Kapitel 4 | |
|
B. Die
juristische Person |
D. Rechtserhebliche
Zustände und Eigenschaften von
Menschen |
|
C. Die
Persönlichkeitsrechte |
| |
| |
| |
| |
| |
1. Ziel des rechtlichen
Persönlichkeitsschutzes | |
Die Person ist Kristallisationspunkt der menschlichen
Identität und einer sich lebenslang weiter entwickelnden Selbstdefinition;
E. Erikson. Die Person als Zentrum des menschlichen Wesenskerns
angemessen zu schützen, ist daher eine wichtige Aufgabe des (Privat)Rechts,
das diese gemeinsam mit anderen Bereichen der Rechtsordnung, etwa
dem Strafrecht und dem Verfassungs- und Verwaltungsrecht (zB Medienrecht,
UbG, KAKuG) erfüllt. | |
In Österreich hat das bürgerliche Recht deutlich
früher als das öffentliche Recht die Bedeutung eines effizienten Schutzes
der menschlichen Persönlichkeit – sowohl gegenüber dem Staat, als
auch zwischen Bürgern und Bürgerinnen, also „unter sich” iSd § 1
ABGB – erkannt. Martinis Entwurf (1796), der in
das WGGB 1797 einfloss, kannte schon einen unverzichtbaren Kern
von Grund- und Persönlichkeitsrechten; vgl die diesem Pkt vorangestellten
Bestimmungen des Entwurfs Martini I 2 §§ 1, 2. Zeiller dagegen
wollte auch den Rest dieser Bestimmungen, den späteren § 16 ABGB,
streichen. | Früher Schutz im bürgerlichen
Recht |
Wellspacher führt dazu aus: „Der größte Teil der angeführten
naturrechtlichen Prinzipien ist im letzten Stadium der Kodifikationsgeschichte
auf Antrag Zeillers gestrichen worden.” […] „Dann beantragt Zeiller
die Weglassung der naturrechtlichen Bestimmungen, im Wesentlichen
mit der Begründung, dass derartige Lehrsätze nicht in ein Zivilgesetzbuch
gehören. Nur bezüglich der angeborenen Rechte meinte Zeiller, man
solle, um ‚allen missdeutungen, besonders der auswärtigen, vorzubeugen,
an einem schicklichen Orte der Einleitung sagen: dass von der obersten Macht
sowohl die angeborenen Rechte, die jedem durch die Vernunft bekannt
sind, als auch die erweblichen durch die Gesetze gesichert werden.
Dadurch würde zugleich der Grund angegeben, warum man die angeborenen
Rechte nicht aufzuzählen brauche’.” – Wellspacher merkt dazu an:
„Der zarten Rücksichtnahme auf das Ausland haben wir es demnach
zu verdanken, dass die angeborenen Menschenrechte im § 16 ABGB.
zur Anerkennung gelangt sind.” Vgl auch meine Ausführungen, in: Barta / Palme / Ingenhaeff (Hg),
Naturrecht und Privatrechtskodifikation (1999). | |
Die „angebornen Rechte”
der österreichischen Kodifikationsgeschichte waren, was heute oft
nicht mehr verstanden wird, die vom rationalen Naturrechtsdenken,
dem Vernunftrecht, vehement geforderten Menschenrechte. Sie brachten
schon in das Privatrecht des 18. Jhd – neben Freiheit und Achtung
der Menschenwürde – den wichtigen Gleichheitsgedanken ein, der auch
für das Privatrecht noch heute bestimmend ist. | |
Der rechtliche
Persönlichkeitsschutz beginnt aber schon im antiken Griechenland mit
Solon (594/3 v.C.), der erstmals und auf Dauer in Attika / Athen
die Schuldknechtschaft beseitigte und damit irreversibel die bürgerliche Freiheit einführte
und daneben privatrechtlich bereits Gleichheit schuf
und dadurch die Umrisse des modernen Rechtssubjekts kreierte. –
Auf dieser Grundlage wurde der erste Persönlichkeitsschutz durch
die sog Hybrisklage geschaffen. | Griechenland – Hybrisklage |
| |
In freien
Gesellschaften gibt es keine Alternative zur Akzeptanz und
Achtung des Individuums. Nur Gesellschaften, die das Individuum
(eine lateinische Übersetzung des griechischen átomos = der Unteilbare
iSv Einzelperson) ernst nehmen, bieten Schutz vor autoritären und
menschenverachtenden Tendenzen. Und in der Bedeutung des Individuellen
kann es keine Unterschiede oder Ausnahmen geben: Europäer sind nicht
wertvoller als Araber oder Afrikaner und Frauen und Kinder um nichts
weniger wertvoll als Personen männlichen Geschlechts. Rechtliche
Über- und Unterordnungen im Bereich des Individuellen darf es auch
künftig nicht geben; Gefahren lauern aber allenthalben: zB bei der
sog Organallokation, der Gentechnik oder nur im Steuerrecht. | Achtung des Individuums |
In dieser Einsicht
liegt die Bedeutung des privatrechtlichen Persönlichkeitsschutzes,
der nur gemeinsam mit den öffentlichrechtlichen – und zwar nationalen,
supra- und internationalen ( → Der
Beitrag des öffentlichen Rechts)
– Schutzinstrumenten seine Aufgabe erreichen kann. – Der Schwerpunkt
der privatrechtlichen Persönlichkeitsrechte liegt auf dem Schutz
der Privat- und Intimsphäre (Schutz der Privatheit
von Individuen), reicht aber bis in den Bereich der wirtschaftlichen
Interessen des Einzelnen hinein, zumal diese für die Freiheit jedes
Individuums von Bedeutung sind; vgl § 1330 Abs 2 ABGB oder das umfassende
Eigentumsverständnis der §§ 353 ff ABGB, das verfassungsrechtlich
noch brach liegt. | |
Obwohl § 16 ABGB zum Urbestand
des ABGB zählt, brauchte es sehr lange, bis dieser normative „Schatz”
judikativ gehoben wurde. Der Durchbruch in Österreich erfolgte erst
in den 1970er Jahren, beeinflusst durch die Rspr des dtBGH (insbesondere
den sog Herrenreiterfall), die wiederum durch die
wichtige Judikatur des dtBVerfG vorangetrieben
wurde; Lüth-Urteil (1958) oder Volkszählungs-Urteil 1983. Dem dtBVerfG
gebührt auch das Verdienst, die im Bonner GG niedergelegte Gleichberechtigung
der Geschlechter (gegen einen zögerlichen Gesetzgeber und widerstrebende
Zivilgerichte) durchgesetzt zu haben. Österreich zog erst in der
Kreisky-Broda-Ära nach. Die Vermittlung in Österreich erfolgte durch
Franz Gschnitzers, AllgT (19661); vgl
auch die umfangreiche Darstellung in: Gschnitzer, AllgT 182-223
(19922). | §
16 ABGB |
Der
späte judikative Rückgriff auf den effizienten Persönlichkeitsschutz
durch die §§ 16 und 17 ABGB ist umso erstaunlicher, als bspw bereits
die ABGB-FS von 1911 (II 163) den Beitrag von Emanuel Adler enthält:
„Die Persönlichkeitsrechte im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch”.
Und ebendort (I 173 ff) finden sich die wichtigen Ausführungen Moriz Wellspachers,
„Das Naturrecht und das ABGB”, die ebenfalls auf § 16 ABGB eingehen.
– Zuvor hatte allerdings die unter dem Einfluss von C.F.v. Savigny stehende Historische
(Rechts)Schule das Bestehen subjektiver Persönlichkeitsrechte
überhaupt geleugnet und damit eindrucksvoll ihre (theoretisch verbrämte) Weltfremdheit
unter Beweis gestellt; arg: Rechtsmacht an der eigenen Person sei
undenkbar. In Österreich wurde dieses Gedankengut von Joseph Unger vertreten:
System I 496 ff und 504 ff (18764); | Widerstand der Historischen (Rechts)Schule |
| |
Beigetragen
zur Missachtung des seit 1797 in Österreich gesetzlich geregelten
Persönlichkeitsschutzes, hat aber auch die weithin bestehende und
lang anhaltende überhebliche Geringschätzung naturrechtlichen
Gedankenguts (seit der Mitte des 19. Jhds), die ebenfalls
von der Historischen Rechtsschule gefördert wurde,
idF aber auf das Konto des erstarkenden Rechtspositivismus geht.
Schließlich hat in Österreich das seit den 1930er-Jahren auf fruchtbaren
Boden gefallene nationalsozialistische Gedankengut,
für das der Einzelne nichts, das Volk aber alles bedeutete, einen
menschen- und persönlichkeitsrechtlichen Individualschutz – wie
ihn die §§ 16 und 17 ABGB konzipiert hatten – unmöglich gemacht.
