „Weihbischof von Wien“, denn es gibt ja nur einen „Bischof von Wien“ (Bis zur letzten Liturgiereform wurde ein Weihbischof liturgisch konsequenterweise mit dem Zeremoniell eines fremden Diözesanbischofs begrüßt).

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3          Heutige Aufgaben der Weihbischöfe

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Die Aufgaben der Weihbischöfe unterscheiden sich heute nicht wesentlich von denen, die ihnen schon im historischen Entstehungskontext zukamen: Visitationen und Firmungen in den Gemeinden, Ordinationen, Kirchweihen, Gottesdienste in Pfarreien zu besonderen Gelegenheiten. Die meisten Weihbischöfe werden als Bischofsvikare eingesetzt[7], erhalten also vom Diözesanbischof ein bestimmtes Arbeitsfeld zu ihrer besonderen Verantwortung zugeteilt, etwa Caritas oder Priesterfortbildung. Ein Weihbischof kann zugleich Generalvikar (Leiter der diözesanen Verwaltung) sein. Die Weihbischöfe sind auch Mitglieder der jeweiligen Bischofskonferenzen. In manchen Diözesen ist den Weihbischöfen auch ein geographisch umschriebener Teil der Diözese besonders zugeordnet („Regionalbischof“). Kirchenrechtlich bleibt zwar der Diözesanbischof der alleinige Verantwortliche, er delegiert aber Zuständigkeiten nach regionalen Kriterien.

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4          Die Kritik

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Vorweg: Die Einrichtung des Weihbischofsamtes ist historisch nachvollziehbar und legitimiert. Dennoch spricht meiner Meinung nach nichts dafür, dieses Amt fortleben zu lassen. Ich sehe hingegen mehrere gewichtige Gründe, in Zukunft auf die Ernennung und Ordination neuer Weihbischöfe zu verzichten.

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Erster Grund: Der ursprüngliche Anspruch der Titularsitze ist heute nicht mehr gegeben.

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Es werden viele Titularbistümer vergeben, bei denen offenkundig nicht die geringste Absicht besteht, sie wiederzubeleben. So aber wird das für die frühe Kirche so zentrale Prinzip der relativen Ordination unterlaufen. Dazu drei Beispiele: In St. Peter in Holz (Kärnten) existiert der Bischofssitz Tiburnia (Teurnia); die Grundmauern der spätantiken Kathedrale sind heute noch zu besichtigen.[8] Es wäre überhaupt kein Problem, diesen Bischofssitz wiederzubeleben. Allein in Österreich stünden dafür derzeit fünf Weihbischöfe zur Verfügung. Doch diese sind auf andere Titel ordiniert, und zwar drei in Tunesien, einer in Algerien, einer auf dem Balkan. Der Titularbischof von Tiburnia hingegen, Víctor René Rodríguez Gómez, war bis vor wenigen Monaten Weihbischof im mexikanischen Texcoco und hat möglicherweise seinen Bischofssitz, der sich jederzeit ohne Gefahr einer Christenverfolgung in einem der reichsten Länder Europas wieder einrichten ließe, nie zu Gesicht bekommen. Mehr noch: Da Tiburnia sogar ein Erz-bischofssitz ist, der mexikanische Weihbischof aber nicht Titular-erz-bischof werden sollte, weil dies das liturgische Zeremoniell in Texcoco unnötig verkompliziert hätte, musste Tiburnia für diesen einen Fall („pro hac vice“) zum einfachen Bistum umdeklariert werden. Seit Oktober 2012 ist Tiburnia verwaist, denn Víctor Rodríguez ist nunmehr Diözesanbischof von Valle de Chalco geworden, und seit dem Konzil von Trient (1545–1563) darf niemand zwei Bischofssitze zugleich innehaben. Tiburnia wartet also auf einen neuen Oberhirten. – Dieser Fall beweist, dass die Vergabe der Titelsitze zum bürokratischen Akt degeneriert ist und jeden Bezug zur gelebten Wirklichkeit der Ortskirchen verloren hat.[9]

