Schadenersatzrecht – Allgemeiner Teil
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A. Allgemeines
Rechtsquellen: §§ 1293 ff ABGB und zahlreiche SonderGe: zB EKHG, AHG, DNHG, PHG.
I. Abgrenzung vom Strafrecht
Das Schadenersatzrecht spielt in der Praxis eine wichtige Rolle. Angeblich betreffen mehr als die Hälfte aller Privatrechtsfälle dieses Rechtsgebiet oder weisen wenigstens „auch” einen namhaften schadenersatzrechtlichen Bezug auf. Die rechtlichen Konsequenzen und die Härte des Schadenersatzrechts werden – verglichen mit dem Strafrecht – häufig unterschätzt. Tatsächlich sind privatrechtliche Sanktionen oft härter, als die des Strafrechts.
Man beachte etwa die Sachverständigenhaftung des § 1299 ABGB (→ KAPITEL 10: Die Sachverständigenhaftung) oder die aus wohlbedachten Gerechtigkeitsüberlegungen (Martini!) geschaffene deliktische Haftung Minderjähriger nach § 1310 ABGB → KAPITEL 10: Der sogenannte Billigkeitsersatz des § 1310 ABGB.
Das Verhältnis von Zivilrecht und Strafrecht bedarf am Beginn des Schadenersatzrechts einer kurzen Erörterung: Zum einen sind die Zusammenhänge evident, ja im Volk fehlt ein Bewusstsein für die nötige Unterscheidung. Entgegen dieser Einschätzung besitzt das Zivilrecht, gesellschaftlich gesehen, eine wesentlich größere Bedeutung. Das äußert sich in der Inanspruchnahme beider Rechtsgebiete durch die Bevölkerung, die bei etwa 10-12:1 zugunsten des Zivilrechts iwS liegt. Von Bedeutung ist die Unterscheidung aber vor allem auch für die gerichtliche Zuständigkeit, die zwar in beiden Bereichen bei den ordentlichen Gerichten liegt, aber dies in ganz unterschiedlicher inhaltlicher und verfahrensrechtlicher Ausgestaltung: Zivil- (ZPO) und Strafgerichte (StPO). Für beide Bereiche existieren in Österreich – wie in den meisten anderen Ländern – materiellrechtliche Kodifikationen; ABGB 1811 und StGB 1975. Auch die Aufgaben von Zivil- und Strafrecht unterscheiden sich, wenngleich auch wichtige funktionale Verbindungen und „Doppelgleisigkeiten” bestehen; Prävention (→ „Warum” ist Schaden zu ersetzen?), Schutz der Ehre und der körperlichen Unversehrtheit hier wie dort. Während der Strafanspruch dem Staate zusteht und dies dadurch zum Ausdruck gelangt, dass der Staats-Anwalt als öffentlicher Ankläger auftritt (kollektiver Schutz und Ausgleich), fällt das Geltendmachen von Schadenersatzansprüchen grundsätzlich in die freie Entscheidung Geschädigter; individueller Ausgleich.
Zivilrecht und Strafrecht
In Bezug auf die Gerechtigkeit (→ KAPITEL 18: Recht und Gerechtigkeit) lässt sich sagen, dass das Zivilrecht insbesondere die gestörte rechtliche Beziehung zwischen Geschädigten und Schädigern wiederherstellen will (intersubjektiv-ausgleichende Gerechtigkeit), während das Strafrecht die Störung der Rechtsbeziehung zwischen Täter/in und der Gemeinschaft ausräumen will (gesellschaftlich-ausgleichende Gerechtigkeit), was verständlicherweise auf sehr unterschiedliche Weise geschehen kann und daher immer wieder für Diskussionen sorgt. – Hinzuweisen ist hier auf die Bedeutung eines humanen Strafvollzugs.
Gerechtigkeit
Wer sich ein Bild davon machen will, wie noch im angeblich aufgeklärten Europa zu Beginn der zweiten Hälfte des 18. Jhds die Todesstrafe an Mördern vollzogen wurde, der lese die ersten Seiten des Buchs von M. Foucault, Überwachen und Strafen (stw 184, 199210). Das war aber nicht nur in Frankreich so. Die allerchristlichste Herrscherin Maria Theresia hatte noch 1768 ein neues Strafgesetzbuch erlassen (Constitutio Criminalis Theresiana), die sog Nemesis Theresiana, welches die gleichen grausamen Foltern und Strafen enthält; mit glühenden Zangen zwicken, Beinschienen anlegen, auf’s Rad flechten, Vierteilen usw. Nicht das Christentum hat schließlich diese grausamen Strafen menschlicher gestaltet – humanisiert wie wir heute sagen, sondern das in der zweiten Hälfte des 18. Jhds stärker das gesellschaftliche Dunkel erhellende Licht der aufklärerischen Vernunft. – Bei Foucault finden sich auch weitere interessante Hinweise auf die Entwicklung des Strafens. Übrigens auch die Folter hat in Österreich erst Maria Theresias aufgeklärter Sohn Joseph II abgeschafft.
Noch in unserer Zeit zeigt sich immer wieder, wie sehr die Zustände in Haftanstalten zu wünschen übrig lassen. Ich habe es selber in Innsbruck als Rechtspraktikant erlebt, dass mir Gefangene ihre Striemen am Rücken gezeigt haben, die ihnen vom „Personal” oder Mithäftlingen geschlagen worden waren und niemand von den Verantwortlichen, denen ich dies gemeldet hatte, fand es der Mühe Wert, etwas dagegen zu unternehmen. – Menschlichkeit sollte aber, trotz aller normativen und rechtsfunktionalen Unterschiede, ein verbindender „Zug” von Strafrecht und Schadenersatzrecht sein. Sich darum zu bemühen ist uns allen zur Aufgabe gestellt.
1. § 1338 ABGB
Zur Abgrenzung des Schadenersatzrechts vom Strafrecht vgl § 1338 ABGB: Danach sind Schadenersatz- und Strafrecht strikt voneinander zu trennen. Die beiden Rechtsbereiche werden aber von Laien häufig in einen Topf geworfen. Nicht zu verwechseln ist dabei, dass ein und derselbe Sachverhalt – zB ein schwerer Verkehrsunfall mit Personenschaden, der zB auf Alkoholisierung zurückzuführen ist – häufig sowohl schadenersatzrechtliche wie strafrechtliche Folgen hat; dazu können verwaltungs(straf)rechtliche Sanktionen treten.
Sowohl im Schadenersatzrecht, als auch im Strafrecht wird von Verantwortlichkeit oder Haftung gesprochen.
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2. Zum Verhältnis von Privat- und StrafR: Historische Entwicklung
Gustav Radbruch führt in seinen Erläuterungen zur „Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karl V von 1532” (Reclam 2990/90a, 1960), der sog „ Carolina”, zu Entwicklung und Verhältnis von Privatrecht und Strafrecht aus:
„Das Mittelalter hatte die privatrechtliche Auffassung des Strafrechts nie ganz zu überwinden vermocht, die im Verbrechen vornehmlich eine Verletzung der zunächst verletzten Privatperson, in der Strafe wesentlich ein Recht dieses Verletzten erblickte, nicht des Staates. Es wirkte auf lange hinaus nach, daß eine Wurzel des Strafrechts die Privatrache des Verletzten, ablösbar durch Bußzahlung des Verbrechers, gewesen war. [Im antiken Griechenland fand dagegen die „Verstaatlichung” der Privatrache bereits unter Drakon und Solon statt; Ende 7., Anfang 6. Jhd v. C.] Das ganze Mittelalter hindurch ließ sich die Privatrache in Gestalt der Fehde trotz aller kirchlichen und staatlichen Landfrieden nicht unterdrücken. Und wie ehemals die Privatrache, so war jetzt auch die staatliche Strafe ablösbar durch Geld und fromme Werke. Da hatte etwa im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts … einer namens Hans Ganser den Kriegsknecht Ludi Schnetz ein Pulvermennli genannt, der ihn mit hitzigem Streich und Stich zu Tode verwundet. Was geschah dem Täter? Die Witwe des Erschlagenen ist mit einer Buße von zehn Kronen zufrieden (denn er war von je ein Taugenichts gewesen), und der Totschläger tut, die brennende Kerze in der Hand, an der Kirchtür öffentliche Buße.
G. Radbruch
Die privatrechtliche Auffassung des Strafrechts kommt aber vor allem in der zivilprozessualen Auffassung des Strafprozesses zum Ausdruck. Wenn sich der Gläubiger nicht selbst regt – der Staat von sich aus kümmert sich um seine Schuldforderung nicht: wo kein Kläger, da kein Richter. Das galt damals auch für den Strafprozeß. Hatte also der Verletzte nicht Mut oder Macht genug, um die Klage wagen zu dürfen, so blieb das Verbrechen ungeahndet. Hatte er aber die Klage wirklich erhoben, so war der Beklagte näher zum Beweise: Das Verbrechten bleibt ungeahndet, wenn der Schuldige Gewissenlosigkeit und Freunde genug hat, um sich durch Reinigungseid mit Eideshelfern von der Klage freizuschwören.” (AaO 3 f) – Die Carolina „schied von sich aus die Straftaten, die nur ‚bürgerlicher’ Strafe, d.h. der an den Verletzten zu zahlenden Privatstrafe unterlagen, oder zwar staatlich zu strafen waren, aber nicht peinlich, d.h. nicht an Leben, Ehre, Leib und Gliedern, also vor allem das Polizeiunrecht, wie es dann in den Reichspolizeiordnungen seine gesonderte Behandlung fand”. (AaO 14) – Auch im Beweisrecht ist der „zivilprozessuale Gedanke der Verteilung der Beweislast zwischen den Parteien ... im Strafprozeß der Carolina noch nicht überwunden”. Die Beweislast für die Einrede der Notwehr trägt noch der Angeklagte. Im Zweifel wird auch nicht – wie heute – freigesprochen [Die Ansätze der rechtsstaatlichen Strafrechtsmaxime „in dubio pro reo” stammen aus dem Rechtsdenken im alten Griechenland; Aischylos], sondern verurteilt; aaO 16.
Der eben erst erfolgte Schritt von „reiner” Strafe zur Diversion rückt das Strafrecht erneut näher an das – private – Schadenersatzrecht heran. Das lehrt uns, dass die weitverbreitete Auffassung, wonach sich das Schadenersatzrecht aus dem Strafrecht entwickelt habe, insofern korrigiert werden muss, als das Strafrecht selbst, sich aus dem ursprünglich privatrechtlich verstandenen Racheanspruch des Einzelnen entwickelt und der staatliche Strafanspruch erst viel später dieser älteren Wurzel entwachsen ist. – Zum römischen XII-Tafelgesetz → „Warum” ist Schaden zu ersetzen?
Literaturquelle
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3. Vererblichkeit der Schadenersatzverpflichtung
Die Verbindlichkeit zur Schadenersatzleistung ist – anders als Strafen nach dem StGB – vererblich; § 1337 ABGB: „ ... haftet auf dem Vermögen, und geht auf die Erben über.”
„Schaden“ wird – der Begriff gibt dem hier behandelten Teilgebiet des bürgerlichen Rechts seinen Namen – wie wir wissen, auf vielfältige Weise erlitten und zugefügt:
Schaden
Ich stürze mit dem neuen Fahrrad und verletze mich und das Rad ist obendrein kaputt (Körperverletzung + Sachschaden); – Käufer zahlt Kaufpreis nicht (Vermögensschaden des Verkäufers); – ein Kaufmann bestellt Waren, der Lieferant liefert jedoch (schuldhaft) verspätet oder schlecht, sodass der Kaufmann seine Kunden nicht beliefern kann, wodurch ihm ein (Vermögens)Schaden entsteht; – ich werde vom Arzt / in einer Klinik falsch behandelt und erleide dadurch große Schmerzen (§ 1325 ABGB: Körper- + immaterieller Schaden / Schmerzengeld); – durch die mir zugefügte Körperverletzung (zB bei einem Autounfall), können auch andere / dritte Personen (zB Angehörige oder mein Arbeitgeber oder Familienangehörige) einen Schaden erleiden: § 1327 ABGB: Dritt- oder mittelbarer Schaden → Drittschäden – Mehr zum Schadensbegriff → Schadensbegriff, Schadensarten, Schadensfeststellung
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II. „Warum” ist Schaden zu ersetzen?
Die Frage „Warum” Schaden zu ersetzen ist, ist eine uralte Frage des Rechtsdenkens und zugleich eine der Gerechtigkeit und Rechtsphilosophie. – Die Antwort war im Laufe der Jahrtausende verständlicher Weise nicht immer dieselbe. IdF soll kurz auf die „Prinzipien“ eingegangen werden, die der Rechtfertigung von Schadenersatz dienen:
1. Schadensausgleich
Das Schadenersatzrecht ist Teil der ausgleichenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa (→ KAPITEL 18: Austeilende und ausgleichende Gerechtigkeit), die es als Aufgabe des Rechts betrachtet, gestörtes Gleichgewicht ausgleichend wiederherzustellen. Diese Aufgabe stellt sich im Schadenersatzrecht wie im Strafrecht, wobei im Strafrecht die das geschehene Unrecht ausgleichende Strafe im Vordergrund steht; der Ausgleich wird zudem vornehmlich mit der Gemeinschaft hergestellt. Für das Strafrecht hat diesen Zusammenhang G.W.F. Hegel betont. – Zur Schadensverlagerung als rechtlichem Ausgleich → Schadensverlagerung als rechtlicher Ausgleich
Im Zivilrecht findet der Ausgleichsgedanke mehrfach auch außerhalb des Schadenersatzrechts Anwendung: Bspw im Rahmen der Leistungsstörungen (Verzug, Gewährleistung etc → KAPITEL 7: Die Leistungsstörungen), und überhaupt bei den synallagmatischen Verträgen (→ KAPITEL 2: Gegenseitige Pflichten aus dem Kaufvertrag ¿ Das Synallagma), wo Leistung und Gegenleistung notwendigerweise (unter Einbeziehung des Äquivalenzgedankens) miteinander verknüpft sind; und zwar so, dass die eine Leistungsverpflichtung gar nicht (erst) entsteht, wenn aus irgend einem Grund nicht gleichzeitig die andere mitentsteht (genetisches Synallagma) und – nach Vertragsschluss – dasselbe für den Leistungsaustausch gilt; funktionelles Synallagma. Vgl auch die Kondiktionen / ungerechtfertigte Bereicherung → KAPITEL 5: Ungerechtfertigte Bereicherung. Dem Ausgleichsdenken verpflichtet sind etwa auch die Besitzregeln der §§ 309 ABGB, wonach der redliche Besitzer weniger zurückzustellen hat, als der unredliche, weil hier in das Ausgleichsdenken Gerechtigkeitsüberlegungen einfließen.
