Literaturhaus am Inn

Editorial

Editorial

Ein Literatur-Programm in Zeiten wie diesen ...
In welcher Zeit leben wir momentan und welche Position kann und will Literatur in ihr einnehmen?

Als im November vergangenen Jahres Autorinnen und Autoren aus der Ukraine bei uns zu Gast waren, wurde viel über Politik gesprochen. Es herrscht Krieg in der Ukraine, immer noch, und die Schriftstellerinnen und Schriftsteller schreiben und lesen in einem Land mit einer unsicheren Zukunft. Die Lesungen, die u. a. direkt an der Front abgehalten werden, sind bis auf den letzten Platz voll, die Menschen, so erzählten es uns die ukrainischen Autoren, wollen Frieden in der Literatur, sie wollen aussteigen aus ihrem tristen Alltag.

Wir hier wiegen uns in Sicherheit und Frieden und doch ist der Krieg nahe und präsent. Plötzlich finden wir uns selbst hinter Grenzzäunen wieder, die sich schleichend auch in unserem Bewusstsein festsetzen.

Wo setzt die Literatur in dieser Situation an? Was kann sie in Zeiten wie diesen bewirken? Literatur als Ablenkung von der beängstigenden Realität oder als unbequeme und aufmüpfige Fragestellerin in unruhigen Zeiten?

Mit zwei neuen Reihen nehmen wir auf die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation Bezug:

In [ widerlesen ] möchten wir Sie zur Debatte und Kontroverse über ausgewählte Texte einladen. Zur Diskussion werden Texte gestellt, die in unterschiedlichsten Zeiten, Umständen und Situationen entstanden sind und existentielle und gesellschaftspolitische Fragen aufgreifen. Nähere Informationen auf S. 7

Die Reihe [ V-Effekt! ] benennen wir bewusst nach Bertolt Brechts dramaturgischem Stilmittel. Indem wir Literatur in Szene setzen, soll nicht nur, wie in Brechts „Verfremdungs-Effekt“ eine kritische Distanz zum Dargestellten erreicht werden, sondern vor allem auch eine kritischer und verfremdeter Blick auf unsere Wirklichkeit geworfen werden.

Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen, seien Sie wie immer herzlich willkommen, wenn es heißt Schönen Guten Abend im Literaturhaus …

 Anna Rottensteiner & Gabriele Wild