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Ein zweites Beispiel: Das katholische Kirchenrecht verlangt seit 1917, dass Kardinäle die Bischofsweihe empfangen haben müssen.[10] Wird also ein Mann zum Kardinal ernannt, der noch nicht Bischof ist, so wird ihm – sofern der Papst nicht davon dispensiert – die Bischofsweihe erteilt. Dieser Fall kommt gelegentlich vor, zum Beispiel bei Prof. Dr. Walter Brandmüller, der 2010 im Alter von 81 Jahren zum Kardinal erhoben wurde: offensichtlich in Würdigung seiner jahrzehntelangen Tätigkeit in der historischen Forschung im Dienst der römischen Kurie. Die Teilnahme an einem Konklave kam hingegen für Brandmüller nicht mehr in Frage, da er die Altersgrenze von 80 Jahren bereits überschritten hatte. Brandmüller empfing nun am 13. November 2010 die Bischofsweihe, und zwar für das Titularerzbistum Caesarea (im heutigen Mauretanien). Exakt eine Woche später erfolgte die Aufnahme ins Kardinalskollegium, und da den Kardinälen stets eine Titelkirche in Rom zugeordnet ist, wechselte Brandmüller seinen Titel auf S. Giuliano dei Fiamminghi. Auch hier kann nicht ernsthaft behauptet werden, dass mit der Bischofsordination irgendein Anspruch verbunden gewesen sein sollte, einen 81-jährigen Prälaten für die Dauer von sieben Tagen zum Wiederaufbau christlichen Lebens nach Westafrika zu entsenden. (Neben Brandmüller leben übrigens derzeit noch zwei weitere „Altbischöfe von Caesarea“.)

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Als drittes Beispiel greife ich wieder Tiburnia heraus, diesmal aber unter einem anderen Aspekt: Tiburnia hat gar keine durchgängige Reihe von Bischöfen! Die Spuren in der Antike verlieren sich, als Titularsitz eingerichtet wurde Tiburnia erst im Jahre 1968, also offensichtlich nur zu dem einen Zweck, anderswo die Weihe eines Hilfsbischofs zu legitimieren.

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Diese Beispiele sollen genügen, um zu dokumentieren, dass die Vergabe von Titelsitzen – auch wenn es einige Ausnahmen geben mag – mittlerweile dazu dient, de jure das Prinzip der relativen Ordination zu erfüllen, es dabei aber – unter erheblichem bürokratischem Aufwand – de facto zu unterlaufen.

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Zweiter Grund: Nichts, das ein Weihbischof tut, könnte nicht auch ein Presbyter tun.

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Die Aufgaben der Weihbischöfe wurden bereits genannt. Sowohl kirchliche Dogmatik als auch kirchliches Recht binden nichts davon zwingend an die Bischofsweihe. Ein Bischofsvikar muss kein Bischof sein, ein Firmspender muss kein Bischof sein, ein Visitator muss kein Bischof sein. Einzige Ausnahme sind die Ordinationen, aber: Wo gibt es einen Diözesanbischof, der nicht imstande wäre, seine engsten Mitarbeiter auch persönlich zu ordinieren, anstatt diese Aufgabe an einen „Gastbischof“ zu delegieren? Falls tatsächlich irgendwo ein Diözesanbischof wirklich nicht zur Spendung von Weihen in der Lage sein sollte, so wäre doch eigentlich davon auszugehen, dass er überhaupt nicht mehr zur Leitung der Diözese fähig ist: In diesem Fall müsste nicht ein Weihbischof, sondern gleich ein neuer Diözesanbischof eingesetzt werden. Wenn also nach dem Tod oder der Emeritierung eines Weihbischofs zu lesen ist „Die Diözese XYZ braucht einen neuen Weihbischof“, so ist diese Aussage schlichtweg falsch. Keine Diözese braucht einen Weihbischof, denn sie hat bereits ihren Diözesanbischof.

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Dritter Grund: Das Weihbischofsamt kann das Missverständnis hervorrufen, der Weihbischof sei ein „Gegengewicht“ zum Diözesanbischof.