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2. Präventionsgedanke
Eine erste und wichtige Antwort auf die Frage, „warum” Schaden zu ersetzen ist, gibt heute wie vor 2500 Jahren (Aischylos) der Präventionsgedanke, wonach Schaden von vorneherein mittels der Sanktionsdrohung verhindert werden soll. – Das moderne Schadenersatzrecht ist sich nicht immer der Bedeutung des Präventionsgedankens bewusst gewesen. Er ist aber nach wie vor wichtig, mag er inhaltlich auch modifizierbar und weiterentwickelbar sein; denn es gehört zu den grundlegenden Aufgaben des (Privat)Rechts, Rechtsverstöße möglichst schon vorbeugend zu verhindern → KAPITEL 1: Die Staats- und Rechtsfunktionen: Orientierungsfunktion des Rechts.
Dies hat Aischylos erkannt, der in den „Eumeniden” (Vers 699) der Göttin Athene folgenden Satz in den Mund legt: „Denn welcher Mensch, der nichts mehr fürchtet, bleibt gerecht?”
Der nicht auf das zivile Schadenersatzrecht beschränkte Präventionsgedanke tritt in doppelter Gestalt in Erscheinung, nämlich als:
General- und als
Spezialprävention.
Die aus Präventionsgründen im Strafrecht verhängte Strafe, die im Schadenersatzrecht zugesprochene Schadenersatzleistung enthalten im Bereich der Spezialprävention über diese Rechtsakte hinaus ein weiteres Ziel: Die Chance zur Neuorientierung des Straftäters oder Schädigers. Insofern enthält das richterliche Urteil auch einen – wenn auch bescheidenen – therapeutischen Aspekt.
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3. Vergeltungsgedanke
Auch der Vergeltungsgedanke spielt – nach wie vor – eine Rolle; Talionsprinzip: „Auge um Auge, Zahn um Zahn” (Exodus: 21, 24); Wie du mir, so ich dir. Der Talionsgedanke taucht erstmals bei Hammurabi von Babylon (1728-1686 v. C.) auf und meint: Vergeltung von Gleichem mit Gleichem. – Man darf den alten Vergeltungs- oder Retorsionsgedanken aber nicht nur als primitiv und grausam verstehen, ist er doch in der Frühzeit der menschlichen Entwicklung grundsätzlich – funktional – notwendig gewesen, weil es noch keinen staatlichen Rechtsschutz und vor allem lange kaum eine staatliche Rechtsdurchsetzung gegeben hat. Diese interessante und für das Entstehen von Staat und Recht fundamentale Entwicklung lässt sich nirgends besser nachvollziehen als im alten Griechenland.
Literaturquelle
Auch der ältere Vergeltungs- oder Privatrachegedanke enthält bereits präventive Aspekte; soll doch die drohende Vergeltung abschreckend wirken. – Noch das römische XII-Tafel-Gesetz (8, 2 und 3) kannte den Talionsgedanken. Er war nicht so primitiv, wie das auf den ersten Blick erscheinen mag: Einerseits enthält die Anordnung („ ..., ni cum eo pacit, ...”) eine sichtliche Aufforderung zu privater Einigung, die – gelang sie – Privatrache durch Zufügung desselben Unrechts ausschloss. Darüber hinaus enthält die Formel (vgl Kasten) ein Übermaßverbot für die noch erlaubte Privatrache; vgl § 19 ABGB: „ ... Grenzen der Notwehr überschreitet ...”. Schließlich sollten die festen Buß(geld)sätze sowohl die Einigung erleichtern, als auch die Privatrache überhaupt möglichst ausschließen. – Schadenersatz und Strafrecht sind aber ersichtlich noch nicht getrennt, sondern bilden ein gemeinsames Blut- und Deliktsrecht.
XII-Tafel-Gesetz
Manthe, Geschichte des Römischen Rechts 55 (2000)
8, 2: Si membrum rupsit, ni cum eo pacit, talio esto.Wenn jemand einen Körperteil verletzt, so soll ihm dasselbe geschehen, wenn er sich nicht mit ihm einigt.
8, 3: Manu fustive si os fregit libero, CCC, si servo, CL poenam subito.Wenn jemand mit der Hand oder einem Knüppel einem Freien einen Knochen bricht, so soll er 300 As Bußen zahlen, bei einem Sklaven 150.
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5. Soziale oder Billigkeitsüberlegungen
Neben den Prinzipien der Vergeltung, der Prävention und des Schadensausgleichs spielen Billigkeitsüberlegungen im Schadenersatzrecht nur eine untergeordnete Rolle. Dh: Der Schädiger kann arm, der Geschädigte reich sein, dennoch hat der Arme vollen Ersatz zu leisten. – Substantielle Ausnahmen statuieren aber etwa § 1310 ABGB (→ KAPITEL 10: Der sogenannte Billigkeitsersatz des § 1310 ABGB) und § 2 D(N)HG → KAPITEL 12: Schadensmäßigung.
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III. Vertrags- und Deliktshaftung
Beispiel
Eine wichtige Unterscheidung – ja eine zentrale Weichenstellung – des österreichischen Schadensrechts betrifft die zwischen Vertrags- und Deliktshaftung. Bereits der Codex Hammurapi (~ 18. Jhd v.C.) unterschied streng zwischen vertraglichen und außervertraglichen Rechtsbeziehungen. – Ein Schaden entsteht nämlich nach § 1295 Abs 1, 2. HalbS ABGB entweder:
§ 1295 Abs 1, 2. HalbS ABGB
• aus Vertrag (zB Hoteldiener verletzt Hotelgast, der bereits gebucht hat oder: der Lieferant A liefert aus Schlamperei an seinen Vertragspartner B überhaupt nicht oder zu spät); oder
• aus Delikt, dh ohne Zusammenhang mit einem Vertrag; zB Hoteldiener verletzt beim Abladen von Gästegepäck einen Passanten oder ein Autofahrer stößt einen Fußgänger nieder. – Beim Delikt wird eine allgemeine Verhaltenspflicht (zB StVO, StGB), die gegenüber jedermann besteht, übertreten und nicht wie bei der Vertragsverletzung eine konkrete, selbstbestimmte Pflicht gegenüber dem Vertragspartner. – Man spricht hier von deliktischem/r Verhalten / Schadenszufügung und versteht im Zivilrecht darunter grundsätzlich ein schuldhaftes zu Schadenersatz verpflichtendes Verhalten ohne vertragliche, rechtsgeschäftliche oder diesen Haftungsgründen ähnliche Grundlage.
Der Gegensatz ist aber nicht ganz so schroff ausgebildet als man meinen könnte. So kennen wir mit der cic (→ KAPITEL 6: Cic ¿ culpa in contrahendo) ein gesetzliches Schuldverhältnis, das zwar keine vertragliche, aber doch eine vertragsähnliche und nicht nur eine deliktische Beziehung schafft und auch die Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (→ Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) erzeugen rechtlich eine mittelbare Vertragsbeziehung, die eigentlich gar nicht besteht. Und die sog Drittschäden (→ Drittschäden) wiederum erweitern den Kreis der deliktisch Haftenden. – Aber die Rspr zieht auch immer wieder Grenzen; vgl das folgende Rspr-Beispiel.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 14. 12. 2000, 7 Ob 252/00k, JBl 2001, 457: Schadenersatzanspruch des Rechtsschutzversicherers gegen den Rechtsanwalt des Versicherten, der durch eine nicht ordentliche Vertretung unnötige Prozesskosten verursacht hatte: Keine Vertragshaftung, da zwischen Rechtsschutzversicherer und Rechtsanwalt regelmäßig kein direktes Vertragsverhältnis entsteht und der OGH auch keinen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter annimmt. (?) – OGH verweist auf deliktischen Schadenersatz: §1299 ABGB.
Die für das ABGB (und auch noch das ALR) charakteristische Unterscheidung in Schadenersatz/Schuldverhältnisse aus Vertrag (ex contractu) und aus Delikt (ex delicto) ist nicht so selbstverständlich wie sie vielleicht erscheinen mag.
ex contractu oder ex delicto
Das dtBGB von 1900 bspw hatte sein Schadenersatzrecht zunächst ausschließlich deliktisch konzipiert und unterstellte „Vertragsschäden” – iSv Schuld- oder Forderungsverletzungen – grundsätzlich nicht seinem Schadenersatzrecht. Zur dadurch nötig gewordenen problematischen Neuschöpfung der sog positiven Vertrags- oder Forderungsverletzung → KAPITEL 7: Zur sog positiven Vertragsverletzung. – Erst die 2002 in Kraft getretene deutsche Schuldrechtsreform hat dies weitgehend korrigiert.
Die Konsequenzen dieser – eher unscheinbaren – Unterscheidung in Vertrags- und Deliktshaftung sind bedeutend und dürfen nicht unterschätzt werden. Sie liegen einerseits in unterschiedlicher:
Konsequenzen
Beweislastverteilung nach den §§ 1298 (Vertrag) oder 1296 (Delikt) ABGB und andrerseits
• in unterschiedlicher Gehilfenhaftung der §§ 1313a (Vertrag) und 1315 (Delikt) ABGB.
Vgl dazu die Foliendarstellung auf → KAPITEL 10: Die Gehilfenhaftung: Abbildung 10.2: Vertrags- und Deliktshaftung für Gehilfen. Zu den §§ 1313a und 1315 ABGB ebendort; zur Beweislast → Beweislast und Anspruchsdurchsetzung Hier genügt es zu wissen, dass Ansprüche aus Vertrag für Geschädigte grundsätzlich günstiger sind.
Im Rahmen der Fallbehandlung (→ KAPITEL 11: Falllösung) sollte daher stets darauf geachtet werden, welche Anspruchsgrundlage auf den Sachverhalt anzuwenden ist, und auch nach dieser Unterscheidung gefragt werden, wobei vertragliche vor deliktischen Ansprüchen zu prüfen sind.
Aber auch bloß deliktische Schadenszufügung lässt zwischen Schädiger und Geschädigtem ein (in der Folge – vgl § 1298 ABGB – besonders geschütztes) Schuldverhältnis entstehen, allerdings (nur) ein gesetzliches.
Gesetzliches Schuldverhältnis
Beispiel
Die Verpflichtung des § 1323 ABGB zu Naturalersatz (→ Was heißt Naturalrestitution?) gilt für die Delikts- wie die Vertragshaftung; vgl dort SZ 19/205 (1937): Klosettmitbenützung.
Naturalersatz
Literaturquelle
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IV. Schadenersatz und Zufall: § 1311 ABGB
Ersatz für einen erlittenen Schaden zu erlangen, ist nicht selbstverständlich. Für viele Schäden des täglichen Privat- und Berufslebens gibt es keinen Ersatz; zB für den verlorenen Schlüsselbund, die gestohlene Kreditkarte, das verletzte Knie nach einem Sturz. – Es gilt nämlich der rechtliche Grundsatz: Jeder hat seinen Schaden selbst zu tragen. Diese beispielhaft genannten Schäden stellen für Betroffene – rechtlich gesehen – einen Zufall dar und „Zufall [trifft nach § 1311 ABGB] denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet”. Diese Schadenstragungsregel ist alt. Schon das römische Recht formuliert: casum sentit dominus; dh: Zufälligen Schaden trägt der Eigentümer bei dem er eintritt.
casum sentit dominus
Rechtshistorisch stammt die Unterscheidung/Abgrenzung zwischen vorsätzlichem und unvorsätzlichem (=einheitliche Fahrlässigkeit) Verhalten sowie idF vom Zufall aus dem alten Griechenland. – Während die Trennung zwischen vorsätzlichem und unvorsätzlichem Verhalten gesetzlich bereits auf Drakon (624/3 v. C.) zurückgeht (gewohnheitsrechtlich ist sie deutlich älter), ist unser (Rechts)Begriff des Zufalls erstmals in der griechischen Rhetorik (Anaximenes von Lampsakos, der Rhetor) der 2. Hälfte des 4. Jhds v. C. (~ 340 v. C.) nachweisbar. Aristoteles baut diese Ansätze in seiner „Nikomachischen Ethik” und „Rhetorik” aus und der Peripatos führt die Befassung mit diesen Fragen fort. Von hier gelangt die Unterscheidung ins römische Recht; D. 9, 2: ad legem Aquiliam. (Die lex Aquilia wird gewöhnlich in das Jahr 287 v. C. gesetzt.) Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Unterscheidung von Fahrlässigkeitsgraden auch dem klassischen römischen Recht noch unbekannt war und erst Justinianischen Ursprungs ist. – In der Kodifikationsgeschichte des ABGB hat sich K. A. v. Martini eingehend mit der rechtlichen Bedeutung des Zufalls befasst.
Rechtsgeschichte
§ 1311 ABGB
„Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet. Hat aber jemand den Zufall durch ein Verschulden veranlasst [1]; hat er ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, übertreten [2]; oder, sich ohne Not in fremde Geschäfte gemengt [3]; so haftet er für allen Nachtheil, welcher außer dem nicht erfolgt wäre.”
[1] regelt den sog gemischten Zufall (casus mixtus), der bspw bei der Leihe oder der Verwahrung eine praktische Rolle spielt; [2] behandelt die praktisch wichtige Übertretung eines sog Schutzgesetzes, die sowohl haftungsrechtlich als auch beweislastmäßig von grosser Bedeutung ist (→ Beweislast und Anspruchsdurchsetzung); [3] untersagt grundsätzlich die Geschäftsführung ohne Auftrag → KAPITEL 12: Geschäftsführung ohne Auftrag.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 25. 9. 2001, 4 Ob 206/01z, EvBl 2002/32: Gegen einen Erzeuger von Faustfeuerwaffen ist ein Finanzstrafverfahren anhängig. In einer Zeitschrift erscheint ein Artikel mit Informationen, die nur aus dem Finanzstrafakt stammen können. Der Waffenproduzent klagt den Medieninhaber auf Schadenersatz. – OGH: § 48a BAO schützt auch das Interesse der Partei an der Geheimhaltung des Akteninhalts und ist deshalb als Schutznorm iSd § 1311 ABGB zu werten. Die Verletzung eines Schutzgesetzes verpflichtet nicht nur zum Schadenersatz, sondern auch zur Unterlassung.
Zufall kann durch menschliches Verhalten (vgl die Beispiele oben), aber auch Naturereignisse wie Hagelschlag oder Frostschäden eines Waldes bedingt sein. – Zufall in Bezug auf menschliches Verhalten ist rechtlich das, was einer Person nicht mehr als Verschulden zugerechnet werden kann, was also „unterhalb” der Verschuldens(zurechnungs)grenze liegt.