Und anders als in Deutschland kam es in Österreich nach 1945 auch
nicht zu einer Renaissance des Naturrechtsdenkens, das einen effizienten
Rückgriff auf die menschenrechtliche Substanz der §§ 16 und 17 ABGB
gefördert hätte; Otte, Die Naturrechtsrechtsprechung der Nachkriegszeit
(angekündigt). | Rechtspositivismus etc |
Umso erstaunlicher ist es, dass auch nach dieser historisch
bewegten Entwicklung des österreichischen Persönlichkeitsschutzes
namhafte Vertreter des österreichischen Privatrechts die
Bedeutung der §§ 16 ff ABGB immer noch nicht hinreichend erkannt
haben und bspw nicht vorbehaltlos ein in § 16 ABGB verwirklichtes
„allgemeines Persönlichkeitsrecht” annehmen. Man kann da nur sagen:
„Lernen Sie Geschichte”. – Fortschrittlicher denkt die Rspr,
die in diesem bedeutenden Fragenbereich volle Unterstützung verdient.§
16 ABGB: Sitz eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts – Generalklausel. | |
Zum
Schutz der menschlichen Persönlichkeit, ihrer Würde und Individualität
(Menschenwürde) wurden also zivilrechtliche Persönlichkeitsrechte
entwickelt. – § 16 ABGB wird heute als Sitz eines allgemeinen
Persönlichkeitsrechts verstanden. Aus diesem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht fließen nach wohl schon herrschendem Verständnis
bei Bedarf neue einzelne / konkrete Persönlichkeitsrechte, wie zB
das Recht am eigenen Bild oder das Recht an der eigenen Stimme oder das
Recht auf einen würdigen Tod oder auf informationelle Selbstbestimmung → Recht
auf informationelle Selbstbestimmung
| Menschenwürde |
| |
§
16 ABGB wird immer dann als Generalklausel für
den Persönlichkeitsschutz herangezogen, wenn bislang keine konkrete
gesetzliche Norm diesen Schutz gewährt. – Daneben dient diese Bestimmung
auch als Argumentationshilfe und Eingangstor für das Einfließen
der Grundrechte
→ Grundrechte
und Privatrecht –
Wie aus einem Steinbruch werden bei Bedarf neue Quader aus dem Muttergestein
des § 16 ABGB gebrochen, um eine sichtbar gewordene Bresche / Lücke in
der rechtlichen Schutzmauer zu schließen. Das moderne Leben (Wirtschaftsmacht,
Mediengesellschaft, rücksichtslose Arbeitswelt und Politik) sorgt
immer wieder für Schutzlücken, die dank des § 16 ABGB geschlossen werden
können, wenn man das „will”. | Generalklausel |
|
JBl 1990, 734(Duldungs- und Mitwirkungspflichten
des Sozialversicherten im Bereich medizinischer Versorgung – Zumutbarkeit
einer Operation): § 16 ABGB ist nicht bloß Programmsatz,
sondern Zentralnorm unserer Rechtsordnung mit normativem, subjektive
Rechte gewährendem Inhalt und schützt in seinem Kernbereich die
Menschenwürde. – Dieses Verständnis des § 16 ABGB durch den OGH
verdient volle Zustimmung. | |
|
2. Der
Beitrag des öffentlichen Rechts | |
Der heute
grundlegende Schutz der menschlichen Persönlichkeit wird in unserer
Rechtsordnung auf verschiedene Weise verwirklicht; Privatrecht und öffentliches
Recht leisten dazu ihren spezifischen Beitrag. – Ein modernes
Verständnis verlangt nach einer funktionalen Harmonisierung von
Privatrecht (Persönlichkeitsrechten) und öffentlichem Recht (Grundrechte),
die in Österreich bislang noch nicht gelungen ist. So wie das Privatrecht
von einer bloß mittelbaren Einwirkung der Grundrechte wegkommen
muss ( → Was
bedeutet „mittelbare” Einwirkung?), braucht auch das Grundrechtsverständnis
eine Öffnung. Dies schon deshalb, weil bspw die Freiheit
des Einzelnen längst nicht mehr nur vom Staate und seinen
Organen gefährdet wird, sondern auch von „privaten” Mächten; das
mögen politische Parteien oder Multis sein. Gegen solche Akteure
auf (Grund)Schutz verzichten zu müssen, erscheint nicht mehr zeitgemäß.
– Die vom dtBVerfG eingeschlagene Entwicklung sollte uns Vorbild
sein. | |
Das Verfassungsrecht wirkt
insbesondere durch die Grundrechte, von denen einige
beispielhaft genannt werden sollen; StGG 1867:
– Art 5: Das Eigentum ist unverletzlich; – Art 6: Niederlassungsfreiheit,
Freiheit des Liegenschaftsverkehrs, insbesondere des Liegenschaftserwerbs,
Freiheit der Erwerbstätigkeit; – Art 8: Schutz der persönlichen
Freiheit (ergänzt durch das BVG über den Schutz der persönlichen
Freiheit, BGBl 1988/684); – Art 9: Schutz des Hausrechts; – Art
10: Schutz des Briefgeheimnisses; – Art 11a: Schutz des Fernmeldegeheimnisses;
– Art 12: Versammlungs- und Vereinsfreiheit; – Art 13: Schutz der
freien Meinungsäußerung innerhalb der gesetzlichen Schranken (Zensurverbot);
– Art 14: Volle Glaubens- und Gewissensfreiheit; – Art 17: Die Wissenschaft
und ihre Lehre ist frei; – Art 17a: Freiheit der Kunst; – Art 18:
Freiheit der Berufswahl; – Art 19: Schutz von Minderheiten – „Alle
Volksstämme des Staates sind gleichberechtigt und jeder Volksstamm
hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung seiner Nationalität und
Sprache”. – Vgl auch – Art 7 B-VG: Gleichheit aller Bundesbürger
vor dem Gesetz; – Art 83 B-VG: Recht auf den gesetzlichen Richter:
„Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.” | |
Anders als das Privatrecht,
das in § 16 ABGB eine Generalklausel für Persönlichkeitsrechte kennt,
gibt es bislang keine Grundrechts-Generalklausel,
wenngleich das sinnvoll wäre (Übernahme der §§ 16, 17 ABGB!); vgl dagegen
Art 1 (Schutz der Menschenwürde) und Art 2 („Jeder hat das Recht
auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit ...”) des BonnerGG
1949. Daran zeigt sich die vergleichsweise größere Flexibilität
und Funktionalität des Privatrechts. – Zur sog (mittelbaren) Drittwirkung
der Grundrechte auf das Privatrecht → Grundrechte
und Privatrecht
| |
| |
Einen ausdrücklichen Schutz
der Persönlichkeitsrechte psychisch Kranker in Krankenanstalten
statuiert das UbG 1990 (§ 1) → Das
Unterbringungsgesetz 1990 –
§ 5a KAKuG (BGBl 1993/801), ausgeführt durch Landes-Ausführungsgesetze
(zB § 9a TirKAG, LGBl 1995/82) statuiert Patientenrechte , als
spezifische Persönlichkeitsrechte. – Andere wichtige Bereiche sind
etwa das DSG 2000 → Datenschutz oder
das MedG
→ §§
6 ff MedG
| Beispiele
aus dem Verwaltungsrecht |
§§ 75 ff StGB
(Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben: § 75 Mord; § 76 Totschlag;
§ 80 fahrlässige Tötung; § 83 Körperverletzung usw); – §§ 99 ff
(Strafbare Handlungen gegen die Freiheit); – §§ 111 ff (Strafbare
Handlungen gegen die Ehre: § 111 Üble Nachrede, § 113 Vorwurf einer
schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung, § 115 Beleidigung);
– §§ 118 ff (Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse:
§ 118 Verletzung des Briefgeheimnisses und Unterdrückung von Briefen,
§ 119 Verletzung des Fernmeldegeheimnisses, § 120 Missbrauch von
Tonaufnahme- oder Abhörgeräten, § 121 Verletzung von Berufsgeheimnissen,
§ 122 Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses). | |
Auch das Völkerrecht / internationale Recht
schützt seit geraumer Zeit die Persönlichkeit des Menschen. Vgl
etwa: – die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten – EMRK (BGBl 1958/210): Die
Konvention selbst stammt vom 4.11.1950, das 1. ZP vom 20.3.1952:
ZB – Art 2: Leben; – Art 3: Folter, unmenschliche und erniedrigende
Strafe oder Behandlung; – Art 4: Sklaverei; – Art 5: Freiheit und
Sicherheit; – Art 6: Recht auf ein faires Verfahren etc; – Art 8:
Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und des Briefverkehrs
uvam; – Art 11: Vereinsfreiheit und die – UNO-Deklaration
der Menschenrechte vom 10.12.1948. | |
EU: Die neue EU-Verfassung wird
eine „Grundrechtscharta” enthalten und damit auf supranationaler
Ebene den Grundrechtsschutz der einzelnen EU-Bürger/innen stärken. | |
3. Der Beitrag
des Privatrechts | |
Im Privatrecht schützt einerseits das ABGB selbst
– zB §§ 16, 17, 43, 1325 ff, 1328 und 1329, 1330 uam – die menschliche
Persönlichkeit, wie andererseits auch andere Privatrechtsnormen:etwa
§ 78 UrhG (Recht am eigenen Bild) und in Analogie dazu das Recht
an der eigenen Stimme (Gschnitzer). – Den tiefen menschlichen Gehalt
der §§ 16, 17 ABGB verdanken wir Karl Anton von Martini; vgl das
Pkt C vorangestellte Motto. | |
Das BonnerGG 1949 formuliert:
Art 1 Abs 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu
achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt”;
und Art 2 Abs 1 GG: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung
seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt
und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz
verstößt”. | BonnerGG 1949: Schutz der Menschenwürde |
SchwZGB:
Art 27 Abs 1: „Auf die Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit kann
niemand ganz oder zum Teil verzichten”; Art 27 Abs 2 SchwZGB: „Niemand
kann sich seiner Freiheit entäußern ...”; Art 28 Abs 1 SchwZGB: „Wer
in seinen persönlichen Verhältnissen unbefugterweise verletzt wird,
kann auf Beseitigung der Störung klagen ...”. | |
| |
4. Wirkung: Absoluter
Rechtsschutz | |
| |
| |
5. Ermittlung von
Schutzinhalten und Schutzgrenzen | |
Die
Grenzen des konkreten Persönlichkeitsschutzes müssen jeweils durch Interessenabwägung abgesteckt
werden. – Dazu hat sich Albert Ehrenzweig (I/12,
127) grundlegend geäußert: | Interessenabwägung |
„Der Schutz der Persönlichkeit, namentlich der
Gefühlssphäre, darf nicht überspannt werden. Nicht nur die eigene Freiheit,
auch die des anderen ist ein Persönlichkeitsrecht. Wo die Grenze
liegt, darüber entscheidet nicht der doktrinäre Begriff, sondern
die gerechte Abwägung der widerstreitenden Interessen.” | |
So ist bspw im Rahmen des Schutzes nach
§ 78 UrhG (Recht auf das eigene Bild) zwischen dem berechtigten Informationsinteresse
der Öffentlichkeit und dem privaten Schutzbedürfnis
des Einzelnen abzuwägen, was nicht immer leicht ist. Diese
Abwägung ist vor allem für die Politik von Bedeutung. Auch das Privatleben
von Politikern und Künstlern ist selbstverständlich geschützt. –
Andrerseits hat die Bevölkerung ein Recht über wichtiges unterrichtet
zu werden, was mit ihrer Amtsführung zu tun hat. | Informationsinteresse versus
Schutzbedürfnis |
|
RfR
1989, 37 (Erk des VfGH): Waldheim-Interview
im ORF: „Die Grenzen akzeptabler kritisch-provokanter Fragestellung
sind in Bezug auf einem im öffentlichen Leben stehenden Politiker
grundsätzlich weitergezogen als bezüglich einer Privatperson.” Waldheim
war gefragt worden: „Herr Bundespräsident, bitte in einem Bereich,
in dem wir kein Erinnerungsproblem haben ...” Der VfGH erblickte
im Bescheid der Rundfunkkommission, der eine Verletzung des in §
2 RfG statuierten Objektivitätsverbots angenommen hatte, eine Verletzung
des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. | |
|
|
EvBl 1995/96: Missbrauch
von Personenbildnissen
→ Rechtsprechungsbeispiele
| |
|
|
OGH und
„Baukartell-Vorwürfe” des Grünabgeordneten Peter
Pilz (Aus: Der Standard, 18.6.1999, S. 55): Bauaffäre:
Verfassungsexperte (Heinz Mayer / Wien) kritisiert OGH-Entscheidung
– Meinungsfreiheit am Würgeband: ‚Haltet den Mund,
Kritiker!’ | |
Unter dieser oder einer ähnlichen Überschrift
berichteten die Medien in den vergangenen Tagen über eine E des
OGH. Was war geschehen? Ein Abgeordneter zum Wiener Landtag hatte
im Vorjahr im Rahmen einer Pressekonferenz sinngemäß behauptet,
ein der Gemeinde Wien nahestehendes Bauunternehmen sei Mitglied
eines Wiener Baukartells und der Vorstand sei über die gesamten
Praktiken informiert. | |
Zum Beleg wurden Unterlagen vorgelegt und auch
dem Kontrollamt der Stadt Wien übermittelt .... Das Unternehmen
reagierte prompt ...: Es klagte den Mandatar auf Kreditschädigung
(100 Mio Schilling) und beantragte die Erlassung einer einstweiligen
Verfügung, mit der dem Abgeordneten verboten wird, die genannten
Behauptungen ‚und gleichartige ähnliche kreditschädigende Äußerungen
zu verbreiten’. Das Erstgericht erließ diese Verfügung antragsmäßig.
