Responsibility to Protect – die Diskussion einer Norm

Ein großer Schritt sei das Bekenntnis zur Schutzverantwortung, darin war sich die Expertenrunde beim Symposium Responsibility to Protect in Innsbruck einig. Allerdings war man uneins, ob dieser Schritt zu den gewünschten Ergebnissen führt. Gerade die interdisziplinären Diskussionen rund um dieses Spannungsfeld ließen die Veranstaltung zu einem Erfolg werden.
v. l. Prof. Dr. Ursula Moser, Kanadazentrum, Prof. Dr. Ramesh Thakur, Oberst i. R. Ja …
v. l. Prof. Dr. Ursula Moser, Kanadazentrum, Prof. Dr. Ramesh Thakur, Oberst i. R. James Arbuckle, Prof. Dr. Jean-François Thibault, Prof. Dr. Hans-Jürgen Lüsebrink und Dr. Keith Spicer bei der Abschlussrunde des Symposiums.

Knapp 30 internationale WissenschafterInnen und SpezialistInnen diskutierten vom 11. bis 14. November das Prinzip einer generellen Schutzverantwortung der Internationalen Gemeinschaft. Diese hat unter dem Motto „Responsibility to Protect“ (R2P) Eingang in die internationale Politik gefunden. Hinter dem Kürzel R2P steht die gemeinsame Pflicht, im Fall von Völkermord, ethnischer Säuberung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen tätig zu werden.

 

Veranstaltet wurde das Internationale Symposium „Responsibility to Protect – A Canadian Heritage. Peacekeeping, Diplomacy, Media and Literature Responding to Humanitarian Challenges“ von Prof. Dr. Ursula Moser, Leiterin des Zentrums für Kanadastudien, und Dr. Thomas Spielbüchler vom Afrika-Fokus des Instituts für Zeitgeschichte. „Wir wollten mit dem Symposium versuchen, Vertreter verschiedener Disziplinen, die sich mit dieser Schutzverantwortung beschäftigen, zusammenzubringen. Militär, Diplomatie, Medien und Literatur haben unterschiedliche Zugänge zur Problematik, die sich durchaus ergänzen können“, begründeten die beiden Organisatoren ihr Engagement. Ein Konzept, das sich inhaltlich als voller Erfolg erwies, wie Moser und Spielbüchler den begeisterten Rückmeldungen der Konferenzteilnehmer entnehmen konnten.

 

Prof. Ramesh Thakur, einer der federführenden Autoren des Konzepts und ehemaliger UN Assistant Secretary General, nannte im Eröffnungsvortrag die internationale Einigung zur Schutzverantwortung durch die Vereinten Nationen im Jahr 2005 „one of the most dramatic normative developments in our time“. In vier thematischen Blöcken und einem Nachwuchsforum wurden in der Folge Hoffnungen, Stärken, Schwächen und Gefahren des Konzepts diskutiert.

 

Der Block zu den diplomatischen/politischen Zugängen war mit dem Motto Need to Debate überschrieben. Die Referenten stellten die Frage nach der Bereitschaft, zu intervenieren. Welche politischen Risiken birgt eine Umsetzung bzw. welche Zwänge lähmen Regierungen und verzögern konkretes Handeln? Kritisch zeigte sich beispielsweise der Innsbrucker Politikwissenschaftler Dr. Franz Eder. Matthew Brubacher, der für die UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo arbeitet, demonstrierte die praktischen Probleme, welche diese Schutzverantwortung in einem Krisengebiet hervorrufen kann.

 

Im militärischen Block, Responsibility to Protect, wurde einerseits die Frage aufgeworfen, ob das Prinzip R2P tatsächlich das richtige Mittel sei, um Krisen zu verhindern, oder ob es nicht wirksamere Möglichkeiten im Rahmen der UN-Satzung gäbe. Die besonderen Herausforderungen, die mit der Schutzverantwortung auf die Truppen zukommen, thematisierte Dr. Deborah Goodwin von der britischen Militärakademie Sandhurst. Der österreichische Brigadegeneral Thomas Starlinger stellte mit seinem Konzept eines „Comprehenisve Approach in Crisis Management Operations“ heimische Expertise unter Beweis.

 

Die Sektion Literatur, Courage to Transcend, setzte sich im Wesentlichen damit auseinander, wie literarische Texte auf Situationen humanitärer Bedrohung reagieren, und spannte den Bogen von Haiti (Dr. Yves Chemla) bis zu den großen Seen Schwarzafrikas (Prof. Piet Defraeye, Dr. Charles Djungu). Im einleitenden Referat stellte Prof. Hans-Jürgen Lüsebrink die Frage nach den universellen Werten der Aufklärung und ihrer literarischen Repräsentation und zeigte anhand von Beispielen (Ahmadou Kourouma), wie die Literatur unserer Zeit zum einen Widersprüche zwischen universellem Anspruch und kolonialistischer Praxis thematisiert, zum anderen "kulturalistischen" Gegenpositionen nachspürt (Hans Christoph Buch).

 

Die große mediale Verantwortung rund um humanitäre Katastrophen, Necessity to Inform, wurde von Dr. Keith Spicer dargestellt, einem Journalisten, der lange Jahre an der UN-University for Peace lehrte. Dr. Ingrid Lehmann, ehemalige UN-Sprecherin, demonstrierte in ihrer Präsentation die Wirkung von Informationspolitik im Krisenfall.

 

Hohe Qualität wiesen auch die Beiträge im Nachwuchspanel auf. Aus Innsbruck analysierte z. B. Mag. Adrian Knapp, Anglistik, eine Kurzgeschichte zum Umgang mit den Gräueln des Völkermordes in Ruanda 1994.

 

Als problematisch erwiesen sich, so Moser und Spielbüchler, Tagesaktualität und Relevanz des Themas: „Ein österreichischer Spitzendiplomat musste kurzfristig absagen, weil just in der Veranstaltungswoche eine UN-Diskussion in New York zur Thematik stattfand. Zudem sprach Außenminister Spindelegger am Eröffnungstag unseres Symposiums als Vorsitzender des UN-Sicherheitsrates zur Schutzverantwortung – begleitet u. a. von einer Journalistin, die wir ebenfalls eingeladen hatten. Eine andere Journalistin musste im letzten Moment absagen, da sie Verteidigungsminister Darabos in den Tschad begleitete, der dort die österreichischen Truppen besuchte. Andererseits bewiesen diese Probleme aber gerade die Bedeutung des Themas. Mit R2P haben Moser und Spielbüchler ein topaktuelles Thema zum Gegenstand einer internationalen Konferenz in Innsbruck gemacht.

(ip)

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