Menschliches Verhalten oder Naturereignisse
Zum Zufall und seiner Abgrenzung zur höheren Gewalt ; zum gemischten Zufall → KAPITEL 3: Gefahrtragung und Haftung.
Rechtlicher Zufall spielt aber nicht nur im Schadenersatzrecht eine Rolle; vgl nur § 1104 ABGB, wo bestimmt wird, dass dann, „wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Misswachses gar nicht gebraucht oder benützt werden kann, [weder] der Bestandgeber zur Wiederherstellung”, noch Mieter oder Pächter zur Zahlung des Miet- oder Pachtzinses verpflichtet sind. – Oder: § 1117 ABGB (Aufkündigung des Bestandvertrags) und § 1168a ABGB (Werkvertrag).
Zufall spielt nicht nur im Schadenersatzrecht eine Rolle
Beispiel
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V. Schadensverlagerung als rechtlicher Ausgleich
Um Schadenersatz erlangen zu können und nicht (rechtlich) Zufall annehmen zu müssen, braucht es aber mehr, als das Vorliegen eines Schadens, nämlich auch eine besondere (Gesetzes)Norm, die eine Schadensverlagerung / -überwälzung gestattet. – Das Schadenersatzrecht ist nun jener Rechtsbereich, der diese Schadensverlagerungs- oder Schadensüberwälzungsnormen enthält. Eine wesentliche Funktion des Schadenersatzrechts liegt im Verwirklichen des (Schadens)Ausgleichsgedankens. Das Ausgleichsprinzip ist für das Schadensrecht zentral → „Warum” ist Schaden zu ersetzen?
Darin liegt auch eine Anwendung des für das Rechtsdenken so wichtigen Gegenseitigkeits- oder Reziprozitätsdenkens; dazu im Rahmen der Zug um Zug-Leistungspflicht → KAPITEL 2: Spielarten des Kaufvertrags.
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VI. Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen – Verjährung: § 1489 ABGB
Schadenersatzansprüche müssen vom Geschädigten geltend gemacht werden. Wenn nicht anders möglich, durch gerichtliche Klage. Dabei ist § 1489 ABGB zu beachten.
1. 3- oder 30-jährige Verjährungsfrist
Nach § 1489 ABGB, der seine geltende Fassung durch die III. TN erhalten hat, muss „jede Entschädigungsklage” innerhalb von 3 Jahren geltend gemacht werden. Andernfalls ist sie verjährt. Diese Frist beginnt ab der Zeit zu laufen, „zu welcher der Schade und [!] die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde, der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag [also bloß deliktisch!] verursacht worden sein.” – Ist dagegen zB einem Beschädigten (sein) Schade oder die Person des Schädigers nicht (voll) bekannt (dazu gleich unten: Spät- oder Folgeschäden), verjährt der Schadenersatzanspruch erst in 30 Jahren.
Allgemein zur Verjährung → KAPITEL 13: Die Verjährung. – „Schade” und „Beschädiger” müssen also bekannt sein. – Es kommt daher immer wieder vor, dass Fälle eingeklagt werden, die 10, 20 oder mehr Jahre zurückliegen. Das hat seinen Grund im Tatbestand des § 1489, Satz 2 ABGB, also darin, dass Geschädigten entweder der Schaden selbst – entweder ganz oder doch in seinem wesentlichen Umfang – oder der Schädiger unbekannt geblieben sind.
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2. 3-jährige Verjährungsfrist
Die 3-jährige Verjährungsfrist gilt also nur, wenn der Geschädigte weiß, dass ein Schaden vorliegt und wie er zustande gekommen ist. Ein/e Geschädigte/r muss nach der Rspr ohne nennenswerte Mühe auf ein Verschulden des Schädigers schließen können, also Schaden und Schädiger insoweit kennen, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann. Dazu gehört das Wissen von Namen und Anschrift des Ersatzpflichtigen und die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs. Die bloße Mutmaßung über das Vorliegen verschuldensbegründender Umstände reicht nicht aus, um den Lauf der Verjährungsfrist beginnen zu lassen.
Beispiel
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3. Absolute Verjährungsgrenze
Im Extremfall können also Schadenersatzansprüche bis zur absoluten Verjährungsgrenze von 30 Jahren eingeklagt werden, mögen dann auch Beweisfragen uU schon schwer zu klären sein.
Reformpläne: Es wurde überlegt, diese Grenze auf 10 Jahre abzusenken, was besser unterbleibt; vgl nur den (gleich unten wiedergegebenen) Sachverhalt von: JBl 2000, 169 (Hepatitis-C-Infektion).
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4. Spät- oder Folgeschäden
Die kurze Verjährungsfrist beginnt zwar nach der Rspr auch dann zu laufen, wenn noch nicht der ganze Umfang des Schadens bekannt war; dh dass bei Klagserhebung zB noch nicht die volle Schadenshöhe bekannt sein muss. – Kommen aber nicht vorhersehbare neue Wirkungen eines Schadensfalls hervor, beginnt erst mit deren Kenntnis eine neue Verjährungsfrist zu laufen; zB Eintritt einer neuen Krankheit: vgl SZ 71/5 (gleich unten).
Der Verjährung von Ersatzansprüchen bei künftigen, jedoch voraussehbaren Schäden kann durch Feststellungsklage (§ 228 ZPO) begegnet werden. Das ist insbesondere von Bedeutung, wenn (im Klagszeitpunkt der angestellten Leistungsklage) mit noch nicht (näher) spezifizierbaren Spätschäden zu rechnen ist. Das Klagebegehren in einem solchen Fall lautet dann darauf, dass der Schädiger für die bislang bekannten Schadensfolgen und darüber hinaus auch für alle künftigen mit dem Schadensereignis zusammenhängenden weiteren Folgen einzustehen habe. Vgl auch → Schmerzen(s)geld: Schmerzengeld.
Feststellungsklage
Für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 228 ZPO muss der Kläger sein rechtliches Interesse (= Rechtsschutzbedürfnis) an einer zeitlich umgehenden gerichtlichen Feststellung nachweisen. Dadurch sollen künftige Prozesse vermieden werden. – Eine Feststellungsklage ist zudem nur zulässig, wenn keine Leistungs- oder Rechtsgestaltungsklage möglich ist. Zu den verschiedenen Klagstypen → KAPITEL 19: Das Verfahren erster Instanz.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 44/115 (1971): § 1489 ABGB – Kenntnis von Schaden und Schädiger (Guter Leitsatz!).
SZ 71/5 (1998) mwH → Tödliche Körperverletzung
JBl 2000, 169: Schadenersatzansprüche eines Blutspenders wegen Hepatitis-C-Infektion. Bloße Verdachtsmomente bezüglich des Kausalzusammenhangs zwischen Blutplasmaspenden und Hepatitis-C-Infektion können keinesfalls mit der für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist gemäß § 1489 ABGB erforderlichen Kenntnis gleichgesetzt werden. Eine Infektion, die zunächst zu einer nicht mit besonderen Schmerzen verbundenen Erkrankung führt, die scheinbar folgenlos abheilt und erst ca 16 Jahre später schwerste Leberschädigungen hervorruft, löste keinesfalls die Verpflichtung zur Erhebung einer Leistungsklage verbunden mit einem Feststellungsbegehren aus. – Dieser Fall zeigt, dass der Plan, die absolute Verjährungsgrenze auf 10 Jahre abzusenken, überdacht werden sollte. Ähnliche Probleme könnten sich mit der BSE-Krankheit ergeben. Vgl auch das Beispiel des Blindenhundes „Amos” → KAPITEL 7: Gewährleistungsfristen ¿ Geltendmachung.
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VII. Die rechtshistorische Bedeutung der lex Aquilia
Die lex Aquilia (~ 287/6 v. C.) kann als wichtige Keimzelle des europäischen Schadenersatzrechts betrachtet werden. Dieses römische Gesetz behandelte zwar nur den Ersatz aus deliktischer Sachbeschädigung, aber aus seiner praktischen Anwendung entstanden die noch heute begrifflich gültigen Schadenersatz(zurechnungs)elemente, nämlich: Schaden, Kausalität, Verschulden und Rechtswidrigkeit.
Darin liegt die rechtshistorische Bedeutung der lex Aquilia, deren Regeln über die Rezeption des gemeinen-römischen Rechts (ius commune) bis zu den großen vernunftrechtlichen Kodifikationen in Preußen, Österreich und Frankreich (→ KAPITEL 1: Die drei großen Kodifikationen) unmittelbare Bedeutung besaßen und in Italien und Frankreich wird noch heute von responsabilità Aquiliana oder responsabilité Aquilienne iS einer Haftung aus unerlaubter Handlung gesprochen.
Die im Rahmen der Anwendung der lex Aquilia entwickelten deliktischen Schadenszurechnungsvoraussetzungen wurden schließlich (nach griechischem Vorbild) auch auf Schadenersatzansprüche aus Vertrag übertragen, wodurch einheitliche schadenersatzrechtliche Zurechnungsregeln für die Haftung ex delicto und ex contractu (→ Vertrags- und Deliktshaftung) entstanden.
Erst das dtBGB von 1900 und diesem folgend das Schweizer OR haben dieses gemeinrechtliche, bewährte Fundament verlassen, indem – wenig glücklich – ein ausschließlich deliktisches Schadenersatzrecht geschaffen wurde; zu den Folgen → Vertrags- und Deliktshaftung – Das dtBGB hat aber mit der sog Schuldrechtsreform 2001, in deren Rahmen auch das Schadenersatzrecht geändert wurde (hier: 2. SchadenersatzrechtsänderungsG, das mit 1. 8. 2002 in Kraft getreten ist), diesen Fehler zum Teil korrigiert. Der neu gefasste § 253 dtBGB, dem ein zweiter Absatz angefügt wurde, hat die Kluft zwischen vertraglichen und deliktischen Schadenersatzansprüchen verringert indem er Schmerzengeldansprüche jetzt auch bei Vertragsverletzungen und in der Gefährdungshaftung (wie in Österreich seit jeher) gewährt. Auch der neue § 280 dtBGB hat durch seine Generalklausel für vertraglichen Schadenersatz die Kluft verringert; vgl auch die §§ 249 ff dtBGB. – Eine künftige europäische Privatrechtsordnung sollte jenen Weg gehen, dem schon das ALR und das ABGB gefolgt waren und der sich bewährt hat.
Literaturquelle
Das römische Recht gewährte Schadenersatzansprüche aus deliktischer Sachbeschädigung (Verletzung von Sklaven und Beschädigung sonstiger Sachgüter – damnum iniuria datum, dh durch Rechtsverstoß zugefügter Schaden) mittels der actio legis Aquiliae.
actio legis Aquiliae
Literaturquelle
Gaius: Institutionen 3, 210* (Übersetzung von Bürge)
Si quis hominem alienum alienamve quadrupedemve pecudem iniuria occiderit, quanti id in eo anno plurimi fuit, tantum aes ero dare damnetur.Wer eine fremde männliche oder weibliche Person oder ein vierfüßiges Herdentier widerrechtlich getötet hat, der soll durch Urteil verpflichtet werden, dem Eigentümer soviel Geld zu geben, wie es in diesem Jahr am meisten wert gewesen war.
Ceterarum rerum praeter hominem et pecudem occisos si quis alteri damnum faxit, quod usserit fregerit ruperit iniuria, quanti ea res erit in diebus triginta proximis, tantum aes ero damnas dare esto.Für die übrigen Sachen – ausgenommen getötete Personen oder Herdentiere – gilt, daß wenn einer dem andern dadurch Schaden zugefügt hat, indem er widerrechtlich anzündete, brach oder zerstörte, so soll dieser verpflichtet sein, dem Eigentümer soviel Geld zu geben, wie diese Sache in den nächsten dreißig Tagen wert sein wird.
Das erste Kapitel der lex Aquilia sanktioniert die widerrechtliche Tötung fremder Sklaven und vierfüßiger Herdentiere; das dritte Kapitel erfasste – allgemeiner – alle Sachbeschädigungen, die durch urere (Brennen), frangere (Brechen) und rumpere (Zerreißen, Zerstören) zugefügt wurden. – Der Schaden musste aber, um ersetzt werden zu können:
Urere, frangere, rumpere
Das schuf (zunächst) Probleme, führte aber idF zu einer beachtlichen Entwicklung.
Keine (Zurechnungs)Probleme brachte die Anwendung der lex Aquilia mit sich, wenn der Kausalzusammenhang zwischen Schädiger und Geschädigtem klar zutage lag, also ein – wie wir heute sagen würden – unmittelbarer war. Anders, wenn der Schaden bloß mittelbar oder indirekt zugefügt worden war. Berühmt ist der Fall (Ulpian D. 9, 2, 29, 5), dass ein angebundenes Schiff dadurch verloren geht, dass nur das Befestigungsseil durchtrennt wird, ohne dass sonstige Schadenshandlungen gesetzt werden. Ein anderes – ebenfalls von Ulpian: D. 9, 2, 11, 5 berichtetes – Beispiel betrifft die später auch vom ABGB in § 1320 ausdrücklich geregelte Tierhalterhaftung: Ein nicht an der Leine geführter Hund wird gereizt und beißt einen Sklaven. Diese und weitere Fälle gaben Anlass zur rechtlichen Weiterentwicklung.
Entwicklungsschritte über den Wortlaut der lex Aquilia hinaus:
weitere Entwicklungsschritte
Anwendung auf Schadenersatzansprüche aus Vertrag;
• durch ein Handeln und nicht bloß durch ein Unterlassen des Schädigers herbeigeführt worden sein;
• und zudem musste der (Sach)Schaden unmittelbar dh ohne kausal vermittelnde Zwischenursachen herbeigeführt worden sein: damnum corpore corpori datum.
• Erstreckung auf Fälle in welchen der Schaden durch Unterlassung verursacht wurde;
• Erstreckung auf bloß mittelbare Verursachung, bei welcher der Schädiger nicht unmittelbar auf die beschädigte Sache einwirkte, sondern auf eine andere Person oder Sache, und erst dadurch der Schaden bewirkt wurde; zB im Hundefall!;
• Nach Kaser wurde die Klage schon in klassischer Zeit auch auf freie Personen angewandt. Ursprünglich fand nämlich auf Freie nur das Zwölf Tafel-Gesetz Anwendung; Tafel VIII 2: Si membrum rup(s)it, ni cum eo pacit ... → „Warum” ist Schaden zu ersetzen?.
• Erhalten geblieben ist bis heute der Grundgedanke einer ersatzmäßigen Einschränkung bloß mittelbar verursachter Schäden. Noch heute bereitet der mittelbare oder Drittschaden (→ Drittschäden) Schwierigkeiten, mag sich auch das Verständnis, was als mittelbarer und was als unmittelbar verursachter Schaden anzusehen ist, geändert haben. – Die Entwicklung ist bis heute nicht abgeschlossen.