Wenig später verhängte die Stadt Wien u.a. über das klagende Unternehmen
eine Bausperre. Daraufhin hob das Gericht die einstweilige Verfügung
auf: Es sei ‚einer breiteren Öffentlichkeit und im übrigen auch
gerichtsnotorisch bekannt ..., dass die Klägerin in ... Bieterabsprachen
verwickelt ist’. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung;
es bezog sich dabei auch auf einen Kontrollamtsbericht der Stadt
Wien, in dem dieses zum Ergebnis kam, dass die vom Abgeordneten
übermittelten Unterlagen ‚Aufzeichnungen über Bieterabsprachen’
seien. Das Kontrollamt brachte seinen Bericht auch der Stadt Wien
zur Kenntnis. Nun war der Oberste Gerichtshof am Zug: Das Unternehmen
wehrte sich gegen die Aufhebung der einstweiligen Verfügung; es
sei weiterhin in seinem guten Ruf gefährdet, wenn der Abgeordnete
seine Vorwürfe verbreite. Damit fand es beim 6. Senat des OGH Verständnis;
dieser setzte die"\f1 einstweilige Verfügung und damit das Redeverbot
wieder in Kraft. Mit einer ganz und gar überraschenden Begründung:
Es sei zwar die Auftragssperre und auch der Kontrollamtsbericht
‚ein Indiz für die Richtigkeit der Vorwürfe’, dies bedeute aber
nicht, dass die Gefährdung weggefallen sei. Nur wenn feststünde,
dass die Vorwürfe ‚allen denkmöglichen Kunden’ bekannt geworden
seien ‚und eine allgemeine negative Ansicht darüber bestünde, dass
die Vorwürfe ... stimmen’, sei eine Gefährdung des guten Rufes des
Unternehmens auszuschließen. Dies sei aber nicht ‚zwingend’ anzunehmen.
Dieser Beschluss – so H. Mayer – reicht in seiner Bedeutung weit
über den Anlassfall hinaus. Er trifft praktisch jedermann, insbesondere
auch die Presse. Seine Begründung ist ein juristischer Skandal ....
Mit Befremdung muss man zunächst feststellen, dass dem Obersten
Gerichtshof die verfassungsrechtliche Dimension seiner Entscheidung
offenbar vollkommen verborgen blieb; davon, dass diese Entscheidung
in das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingreift, ist nicht einmal
andeutungsweise die Rede. Das ist unverständlich; haben sich doch
andere Senate des OGH in den letzten Jahren wiederholt und gewissenhaft
mit dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung und mit der dazu
ergangenen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
(EGMR) auseinandergesetzt. Insbesondere der 4. Senat: Dieser hat
etwa im Jahre 1996, dem EGMR folgend, klargestellt, dass der Schutz
der Meinungsfreiheit gerade solchen Meinungen gilt, die ‚gegen den
Strom schwimmen’ und Teile der Bevölkerung verletzen, schokkieren
oder beunruhigen. Eine Demokratie ist nämlich nur möglich, wenn
eine offene geistige Auseinandersetzung gewährleistet ist. Auf diesen
demokratietheoretischen Aspekt Meinungsfreiheit hat etwa der 7.
Senat des OGH bereits im Jahre 1991 hingewiesen und beigefügt, dass
es nicht zulässig sei, ‚Kritiker durch strafrechtliches oder zivilrechtliches
Vorgehen mundtot’ zu machen. Auch damit folgte der OGH der Lehre
und der Judikatur des EGMR. Freilich hat auch die Meinungsfreiheit
Grenzen; sie darf etwa dann eingeschränkt werden, wenn dies zum
Schutze des guten Rufes in einer demokratischen Gesellschaft notwendig
ist. Im Zweifel muss eine Interessenabwägung stattfinden, eine Einschränkung
der Meinungsfreiheit darf, so EGMR in einem Urteil 1992, immer nur
eine eng begrenzte Ausnahme sein. All dies wurde in der Rechtswissenschaft
und in der Judikatur des EGMR, des Verfassungsgerichtshofs und auch des
OGH in den letzten Jahrzehnten erarbeitet und gehört heute zum verfassungsrechtlichen
Lehrbuchwissen. Umso erstaunlicher, dass dies dem 6. Senat des OGH
gänzlich verborgen blieb. Hat der OGH nicht gesehen, dass ein sanktioniertes
Verbot, bestimmte Dinge zu sagen, eines der wichtigsten demokratischen Grundrechte
beeinträchtigt? Bringt man das auf den Punkt, was von der Meinungsfreiheit
nach dieser Entscheidung überbleibt, dann ist es dies: Eine Kritik,
die den guten Ruf eines anderen beeinträchtigen könnte, ist dann
zulässig, wenn sie allgemein bekannt und geteilt ist. Dies muss
aber ‚feststehen’! ... Man kann nur hoffen, dass diese Auffassung
vereinzelt bleibt und dass die künftige Judikatur des OGH das Grundrecht der
Meinungsfreiheit von diesem Würgeband wieder befreit. Sonst wird
es still in diesem Land. Gespenstisch still." | |
– Der Schutz der Meinungsfreiheit
durch die Rspr scheint sich aber zu wandeln. So wurde Prof. Anton Pelinka in
erster Instanz für folgende Aussagen zur Person Jörg Haiders strafrechtlich
verurteilt (§§ 111 Abs 1 und 2 und 115 Abs 1 StGB: Üble Nachrede
und Beleidigung): Haider hat in seiner Karriere immer wieder Aussagen
gemacht, die als Verharmlosung des Nationalsozialismus zu werten
sind. Er hat einmal die Vernichtungslager ‚Straflager’ genannt.
Insgesamt ist Haider verantwortlich für eine Salonfähigkeit bestimmter
nationalsozialistischer Positionen und bestimmter nationalsozialistischer
Äußerungen." (Mai 1999 im italienischen TV) – Das OLG Wien (24.
BS 244/2000) hat Pelinka 2001 aber freigesprochen; vgl Informationen
der Gesellschaft für politische Aufklärung Nr 69/2001, 6 f. | |
Zur mittelbaren Einwirkung der Grundrechte
auf das Privatrecht → Grundrechte
und Privatrecht
| |
|
Die Probleme um den Schutz der Rechtspersönlichkeit
des Menschen sind heute grundsätzlich gelöst. Offene Fragen bestehen
aber noch am Beginn, gleichsam in der Phase des Noch-nicht-(ganz)-Menschseins
(§ 22 ABGB) und bei den Nachwirkungen der menschlichen Existenz,
also der Phase des Nicht-mehr-Menschseins. – Wen wundert es, dass
die gesellschaftliche und religiöse Einfärbung des jeweiligen Betrachters
zu unterschiedlichen Ergebnissen führt? | Offene
Fragen |
Zur
ersten Gruppe gehört vor allem das menschlich schwierige Problem
der Abtreibung, zur letzteren das des postmortalen
Persönlichkeitsschutzes. Allein die Gegensätze sind nicht
mehr so schroff wie früher. Damit soll nicht gesagt sein, dass die
Fragen des Persönlichkeitsrechtsschutzes in all ihren Details schon
befriedigend gelöst werden, zumal immer wieder neue Herausforderungen
auftreten, die es im Geiste des § 16 ABGB zu lösen gilt; zB im Bereich
der Gentechnik, des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung, der Frage der Verbindlichkeit von Patiententestamenten oder
dem Umfang und der Durchsetzung von Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflichten.
– Das Instrumentarium zur Lösung dieser Fragen ist vorhanden, wir
müssen es nur zum Wohle der Menschen anwenden. | |
| |
|
SZ
57/98 (1984): Sohn verlangt Herausgabe
der Krankengeschichte seiner verstorbenen Mutter. | |
|
II. Persönlichkeitsrechte
– Überblick | |
§
26 ABGB stellt juristische Personen grundsätzlich den natürlichen
Personen gleich; das gilt auch für den Persönlichkeitsschutz, der
– soweit möglich und sinnvoll – auch juristischen Personen zuerkannt
wird; zB nach § 1330 ABGB: Ehre. Die Rspr erstreckt diesen Schutz
auch auf Personengesellschaften (OHG, KG, GesbR etc), mögen diese
auch keine voll entwickelten oder überhaupt keine juristischen Personen
sein. | |
1. Recht auf Leben,
Gesundheit, Erwerbsfähigkeit | |
Rechtsquellen:
§ 22, §§ 1325–1327 ABGB + Art 2 EMRK, §§ 75 ff StGB. | |
| |
| |
2. Recht auf einen
würdigen Tod | |
Dieses mittlerweile
bedeutende Persönlichkeitsrecht wurde zunächst aus § 16 ABGB abgeleitet und
erst idF gesetzlich festgeschrieben; vgl nunmehr § 5a Z 9 KAKuG
( → Persönlichkeitsschutz
im Medizinbereich) samt Landesausführungsgesetzen. | |
| |
| |
| |
Kraft
ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 62a KAKuG ist es gestattet,
Verstorbenen – so sie zu Lebzeiten keine gegenteilige Anordnung
(sog Widerspruchserklärung) abgegeben haben – einzelne Organe und
Organteile zu entnehmen, um damit anderen Menschen zu helfen; Organtransplantation.
Zur historischen Interpretation dieser Norm → KAPITEL 18: Weltbild, Menschenbild und Menschenwürde ¿ Zur
Rolle der Medizin in modernen Gesellschaften.
– Nach dem KAKuG muss derzeit für eine Organentnahme nicht die Zustimmung der
Angehörigen eingeholt werden. Die Grenze der Pietät ist aber zu
beachten, zumal Missstände in anderen Ländern bekannt sind; Handel
mit ‘lebenden’ Organen. Näheres bei Barta,
in Barta / Ernst / Moser (1994).
