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Quantentechnologien auf dem Prüfstand

Angelehnt an ein Verfahren aus der Signal- und Bildverarbeitung haben Innsbrucker Physiker um Rainer Blatt gemeinsam mit Kollegen aus Deutschland und Australien eine neue Methode zur Prüfung quantenmechanischer Prozesse entwickelt und experimentell erprobt. Sie berichten darüber in der Fachzeitschrift Nature Communications.


Jede Technologie erfordert Methoden und Protokolle, die ihre Funktionstüchtigkeit überprüfen. Nur wenn garantiert werden kann, dass die Komponenten richtig zusammenspielen, können komplizierte Geräte verlässlich arbeiten. In vielen Fällen sind die Prüfmethoden standardisiert - etwa beim Auto. „Die Quantentechnologien sind hier keine Ausnahme“, sagt Thomas Monz vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. Basierend auf den eigenartigen Gesetzen der Quantenmechanik sind abhörsichere Kommunikation, neue schnelle Superrechner und Simulationsmethoden möglich. Es ist jedoch besonders schwierig, für die Quantentechnologien Protokolle zu entwickeln, die deren Funktionstüchtigkeit sicherstellen. „Dies hat mit den Regeln der Quantenmechanik zu tun“, erklärt Jens Eisert, Professor für Quantenphysik an der Freien Universität Berlin. „Nicht nur verändert man mit der Messung das Objekt, es ist auch so, dass der Konfigurationsraum der Quantenmechanik gigantisch groß ist – also der abstrakte Raum, in dem man quantenmechanische Systeme beschreibt.“ Ohne neue Ideen und Methoden sei es völlig unrealistisch, Prüfmethoden zu konzipieren: Man wäre in dem riesigen Konfigurationsraum der Möglichkeiten verloren.

 

Neue Methode der Signalverarbeitung

In der von den Forschern aus Innsbruck, Berlin, Köln und Sydney nun entwickelten Methode kommen neuartige Ideen aus der angewandten Mathematik zum Tragen, die aus dem sogenannten Compressed-Sensing-Verfahren stammen. Dieses findet eigentlich in der Signal- und Bildverarbeitung Anwendung: Statt vollständige Daten aufzunehmen, werden hier weitaus weniger Daten in völlig zufälliger Weise aufgenommen. Die zentrale Einsicht dabei ist, dass gegenwärtigen Methoden der Bildverarbeitung ein Missverständnis zugrunde liegt: „Wenn man Bilddaten stark komprimieren und in exponentieller Weise reduzieren kann, muss dies eigentlich bedeuten, dass man die Bilddaten bereits falsch aufgenommen hat“, erläutert der Theoretiker Jens Eisert. Es müsse also Methoden geben, die Information wie Bilddaten effizienter aufzunehmen. Das Compressed-Sensing-Verfahren erlaubt genau dies: Die Einsparung an Daten, die aufgenommen werden müssen, um etwa Bilder später zu rekonstruieren, ist enorm.

 

Auf Quantentechnologien angewandt

Diese Ideen übertrugen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun auf die Quantenmechanik, entwickelten sie weiter und erprobten sie im Experiment. „In diesem genuin interdisziplinären Projekt sind Methoden der angewandten Mathematik, der theoretischen Physik und der Experimentalphysik zum Tragen gekommen“, erklärt Jens Eisert. Zum Erproben der Techniken an der Universität Innsbruck haben die Physiker um Rainer Blatt und Thomas Monz einzelne geladene Teilchen (Ionen) verwendet, die wie in einer Perlenkette aufgereiht sind, und so den Quantenzustand von sieben Ionen in einem fehlerkorrigierenden Code sehr exakt rekonstruiert. Weitergedacht, sei mit solchen Methoden tatsächlich ein Prüfstand für die Präparationen von Quantensystemen denkbar, gewissermaßen ein TÜV für die Quantentechnologien, sagen die Forscher.

Gefördert wurde das Projekt unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG und der Tiroler Industrie.

 

 

Publikation: A. Riofrio, D. Gross, S.T. Flammia, T. Monz, D. Nigg, R. Blatt & J. Eisert. Experimental quantum compressed sensing for a seven-qubit system. Nature Communications 8, 15305 (2017). DOI: 10.1038/ncomms15305 (Preprint: https://arxiv.org/abs/1608.02263)

 

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