Schadenersatzrecht:§§ 1293 ff ABGB
Abbildung 9.1:
Schadenersatzrecht:§§ 1293 ff ABGB


Entstehung von Schadenersatzansprüchen
Abbildung 9.2:
Entstehung von Schadenersatzansprüchen


Schadenersatz: gesetzl Schuldverhältnis
Abbildung 9.3:
Schadenersatz: gesetzl Schuldverhältnis


„Warum” ist Schaden zu ersetzen?
Abbildung 9.4:
„Warum” ist Schaden zu ersetzen?


Schadenersatzrecht – Strafrecht
Abbildung 9.5:
Schadenersatzrecht – Strafrecht
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B. Die Schadenersatzvoraussetzungen
Neben dem Vorliegen eines Schadens verlangt das ABGB grundsätzlich drei weitere Voraussetzungen – also insgesamt vier, um Schadenersatz erlangen zu können: nämlich Kausalität, Verschulden und Rechtswidrigkeit. – Diese Anspruchsvoraussetzungen werden im Prozess genau geprüft. Man spricht von den vier allgemeinen Voraussetzungen der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.
Die einfach gehaltenen Schadenersatzvoraussetzungen des ABGB werden von manchem Vertreter der Theorie ungebührlich aufgebläht und didaktisch fragwürdig vermehrt, ja mitunter ins Unverständliche verkehrt. An die Stelle der erhofften Orientierung tritt bei Studierenden dann oft Verwirrung. Das Schadenersatzrecht bietet nämlich ohnehin die Gefahr der Verkomplizierung, die leider immer wieder mit Qualität verwechselt wird. Gerade heute gilt aber: Einfachheit ist gefragt!
Einfach und daher klar gehaltene Schadenersatzvoraussetzungen des ABGB
Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass sich die einzelnen Schadenersatzvoraussetzungen seit 1812 selbstverständlich entwickelt haben. So wurden während des 19. und 20. Jahrhunderts nicht nur verschiedene (Kausal)Zurechnungslehren geschaffen (→ Kausalität / Verursachung), sondern auch im Bereich der Rechtswidrigkeit etwa die Lehre vom Schutzzweck der verletzten Norm (sog Rechtswidrigkeitszusammenhang → Lehre vom Schutzzweck der (verletzten) Norm – Rechtmäßiges Alternativverhalten) und das rechtmäßige Alternativverhalten. Allein diese neuen Entwicklungen sollten didaktisch weiterhin im Mutterschoß der ursprünglichen Zurechnungsvoraussetzungen belassen und nicht zu autonomen Voraussetzungen hochstilisiert werden. – Ähnliches gilt für den Schadensbegriff, der sich – auf Grund seiner gesellschaftlichen Werteinschlüsse (wrongful life, wrongful birth!) – ebenfalls beträchtlich weiterentwickelt hat. Dazu gleich mehr.
Es müssen – kumulativ – vorliegen:
„Vier” Voraussetzungen
(1) Schaden
Frage: Ist ein Schaden entstanden? – Welcher? (ZB: Vertraglich <-> deliktisch, Personen- <-> Vermögensschaden, materieller <-> immaterieller Schaden etc)
(2) Kausalität
Frage: Ist der Schaden vom Schädiger oder ihm zurechenbaren Personen (durch eine Handlung oder Unterlassung) verursacht worden? – Äquivalenz, Adäquanz, ThdwB etc
(3) Verschulden
Frage: Wurde der Schaden schuldhaft zugefügt? (Welcher Verschuldensgrad?) – Bei Gefährdungshaftungen entfällt dieses Kriterium.
(4) Rechtswidrigkeit
Frage: War die Handlung oder Unterlassung des Schädigers rechtswidrig? – Rechtswidrigkeit setzt einen Normverstoß voraus! Konkret: Einen Verstoß gegen gesetzliche Ge- oder Verbote oder einen Vertrag. – Auch dieses (Zurechnungs)Kriterium fehlt bei Gefährdungshaftungen, zumal der Schade hier im Rahmen einer erlaubten Tätigkeit und ohne Verschulden zugefügt wird.
Hier angesiedelt ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang / Lehre vom Schutzzweck der Norm und rechtmäßiges Alternativverhalten.
I. Schadensbegriff, Schadensarten, Schadensfeststellung
§ 1293 Satz 1 ABGB umschreibt den Begriff des Schadens:
„Schade heißt [danach] jeder Nachteil, welcher jemandem am Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist.”
1. §§ 1293, 1295 ABGB: wichtige Weichenstellungen
§ 1293 ABGB enthält neben dem Schadensbegriff auch noch eine grundlegende Weichenstellung hinsichtlich der beiden großen Gruppen von Schäden; nämlich die Einteilung in Vermögens- und Personenschäden, die gleichberechtigt nebeneinander gestellt werden, was oft zu wenig beachtet wird. § 1295 Abs 1, 1. HalbS ergänzt diese Weichenstellung iS einer grundsätzlichen Verschuldenshaftung und statuiert im 2. HalbS die für das österreichische Schadensrecht charakteristische Haftung ex contractu und ex delicto → Vertrags- und Deliktshaftung
Die Personen- oder Nichtvermögensschäden (wie sie auch genannt werden) werden vom ABGB nicht grundsätzlich, vielmehr nur in ihrer Durchsetzbarkeit bevorzugt, weil sie ohne umfängliche Einschränkung des Ersatzes ab leichter Fahrlässigkeit begehrt werden können, während Vermögensschäden in Bezug auf ihre umfängliche Durchsetzung (wirklicher Schaden / damnum emergens oder entgangener Gewinn / lucrum cessans) einer Verschuldensstaffelung unterliegen. Rspr und Schrifttum schränken den Ersatz von Vermögensschäden idR darüber hinaus noch dadurch ein, dass sog „reine” Vermögensschäden (überhaupt) nicht ersetzt werden; dazu → Schadensbegriff, Schadensarten, Schadensfeststellung – Kein Unterschied besteht zwischen diesen Schadensgruppen aber hinsichtlich der Beweislastregeln der §§ 1296 und 1298 ABGB und der Gehilfenhaftung der §§ 1313a und 1315 ABGB. Diese Differenzierungen besitzen – cum grano salis – nur für die Unterscheidung zwischen Vertrags- und Deliktshaftung Bedeutung.
Personen- und Vermögensschäden
Die hA hat aus dieser grundsätzlichen Weichenstellung der §§ 1293 und 1295 ABGB – im Kielwasser der dtBGB-Dogmatik – unnötig etwas anderes gemacht und interpretiert diese Grundaussagen unseres Schadenersatzrechts restriktiv und contra legem. Und das seit langem. Das mochte für das dtBGB – mit seiner deliktischen Schadenskonzeption – hingehen, passt aber nicht für das ABGB. Damit ist aber nicht gesagt, daß zwischen Personen- und Vermögensschäden und zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung keine Unterschiede bestehen sollen und ferner ebensowenig, daß kein Korrektiv zur (Umfangs)Begrenzung von Vermögensschäden zur Verfügung stehen soll. Aber es sollte ein Korrektiv sein, das die Grundsätze unseres Schadenersatzrechts nicht unnötig missachtet. Praktikable Einschränkungen und Ergebnisse lassen sich auch hier mit dem Ehrenzweigschen Konzept vom Schutzzweck der Norm erzielen. Das Ergebnis bestünde in ABGB-Konformität: Personen- und Vermögensschäden wären grundsätzlich gleichermaßen zu entschädigen, und zwar unabhängig davon, ob ein Schaden ex contractu oder ex delicto zugefügt wurde. Ein solches Verständnis könnte den bislang „diskriminierten Vermögensschaden” wenigstens teilweise rehabilitieren. Zurückgedrängt werden könnte dadurch die Bedeutung der Unterscheidung, ob ein deliktisch zugefügter Schaden ein absolut geschütztes Rechtsgut betrifft oder nur einen (reinen) Vermögensschaden herbeigeführt hat; dazu → Schadensbegriff, Schadensarten, Schadensfeststellung Ein weiterer Vorteil bestünde darin, künftig nicht mehr in unnötiger Abhängigkeit von der deutschen Rechtsdogmatik zu stehen. Ein solches Verständnis hätte insbesondere auch Auswirkungen auf das Verständnis des Drittschadens: § 1295 ABGB → Drittschäden
Begrenzung von Vermögensschäden
Die Stromkabelfälle und die bislang unbefriedigend gelösten Leasingfälle könnten zwanglos in den Schutzbereich des – nunmehr österreichisch verstandenen – Vermögensschadens einbezogen werden. Schließlich ersparte man sich in der zuletzt zaghaft entschädigten Fallgruppe der Schockschäden Dritter (→ Was versteht die Rspr unter Körperverletzung?) unnötigen Begründungsaufwand. Vgl auch unten: Schadensarten (Vermögens- und Nichtvermögensschäden).
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 65/41 (1992): Der Schadensbegriff des ABGB umfasst jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil anzusehen ist. Das ist jeder Zustand, an dem ein geringeres rechtliches Interesse besteht, als am bisherigen Zustand.
EvBl 1986/86: Schaden einer GmbH ist jede dem Unternehmenszweck widersprechende, in Geld messbare Beeinträchtigung des Vermögens, der Tätigkeit oder der Organisation der Gesellschaft und des von ihr betriebenen Unternehmens.
SZ 52/146 (1979): Es muss sich aber bereits um einen konkreten Schaden handeln. Die bloß theoretische Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts reicht nicht aus.
SZ 25/132 (1952): Das schädigende Ereignis kann auch einen Vermögensvorteil herbeiführen, der dann dem Schadensstifter zugute kommt und dessen Ersatzpflicht verringert; sog Vorteilsausgleichung: der Schädiger muss dies aber durch eine entsprechende Einwendung geltend machen (ZVR 1973/7), weil die Vorteilsausgleichung nicht von Amts wegen berücksichtigt wird.
GlU 5678 (1875): Der Schaden kann auch im Verlust von Regressrechten oder im Entstehen von Verpflichtungen gegen einen Dritten bestehen (GlU 9654: 1883).
SZ 52/146 (1979): Wird ein durch die Bauordnung vorgeschriebener Seitenabstand des Hauses zum Nachbargrund nicht eingehalten, entsteht dieser Schaden bereits mit der Verletzung des subjektiv-öffentlichen Nachbarrechts und nicht erst mit dem Geltendmachen des Anspruchs auf Einhaltung des Seitenabstands.
JBl 1988, 779: Der Entgang von Reiseerlebnissen und Reiseeindrücken ist kein materieller Schaden. (?)
SZ 41/79 (1968) = ZVR 1969/147: Fällig wird eine Schadenersatzforderung erst, wenn sie der Geschädigte dem Schädiger gegenüber zahlenmäßig bestimmt, also einmahnt.
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2. Sozialer Wandel des Schadensbegriffs
Was ein ersatzfähiger Schaden ist – das gilt für Personen- und Vermögensschäden – bestimmt nicht allein der Geschädigte, sondern die Rechtsordnung, deren „Urteil” wiederum wertorientiert und gesellschaftsabhängig getroffen wird. Die Meinungen wandelten sich im Laufe der Zeit; sozialer Wandel. – Der normative Schadensbegriff hat sich nicht nur im Laufe der Zeit gewandelt, sondern unterscheidet sich auch in den einzelnen Ländern und ihren Rechtsordnungen auf interessante Weise! Das gilt auch für rechtlich so verwandte Länder, wie Österreich und Deutschland; vgl die Beispiele E. Kramers, in: AcP 200 (2000) 397 f.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1999/114: Zur Ersatzfähigkeit unerlaubter Vorteile – Danach sind unerlaubte Vorteile, die ohne das schädigende Ereignis erzielt worden wären, vom Schädiger grundsätzlich nicht zu ersetzen. Würde sich doch die Rechtsordnung selbst widersprechen, wenn sie schadenersatzrechtlich solche Vorteile zuerkennen wollte, deren Unerlaubtheit sie an anderer Stelle selbst normiert hat; Vermeidung von Wertungswidersprüchen – Gedanke der Einheit der Rechtsordnung → KAPITEL 11: Methode und Einheit der Rechtsordnung. Im konkreten Fall beruhte aber der dem Kläger entgangene Verdienst auf einem gültig abgeschlossenen Vertrag, weshalb sich der Schädiger nicht auf diese Rechtsfigur berufen konnte.
Umstritten ist nach wie vor die Frage, ob die Geburt eines gesunden, jedoch unerwünschten Kindes einen Schaden darstellt, während nach Ansicht des OGH die Geburt eines schwer behinderten Kindes für dessen Eltern jedenfalls einen Schaden bedeutet; JBl 1999, 593 → KAPITEL 10: Entscheidungsbeispiele zu den Kapiteln 9 und 10. Vgl neben den unten angegebenen Arbeiten von Sabine Engel auch Fenyves / Hirsch, Zur Deckung der Ansprüche aus „wrongful life” und „wrongful birth” in der Arzthaftpflichtversicherung, RdM 2000, 10 mwH. Die dogmatische Begründung bereitet aber immer noch Schwierigkeiten und beschäftigte sogar das dtBundesverfassungsgericht:
Literaturquelle
Oder: Bei Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden nur Arbeitsunfälle ieS ersetzt, nicht aber Berufskrankheiten, deren rechtliche Anerkennung erst nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte. Das industrielle Bewusstsein der Gesellschaft nahm es in Kauf, dass auch schwerste Gesundheitsschäden, eben beruflich bedingte Krankheiten, die zwar nachweislich betrieblich verursacht, aber nicht auf einen Unfall im technisch-juristischen Sinn (also eine plötzliche, äußere und gewaltsame Einwirkung) zurückzuführen waren, sondern zB auf längerfristige betriebliche Schadstoffeinwirkungen (wie Quecksilbervergiftungen), nicht entschädigt wurden.
Rechtssprechungsbeispiel
Ein anderes Beispiel für gesellschaftlichen Wandel in diesem Bereich, stellt die bewegte unterschiedliche Behandlung sog Drittschäden (→ Drittschäden) durch die Rspr dar, die sich laufend verändert; vgl dazu das OGH-Urteil (EvBl 1994/135) → KAPITEL 5: Entscheidungsbeispiele: Bereicherungsrecht.
Vgl auch SZ 58/80 (1985): Vergewaltigung (gleich unten).