– Gesetzlich geregelt ist in Österreich derzeit nur die Toten-,
nicht dagegen die Lebendspende. Auch viele andere wichtige Fragen des
Transplantationsrechts sind ungeregelt. | Organtransplantation |
| |
3. Schutz der geschlechtlichen
Selbstbestimmung und Freiheit | |
Mit
BGBl 1996/759 wurde vor § 1328 ABGB auch eine neue Überschrift eingefügt
und dadurch endlich ein präziser gefasstes Persönlichkeitsrecht
in diesem praktisch so wichtigen Bereich geschaffen. | §§ 1328, 1329 ABGB |
| |
Vgl dazu die §§ 17, 39, 33 ABGB iVm Art 7 B-VG
etc. – Die Entstehung dieses auch privatrechtlich so bedeutenden
Gesichtspunktes verdanken wir den alten Griechen (Solon). | |
5. Recht
eine (nichteheliche) Lebensgemeinschaft einzugehen | |
Auch
dieses Recht wird auf § 16 ABGB gestützt. | |
|
SZ
64/106 ( Ausgedinge – Aufnahme
eines Lebensgefährten in die Wohnung?): 1975 war der Hof
dem Sohn übergeben worden. Der Sohn hatte seinen Eltern das übliche
Ausgedinge eingeräumt. Nach dem Tod des Vaters / Altbauers geht
die Witwe / Mutter des Übernehmers mit einem anderen Mann eine Lebensgemeinschaft
ein. Das führte in der Folge zum Streit des Sohnes mit seiner Frau
und schließlich klagte die Schwiegertochter die Schwiegermutter
darauf, die Gestattung des weiteren Bewohnens des Hauses durch ihren
Lebensgefährten zu unterlassen. Der OGH wies dieses Klagebegehren
mit der Begründung ab, dass es ein Persönlichkeitsrecht sei, eine
Lebensgemeinschaft einzugehen und dass die Aufnahme eines Lebensgefährten
in die Ausgedingswohnung nur dann untersagt werden kann, wenn dies
von den Parteien schon im Vertrag so gewollt und vereinbart war.
Zum Ausgedinge → KAPITEL 8: Das
Ausgedinge. | |
|
6. Ehre,
wirtschaftliches Fortkommen, Kreditfähigkeit | |
| |
7. Urheber- und
Patentschutz | |
Vgl § 4 PatG; § 6 PatG:
Schutz der Erfinderehre; §§ 19 ff UrhG: Schutz
des sog Urheberpersönlichkeitsrechts. | |
| |
| |
Er erfasst bspw auch Tagebücher;
§ 77 UrhG. | |
9. Persönlichkeitsschutz
im Medizinbereich | |
Die
Rspr gewährt auch Persönlichkeitsrechte im Rahmen der ärztlichen
Behandlung und überhaupt im Rahmen der Beziehung „Recht und Medizin”:
zB ärztliche Aufklärungspflicht, Verschwiegenheitspflicht, Einsicht
/ Herausgabe / in die/der (eigene/n) Krankengeschichte oder überhaupt
das Recht auf ein/en würdiges/n Sterben / Tod. – Hier geht es um
das immer wieder verkannte Selbstbestimmungsrecht von Patienten,
das von Medizinern oft nicht verstanden wird. | Selbstbestimmungsrecht von Patienten |
| |
Eine
Novelle zum KAKuG, BGBl 1993/801 schuf erstmals Patienten(persönlichkeits)rechte für
den Bereich der öffentlichen Krankenanstalten, die von den Ländern
in L-KAG auszuführen waren; vgl etwa § 9a TirKAG, LGBl 1995/82 in
Ausführung des § 5a KAG. Danach haben die Träger der Krankenanstalten
ua sicherzustellen, dass: | Patienten(persönlichkeits)rechte |
„1. Pfleglinge Informationen über die ihnen
zustehenden Rechte erhalten sowie ihr Recht auf Einsicht
in die Krankengeschichte und die Herstellung von Abschriften oder Ablichtungen davon
ausüben können; | |
2. Pfleglinge ihr Recht auf Aufklärung und Information über
die Behandlungsmöglichkeiten samt Risiken ausüben können; ... | |
6. auf Wunsch des Pfleglings eine psychologische
Unterstützung möglich ist; | |
7. die Intimsphäre der
Pfleglinge ausreichend gewahrt ist; ... | |
9.
ein würdevolles Sterben sichergestellt ist und
Vertrauenspersonen Kontakt mit dem Sterbenden pflegen können; ... | |
11. bei der stationären und ambulanten Versorgung von Kindern
eine möglichst kindergerechte Ausstattung der Krankenräume gegeben
ist; ...” | |
Zur Unterstützung
von Patienten wurden schon 1993 (KAKuG) Patientenvertretungen geschaffen,
die gerne mit den Patientenanwaltschaften ( → Das
Unterbringungsgesetz 1990 )
verwechselt werden. Wichtige Aufgabe der Patientenvertretungen ist
es ua Patienten bei der Durchsetzung allfälliger Schadenersatzansprüche
aus unterlaufenen Behandlungsfehlern behilflich zu sein. – Zur Arzt-
oder Medizinhaftung und zum Behandlungsvertrag → KAPITEL 10: Behandlungsvertrag
¿ Medizinhaftung. | |
10. Achtung des
religiösen Empfindens und des Pietätsgefühls | |
Vgl § 39 ABGB. – Dieses
Recht kollidiert immer wieder mit der Freiheit der Kunst; Art 17a
StGG 1867. | |
| |
11. Recht
auf das eigene Bild: § 78 UrhG | |
Der praktisch
bedeutsame Bildnisschutz wird analog auf den Schutz
der eigenen Stimme ausgedehnt, das gesprochene Wort (Gschnitzer);
SZ 65/134: dazu gleich unten. | |
| |
|
SZ 65/134 (1992): Tonbandaufnahme
einer geschäftlichen Besprechung unter vier Augen (zwischen Geschäftsführer
und Außendienstmitarbeiter) ohne Zustimmung des Gesprächspartners
stellt einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar und ist rechtswidrig.
Arbeitsrechtlich begründet ein solches Verhalten eine Vertrauensunwürdigkeit
iSd § 27 Z 1, 3. Fall AngG und berechtigt zur Entlassung. – OGH
stützt sich in dieser E ua auf Koziol, nicht aber Gschnitzer, von
dem dieser Schutz erstmals gefordert wurde; vgl AT1 72
(1966). | |
|
| |
§ 43 ABGB: Schutz genießen
natürliche und juristische Personen. Vgl auch §§ 17 ff HGB: Firmenschutz. | |
|
EvBl 1985/38: Unbefugter Namensgebrauch
eines Rechtsanwalts. Unzulässige „Namensanmaßung” eines
Rechtsanwalts, der im Briefkopf seines
Kanzleipapiers neben seinem eigenen Namen auch noch den Namen eines
andern Rechtsanwalts – seines ehemaligen Kanzleikollegen – anführt
und dadurch den irrigen Eindruck einer in Wahrheit nicht (mehr)
bestehenden Kanzleigemeinschaft hervorruft. – Abgrenzung zwischen
einer „Namensanmaßung” und einer bloßen „Namensnennung”. | |
|
Der Name bezeichnet
den Menschen, die natürliche Person, festigt seine Identität. Durch
den Namen unterscheidet er sich von anderen Individuen. Namensschutz
bedeutet daher rechtlich: Identitätsschutz. Namensschutz
spielt nicht nur bei natürlichen Personen, sondern auch bei juristischen
Personen eine wichtige Rolle; auch die Firma und die Unternehmensbezeichnung
etc werden geschützt. – Es lässt sich sagen: Der „Name” schützt
die Identität von Rechtssubjekten und hilft diese voneinander unterscheiden. | Identitätsschutz |
Die Vorschriften des Namensrechts
sind idR öffentlichrechtlicher Natur, das Privatrecht räumt den
einzelnen Rechtssubjekten aber ein subjektives Privatrecht
zum Schutz des Namens ein. – Darin liegt die Bedeutung
des § 43 ABGB. Diese Ebenen sind zu unterscheiden! | |
Der bürgerliche Name besteht aus dem Vor-
und Familiennamen; beide sind geschützt. Der Name ist
ein höchstpersönliches Recht und kann daher weder
veräußert noch vererbt werden; vgl aber den unten wiedergegebenen
„Radetzky-Fall”, der uns zeigt, dass über die wirtschaftliche Verwendung
eines Namens durch andere ein Gestattungsvertrag abgeschlossen
werden kann. Der Name kann also mit Zustimmung des Namensinhabers
zu Werbezwecken verwendet werden und das Handelsrecht lässt Firmen(namens)übertragungen
zu. | Bürgerlicher
Name |
Mit
Gesetz vom 3.4.1919, StGBl 211 – sog AdelsaufhebungsG –
wurde es österreichischen Staatsbürgern untersagt, Adelsbezeichnungen
zu führen. Manche glauben aber darauf nicht verzichten zu können.
Die Praxis ist großzügig und übergeht die rechtswidrige Verwendung
von Adelsbezeichnungen in Tauf-, Hochzeits- oder Todesmitteilungen. | AdelsaufhebungsG |
Geschützt wird
aber nicht nur derFamilienname, sondern auch: | Weiter Namensschutz |
•
Der Deck- oder Künstlername vgl
neben § 43 ABGB etwa §§ 12, 61, 68 UrhG oder § 3 MedG; | |
•
der sog Vulgär- oder Hofname; | |
•
der Name juristischer Personen; | |
•
aber auch Geschäfts- und Etablissementbezeichnungen; | |
Zum
handelsrechtlichen Firmenschutz vgl § 17 HGB iVm § 37 HGB: Die Firma ist
der Name des Kaufmanns „unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt
und die Unterschrift abgibt. Ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen
und beklagt werden”. | Firmenschutz |
•
und nunmehr der
Domain-Name im
Internet, insbesondere auf Homepages → KAPITEL 2: Rechtliche
Probleme des Domain
Namens:
H. Ortner. | |
| |
|
EvBl 2000/113 (§ 43 ABGB – Zum Charakter
des Domain-Namens): Domain-Namen, die einen Namen enthalten
oder namensmäßig anmuten, haben Kennzeichnungs- und Namensfunktion.
Der Domain-Name identifiziert einen bestimmten Computer im Internet.