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Beispiele dafür lassen sich in der älteren und jüngeren Kirchengeschichte bis hinein in derzeit noch bestehende personelle Konstellationen finden, und dies gilt unabhängig davon, auf wessen Seite die Sympathien im Einzelfall sein mögen. Wo aber ein Weihbischof in Konkurrenz zum Diözesanbischof tritt oder von außen so wahrgenommen wird, leidet der Monepiskopat als solcher Schaden.

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Wieso kann sich aber das Weihbischofsamt dennoch bis heute halten? Ich sehe drei Gründe: Der erste ist, dass auf diese Weise das Wirken und die Erfahrung verdienter Priester gewürdigt werden und in die Diözesanleitung einbezogen werden kann. Der zweite Grund ist, dass ein Diözesanbischof sich lieber durch einen „echten“ Bischof repräsentiert sieht als „nur“ durch einen Priester bzw. dass umgekehrt die Gläubigen vor Ort sich ernster genommen und in höherem Maße gewürdigt fühlen, wenn zu bestimmten Anlässen ein Bischof bei ihnen erscheint. Der dritte Grund ist, dass durch das Institut des Weihbischofs Männer „getestet“ werden können, ehe ihnen dann die Leitung einer Diözese anvertraut wird. Doch keiner dieser Gründe ist stichhaltig: Das Bischofsamt hat eine ekklesiale Verortung, nämlich in Form des Monepiskopates in der Ortskirche. Es ist keine persönliche Ehrung, sondern an einen konkreten kirchlichen Leitungsdienst gebunden – das gilt im Übrigen auch für die hohe Zahl von römischen Kurienbischöfen und päpstlichen Diplomaten, unter denen viele niemals dazu bestimmt sein werden, eine reale Ortskirche in voller Verantwortung eines Bischofs zu leiten. Ein Bischof darf, kann und soll sich jederzeit von jedem beraten lassen und Personen in die Leitung der Diözese einbeziehen, dazu braucht es aber keine weiteren Bischöfe. Es sei noch einmal daran erinnert, dass der Weihbischof zuerst ein „Gastbischof“ ist: Entspricht es etwa dem Selbstverständnis einer Ortskirche, einen verdienten Priester im wahrsten Sinne des Wortes „in die Wüste zu schicken“, um ihn dann, da er dort derzeit keine Ortskirche vorfindet, als „fremden Bischof“ zurückzuholen? Auch zu noch so herausragenden Gemeindefesten muss der Diözesanbischof, wenn er selbst nicht kommen kann, nicht durch einen anderen Bischof vertreten werden. Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens ist und bleibt die Liturgie und hier besonders die Eucharistiefeier[11], und dort wird der Diözesanbischof ja auch sonst ständig vertreten: nämlich durch einen Presbyter! Ist es nicht respektlos gegenüber den Gemeindepfarrern, wenn man für besondere Anlässe einen „fremden Bischof“ meint einladen zu müssen? Es kann sogar der Eindruck entstehen, ein Gottesdienst mit einem Bischof sei „mehr wert“ als mit jemand anderem. Wenn erst ein Gastbischof kommen muss, damit ein besonderes Fest auch als Höhepunkt des Gemeindelebens erfahren wird, oder wenn die Festlichkeit eines Gottesdienstes daran festgemacht wird, ob der Vorsteher eine Mitra auf dem Kopf trägt oder nicht, reduziert sich das Bischofsamt aufs Zeremoniell und verliert dann ebenfalls seine ekklesiale Verortung in der Ortskirche.

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Und schließlich: Sollte das Weihbischofsamt tatsächlich eine „Ausbildungsfunktion“ erfüllen, dann wäre damit nur wieder bewiesen, dass man es mit den Titularsitzen doch nicht besonders ernst nimmt, weil man sich dort ja mit einem „unausgebildeten“ Bischof meint zufrieden geben zu können. Dieses Argument liefe also wieder auf eine Herabwertung des Bischofsamtes als solches hinaus.