Zur Schadensberechnung von Betreuungsleistungen: OGH 6 Ob 143/98t, JAP 1999/2000, H. 2, 79: Tatsächlich erbrachte Betreuungsleistungen sind vom Schadenersatzpflichtigen zu ersetzen. Sie sind konkret zu berechnen und daher nach den individuellen Umständen zu bewerten. In Abweichung zur bisherigen Rspr scheidet bei Pflege durch einen Familienangehörigen eine abstrakte Schadensberechnung aus, der die Kosten von mehreren qualifizierten Pflegepersonen zugrunde gelegt wird. Dies bedeutet eine weitere Abkehr von der langjährigen Rspr des OGH, wonach auch die Kosten für tatsächlich nicht erbrachte Heilungsmaßnahmen (zB Operationen) ersetzt wurden, weil der Schaden eben schon mit dem Eintritt der vermehrten Bedürfnisse entstehe; vgl etwa noch ZVR 1990/160. Von dieser heftig kritisierten Linie (vgl schon Gschnitzer, JBl 1955, 305) ging der OGH nunmehr ab. Unterbleibt eine Heilbehandlung, wird auch kein Ersatz geleistet; vgl Apathy, Fiktive Operationskosten, RZ 1986, 285. – Zur weiteren Sinnhaftigkeit der Rechtsfigur der abstrakten Rente → Die abstrakte Rente
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3. Schadensberechnung
Schadenersatz setzt einen Schaden voraus. – Wie aber wird Schaden berechnet ?
• Zum Ersatz von Personenschäden → Schadensbegriff, Schadensarten, Schadensfeststellung
Vermögensschäden werden durch Differenzrechnung ermittelt.
Vermögensschäden entstehen entweder durch eine Wertminderung von Gütern (zB Sachbeschädigung), der Verhinderung einer sonst eintretenden Vermögensvermehrung (zB Fehler eines Anlageberaters) oder dadurch, dass neue Verbindlichkeiten/Kosten entstehen; zB Reparaturkosten für ein beschädigtes Auto oder einen getätigten sog Rettungsaufwand zur Vermeidung eines drohenden, wenngleich noch nicht eingetretenen Schadens. Die Rspr zählt auch diesen grundsätzlich zum ersatzfähigen Schaden; vgl etwa SZ 39/115 (1966) oder ZVR 1973/110. – Diesbezüglich besteht ein Wertungswiderspruch der Rspr beim Schutz sog absolut geschützter Rechtsgüter (vgl JBl 1999, 49 → KAPITEL 5: §§ 870, 874 f ABGB: Täuschung und Drohung), der nicht im selben Ausmaß gewährt wird, was nicht einsichtig erscheint.
In all diesen Fällen wird ein Vermögensschaden durch Differenzrechnung ermittelt: Verglichen wird dabei die Lage vor und nach dem Schadenseintritt. Ist diese schlechter als jene, bedeutet die ermittelte Differenz einen Schaden.
Differenzrechnung
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 28. 9. 2000, 2 Ob 255/00i, EvBl 2001/56: Bei einem vom Beklagten verschuldeten Autounfall wird die Klägerin schwer verletzt und kann aufgrund der Unfallfolgen ihren Beruf als Ordinationshilfe bei einem Zahnarzt nicht mehr ausüben. Sie lässt sich zur Heilmasseurin umschulen und klagt auf Ersatz des für den Zeitraum der Umschulung entgangenen Verdienstes und der Umschulungskosten. Der Beklagte wendet Vorteilsausgleichung aufgrund des als Masseurin erzielbaren wesentlich höheren Einkommens ein. – OHG spricht Umschulungskosten und Verdienstentgang während der Umschulung zu und lehnt den Einwand des Beklagten bezüglich des Vorteilsausgleichs ab. Grundsätzlich ergibt sich eine Anrechnung aller durch das Schadensereignis verursachten Vorteile beim Interessenersatz durch die Schadensberechnung mittels Differenzmethode. Die Berücksichtigung von Vorteilen kommt jedoch nur gegenüber sachlich und zeitlich kongruenten Schadenersatzansprüchen in Betracht. Im konkreten Fall ist der Vorteil mit dem Schaden wegen Verdienstentgangs nicht zeitlich und hinsichtlich der Umschulungskosten auch nicht sachlich kongruent.
OGH 23. 5. 2000, 4 Ob 17/00d („Künettenbrücke”), SZ 73/82 = EvBl 2000/196: Ein Unternehmer führt Tiefbauarbeiten vor einer Gärtnerei durch u übernimmt auch den Bau einer Künettenbrücke mit 9 t Tragfähigkeit über die Baugrube für den Lkw der Gärtnerei. Als die Brücke jedoch unter dem Lkw teilweise einbricht, stützt der Schwiegervater des Gärtners den Lastwagen bis zum Eintreffen der Feuerwehr mit einer Winde ab. Durch weiters Nachgeben der Holzpfeiler der Brückenkonstruktion wird die Winde weggescheudert und verletzt den Schwiegervater am Fuß. – OGH: Der Schädiger haftet grundsätzlich auch für bei der Rettung (sowie bei nicht von vornherein untauglichen Rettungsversuchen zur Verhinderung weiterer Schäden) eintretende weitere Schäden, wenn diese Maßnahmen nicht außerhalb des Adäquanzzusammenhangs liegen. Das folge aus der psychischen Kausalität des Verhaltens des Täters für die auf Rettung gerichtete Willensbetätigung des Retters. (Richtiges Ergebnis, verfehlte Begründung.)
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4. Differenzmethode nach F. Gschnitzer
Schadensermittlung durch Differenzmethode nach F. Gschnitzer:
Gschnitzer fragt: Wie stünde der Betroffene ohne das Schadensereignis? – Besser? Dann hat er dadurch einen Nachteil erlitten, ist geschädigt. – Wir vergleichen also zwei Lagen miteinander: Die wirkliche, die durch das Schadensereignis eingetreten ist und die gedachte, hypothetische Lage, die ohne Schadenseintritt bestehen würde. – Ist die wirkliche, bestehende Lage gegenüber der gedachten zum Nachteil des Betroffenen, sprechen wir von Schaden und schädigendem Ereignis.
Zum Vermögensschaden vgl auch → Schadensbegriff, Schadensarten, Schadensfeststellung
Literaturquelle
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5. § 273 ZPO
Steht fest, dass der Geschädigte einen Schaden iSd § 1293 ABGB erlitten hat, lässt sich aber die Höhe des Schadens nicht ohne weiteres feststellen, besteht nach § 273 ZPO die Möglichkeit einer richterlichen Einschätzung des Schadens. Dieser Weg wurde bspw in der eben erwähnten E des OGH 6 Ob 143/98t (Betreuungsleistungen) und ebenso in EvBl 1977/82 (→ KAPITEL 5: Regeln zur rechtlichen Behandlung neuer Vertragsformen) beschritten.
§ 273 Abs 1 ZPO
Wenn feststeht, dass einer Partei der Ersatz eines Schadens oder des Interesses (dazu → KAPITEL 6: Rechtsgeschichtliche Entwicklung) gebürt oder dass sie sonst eine Forderung zu stellen hat, der Beweis über den streitigen Betrag des zu ersetzenden Schadens oder Interesses oder der Forderung aber gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen ist, so kann das Gericht auf Antrag oder von amtswegen selbst mit Übergehung eines von der Partei angebotenen Beweises diesen Betrag nach freier Überzeugung festsetzen. Der Festsetzung des Betrages kann auch die eidliche Vernehmung einer der Parteien über die für die Bestimmung des Betrages maßgebenden Umstände vorausgehen.
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6. Beweislast
Die Beweislast für den eingetretenen Schaden trägt im deliktischen Bereich grundsätzlich der Geschädigte; er erbringt den Beweis zB durch ein Gutachten über den Verlauf, die Schadenshöhe und die Folgen eines Kfz-Unfalls. Mehr zur Beweislast → Beweislast und Anspruchsdurchsetzung
Als großer Einteilungsgesichtspunkt lassen sich – wie erwähnt – folgende Schädengruppen anführen:
Schadensarten – Überblick
Vermögensschäden und Nicht-Vermögens- oder Personenschäden
• Zur Unterscheidung in unmittelbare und mittelbare oder Drittschäden → Drittschäden, S.. Zur entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung der lex Aquilia → Die rechtshistorische Bedeutung der lex Aquilia
• Zur Abgrenzung zwischen Vertrauensschaden (auch negatives Vertragsinteresse genannt) und (Nicht)Erfüllungsschaden (auch positives Vertragsinteresse genannt) vgl EvBl 1977/228:
„Die Beklagte übersieht, dass den Vertrauensschaden... nur derjenige begehren kann, der auf die Gültigkeit einer abgegebenen Erklärung oder auf das Zustandekommen eines Vertrages vertraut hat, obwohl die Erklärung ungültig war oder der Vertrag nicht zustande kam; in diesem Fall hat der Schädiger den Vertrauenden so zu stellen, wie er stünde, wenn er mit der Gültigkeit seiner Verpflichtung nicht gerechnet hätte. Ist jedoch der Schaden durch Nichterfüllung einer gültig begründeten Leistungsverpflichtung entstanden, so hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der im Vermögen des Geschädigten bei gehöriger Erfüllung (positives Erfüllungsinteresse oder Nichterfüllungsinteresse) bestünde (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 172 ...). Im konkreten Fall ist dem Kläger ein Schaden durch die Nichteinhaltung einer von der Beklagten übernommenen Vertragspflicht entstanden; der Kläger kann daher von der Beklagten [den Nichterfüllungsschaden] begehren.”
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7. Vermögensschäden
Sie bedeuten einen Nachteil an geldwertem Gut oder Rechten; vgl §§ 1331, 1333 ABGB: zB eine Delle im Auto, die Zerstörung eines EDV-Programms oder einer Gewinn- oder Verdienstchance. Bei Vermögensschäden geht es um in Geld ausdrückbare, also messbare Änderungen im Vermögen des Geschädigten; sei es in Bezug auf einen bestimmten Vermögensteil (zB ein beschädigtes Kfz) oder das Gesamtvermögen des Geschädigten.
Innerhalb der Vermögensschäden wird – im Hinblick auf die Formen/Inhalte von deren Ersatz – unterschieden zwischen:
Formen des Ersatzes bei Vermögensschäden
wirklichem / erlittenem oder positivem Schaden (damnum emergens) und dem
entgangenen Gewinn (lucrum cessans);
• dazu tritt nach § 1331 ABGB unter bestimmten Voraussetzungen der Ersatz des Werts der besonderen Vorliebe → Verschulden (culpa)
Über die Höhe des Ersatzes – ob bloß der wirkliche Schaden oder auch der entgangene Gewinn zu ersetzen ist – entscheidet nach dem ABGB der Grad des Verschuldens mit dem der Schädiger den Schaden herbeigeführt hat → Verschulden (culpa)
Höhe des Ersatzes
Rechtssprechungsbeispiel
Die vom Bauherrn dem Unternehmer nach § 1168 Abs 1 ABGB zu ersetzenden Stehzeiten sind ein wirklicher (Vermögens)Schaden, den die Demonstranten nur dann zu ersetzen haben, wenn fest steht, dass das Bauvorhaben fertiggestellt wird. Der Vermögensnachteil ist nach dem Zeitpunkt der Schadensfestestellung – das ist der Schluss der gerichtlichen Verhandlung erster Instanz – zu ermitteln; OGH 25.3.1999 → „Verdienstentgang”
Weitere Beispiele für entgangenen Gewinn → Umfang des Ersatzes von Vermögensschäden
Zu beachten ist, dass nach hA (vgl schon oben → Vermögensschäden) – bloße Vermögensschäden nicht im selben Ausmaß entschädigt werden, wie Personenschäden: Diese Haltung ist zwar dem ABGB – wie ausgeführt – fremd, hat sich aber im Anschluss an dt Lehre und Rspr durchgesetzt. In Österreich wäre auf Grund der §§ 1293 und 1295 ABGB eigentlich etwas anderes zu erwarten. – Vermögensschäden werden im Unterschied zu Eingriffen in absolut geschützte Rechtsgüter – darunter werden verstanden: Leib und Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit, geschlechtliche Selbstbestimmung, Persönlichkeitsrechte, Eigentum – deliktisch (grundsätzlich nicht, sondern) nur ausnahmsweise entschädigt. Dies obwohl es das ABGB nahe legt, sowohl das Vermögen als auch absolute Rechtsgüter eines Geschädigten vertraglich und (!) deliktisch zu schützen.
Beschränkter Ersatz von Vermögensschäden
Als „reineoder „bloße Vermögensschäden werden Schäden bezeichnet, bei denen weder ein Personen-, noch ein (realer) Sachschaden vorliegt; vgl etwa SZ 67/17: Wissentlich unrichtige Auskunft über Empfängnismöglichkeit begründet keinen Anspruch des Kindesvaters eines unehelichen Kindes gegen dessen Mutter auf Ersatz der für das Kind zu erbringenden Unterhaltsleistungen; Ablehung eines ersatzfähigen Vermögensschadens. – Reine Vermögensschäden werden auch nicht nach dem EKHG (§ 1) und nach dem PHG (§ 1Abs 1) ersetzt.
Die Rspr gewährt bislang nur in folgenden Fallgruppen einen Ersatzanspruch bei deliktischer Vermögensschädigung:
Fallgruppen
• bei Schutzgesetzverletzung iSd § 1311 ABGB;
• im Falle einer absichtlich sittenwidrigen oder listigen Schädigung iSd §§ 1295 Abs 2, 1300 und § 874 ABGB;
• und bei mutwilliger Prozessführung iSd § 408 ZPO.
Zu Rechtsmissbrauch und Schikane → KAPITEL 11: Rechtsmissbrauch und Schikane.
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8. Nicht-Vermögens- oder Personenschäden
Sie betreffen insbesondere auch immaterielle Nachteile an der Person; Körperverletzungen oder Verletzungen von Ehre, Freiheit oder geschlechtlicher Selbstbestimmung. Die Situierung des § 1328 ABGB (Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung) erscheint glücklich, zumal dieser Tatbestand eingebettet ist in die Bereiche Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Ehrverletzung, die bei dieser Deliktsform häufig gemeinsam zur Anwendung gelangen. – Das ABGB fasst sie in den §§ 1325-1330 zusammen; vgl auch → Die einzelnen Tatbestände: Das ABGB bezeichnet die Gruppe der Nicht- oder Personenschäden auch als ideelle Schäden, weil sie vorwiegend immaterielle Güter betreffen. Obwohl immaterielle Güter eigentlich nicht in Geld ausdrückbar sind, dies iSv exakt messbar, werden sie dennoch – vor allem durch das Schmerzengeld des § 1325 ABGB – in Geld ersetzt.