Er fällt demnach unter den Schutz des § 43 ABGB. | |
|
|
OGH 21. 12. 1999, 4 Ob 320/99h („
ortig-Fall”),
SZ 72/207 = EvBl 2002/107: Im Gründungsstadium befindlicher Dachverband
für Internetanbieter will Akronym”ortig” als
Domainnamen („ortig.at”) verwenden. Der Kläger, der diesen
Familiennamen trägt und darunter Internetdienstleistungen anbietet,
klagt aus § 43 ABGB auf Unterlassung. – OGH: Domainnamen, die einen
Namen enthalten oder namensmäßig anmuten (hier: „ortig”), haben
Kennzeichnungs- und Namensfunktion; sie fallen demnach unter den Schutz
des § 43 ABGB. Es gilt das Prioritätsprinzip [immer?], weshalb der
OGH die Verwendung der Internetadresse „ortig.at” untersagt; und
das, obwohl der geschützte Unternehmer selbst seinen Namen nicht
als Internetadresse verwendet. (E überzeugt nicht restlos.) | |
|
|
OGH 22. 3. 2001, 4 Ob 39/01s, EvBl 2001/155:
Die Verwendung eines Namens für eine Internet-Domain beeinträchtigt
die berechtigten Interessen des Trägers der diesen Namen führenden
Institution, wenn auf der dazu gehörigen Website „Insider-Informationen”
dieser Institution angeboten werden, die den Bruch der Amtsverschwiegenheit
nahe legen; hier: „rechnungshof.com”, „rechnungshof.org”,
„rechnungshof.net”. Es liegt somit ein Verstoß
gegen das Namensrecht des § 43 ABGB vor. Überlegenswert
erschiene ein Abstützen über §§ 16, 26 iVm 43 ABGB. | |
|
| Namensgebung
und Namensänderung |
Neben § 43 ABGB gewähren
auch Normen außerhalb des ABGB, etwa: §§ 30, 37 HGB; § 9 UWG; §§
12, 51 ff MarkSchG, Namensschutz. | |
|
SZ 55/145 (1982): Barbara
Rütting-Brot: Wer den Namen eines anderen ohne dessen Einwilligung
zur Kennzeichnung von Waren im Handelsverkehr verwendet, begeht
eine Kennzeichenverletzung iSd § 56 MarkSchG iVm § 12 leg cit. | |
|
|
OGH 15. 6. 2000, 4 Ob 85/00d („
Radetzky-Fall”), JBl 2001, 54: Der Großvater des
Beklagten erhielt vom Vater des Klägers (Josef Graf Radetzky) die
Erlaubnis zur Verwendung des Familiennamens für seinen Weinhandel.
Der Kläger begehrt nun vom Beklagten, die Verwendung des Namens
„Radetzky” zu unterlassen. – OGH: Wegen der Höchstpersönlichkeit
des Namensrechts kann die Gestattung der Namensverwendung
nicht als Veräußerung, sondern nur als
Verzicht als die Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen
gegen den Begünstigten angesehen werden. Dieser Gestattungsvertrag bindet
auch den (Gesamt) Rechtsnachfolger des Gestattenden (=Kläger). Diese
E lehrt uns, ebenso wie das Firmenrecht, dass es dogmatisch vorzuziehen
ist, nicht das gesamte „Spektrum” des Namensschutzes als höchstpesönlich
anzusehen. Vorzuziehen ist es vielmehr, von einem höchstpersönlichen
Kern des Namensrechtes auszugehen und darüber hinaus, daran angelagert,
auch nicht-höchstpersönliche Bereiche des Namensschutzes anzunehmen.
Dadurch würde auch der „auf Verwandtschaft” mit dem Urheberrecht,
dem Patentrecht etc Rechnung getragen. | |
|
| |
Vgl § 1 DSG 2000 (Verfassungsbestimmung)
– Mit dem Tatbestandsmerkmal „personenbezogene”
wird immer wieder Missbrauch getrieben, um sich bestehender Verpflichtungen
zu entledigen. Es ist Aufgabe der Rspr hier – wo immer möglich –
für Klarheit zu sorgen. | Schutz personenbezogener
Daten |
„Jedermann
hat Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen
Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere
im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, hat”
(Abs 1). | § 1 DSG 2000 |
Die anderen Absätze des § 1 DSG enthalten
ein Recht auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung
eigener Daten. § 1 Abs 6 DSG bringt (unmittelbar) die Drittwirkung
des Grundrechts auf Datenschutz, also dessen Geltung im Bereich
privatrechtlicher Beziehungen, zum Ausdruck; verfassungsrechtliche
Garantie des ordentlichen Zivilrechtswegs. – Im Bereich der Hoheitsverwaltung
können sich Betroffene mit Individualbeschwerde an die Datenschutzkommission wenden;
§ 14 DSG. | Richtigstellung
und Löschung etc |
Der Schutz des DSG erstreckt
sich auf natürliche und juristische Personen sowie
Zwischenformen – unabhängig von der Staatsbürgerschaft; § 3 DSG. | Schutz
umfasst nat und jurPn |
| |
Hier werden üble
Nachrede, Verspottung, Verleumdung,
Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs sanktioniert.
– § 9 MedG regelt das Recht der Entgegnung; § 10
MedG die nachträgliche Mitteilung über den Ausgang eines Strafverfahrens. | |
| |
| |
15. Recht
auf informationelle Selbstbestimmung | |
Dieses neue Persönlichkeitsrecht versucht das Schreckgespenst
des gläsernen Menschen, auf dessen „Daten” von verschiedenen
Seiten zugegriffen werden kann, zu bannen; zB Patientenkarte. –
Hier erscheint es aber künftig wichtig, das Kind nicht mit dem Bade
auszugießen. | |
„Die Vernetzung von Medizin, Wirtschaft
und Verwaltung bildet den ganzen Bürger als Datengestalt ab, welche
den Angriffen von Kommerz und Staat völlig wehrlos ausgeliefert
ist: Das fürchten nicht nur Bürgerrechtler.” – Der Spiegel, Nr 11/11.3.1996,
S. 74. – In Österreich liegt dzt ein Entwurf eines BG betreffend
Übertragungssicherheit beim elektronischen Austausch von Gesundheitsdaten
und Einrichtung eines Informationsmanagement-GesundheitstelematikG
(BMSG unter GZ 70.101/22-VII/B/10/02) vor; RdM 2002, 121. | |
| |
16. Verschwiegenheitspflichten | |
Sie dienen
in sehr unterschiedlichen Bereichen der Rechtsordnung ebenfalls
dem Persönlichkeitsschutz: Etwa § 9 Abs 2 RAO, § 54 ÄrzteG 1998,
Art 20 Abs 3 B-VG (Amtsverschwiegenheit für Beamte) uvam. | |
| |
|
OGH 25. 9. 2001, 4 Ob 206/01z, EvBl 2002/32:
Gegen einen Erzeuger von Faustfeuerwaffen ist ein Finanzstrafverfahren anhängig.
In einer Zeitschrift erscheint ein Artikel mit Informationen, die
nur aus dem Finanzstrafakt stammen können. Der Waffenproduzent klagt
den Medieninhaber auf Schadenersatz. – OGH: § 48a BAO schützt auch
das Interesse der Partei an der Geheimhaltung des Akteninhalts und ist
deshalb als Schutznorm iSd § 1311 ABGB zu werten.
Die Verletzung eines Schutzgesetzes verpflichtet nicht nur zu Schadenersatz,
sondern auch zur Unterlassung. | |
|
III. Wie
werden Persönlichkeitsrechte geschützt? | |
| |
Anspruchsberechtigt
sind vorrangig Betroffene, deren berechtigte Interessen
verletzt wurden. Eine Musterregelung zur Durchsetzung aller Persönlichkeitsrechte
trifft § 43 ABGB → Wie
werden Persönlichkeitsrechte geschützt? – Ist die in ihrem Persönlichkeitsrecht
verletzte Person bereits verstorben, trifft § 78 UrhG (Recht am
eigenen Bild) eine grundsätzliche, analogiefähige Regelung dafür, wer nach
dem Tod einer Person für den allenfalls nötigen (Persönlichkeitsrechts)Schutz
sorgen kann. Es sind nahe Angehörige, was nicht mit
Verwandtschaft zu verwechseln ist! Die Frage der Rechtswahrnehmung
solcher Persönlichkeitsrechte erscheint aber noch nicht endgültig
geklärt und verbesserungsfähig. Kant bspw ( → Sog
postmortale Persönlichkeitsrechte)
plädiert in Übernahme einer solonischen (von Plutarch überlieferten)
Lösung, die aber ungenannt bleibt (!), für eine Popularklage
zur Ehrenrettung Toter, was wie die folgenden Beispiele
zeigen, für manche Fälle wichtig wäre. – Bedenkenswert erschiene
eine von § 78 UrhG unabhängige Regelung (bspw in einem neu zu schaffenden
§ 43 Abs 2 ABGB), die Weiterentwicklungen enthalten könnte. | |
Das wäre auch insoferne überlegenswert, als §
78 UrhG bezüglich der Rechtsdurchsetzung postmortaler Persönlichkeitsrechte
auf nahe Angehörige abstellt, die aber – wie wir wissen – mitunter
auch selbst fragwürdige Handlungen setzen. – Vgl etwa die Herausgabe
persönlicher Aufzeichnungen Ingeborg Bachmanns durch
Angehörige; Die Zeit, Nr 41, 5. Okt 2000, S. 61. | |
| |
| |
Als Muster
der Rechtsdurchsetzung von Persönlichkeitsrechten dient
§ 43 ABGB, der durch die III. TN (1916) eingefügt wurde. Dort wird
unterschieden zwischen einem: | |
•
Unterlassungsanspruch (für
den Verschulden keine Voraussetzung ist) und einem | |
•
Schadenersatzanspruch,
der Verschulden voraussetzt. | |
Wie bei anderen absoluten Rechten (zB den Immaterialgüterrechten)
erzeugt ihre Verletzung Ansprüche auf Unterlassung künftiger Eingriffe
und auf Beseitigung dauerhafter Störungen; EvBl 1999/58: Zum Beseitigungsanspruch
des Markeninhabers. | |
Der Unterlassungsanspruch beinhaltet auch einen Feststellungsanspruch in
Bezug auf den Persönlichkeitseingriff und damit zusammenhängend,
den Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung; zB Widerruf.