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5          Schlussfolgerungen

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Ich komme zu folgenden thesenartigen Schlussfolgerungen:

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1. Der Diözesanbischof als Mon-Episkopos symbolisiert in seiner Ortskirche die Rückbindung der Kirche an das apostolische Erbe und – das ist hier von besonderer Bedeutung – die Einheit im Glauben.[12] Das Bischofsamt ist durch diesen Dienst in der Ortskirche theologisch begründet. Abgesehen von emeritierten Bischöfen kann es daher niemals „mehr Bischöfe als Diözesen“ geben. Keine Diözese braucht einen weiteren Bischof neben dem Diözesanbischof.

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2. Das Weihbischofsamt ist historisch und ekklesiologisch legitimiert. Dennoch hat es in der entwickelten Praxis eine Gestalt angenommen, die die Bedeutung des Monepiskopats verunklart. Der historische Grund für die Entstehung des Weihbischofsamtes ist heute in den meisten Fällen nur noch de jure, nicht aber de facto gegeben. Für die Kirche – und auch ihre Ämter – ist aber die gelebte Wirklichkeit entscheidend, nicht das juristische Konstrukt.

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3. Daher sollte in Zukunft auf die Weihe von Hilfsbischöfen verzichtet werden. Dazu muss weder die kirchliche Dogmatik noch das kirchliche Recht geändert werden, sondern nur die Praxis: Die Diözesanbischöfe sollten vom Papst keine Unterstützung durch Weihbischöfe mehr erbitten[13], sondern alle Aufgaben anderweitig delegieren. Umgekehrt könnte der Papst auf die Ernennung von Weihbischöfen verzichten[14], selbst wenn ein Diözesanbischof darum bittet.

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4. Solange es Weihbischöfe gibt, ist die Aufteilung der Diözese in Regionen mit je einem „Regionalbischof“ die sinnvollste Lösung, weil sie den Sinn des Bischofsamtes in der Leitung der Ortskirche am deutlichsten abbildet, wenn auch nicht de jure, sondern nur de facto.

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5. Wo eine Ortskirche (oder eine andere zuständige Instanz, zu denken wäre an den Papst, den Apostolischen Nuntius oder die Bischofskonferenz) zu der Erkenntnis gelangt, dass eine Diözese zu groß, zu weitläufig oder in irgendeiner Weise zu komplex ist, um von einem einzelnen Bischof geleitet zu werden, ist nicht die Zahl der Bischöfe zu erhöhen, sondern die Zahl der Diözesen, sprich: Die Diözese ist aufzuteilen und dann für die neu entstandenen Teile je ein Diözesanbischof zu berufen.

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Anmerkungen

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[1] Vgl. CD 26 sowie c. 403 CIC.

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[2] Zur allerersten Orientierung vgl. auch Heribert Schmitz: Art. Titularbischof. In. LThK3 Bd. 10, Sp. 57–58.

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[3] Vgl. als wohl prominentesten Beleg Kanon 15 des Konzils von Chalkedon (451).

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[4] Während die Taufe vom Bischof auf den jeweils vor Ort tätigen Presbyter, also modern gesprochen den Ortspfarrer übergegangen war, blieb die Firmung als Abschluss der sakramentalen Initiation dem Bischof vorbehalten.

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[5] Ich übergehe den in Spätmittelalter und Neuzeit häufigen, aber heute irrelevanten und von niemand mehr ernsthaft erwünschten Fall, dass der Diözesanbischof überhaupt nicht zum Bischof ordiniert war, sein Amt also nur juristisch, aber nicht sakramental ausübte, so dass der sakramental-liturgische Teil des Bischofsamtes ausschließlich den Weihbischöfen zukam.

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[6] Stand 18. Februar 2013.

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[7] Vgl. c. 476–481 CIC.

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[9] Neben Tiburnia gibt es noch weitere solche Titelsitze in Österreich, einer davon (Aguntum) befindet sich unweit von Lienz in Osttirol.

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[10] C. 351 §1 CIC.

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[11] Vgl. SC 10.

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[12] Vgl. LG 27.

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[13] Vgl. CD 25–26, c. 403 CIC.

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[14] Vgl. c. 403 CIC.

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