Literaturquelle
An und für sich ist es nicht (ganz) korrekt, den Begriff des immateriellen Schadens nur auf Personenschäden zu beziehen, da § 1331 ABGB (→ Vermögensschäden) auch für den Bereich des Vermögensschadens mit dem Ersatz des Werts der besonderen Vorliebe eine Form des Ersatzes immaterieller Schäden kennt. – Dennoch ist diese Gleichsetzung üblich.
Zum Begriff „immaterielle Schäden”
Immaterielle Schäden werden von der Rspr nur dort ersetzt, wo dies das Gesetz ausdrücklich anordnet; so etwa in § 1325 ABGB und § 12 Abs 1 Z 4 EKHG (Schmerzengeld → Schmerzen(s)geld), aber auch nach § 1331 ABGB: Wert der besonderen Vorliebe / Affektionsinteresse.
Nach neuerer Rspr gewährt der OGH auch bei Freiheitsberaubung (§ 1329 ABGB) und § 1328 ABGB (Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung; Nov, BGBl 1996/759) den Ersatz des immateriellen Schadens. – Vgl nunmehr auch die geplanten gesetzlichen Erweiterungen für sog Trauerschäden, entgangene Urlaubsfreude usw → Was versteht die Rspr unter Körperverletzung?
Das Schrifttum erblickt im Passus des § 1323, 2. HalbS ABGB: „ ... Tilgung der verursachten Beleidigung” eine grundsätzliche Anordnung zum Ersatz immaterieller Schäden (= Schmerzengeld als Teil der vollen Genugtuung). – Anders aber (noch) die Rspr!
Rechtssprechungsbeispiel
Vgl zum lange verweigerten Ersatz des ideellen Schadens bei Vergewaltigung (sog Notzucht!?, ein juristischer Begriff, der tiefenpsychologisch Abgründe eröffnet) die folgende E: – SZ 58/80 (1985) = JBl 1986, 114 – Leitsatz: §§ 1328, 1325 ABGB – Bei Vergewaltigung gebührt Schmerzengeld auch für seelische Schmerzen; solche können sich auch daraus ergeben, dass die Vergewaltigung in der Umgebung des Opfers bekannt geworden ist. OGH sprach vergewaltigter Frau Entschädigung für psychisches Übel zu. Eine Frau in einem kleinen Innviertler Dorf hatte ein schreckliches Erlebnis: sie wurde vergewaltigt. Die Folgen: mehrtägige arge Schmerzen, Krankenstand, vor allem aber schwere psychische Störungen in Form starker Depressionen, vegetativer Störungen und krasser Angstzustände. Der Täter wurde vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt, in einem darauffolgenden Zivilprozess, der vom Kreisgericht Ried im Innkreis bis zum OGH ging, verlangte die Frau ein Schmerzengeld von 120.000 S. Die 1. Instanz sprach ihr rund die Hälfte, nämlich 65.000 S zu, das OLG Linz bereits 95.000 S. Und der OGH, vom Beklagten wegen Reduzierung der Forderung angerufen, bestätigte das Urteil der 2. Instanz. – In der Entscheidung des Höchstgerichts (7 Ob 566/85) heißt es ua: „Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, vertritt die neue Lehre einheitlich den Standpunkt, dass auch im Falle einer echten Notzucht der Ersatz immaterieller Schäden gebührt. Bei der Feststellung solchen immateriellen Schadens ist die subjektive Berechnung Grundsatz. Es sind Dauer und Intensität des erlittenen Ungemachs, aber auch die psychophysische Situation des Betroffenen, die Beschaffenheit seiner Gefühlswelt, seine Empfindsamkeit und die Schwankungsbreite seiner Psyche zu berücksichtigen. Insbesondere sind auch die soziale Stellung, die kulturellen Bedürfnisse und die beruflichen Verhältnisse des Verletzten zu berücksichtigen. Die Funktion des Schmerzengeldes besteht im wesentlichen im Aufwiegen von Unlustgefühlen. Diese sind nach der Person des Verletzten zu bewerten, weshalb richtigerweise nur eine subjektive Berechnung in Betracht kommt. Es ist immer auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Vor allem bei Schädigung infolge von Freiheitsberaubung berücksichtigt die Rspr subjektive Umstände. – Mit Recht haben daher die Vorinstanzen auch in Betracht gezogen, dass im vorliegenden Fall die Vergewaltigung der Klägerin nicht praktisch anonym geblieben ist, wie dies idR in einer Großstadt der Fall sein wird, sondern dass der Angriff durch eine Personihrer unmittelbaren Nachbarschaft erfolgte und dieses Ereignis zur Kenntnis einer kleinen Gemeinde, in der die beiden handelnden Personen allgemein bekannt sind, gelangte, so dass, wie dies gerade in Landgemeinden häufig der Fall ist, seitens der Bevölkerung Parteinahmen, auch zum Teil gegen die Klägerin, erfolgten, was zu einer weiteren psychischen Belastung der Klägerin führen musste.” (Anm: Die Mutter des Täters hatte das Kaufhaus, in dem die Klägerin arbeitete, aufgesucht und diese dort beschimpft. Auch die Dorfbevölkerung legte zum Teil eine ablehnende Haltung der Klägerin gegenüber an den Tag!) – Der OGH stützt seine neue Judikatur zu den §§ 1328 und 1329 ABGB auch auf Art 5 Abs 5 EMRK und erkennt nunmehr auf den Ersatz des immateriellen Schadens, spricht also Schmerzengeld zu. Die Rspr des OGH in Bezug auf den Ersatz immateriellen Schadens war lange widersprüchlich; bis etwa zur Jhd-Wende [1900] sprach der OGH großzügig immateriellen Ersatz zu; dann – unter Einfluss des dtBGB [§ 253] – lehnte er diesbezüglich Ersatz bis zur Mitte der 80er Jahre kategorisch ab. Das lehrt uns wie abhängig rechtliche Kausalurteile von gesellschaftlichen Werturteilen sind. Man kann auch sagen: Rechtliche Kausalität ist (auch) gesellschaftliche Kausalität. – Anstoß erregt hatte schon (neben der geschilderten Haltung des OGH zu Vergewaltigungen) die Rspr des OGH gegenüber KZ-Opfern, deren Ansprüche auf immateriellen Schadenersatz wegen Freiheitsbeschränkung er ebenfalls – trotz mehrfacher Bemühungen Heinrich Klangs, der selber im KZ Theresienstadt und Mitglied des OGH war – abgelehnt hatte. Vgl nunmehr die novellierte Fassung des § 1328 ABGB!sung des § 1328 ABGB!sung des § 1328 ABGB!sung des § 1328 ABGB!
Verwaltigung


Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs
Abbildung 9.6:
Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs


Was heißt Schaden?
Abbildung 9.7:
Was heißt Schaden?


Schadensermittlung: Differenzmethode
Abbildung 9.8:
Schadensermittlung: Differenzmethode
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II. Kausalität / Verursachung
Nach der Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, ist auch danach zu fragen, ob dieser jemandem kausal zugerechnet werden kann.
Ein Schaden muss vom Schädiger verursacht, sein Verhalten muss kausal sein. Das Gesetz definiert Kausalität traditioneller Weise aber nicht, setzt sie vielmehr voraus; vgl die §§ 1294, 1295 ABGB: „ ...zugefügt”, „ ...verursacht worden”. – Entgegen dem ersten Anschein ist auch diese Frage nicht immer einfach zu beantworten. Denn: Nicht jede (Schadens)Bedingung / Ursache, die gesetzt wird, macht rechtlich auch verantwortlich, dh: wird haftungsmäßig zugerechnet. Und umgekehrt wird uU ein Verhalten zugerechnet, das naturwissenschaftlich vielleicht gar nicht kausal für den Schadenseintritt war → Natürliche und juristische Kausalität – Es ist Aufgabe der rechtlichen Kausalitäts- oder Zurechnungskonzepte aus der Vielfalt realer – dh physikalischer, psychischer und gesellschaftlicher – Schadensbedingungen die rechtlich relevanten herauszufiltern.
Kelsen berichtet in seinem lesenswerten Werk ua von folgender Begebenheit: „Bei Erdbeben beobachten die Guaimi-Indianer einen eigenartigen Brauch, dem Adrian de Santo Tomas als Augenzeuge beiwohnte. Während einer Nacht fand um die Mitternachtsstunde ein Erdbeben statt, das die indianische Begleitmannschaft des Padre in große Unruhe, ja offenbar in Zorn versetzte .... Denn sie griffen sofort zu ihren Waffen und zielten nach dem Himmel. Auf die Frage des Padre nach der Bedeutung dieser Handlungsweise entgegneten ihm die Eingeborenen, der Gott Noncomala habe die Erde töten wollen, und da seien sie ihrer Mutter zu Hilfe gekommen. Diese wäre nämlich schon längst zerstört worden, wenn sie ihr nicht immer in ähnlichen Fällen ihren Beistand gewährt hätten.” – Ein Beispiel gesellschafltichen Kausalitätsdenkens, das auch wir noch pflegen, wenngleich in anderen Gebieten. Noch um die Mitte des 19. Jhds wurde sog „Totbeten” als (straf)rechtlich kausal angesehen.
H. Kelsen, Vergeltung und Kausalität (1982)
Das, was in der rechtlichen Fachsprache verkürzt mit „Kausalität” bezeichnet wird, wird korrekter mit Schadens-Zurechnung benannt. Denn mit Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn hat das – wie wir gehört haben – nicht immer etwas zu tun. Wir haben es mit rechtlicherKausalität” zu tun. Eine Schadenszurechnung– ein neutraler Begriff, der sowohl für verschuldete, wie unverschuldete Schädigungen passt und ebenso für schadensverursachendes Verhalten des (unmittelbaren) Schädigers selbst, wie das anderer Personen, für die er allenfalls einzustehen hat (zB für Gehilfen), dh sich zurechnen lassen muss – erfolgt nämlich mitunter auch dann, wenn nicht der Ersatzpflichtige selbst kausal war, sondern nur sein Gehilfe; vgl §§ 1313a, 1315 ABGB: sog Haftung für fremdes Verschulden / Verhalten (Gehilfenhaftung) → KAPITEL 10: Die Gehilfenhaftung. Im Falle des § 1315 ABGB beruht die rechtliche Wertung der vom Gesetz vorgenommenen Schadenszurechnung nicht einmal primär auf Kausalüberlegungen, sondern der Annahme von objektiviertem Auswahlverschulden (culpa in eligendo). Darin steckt der Vorwurf, der Ersatzpflichtige hätte seine Gehilfenwahl sorgfältiger vornehmen sollen.
Schadens-Zurechnung
Im Rahmen der Gefährdungshaftung haftet bspw der Kfz-Halter auch dann für einen Schaden, wenn nicht er selbst, sondern ein anderer (Lenker) mit dem Auto gefahren ist, ohne dass auch nur ein Auswahlverschulden anzunehmen ist. Hier ist jener Schaden zu vertreten, der durch das gefährliche Betriebsmittel verursacht (aber nicht verschuldet!) wurde.
1. Natürliche und juristische Kausalität
Juristische Kausalität baut zwar auf der allgemeinen, naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalität auf, deckt sich damit aber nicht vollständig. Es bestehen, von der Rechtswissenschaft wenig reflektiert, Unterschiede zum naturwissenschaftlichen Kausalitätsdenken; vgl nur die §§ 1301, 1302 ABGB: Haftung mehrerer Schädiger : Sonderformen der Kausalität (1).
Die Diskrepanz zwischen diesen beiden (Kausalitäts)Bereichen hat in den letzten Jahrzehnten – bedingt durch den Fortschritt und die Verfeinerung naturwissenschaftlicher Methoden – abgenommen; vgl etwa die Vaterschaftsfeststellung, die heute bei über 99 Prozent Treffsicherheit liegt! Aber auch der technische Fortschritt wird diesen Unterschied nicht völlig aufheben; vgl nur „Kausalität” / besser Zurechnung durch Unterlassung oder Haftung für fremdes Verschulden. Die Jurisprudenz sollte aber nur dort „eigene” Wege gehen, wo dies aus Funktionsgründen der Rechtsordnung nötig erscheint. – Die im Anschluss dargestellten rechtlichen Kausal(zurechnungs)konzepte verfolgen somit funktional genuin juristisch-wertende Ziele.
Die von der öRspr früher verwendete Kausalformel: „Keine juristische ohne medizinische (oder naturwissenschaftliche) Kausalität” war rechtslogisch unhaltbar, wurde aber von der Theorie, die auch in anderen (Kausalitäts)Fragen inkonsequent ist – zB bei der sog Unterbrechung des rechtlichen Kausalzusammenhangs → KAPITEL 9: Sonderformen der Kausalität: Sonderformen (6), hingenommen.
Literaturquelle
„Eigene” Wege rechtlicher „Zurechnung”:
• Im Rahmen der Haftung mehrerer Schädiger (§§ 1301, 1302 ABGB) → KAPITEL 9: Sonderformen der Kausalität, Sonderformen (1);
• bei der Gehilfenhaftung (als Haftung für fremdes Verschulden) → KAPITEL 10: Die Gehilfenhaftung.
• bei der Kausalität der Unterlassung (§ 1294 ABGB) → Sonderformen der Kausalität: Sonderformen (5);
• bei der Zurechnungsfigur der Unterbrechung des Kausal- oder besser Zurechnungszusammenhangs → Sonderformen der Kausalität: Sonderformen (6) sowie
• der Unterscheidung zwischen unmittelbarem oder bloß mittelbarem Ursachenzusammenhang, was seit der lex Aquilia (→ Die rechtshistorische Bedeutung der lex Aquilia) eine Rolle spielt und noch heute im Rahmen der Drittschadensliquidation (→ Drittschäden) von Bedeutung ist.
• Ersatz von Vorsorgekosten des Geschädigten → Betriebsreservekosten
• Im gesamten Bereich des Ersatzes immaterieller Schäden; §§ 1325 ff ABGB → KAPITEL 9: Was ist nach § 1325 ABGB zu ersetzen?.
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2. Rechtliche Kausalität umfasst
Die rechtliche Verhaltenszurechnung – (zivil)rechtliche Kausalität umfasst:
• positives Tun / Handeln sowie
• Unterlassen / Nicht-Tun / Nicht-Handeln → Sonderformen der Kausalität: Sonderformen (5).
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3. Kausal(zurechnungs)konzepte
Während sich das Straf- und Zivilrecht mit Fragen des rechtlichen Kausalitätsdenkens früh und eingehend auseinandergesetzt haben, fehlt ein vergleichbares Befassen mit Kausalitäts- und Zurechnungsfragen im Kernbereich des öffentlichen Rechts weitgehend. (Eine wichtige Ausnahme stellt die – freilich zivilrechtlich inspirierte – ThdwB des Sozialversicherungsrechts dar; dazu meine Habilschrift: Kausalität im Sozialrecht, 1983.) Gerade aus diesem Bereich stammt aber der (rechts)positivistische Anspruch der Lückenlosigkeit der Rechtsordnung. Hier besteht demnach nicht nur eine Rechts-, sondern auch eine Denk-Lücke.