– Der Schadenersatzanspruch strebt iSd § 1323 ABGB weitestgehende
Wiederherstellung des früheren Zustandes an. Aber dies ist – wie
wir wissen – bei weitem nicht immer möglich, worauf es perfide Menschen
auch anlegen; denn: „Ist der Ruf einmal ruiniert, ...” | |
3. Sog
postmortale Persönlichkeitsrechte | |
Der
Persönlichkeitsschutz des Menschen beginnt – wie wir gehört haben
– in gewisser Weise bereits vor der Geburt (Schutz der Leibesfrucht
/ nasciturus; § 22 ABGB) und endet konsequenterweise auch nicht
abrupt mit dem Tod. | |
|
SZ 57/98 (1984):
Postmortales
Persönlichkeitsrecht – Aus dem zwischen dem Patienten und
dem Träger der Krankenanstalt bestehenden Behandlungsvertrag ergibt
sich die vor allem aus therapeutischen Gründen einschränkbare Verpflichtung
des Trägers der Krankenanstalt, dem Patienten Einsicht in
die Krankengeschichte zu
gewähren. – Eine Verpflichtung zur Gewährung der Einsicht kann nach Abwägung
der Interessen, insbesondere auch von Persönlichkeitsrechten des
Verstorbenen auf Wahrung seiner Geheimsphäre, auch den Erben und
nahen Angehörigen gegenüber bestehen. Die Berechtigung der Weigerung
kann durch Einholung eines Sachverständigengutachtens überprüft
werden. Kläger = Sohn und Erbe der Verstorbenen – Beklagter = Krankenanstaltsträger
(W-KH). | |
|
|
OGH 29. 8. 2002, 6 Ob 283/01p („Omofuma-Fall
II”), JBl 2003, 114:
Im Mittagsjournal von Ö1 wird über den FPÖ-Wahlkampf berichtet,
wobei ein FPÖ-Politiker (Beklagter) mit Bezug auf den verstorbenen M.
Omofuma die Äußerung tätigt: „Ich hätte mir gewünscht, dass ein
Regierungsmitglied mal die Frage gestellt hätte, was hat denn dieser
Drogenhändler, der da ums Leben gekommen ist, alles an unseren Kindern
verbrochen, denen er Drogen verabreicht hat? Denen er das Leben
ruiniert hat.” – Tatsächlich sind keine Fakten bekannt, die diese
Aussage rechtfertigen. Die 4-jährige Tochter Omofumas klagt auf
Unterlassung und Widerruf nach § 1330 ABGB. – OGH verneint eigene
Persönlichkeitsverletzung der Tochter, bejaht aber die postmortale
Persönlichkeitsrechtsverletzung des Vaters der Klägerin. | |
|
Die
historischen Wurzeln des modernen postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutzes
schienen mir lange Zeit bei Kant (Metaphysik der Sitten, Rechtslehre)
zu liegen, der das Hinterlassen eines guten Namens nach dem Tode
–
bona
fama defuncti – für schutzwürdig hält. Vgl aber schon das
lateinische Sprichwort:
De mortuis
ni(hi)l nisi bene. – In Wahrheit handelt es sich um eine
(nicht gekennzeichnete!) Übernahme Kants aus dem antiken griechischen
Recht (Solon: 594/3 v. C.), die über Plutarchs Solonbiographie in
Erinnerung geblieben ist. – Dafür gilt das oben Gesagte. | Historische Wurzeln |
| Durchsetzung postmortaler Persönlichkeitsrechte |
Ein wichtiger Anwendungsbereich
des postmortalen Persönlichkeitsrechts betrifft die Frage der sog
Totenfürsorge,
die grundsätzlich nach dem mutmaßlichen Willen Verstorbener auszurichten
ist. Die hier angesprochenen Fragen betreffen die Art – zB Erd-
oder Feuerbestattung – und den
Ort des Begräbnisses und
idF auch die Fragen von
Exhumierung und
Grabverlegung. Die
Orientierung der Rspr am mutmaßlichen Willen des Verstorbenen bedeutet
nichts anderes, als ein anerkennen eines postmortalen Persönlichkeitsrechts
in diesen Fragen; so nunmehr ausdrücklich JBl 2000, 110. | |
|
JBl 2000, 110: Exhumierung und
Feuerbestattung: Sylvia G: Die Eltern der im Oktober 1996 tödlich
verunglückten Sylvia G. waren geschieden und lebten
an verschiedenen Orten. Auf Initiative des Vaters (Klägers) wurde
die Tochter in einem Einzelgrab in N. beerdigt. Die Mutter (Beklagte)
hatte sich diesem Plan zunächst nicht widersetzt, obwohl sie wusste,
dass ihre Tochter mehrmals geäußert hatte, daß sie nicht beerdigt,
sondern feuerbestattet werden wollte. Um dem Wunsch der Tochter
doch noch zu entsprechen leitete die Mutter, die die Grabstätte
bereits für 10 Jahre bezahlt und das Grab hauptsächlich gepflegt
hatte, im März 1998 die Exhumierung und Feuerbestattung in
die Wege. Dem widersetzte sich der klagende Vater und begehrte,
die Beklagte schuldig zu erkennen, „sich einseitiger Verfügungen
über die Leiche zu enthalten und insbesondere die beabsichtigte
Enterdigung und anschließend Feuerbestattung zu unterlassen. – Der
OGH gab der Revision des Klägers nicht Folge und verwies auf seine
ähnlich gelagerte Vor-E SZ 45/133 (1972), begründete jedoch die
dort nur kurz skizzierte Lösung näher. Der OGH betont aber erneut,
daß die Entscheidung über die Totenfürsorge – ohne Rücksicht auf
die jeweilige Erbenstellung – den nächsten Angehörigen zustehe.
„Dabei ist vom wirklich bestehenden Näheverhältnis im Einzelfall
auszugehen.” – Hier hatte die verunglückte Tochter bis zuletzt einen
intensiveren Kontakt zur Mutter unterhalten, während der Vater nur
einen unregelmäßigen Kontakt zu seiner Tochter gehabt hatte. | Erd-
oder Feuerbestattung? |
|
| |
IV. Grundrechte
und Privatrecht | |
| |
1. § 16 ABGB als
Einfallspforte für Grundrechte – Mittelbare Grundrechtsbindung | |
Da
§ 16 ABGB heute als Generalklausel für Persönlichkeitsrechte zu
verstehen ist, auf die bei Bedarf zurückgegriffen werden kann, ist
im österreichischen Privatrecht das Heranziehen verfassungsrechtlicher
Grundrechte nicht so dringlich wie bspw in Deutschland, wo Art 1
Abs 3 und Art 20 Abs 3 des BonnerGG 1949 – mangels einer Regelung
von Persönlichkeitsrechten im dtBGB – eine unmittelbare Geltung
der Grundrechte auch für das Privatrecht vorsehen. – Das österreichische
Privatrecht verfügt demnach über einen autonomen – sich selbst ergänzenden
– Persönlichkeitsrechtsschutz, der bei Bedarf aus dem als Generalklausel
fungierenden § 16 ABGB gewonnen werden kann. Die Grundrechte sind
dabei hilfreich, mag auch die Generalklausel des ABGB den Vorteil
besitzen, nicht nur vom Gesetzgeber, sondern auch von der Rspr flexibel
gehandhabt werden zu können. | |
Von Bedeutung ist
das zB für die Glaubens- und Gewissensfreiheit (dazu
gleich ZVR 1996/48 = EFSlg 78.508), die Meinungs-, Berufs-
und Erwerbs- oder die Niederlassungsfreiheit,
aber etwa auch für das Abstecken der Versammlungsfreiheit;
Art 12 StGG iVm Art 11 EMRK. Ein wichtiger Bereich, in dem der verfassungsmäßige
und internationale Grundrechtsschutz überholtes Gesetzesrecht beseitigt
hat, ist das sog Kindschaftsrecht. Hier hat der EuGMR
durch Auslegung des Art 8 EMRK (Fälle: „Marckx” gegen Belgien, EuGRZ
1979, 454 und „Inze” gegen Österreich, EuGMR, ÖJZ 1988, 177 – in
welchem eine Verletzung der Art 14 EMRK und Art 1 des 1. ZPEMRK durch
Österreich festgestellt wurde) die Gleichstellung unehelicher mit
ehelichen Kindern im Erbrecht vorbereitet. | |
2. Was
bedeutet „mittelbare” Einwirkung? | |
„Mittelbare”
Einwirkung meint, dass die Grundrechte nicht direkt, sondern bloß
durch Vermittlung einer Privatrechtsnorm, auf privatrechtliche Fragen
einwirken und hier angewandt werden; etwa
§ 16 oder § 879 ABGB. – Der Gesetzgeber ist nämlich verpflichtet,
den vom jeweiligen Grundrecht geforderten Schutz(bereich) auch gegenüber
Eingriffen von Privatpersonen abzusichern. Diese Aufgabe obliegt
den ordentlichen Gerichten (insbesondere dem OGH). | |
Diese Verfassungsbestimmung ordnet ausnahmsweise
ausdrücklich eine unmittelbare Geltung oder –
wie das auch genannt wird – eine sog Drittwirkung des Grundrechts
auf Datenschutz für das Privatrecht an. | §
1 Abs 6 DSG |
Über die
sog „Wertschleusen” der §§ 16, 879 oder 1295 ABGB
fließen nach hA allgemeine Wertvorstellungen verfassungsmäßig garantierter
Grundrechte in das österreichische Privatrecht ein. – Die Grundrechte
sind daher im Rahmen der privatrechtlichen Auslegung und Lückenfüllung zu beachten. | Wertschleusen |
Die im Grundrechtskatalog verankerten
Grundwerte unserer Rechtsordnung fließen also (mittelbar) ins Privatrecht
ein, soweit das Privatrecht selbst solche Grundwerte normativ nicht
(explizit) entwickelt hat und daher auch nicht berücksichtigen kann.
Auf diese Weise kann die Einheit der Rechtsordnung gewahrt
und sichergestellt werden, dass fundamentale Wertbezüge der Rechtsordnung
bis zur Basis der Normpyramide (Lehre vom Stufenbau) vordringen. | Einheit der
Rechtsordnung |
|
OLG
Ibk 1R 159/94 (ZVR 1996/48 = EFSlg 78.508):
Eine junge Frau, die als Kindergärtnerin arbeitete, wird
bei einem Autounfall schwer verletzt und kann in der Folge ihren
Beruf nicht mehr (voll) ausüben. Sie ist Mitglied der Zeugen
Jehovas und weigert sich im Rahmen der Heilbehandlung
nach dem Unfall, dass ihr Fremdblut in Form einer Bluttransfusion
zugeführt wird, was die Heilung verzögert und zu vermehrten Schmerzen
führt. – Die gegnerische Versicherung will diese Mehrkosten nicht
bezahlen, was vom OLG uH auf das Grundrecht der Religionsfreiheit
(Art 14 Abs 1 StGG 1867) abgelehnt wird. – Das Verhalten der jungen
Frau (= Ablehnung fremder Blutzufuhr) wird deshalb nicht als MitverschuldeniSd
§ 1304 ABGB und Verletzung der Schadensminderungspflicht
angesehen, weil ein solches Verständnis den Grundrechtsschutz der Religionsfreiheit unterlaufen
würde. Das OLG Ibk lehnt daher zurecht eine Minderung des Schadenersatzes
nach § 1304 ABGB (Mitverschulden) ab. Man kann daher auch sagen:
Im konkreten Fall überdeckt das einschlägige Grundrecht, die sonst
(dh an und für sich) zur Anwendung gelangende Privatrechtsnorm des
§ 1304 ABGB. – Diese sog Drittwirkung der Grundrechte macht in Bezug
auf die Gesetzesauslegung deutlich, dass der konkrete Interpretationsvorgang
alle Ebenen / Schichten des Stufenbaus der Rechtsordnung (mit)umfasst
und nicht auf das Privatrecht beschränkt ist. – Soweit internationale
Normen unmittelbar anwendbares staatliches Recht darstellen (zB
die Europäische Menschenrechtskonvention / EMRK) sind auch diese
Normen im Rahmen der privatrechtlichen Rechtsfindung angemessen
zu berücksichtigen. | |
|
|
Äußerst problematisch
im Zusammenhang mit einem grundrechtskonformen Schutz der Glaubens-
und Gewissensfreiheit (Religionsfreiheit) ist die E des OGH: JBl 2000, 179: Kein Unterlassungsanspruch
gegen eine staatlich (offenbar zu Unrecht erfolgte) Sektenwarnung – Sri
Chinmoy-Bewegung (mit rechtpolitisch beherzigenswerter
Anm von Kalb). | |
|
| |
|
EvBl 1998/187: § 1 UWG – Zur Sittenwidrigkeit gefühlsbetonter
Werbung (Opferlicht). Der OGH führte aus: Die mögliche
Sittenwidrigkeit einer an das Gefühl der Kunden appellierenden Werbung
ist durch eine Gegenüberstellung der Wertungen zu ermitteln, die
sich einerseits aus den Grundrechten des Werbenden auf Freiheit
der Berufsausübung und Meinungsäußerung und andrerseits aus den
Grundrechten, insbesondere den Persönlichkeitsrechten, des Umworbenen
als eines „aufgeklärten Verbrauchers” ergeben. | |
|
|
SZ 69/179 (1996): Die Entziehung
der Obsorge allein wegen der Mitgliedschaft der Mutter bei der Scientologie-Kirche widerspricht
den Art 8 Abs 1 und 14 EMRK. | |
|
|
Die Blockade der Zufahrtsstraße
zu einem Bauplatz ( → KAPITEL 9: Kausalität
/ Verursachung)
ist unter bestimmten Voraussetzungen nicht friedlich iSd Art 11
EMRK und kann daher nach Ansicht des OGH nicht mit dem Grundrecht
der Versammlungsfreiheit gerechtfertigt werden.
Es ging um die „ennsnahe Trasse” der Phyrn-Autobahn; OGH 25.3.1999, 6 Ob 201/98x. | |
|
|
SZ 71/96 (1998): Meinungsfreiheit
(Art 10 EMRK und Art 13 StGG): Tierquälerei – Legebatterie
→ KAPITEL 10: Weitere
Beispiele. | |
|
3. Zur
sog Drittwirkung von Grundrechten | |
Unter dem Begriff der sog Drittwirkung von Grundrechten
wird eine über den Bereich hoheitlicher Beziehungen hinausreichende
Geltung der Grundrechte verstanden, insbesondere auch ihre Geltung
im Privatrecht. – Dabei werden zwei Stufen unterschieden: | |
•
Die
sog Fiskalgeltung der Grundrechte: Der Staat und
seine Erscheinungsformen tritt nicht nur hoheitlich auf, sondern
auch privatwirtschaftlich (→ KAPITEL 1: Die
sog Privatwirtschaftsverwaltung);
dennoch steht auch hinter dem nicht hoheitlichen Handeln des Staates
Macht und Einfluss. Daher wird auch für diesen Bereich heute weitgehend
die unmittelbare Geltung der Grundrechte gefordert (und weiterhin
anerkannt). | Fiskalgeltung |
•
Eine
noch darüber hinausreichende allgemeine Drittwirkung der
Grundrechte wird heute zwar immer wieder gefordert, ist aber derzeit
noch nicht anerkannt. Es bleibt demnach vorerst bei der bloß „mittelbaren”
Einwirkung der Grundrechte auf das Privatrecht. – In Einzelfällen,
wie dem eben erwähnten § 1 Abs 6 DSG 2000 ordnet der (Verfassungs)Gesetzgeber
aber ausdrücklich eine „unmittelbare” Drittwirkung dieses speziellen
Grundrechts an. | allgemeine Drittwirkung |
Das idF kurz dargestellte Verständnis von der
Gewährleistungsfunktion der Grundrechte macht die Lehre von der mittelbaren
Einwirkung der Grundrechte zwar nicht überflüssig, was auch für
normativen „Einfallsschleusen” wie die §§ 16 oder § 879 ABGB gilt.
– Das Umsetzungsbewusstsein könnte aber vertieft werden. | |
4. Zur sog Gewährleistungsfunktion
der Grundrechte | |
| |
Schon bisher wurde angenommen, dass
die Grundrechte auf das Privatrecht einwirken. Freilich war es bisher
hA, dass dies bloß „mittelbar” erfolgt → Was
bedeutet „mittelbare” Einwirkung? Versuche
wie dieser, die ein effizienteres Einwirken der Grundrechte oder
– wie man besser sagen sollte – ein harmonisches Zusammenspiel
von Grundrechten und Privatrecht einzuleiten, sind daher
zu begrüßen. Die Gerichte setzten sich mit dieser Problematik zusehends
mehr auseinander; vgl etwa OLG Ibk, ZVR 1996/48: Religionsfreiheit
( → Was
bedeutet „mittelbare” Einwirkung?). Diese Auseinandersetzung verläuft allerdings
nicht friktionsfrei, wie der Fall Peter Pilz (Meinungsfreiheit)
beweist → Ehre,
wirtschaftliches Fortkommen, Kreditfähigkeit Ein neues, funktionaleres und vertieftes
Verständnis des Zusammenwirkens von Privatrecht und öffentlichem
Recht erscheint daher nötig, zumal es in Österreich entwicklungsgeschichtlich
das bürgerliche Recht war, das versucht hatte, einen solchen inneren
und funktionalen Zusammenhang herzustellen; freilich zunächst nicht sehr
erfolgreich, denn Martinis berühmte Einleitung, der die Funktion
eines Verfassungssurrogats zukommen sollte, wurde von Zeiller &
Co weithin liquidiert! | Harmonisches Zusammenspiel von Grundrechten
und Privatrecht |
| |
Überlegenswert wäre es nach wie vor, §
16 Satz 1 – möglichst iVm § 17 – ABGB
in den Verfassungsrang zu heben, um dadurch (ohne großen
Aufwand) eine Generalklausel für den Grundrechtsschutz zu erhalten;
H. R. Klecatsky. | § 16 Satz 1 ABGB in den Verfassungsrang
heben? |
Das Problem der Gewährleistungslehre von
Monika Hinteregger liegt darin, dass diese Lehre der typisch österreichischen
Situation der Grundrechte – nämlich deren mangelhafter und vor allem
lückenhafter Ausprägung – nicht gerecht wird, und kein Mittel aufweist,
die Enge der bestehenden Situation aufzubrechen. (Eine gewisse Abhilfe schafft
freilich, wie die Praxis zeigt, die EMRK samt ZP.) Dort dagegen,
wo eine grundrechtliche oder EMRK-Regelung existiert, leistet diese
Lehre Vorbildliches. – Nach diesem Verständnis, verpflichten die
Grundrechte den Staat (und seine Organe), die in ihnen verbrieften
gesellschaftlich-rechtlichen Grundwerte – zB Freiheit – generell zu
gewährleisten; im Privatrecht wie im öffentlichen Recht. Das entspricht
auch der Intention der EMRK; vgl etwa deren Art 8, 10 oder 14. | |
| |
Das bedeutet bspw: "Das
Bestehen bestimmter privatrechtlicher Ansprüche, wie der Unterlassungsanspruch
bei Eigentumseingriffen oder das Recht eines Elternteils
auf persönlichen Kontakt mit dem Kind, können dann als
Erfüllung der staatlichen Verpflichtung verstanden werden, das Grundrecht
auf Eigentum oder das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
zu schützen. Die privatrechtlichen Normen stellen
damit ein Instrument zur Verwirklichung des von den Grundrechten
der Rechtsordnung abverlangten Individualrechtsschutzes dar.
Bleibt der Privatrechtsgesetzgeber hinter dem von der Verfassung
vorgegebenen Mindestschutzstandard zurück, so stellt bereits das
Fehlen eines privatrechtlichen Instruments eine Grundrechtsverletzung
dar. Die Rsp ist dann schon von Verfassungs wegen angehalten, eine
solche Rechtsschutzlücke im Rahmen des ihr zur Verfügung stehenden
Interpretationsspielraums zu schließen .... | |
Auch
die Begründung des Kontrahierungszwangs [g Kapitel 5.C.II.1.,
S. 308] zwischen Privaten kann in diesem Sinne verstanden werden.
Nach geltendem Recht kann ein Kontrahierungszwang durch Gesetz ausdrücklich angeordnet
sein. Ein Kontrahierungszwang wird aber darüber hinaus von Lehre
und Rsp immer dann angenommen, wenn bei Ausübung einer Monopolstellung
auf Grund faktischer Übermacht eines Beteiligten bei bloß formeller Parität
die Möglichkeit einer Fremdbestimmung besteht. Bei Vorliegen dieser
Voraussetzung besteht eine Verpflichtung zum Vertragsabschluß, außer
der Monopolist kann Gründe vorbringen, die eine Weigerung sachlich rechtfertigen.
Lehre wie Rsp leiten den Kontrahierungszwang für private Unternehmer
aus § 1295 Abs 2 ABGB, dem Verbot sittenwidriger Schädigung, ab.
Für Unternehmen der öffentlichen Hand wird der Kontrahierungszwang dagegen
unmittelbar aus dem Gleichheitssatz abgeleitet. | |
Unter der Prämisse der Gewährleistungspflichten stellt die
Anerkennung des Kontrahierungszwangs auch für private Unternehmen
das Ergebnis einer Pflicht des Staates dar, die grundrechtlich abgesteckte
Freiheitsposition desjenigen, der auf den Vertrag angewiesen ist,
zu gewährleisten. Die grundrechtlich verbürgte Privatautonomie des
Monopolisten wird aufgehoben, um die ebenfalls grundrechtlich geschützte
Freiheitssphäre der auf die Leistung angewiesenen Person, zu garantieren.
Auf ihrer Seite streiten der Gleichheitssatz, das Grundrecht auf
Eigentum und das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit. Die Entscheidung
über den Kontrahierungszwang als Ergebnis einer Abwägung beider
Grundrechtspositionen ist dann nicht nur privatrechtlich erwünscht,
sondern verfassungsrechtlich gesollt." (Hinteregger, aaO 752) | |
Fazit: – "Für die Anwendung und Auslegung des Privatrechts ist
der Grundrechtsschutz den ordentlichen Gerichten überantwortet.