Besser wird von rechtlichen Zurechnungskonzepten und nicht – wie üblich – von Kausalitäts-Theorien gesprochen. Das juristische Kausalitätsdenken kann nämlich keinen Anspruch darauf erheben, dass es wissenschaftstheoretisch den Anforderungen moderner wissenschaftlicher Theoriebildung entspricht. – Die Rechtswissenschaft geht mit wissenschaftstheoretischen Begriffen wie Theorie, Hypothese, Gesetz udgl oft leichtfertig um.
Literaturquelle
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4. Die sog Äquivalenztheorie
Die Äquivalenz- oder Bedingungslehre, auch conditio-sine-qua-non-Konzept genannt, arbeitet mit folgender Zurechnungsformel: Kausal ist danach jede (Schadens)Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann (= c[onditio] s[ine] qu[a] n[on]!), ohne dass auch der (eingetretene) Erfolg / Schaden entfiele.
Dieses Kausalkonzept – das alle Bedingungen gleich behandeln will: daher Äqui-valenz! – ist theoretisch unbrauchbar, weil es eine viel zu geringe Selektionsleistung erbringt und dadurch insgesamt zu viel zu weiten kausalen Zurechnungen führt: Auch die Eltern eines Mörders sind danach „kausal” für den Mord. Die praktisch nötigen Haftungseinschränkungen müssen erst wieder durch andere Zurechnungskriterien – insbesondere das Verschulden – geleistet werden. Wo es kein Verschulden gibt, wie in der Gefährdungshaftung, versagt das Konzept noch deutlicher. Daher: Dieses Kausalkonzept ist brauchbar für eine praktische Zurechnungs-Erstinformation, liefert aber keine theoretisch befriedigende allgemeine oder gar endgültige Zurechnungsregel.
Bewertung
Aus alter Gewohnheit und mangelndem Theoriebewusstsein wird dieses Zurechnungskonzept, das in seiner ursprünglichen Fassung auch bei Unterlassungen versagte – bei ihnen muss nämlich nicht etwas weg-, sondern etwas hinzugedacht werden!, aber weiterhin theoretisch mitgeschleppt; vgl nur Koziol / Welser, II12 290 f oder Apathy / Riedler III 118 (20022), die meinen, das ABGB setze diese Lehre „voraus”, was historisch schon deshalb unrichtig ist, weil dieses Kausalkonzept damals noch gar nicht existierte.
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5. Adäquanzkonzept
Beim Adäquanzkonzept kommt es auf die generelle Eignung einer Handlung oder Unterlassung (eines Verhaltens), einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, an; sog typische Schadensverursachung: also die Wahrscheinlichkeit und Vorhersehbarkeit eines Kausalverlaufs und daraus folgend des Schadenseintritts. Ausgeschlossen werden sollen dadurch a-typische Kausalverläufe; zB leichter Schlag auf den Kopf führt zu Schädelbruch wegen eines sog Papierschädels. – Das Adäquanzkonzept ist bestrebt, praktikable (Haftungs)Zurechnungsgrenzen zu ziehen und erzielt dabei akzeptable Erfolge, die idR auch wissenschaftlich überzeugen; vgl EFSlg 20.240: folgende Beispiele. Zurecht stützen sich Rspr und OGH daher auf dieses Zurechnungskonzept. – In der Praxis wurden verschiedene Adäquanz(bereichs)lehren entwickelt und etabliert. Zu den Wahrscheinlichkeitsvoraussetzungen des Kausalitätsnachweises im Rahmen des Adäquanzurteils → KAPITEL 9: Kausalitätsspektrum „Kausalitätsspektrum”.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1971, 89 (1970): Verkehrswidriges Abstellen eines Pkw im Kreuzungsbereich – §§ 1295, 1311 und 1304 ABGB; § 24 Abs 1 lit d StVO 1960: Eine Handlung des Beklagten (verkehrswidriges Abstellen eines Pkw) ist Ursache für den Schaden, wenn dieser ohne die Handlung nicht eingetreten wäre [Äquivalenzaussage]. – Nach der Adäquanztheorie tritt die Haftung für alle Folgen eines schuldhaften Verhaltens ein, wenn es sich nicht um solche handelt, deren Eintritt nach der Erfahrung des Lebens ganz unwahrscheinlich war. – Das Halte- und Parkverbot an Kreuzungen dient sowohl der Flüssigkeit als auch der Sicherheit des Verkehrs. Es will gerade das Einbiegen anderer Fahrzeuge erleichtern, so dass der bei einem solchen Vorgang (durch Anfahren) eintretende Schaden innerhalb des Schutzzwecks der verletzten Norm liegt. – Schadensteilung 1:1 zwischen dem unachtsam Einbiegenden und dem unerlaubt Parkenden.
EFSlg 20.240 (1973): Schwere Gehirnverletzung eines Hochschülers. Die Grenze, bis zu der dem Schädiger eine Haftung für die Folgen seiner Handlung zugemutet werden kann, wird durch die Adäquanz bestimmt; JBl 1966, 619 ua. Hienach besteht eine Haftung für alle Folgen eines schuldhaften Verhaltens, mit denen in abstracto gerechnet werden muss. Sie besteht nur nicht für den atypischen Erfolg. Es genügt dabei, dass die generelle Eignung einer Ursache, den Schaden herbeizuführen, von jedem vernünftigen Menschen erkannt werden konnte, mag auch die Einzelfolge gerade nicht erkennbar gewesen sein, wenn sie nur nicht außerhalb der allgemein menschlichen Erfahrung liegt. – Dadurch, dass zwischen [vom Schädiger gesetzter] Bedingung und [eingetretenem] Erfolg eine freie menschliche Handlung [eines Dritten] tritt, wird der Kausalzusammenhang nicht unterbrochen, wenn mit dieser hinzutretenden Ursache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als wahrscheinlich gerechnet werden konnte; JBl 1966, 473; ZVR 1971/224 ua. – Es liegt keineswegs außerhalb jeglicher menschlicher Erfahrung, sondern entspricht vielmehr dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass eine schwere Gehirnverletzung (schwere Gehirnerschütterung und Quetschung des Stirnhirns) mit mehrjährig anhaltenden Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen bei einem Hochschüler zu Prüfungsmisserfolgen und Studienverzögerungen führen können, und es ist auch keineswegs als atypische Folgeerscheinung anzusehen, wenn die Studienordnungen verschiedener Universitäten die mehrfache Wiederholung einer nicht bestandenen Prüfung nicht zulassen. In der Unterlassung eines von vornherein aussichtslosen Gesuches an das zuständige Ministerium um Zulassung zu einer zweiten Wiederholungsprüfung liegt keine Verletzung der Schadensminderungspflicht. – Da der Kläger das von ihm nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ohne den Unfall erzielbare Einkommen nicht beziehen konnte und infolge des Unfalles zur Erreichung gleichartiger Fachqualifikationen und Berufschancen sein Studium neu beginnen und hiefür 8 Semester aufwenden musste, gebührt ihm der Ersatz des durch den Unfall entgangenen Einkommens sowie der Mehrkosten für sein unfallbedingt verlängertes Studium, wobei ihm das während des Studiums tatsächlich erzielte Einkommen in Abzug zu bringen war.
Die Rspr leitet aus § 1304 ABGB auch die Verpflichtung des Geschädigten ab, den eingetretenen Schaden möglichst gering zu halten und die Folgen einer Beschädigung nicht durch Unterlassung möglicher Abhilfe zu vergrößern oder zu verlängern; sog Schadensminderungs- oder Rettungspflicht → Mitverschulden: § 1304 ABGB – Vom Adäquanznexus umfasst sind daher auch Schäden im Rahmen von Rettungsaktionen; vgl zB SZ 73/82 = EvBl 2000/196: Künettenbrücke.
EvBl 1957/219: § 1293 ABGB (adäquate Kausalität; Vereitlung der Hofübergabe infolge Verletzung des (Hof)Anwärters kann entgangener Gewinn sein, Rechtsanspruch und sichere Anwartschaft; strafrechtlich festgestelltes Verschulden muss noch nicht auffallende Sorglosigkeit sein). Der Kläger – ein Landwirtssohn – macht mit der vorliegenden Klage einen Schadenersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall geltend. Er behauptet insbesondere, er hätte den elterlichen Hof übernehmen sollen; die Übergabe sei beschlossene Sache und für die nächste Zeit in Aussicht genommen gewesen. Infolge seiner durch den Unfall eingetretenen Verkrüppelung hätten die Eltern den Hof nicht ihm (dem Kläger), sondern seinem jüngeren Bruder übergeben. Durch die vereitelte Hofübernahme habe er, berechnet nach dem Verkehrswert des Hofes, einen Verlust von 500.000,- S erlitten. Er anerkennt sein eigenes Verschulden an dem Unfall mit 50% und begehrt Zuspruch der Hälfte des genannten Betrages. ( ...) – Zur Frage des adäquaten Kausalzusammenhangs: Der Verkehrsunfall gehört, geht man von den vom Erstgericht noch nicht geprüften Klagsbehauptungen aus, auch hinsichtlich des Verlustes der Nachfolge in den elterlichen Hof zur Schadensbedingung, dh der Verkehrsunfall und die durch ihn unmittelbar verursachte Verletzung des Klägers könne nicht weggedacht werden, ohne dass dieser Schaden wegfiele [Äquivalenzformel]. Es kann daher kein Zweifel bestehen, dass, immer die Richtigkeit der Klagsbehauptungen unterstellt, der Verkehrsunfall eine condicio sine qua non für das Unterbleiben der Hofübergabe bildet. Die sog Adäquanz ist nicht eine Forderung der Kausalität [wie die Äquivalenz??], sondern die Ermittlung einer Grenze, bis zu der dem Urheber eine Haftung für die Folgen seiner Handlung oder Unterlassung billigerweise zugemutet werden kann ( ...). Um adäquat zu sein, muss eine Ursache im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des eingetretenen Erfolges geeignet sein ( ...). Adäquanz ist nicht gleichbedeutend mit Voraussehbarkeit, die Theorie des adäquaten Ursachenzusammenhanges fordert nicht, dass der Schädiger den Schaden vorausgesehen hat oder es konnte …. Durch das Erfordernis der Adäquanz sollen nur ganz ungewöhnliche Ursachenverkettungen, mit denen im praktischen Leben niemand zu rechnen pflegt, ausgeschlossen werden. Dass aber nach der bäuerlichen Mentalität als Hofübernehmer ein gesunder Nachkomme gegenüber einem kranken oder verkrüppelten bevorzugt wird, ist bekannt und ein Brauch …. Es hat auch der OGH bereits in der Entscheidung 2 Ob 727/53 in einem ähnlichen, sich vom vorliegenden Fall im Grunde nur dadurch unterscheidenden Rechtsstreit, dass dort wegen Vergebung des Hofes an einen anderen nicht der Ersatz der entgangenen Erträgnisse begehrt worden ist, den Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall und der darum unterbliebenen Hofübergabe angenommen.
JBl 1999, 533: Zurechnung von Folgeunfällen nach einem Auffahrunfall.
OGH 14. 9. 1999, 4 Ob 216/99i („Der Kurzschluss„), EvBl 2000/41: Heizungsanlage eines Wohnblocks fällt wegen eines Kurzschlusses aus, worauf der Gatte der Hausbesorgerin beim zuständigen EVU anruft. Ein Techniker sagt zu, umgehend zu kommen und ersucht den Anrufer, vor dem Haus auf ihn zu warten. Auf dem Weg entschließt sich der Techniker dann aber doch dazu, zuerst zur Trafostation zu fahren, weil er einen allgemeinen Stromausfall vermutet. Da er nicht so rasch erscheint, begibt sich der Anrufer in den Keller des Hauses zum Schalterschrank, öffnet diesen und im selben Moment schaltet der Techniker den Hauptleistungsschalter der Trafostation wieder ein. Dadurch entsteht ein Lichtbogen, der den Anrufer schwer verletzt. – OGH qualifiziert die interne Betriebsanleitung des EVU (das Technikern vorschreibt, zuerst zum Anrufer zu fahren) nicht als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB. OGH verneint auch die Vorhersehbarkeit des Adäquanzurteils. (?)


Kausalfilter
Abbildung 9.9:
Kausalfilter
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6. Die Theorie der wesentlichen Bedingung/ThdwB
Die ThdwB gilt im Bereich des Sozial(versicherungs)rechts insbesondere in der gesetzlichen Unfallversicherung und darüber hinaus im öffentlichen Recht. Sie ist ein von der deutschen und österreichischen Rspr adaptiertes – leistungsfähiges – Adäquanz(bereichs)konzept, das immer wieder missverstanden wurde; zB von Th. Tomandl. Vgl dazu auch die oben gemachten Hinweise.
Es handelt sich dabei um ein bereichsspezifisch adaptierbares Kausalkonzept iS einer Gefahrkreislehre für gefahrgeneigte Betriebe, die idF auch im Strafrecht Bedeutung erlangte. – Dabei wird ein doppeltes Kausalurteil gefällt, das heute im gesamten Haftpflichtrecht Verwendung findet, ohne dass meist noch bekannt ist, woher dieses Konzept kommt. Gefragt wird nach
Moderne Gefahrkreislehre
• der haftungsbegründenden und
• der haftungsausfüllenden Kausalität.
Jene fragt, ob der durch einen Betriebsunfall eingetretene Schaden mit dem betrieblichen Gefahrenkreis zusammenhängt; diese prüft, ob zB die eingetretene Verletzung eine kausale Folge gerade dieses Unfallgeschehens war. Dadurch gelingt unter anderm eine überzeugende Abgrenzung sog Anlageleiden / Leidensdispositionen wie Meniskus, Bandscheiben- oder Bruchleiden etc.
Beurteilung von Anlageleiden
Literaturquelle


Kausalität/Verursachung
Abbildung 9.10:
Kausalität/Verursachung


Die großen Zurechnungskonzepte
Abbildung 9.11:
Die großen Zurechnungskonzepte
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7. Sonderformen der Kausalität
§ 1301 ABGB normiert Zurechnungsregeln, wenn ein widerrechtlich zugefügter Schaden von mehreren Personen verantwortet werden muss, weil sie gemeinschaftlichunmittelbar oder mittelbar – durch „Verleiten [Anstiften], Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen u. dgl.; oder auch nur durch Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit das Übel zu verhindern”, zum Schadenseintritt beigetragen haben. – Es geht hier um die Schadensherbeiführung durch (mehrere) Mittäter, Teilnehmer oder Nebentäter, sei es im Rahmen einer vertraglichen oder einer deliktischen Beziehung.