Da eine Anrufung des VfGH gegen grundrechtsverletzende Akte der
Gerichtsbarkeit im österr Recht nicht vorgesehen ist, bleibt betroffenen
Personen nur die Inanspruchnahme der von der MRK vorgesehenen Rechtsschutzeinrichtungen
bzw die Hoffnung auf ein Wort des Gesetzgebers." | |
– "Das Verhältnis von Privatrecht und Grundrechten
gewinnt durch die Anerkennung von grundrechtlichen Gewährleistungspflichten
des Gesetzgebers eine neue Dimension. Der Blickpunkt
des Interesses wendet sich dabei von der Abwehr möglicher Beeinträchtigungen
von Grundrechtspositionen durch Normen des Privatrechts hin zur Funktion
des Privatrechts, für den Schutz und die nähere Ausgestaltung von
grundrechtlich verbürgten Freiheitspositionen zu sorgen. Die damit
verbundene Pflicht des Gesetzgebers, den verfassungsrechtlich gebotenen
Mindeststandard an Schutz zu gewährleisten, begründet auch eine
Pflicht der Rsp, im Rahmen des ihr zur Verfügung stehenden Interpretationsspielraums
für den Schutz dieser Grundrechtspositionen zu sorgen." (Hinteregger,
aaO 753; Hervorhebungen von mir) | |
Dieses zu befürwortende Verständnis eines funktionaleren
Zusammenwirkens von Grundrechten und Privatrecht, aber auch von
der diesbezüglich aktiveren Rolle der ordentlichen Zivilgerichte
wird hoffentlich zu einer mutigeren und lebendigeren Auslegungs-
und Entscheidungstätigkeit unserer Gerichte führen und vielleicht
früher oder später auch zur Überwindung der Lehre von der bloß "mittelbaren
Einwirkung" der Grundrechte auf das Privatrecht. Auch diesbezüglich
liegt aber maßdie Hoffnung in europäischen Lösungen. | |
V. Rechtsprechungsbeispiele | |
|
§ 78 UrhG –
Bildnisschutz (gekürzt): ”Zum
Wohl ein guter Tropfen”: SZ 44/104
(1971) Kläger = auf Plakat Abgebildeter
Beklagter = werbende Firma In einer Zeitung wurde für eine Weinwerbung unter dem
Titel „Zum Wohl ein guter Tropfen” ua ein Bild des Klägers verwendet,
das ihn beim Besuch eines Heurigen zeigte. In einem Text neben dem
Bild hieß es: „Kaum ein Weinliebhaber, der sich bis ins hohe Alter
sein tägliches Tröpferl Wein nehmen ließe. Und bei Gesunden haben
die Ärzte nichts dagegen.” Das Ziel der Reportage war die Werbung
für den Weinkonsum bei bestimmten Produzenten und im allgemeinen.
Der Klage auf Unterlassung wurde stattgegeben, die Begehren auf
Zuspruch einer Entschädigung und auf Herausgabe des Films und der
Negativa wurden abgewiesen. Weiters wurde dem Kläger die Befugnis
zugesprochen, den Urteilsspruch binnen 14 Tagen auf Kosten des Beklagten
zu veröffentlichen. – Aus der Begründung des OGH: „Der Fall, dass
das Bildnis einer Person ohne deren Einwilligung zu Werbezwecken
verwendet wird, kann geradezu als Musterbeispiel einer herabsetzenden
Bildnisveröffentlichung gelten; dies nicht nur hinsichtlich des
Gegenstandes, für den geworben wird, der allerdings im vorliegenden
Fall nichts Anstößiges enthält, als auch in Anbetracht der Tatsache,
dass regelmäßig Personen, die nicht gerade die Interessen, für die
geworben wird, vertreten, hiefür ihr Bildnis nicht unentgeltlich
zur Veröffentlichung preiszugeben pflegen. Sich dem Verdacht ausgesetzt
zu sehen, sein Bildnis entgeltlich für Werbezwecke zur Verfügung
zu stellen, wie dies im vorliegenden Fall für die Bildnisveröffentlichung
zutrifft, verstößt eindeutig gegen dessen berechtigte Interessen.
Ein Verstoß der beklagten Partei gegen § 78 UrhG liegt demnach vor.” | |
|
|
EvBl 1995/96: § 78 UrhG– Missbrauch
von Personenbildnissen Durch § 78 UrhG soll jedermann
gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit, also
namentlich dagegen geschützt werden, dass er durch die Verbreitung
seines Bildnisses bloßgestellt, dass dadurch sein Privatleben der
Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt
wird, die zu Missdeutung Anlass geben kann oder entwürdigend oder
herabsetzend wirkt. – Schutz von Bildnissen „aus dem Bereich der
Zeitgeschichte” nach deutschem und nach österreichischem Recht.
Kläger = öffentlich Abgebildeter Beklagter = hat Bild des Klägers
veröffentlicht. | |
|
|
§ 1330 ABGB – Recht
auf Ehre (gekürzt): ”Ratschen-Fall”: SZ 56/63 = EvBl 1983/91 (1983):
Kläger = gekränkte Frau Beklagter = kränkender Mitbewohner
„Die Klägerin behauptete,
die Beklagte mache sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit bei
Verwandten und auch bei fremden Leuten schlecht. Sie behauptet, die
Klägerin sei eine „Ratschen”, sei verlogen, sei eine missratene
und charakterlose Frau, uä. Obwohl die Klägerin ohne Erfolg protestiert
habe, setzte die Beklagte ihre herabsetzenden Äußerungen über die
Klägerin fort. Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Unterlassung
der behaupteten herabsetzenden Äußerungen.” Der OGH gewährt dem
in seiner Ehre Verletzten – bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr –
den Anspruch auf Unterlassung, auch wenn die in § 1330 Abs 2 ABGB
geforderten Voraussetzungen nicht vorliegen, weil das Recht auf
Ehre als Persönlichkeitsrecht absoluten Schutz genießt.” | |
|
|
Recht
am eigenen Bild – SZ 22/47 (1949): Photo
eines Lueskranken wird in einem medizinischen Lehrbuch
ohne Zustimmung des Patienten vom behandelnden Professor veröffentlicht.
Die Bildunterschrift lautete: „Luetisches Geschwür der rechten Stirn”.
Kläger = Abgebildeter Beklagter = Autor des Lehrbuchs | |
|
|
SZ
48/73 (1975):
Fotomodell:
Veröffentlichung des Berufsbildes eines Fotomodells im Négligé im Zusammenhang
mit einer Abtreibung in der Kronenzeitung. – Unzulässig: § 78 UrhG. | |
|
|
SZ 55/12 (1982): Reinhard
K.: Werbeprospekt mit Berufsfußballer des SK Rapid. – Unzulässig:
§ 78 UrhG | |
|
|
JBl 1974, 529 (1973): Plattenumschlag:
Schallplattencover zeigt Konzertsängerin, die im Fernsehfilm „Das
war André H.” aufgetreten war, ohne deren Einverständnis mit entblößter
Brust. – Unzulässig: § 78 UrhG | |
|
| Berühmte deutsche En und ein schwedischer Fall |
|
BGHZ 26/51 (1958): Herrenreiterfall
– Recht auf das eigene Bild + Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Kläger = Mitinhaber einer Brauerei in K. Er betätigt sich als „Herrenreiter
auf Turnieren”.
Beklagter = Herstellerin eines pharmazeutischen Präparats, das nach
Vorstellung weiter Bevölkerungskreise auch der Hebung der sexuellen
Potenz dient.
Sachverhalt: Die Beklagte hat zur Werbung für dieses Produkt ein
Plakat mit der Abbildung eines Turnierreiters verbreitet, dem ein
Originalfoto des Klägers zugrunde lag. Das Foto war vom Presseverlag
S auf einem Reitturnier gemacht und in der Folge ohne Einwilligung
des Klägers für Werbezwecke verwendet worden. – Der BGH sprach 10.000,?
DM Schadenersatz zu; immaterieller Schaden: Schmerzengeld. | |
|
| |
|
BGHZ 30/2 (1959): Caterina
Valente – Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Kläger = Caterina Valente Beklagter = vertrieb Präparate, die zum
Reinigen und Befestigen von Zahnprothesen dienen. Sachverhalt: In
einer Zeitschrift ließ die Beklagte eine Werbeanzeige veröffentlichen,
in der die angeblichen Erlebnisse einer (nicht genannten) Sängerin
geschildert und gleichzeitig die Erzeugnisse der Beklagten angepriesen
wurden. – Das geschah ohne Wissen der Betroffenen. Der Werbetext
lautete: „Wenn ich auch nicht so berühmt wurde wie meine große Kollegin
X, so war doch die Bühne meine Welt. – Ich sage, war, denn eines
Abends geschah etwas Furchtbares: Ich stand auf der Bühne eines
bekannten süddeutschen Hauses und sang gerade mein Erfolgslied ...
Dabei löste sich plötzlich die Oberplatte meines künstlichen Gebisses
vom Gaumen, und nur ein blitzschneller Griff bewahrte sie vor dem
Herausfallen ... Mein Auftritt war eine schreckliche Blamage, die
meine Karriere und Existenz zerstörte.” | |
|
|
BGHZ 35/54 (1961): Ginsengwurzelfall –
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Namensrechts
Kläger = ao Professor für Völker- und Kirchenrecht an der Universität
Graz Beklagter = vertreibt ein Kräftigungsmittel, das Ginseng enthält
Sachverhalt: Von einem Koreaaufenthalt hatte der Kläger einige Ginseng-Wurzeln
mitgebracht, die er einem befreundeten Pharmakologen in Deutschland
zur Verfügung stellte. Dieser erwähnte in einem wissenschaftlichen
Aufsatz über Ginseng-Wurzeln die Tatsache, dass er „durch die liebenswürdige
Unterstützung” des Klägers in den Besitz echter koreanischer Ginseng-Wurzeln
gekommen sei. Dies führte dazu, dass der Kläger in einem populär
wissenschaftlichen Aufsatz, neben Prof H ua Wissenschaftlern als
einer der bekanntesten Ginseng-Forscher Europas bezeichnet wurde. –
Die Beklagte erwähnte dies in Werbeprospekten für dieses Mittel.
Der Kläger hatte 10.000 DM als Genugtuung für die erlitten Kränkung
gefordert und 8.000 DM zugesprochen erhalten, weil seine Namensnennung
in Werbeträgern (es wurden auch ca 250.000 Werbeprospekte verteilt)
im Zusammenhang mit einem Präparat, das als sexuelles Kräftigungsmittel
diene, dazu geeignet sei, seine wissenschaftliche Autorität zu beeinträchtigen
und er „in der Öffentlichkeit, vor allem bei den Studenten, lächerlich
gemacht wurde”. | |
|
| Ein aktuelles Beispiel aus der Presse |
| |
|
B. Die
juristische Person |
D. Rechtserhebliche
Zustände und Eigenschaften von
Menschen |
|