Zur Heranziehung des § 1301 ABGB bei Verletzung fremder Forderungsrechte → KAPITEL 11: Verletzung fremder Forderungsrechte; insbesondere SZ 19/205 (1937).
(1) Haftung mehrerer Schädiger: §§ 1301, 1302 ABGB
§ 1302 ABGB legt die Rechtsfolgen bei Schädigung durch mehrere Schädiger fest und unterscheidet dabei:
Lösung des § 1302 ABGB
• Wurde der Schaden fahrlässig herbeigeführt und (!) lassen sich die (Ursachen)Anteile bestimmen, verantwortet „jeder nur den durch sein Versehen verursachten Schaden”; Anteilshaftung.
• Wurde der Schaden dagegen vorsätzlich zugefügt oder (!) lassen sich die Anteile der Mittäter nicht bestimmen, „so haften alle für einen, und einer für alle”; Solidarhaftung. Der letzte HalbS des § 1302 ABGB statuiert ein Regressrecht desjenigen, der den Schaden ersetzt hat; § 896 ABGB.
Rechtssprechungsbeispiel
Wirtshausrauferei mit tödlichem Ausgang, ohne dass feststellbar ist, von wem die vorsätzliche schwere Körperverletzung stammt. – Lösung: Alle Raufbolde werden (zivilrechtlich) verantwortlich gemacht! Und zwar solidarisch! Auch das Strafrecht trifft diese Lösung; vgl § 91 StGB: Raufhandel mit schwerer Körperverletzung.
ZVR 1998/6 (Jochbeinbruch): Für den Schaden eines Gewaltopfers, das beim Versuch, für seinen von zwei Tätern misshandelten Begleiter Hilfe zu holen, von einem dritten Täter angegriffen und verletzt wird, haften die drei Täter solidarisch.
JBl 2000, 113 (§§ 1295, 1301, 1311 ABGB; § 286 StGB): Die Pflicht, mit Strafe bedrohte Handlungen zu verhindern, besteht nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern verfolgt auch einen individuellen Schutzzweck gegenüber demjenigen, der durch die strafbare Handlung in seinen Rechten bedroht wird. § 286 StGB ist ein Schutzgesetz iwS. Der Geschädigte kann daher vom Täter Schadenersatz schon nach § 1295 Abs 1 ABGB verlangen. § 286 StGB begründet aber auch eine Handlungspflicht iSv § 1301 ABGB.
OGH 22.2.2001, 6 Ob 307/005: Interview-Hompage → KAPITEL 10: Weitere Beispiele.
§ 1302 ABGB liegt eine Haftung für bloßen Kausalitätsverdacht zugrunde, weil unter konkret gefährlichen Verhältnissen gehandelt wurde. Das führt auch zu einer Änderung der Beweislast. Der unter solchen Umständen Handelnde muss beweisen, dass er den Schaden nicht verursacht hat. – Diese Überlegungen gelten auch für die alternative, kumulative und überholende Kausalität.
(2) Alternative Kausalität
Beispiel
Also: Jede Einzelursache konnte den Erfolg alleine herbeiführen; es ist aber nicht mehr feststellbar, wer – zB von den beiden Jägern – den Schaden bewirkt hat.
Solidarhaftung, also gemeinsame Haftung aller, die eine derart potentielle Ursache gesetzt haben; also zB beide Jäger, die geschossen haben. Der OGH geht uH auf F. Bydlinski (FS Frotz 1993) und die §§ 1302 und 1304 ABGB von einer Schadensteilung aus, wenn das schuldhafte Verhalten eines Schädigers mit einem vom Geschädigten zu vertretenden Zufall zusammentrifft; so JBl 1996, 181. – Das Konzept alternativer Kausalität findet auch auf die Gefährdungshaftung Anwendung; vgl JBl 1997, 529.
Lösung
ZB ein Umweltschaden – mehrere Emittenten setzen (Teil)Ursachen und führen den Schaden nachweislich erst gemeinsam / kumulativ herbei; etwa verschiedene (Industrie)Abwässer töten den Fischbestand eines Flusses. Wiederum liegt konkret gefährliches Handeln mehrerer vor. – Schwer zu ermitteln sind oft die Verursachungsanteile der Schädiger.
(3) Kumulative Kausalität
Rechtssprechungsbeispiel
GlUNF 370 (1898): „ ... Der durchgeführte Zeugenbeweis hat ergeben, dass der ihm [sc dem Gärtner] an jenem Tage entstandene Schaden sowohl durch das Hagelwetter, als durch das Eindringen der Pferde [des 14. Artillerieregiments] entstanden ist, ohne dass sich mit Sicherheit feststellen ließe, welchen Antheil an der Schadenswirkung auf die eine oder die andere Ursache zurückzuführen wäre ....”
Demonstrationshaftung (Phyrrntal-Autobahn): Die Solidarhaftung einzelner Demonstranten hängt vom jeweiligen Tatbeitrag ab, der auch in der intellektuellen Förderung (psychische Kausalität!) der unmittelbaren Täter bestehen kann. Dazu sind die Regeln des Anscheinsbeweises heranzuziehen; OGH 25.3.1999 → „Verdienstentgang”
Anwendung der Rechtsfolgenlösung des § 1304 ABGB! → Mitverschulden: § 1304 ABGB – Das bedeutet: Lassen sich die einzelnen Schadensbeiträge kausal bestimmen, wird anteilsmäßig, wenn nicht: solidarisch gehaftet.
Lösung
Beispiel
Hierher gehören die sog Anlageleiden. – Zwei Kausalreihen sind zu unterscheiden:
(4) Überholende / hypothetische Kausalität
• Eine schon bestehende körperliche Anlage / sog Leidensdisposition (= Kausalreihe 1: konkret zB eine schwere Krankheit wie ein Krebs- oder Herzleiden); und
• zweitens – ein davon unabhängiges Schadensereignis, etwa ein Autounfall (= Kausalreihe 2).
Dabei stellt sich folgendes Problem: Hätte das Schadensereignis der Kausalreihe 2 (zB Autounfall) den Schaden – zB den Tod – nicht schon früher herbeigeführt, wäre es auch durch die sich weiter entwickelnde Kausalreihe 1 (das Anlageleiden) unabhängig davon bewirkt worden; wenngleich zeitlich später. – Frage: Was, also welche Anteile des eingetretenen Schadens sind der Kausalreihe 1, welche der Kausalreihe 2 (= dem Schädiger) rechtlich zuzurechnen?


Überholende oder hypothetische Kausalität
Abbildung 9.12:
Überholende oder hypothetische Kausalität
Das Zivilrecht lässt – anders zB Bereiche des Sozialrechts (gesetzliche UV) – den Verursacher der Kausalreihe 2 nur insoweit haften, als nicht die Kausalreihe 1 den Schaden ebenfalls herbeigeführt hätte; also zB Unterhalts­zah­lung für 5 Jahre, weil dann auch nach der Kausalreihe 1 der Tod eingetreten wäre.
Lösung
Von überholender Kausalität wird insoferne – zurecht! – gesprochen, weil Kausalreihe 2, die zeitlich ältere Kausalreihe 1 „überholt”, also (zeitlich) rascher wirkt und jenen Erfolg früher herbeiführt, den auch Kausalreihe 1 bewirkt hätte, wenn auch zeitlich später. – Von hypothetischer Kausalität kann insoferne gesprochen werden, als die Entwicklung von Kausalreihe 1 nicht real, sondern nur angenommenerweise (nach Wahrscheinlichkeitsüberlegungen) beurteilt werden kann, zumal diese Kausalentwicklung real nicht zum Abschluss gelangt ist. – Worin liegt der Unterschied zur kumulativen Kausalität? Bei dieser wirken die verschiedenen Schadensursachen etwa gleichzeitig, bei der überholenden Kausalität, zeitlich versetzt.
Rechtssprechungsbeispiel
Der OGH wird mit derlei Kausalkonstellationen immer wieder konfrontiert; vgl etwa JBl 1999, 246 (BehandlungsfehlerNierenversagen) uH auf SZ 69/199 = EvBl 1997/86 mwH: „Die Ersatzpflicht des realen Schädigers beschränkt sich bei Zutreffen dieses Einwandes [sc der überholenden Kausalität] auf jene Nachteile des Geschädigten, die durch die zeitliche Vorverlegung des Schadens entstanden sind. Dem Schädiger werden dabei die Schadensfolgen bis zu jenem Zeitpunkt zugerechnet, in dem die Erkrankung oder deren entgültige Folgen, wie hier das Nierenversagen, auch sonst eingetreten wären. Für die Berücksichtigung dieses Einwandes muss allerdings nach der Rspr ... feststehen, daß der gleiche Erfolg auch ohne das schädigende Ereignis (hier den festsgestellten Kunstfehler) eingetreten wäre. An dieser Ansicht ist auch weiterhin festzuhalten. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen genügte daher die Bekl ihrer diesbezüglichen Beweispflicht nicht, wenn sie lediglich eine ‚überwiegende Wahrscheinlichkeit’ des Schadenseintritts ohne den ihr angelasteten ärztlichen Kunstfehler unter Beweis stellen könnte; vielmehr obliegt ihr hierfür der volle Beweis, dh zumindest der diesem gleichzusetzende Beweis höchster an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ....”
OGH 26. 2. 2002, 1 Ob 175/01v, JBl 2002, 720: Bauarbeiten am Hausdach führen zu Wassereinritt und idF zum Absturz der über 100 Jahre alten Deckenstuckatur in einer Wohnung des obersten Stockwerks. – OGH bereitet didaktisch vorbildlich die Abgrenzung von alternativer, kumulativer und hypothetischer Kausalität auf. Für die Berücksichtigung überholender Kausalität muss danach feststehen, dass der gleiche Erfolg auch ohne das (reale) Schadensereignis „zu einem bestimmten Zeitpunkt” eingetreten wäre; es genügt nicht, dass der Erfolg „irgendwann” eintreten wird (zeitliche Bestimmbarkeit).


Sonderformen der Kausalität
Abbildung 9.13:
Sonderformen der Kausalität
Vgl § 1294 Satz 1 ABGB oder § 1301 ABGB: Auch im Bereich der Kausalität der Unterlassung besteht ein Unterschied des Rechtsdenkens zum Kausalitätsverständnis der Naturwissenschaften. Diese Art der Kausalität gibt es nur im Rechtsdenken, das den Unterlassenden aufgrund einer bestehenden rechtlichen (Handlungs)Vorschrift verantwortlich macht. Wir haben es hier, wie beim Adäquanzkonzept oder der ThdwB, nicht mit naturwissenschaftlicher Kausalität, sondern mit wertender juristischer Zurechnung zu tun. Zielführend erscheint es daher, diesen Denkansatz einerseits als Adäquanzbereichskonzept zu verstehen und ihn zusätzlich mit der Lehre vom Schutzzweck der Norm zu kombinieren.
(5) Kausalität der Unterlassung
Beispiel Literaturquelle
Vgl zu dieser Problematik etwa die Ausführungen in EFSlg 20.240 (1973) → Adäquanzkonzept : E-Beispiele zur Adäquanz:
(6) Unterbrechung des Kausalzusammenhangs
„Dadurch, dass zwischen [der vom Schädiger gesetzten] Bedingung und [dem eingetretenen] Erfolg eine [vom Schädiger unabhängige] freie menschliche Handlung tritt, wird der Kausalzusammenhang nicht unterbrochen, wenn mit dieser hinzutretenden Ursache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als wahrscheinlich gerechnet werden konnte ....” – In diesem Sinne auch JBl 1987, 524 (Bausperre) → KAPITEL 10: Entscheidungsbeispiele zu den Kapiteln 9 und 10: E-Beispiele (Link).
Unterbrochen wird der (grundätzlich zurechenbare) Kausalzusammenhang dagegen, wenn unabhängig vom Schädiger ein anderer Dritter zeitlich später vorsätzlich in die bereits laufende (vom Schädiger ausgelöste) Kausalkette eingreift. Die dadurch bewirkten (Kausal)Folgen (nicht auch die von ihm bis dorthin zu vertretenden) werden dann dem Erstschädiger nicht mehr (voll) zugerechnet.
Die allgemeine Polemik gegen diese Zurechnungsfigur ist sowohl theoretisch wie ergebnismäßig unbegründet; wie Koziol etwa Reischauer in Rummel2 Rz 19 zu § 1295 ABGB. Die von Reischauer getroffene Unterscheidung zwischen Kausalitäts- und Wertungsfragen ist antiquiert.
Beispiel
Beispiel
Der OGH anerkennt zu recht unsere Rechtsfigur; vgl etwa E 5.4.1999, 10 Ob S 423/98y: Unterbrechung / Lösung des betrieblichen Zusammenhangs durch eine allein wesentliche Alkoholisierung des sich auf dem Heimweg befindlichen Arbeitnehmers.
Die Zurechnungsfigur der Unterbrechung des Kausalzusammenhangs erscheint von besonderer Bedeutung für alle Gefahrkreis(zurechnungs)lehren, daher zB auch für das EKHG und überhaupt alle Gefährdungshaftungen, also den Haftpflichtsektor. – Das Versicherungsrecht kennt die Gefahrerhöhung (durch den Versicherten), die den Versicherer leistungsfrei macht.
Die rechtliche Beachtlichkeit auch bloß psychisch vermittelter Kausalzusammenhänge ist seit langem gesichert und gewinnt neuerdings wieder an Bedeutung; zB Trauerschäden; diese Zurechnung muss mit Augenmaß erfolgen.
(7) Psychische Kausalität:
Im Strafrecht wurde noch im 19. Jhd (!) das Totbeten als mögliche relevante Ursache betrachtet; Nachweise bei Barta, Kausalität im Sozialrecht I 240, 698 (1983).
Zu denken ist an Fälle wie einen Herzinfarkt aus Angst bei Operationsvorbereitungen, nach einem Verkehrsunfall oder während eines heftigen Sturms; – ein peripheres Trauma iVm psychischer Erregung, etwa einem heftigen Schreck; – vgl auch JBl 1999, 49: Haftung des Drohenden für Vorsorgemaßnahmen des Bedrohten → Sonderformen der Kausalität; – ZVR 1995/46: Angstneurose eines Kleinkindes ausgelöst durch einen unfallbedingten längeren Krankenhausaufenthalt der Mutter → Was versteht die Rspr unter Körperverletzung? – Vgl nunmehr auch die sog Trauerschäden (→ Was versteht die Rspr unter Körperverletzung?), die zeigen, dass die psychische Kausalität sowohl unmittelbar wie bloß mittelbar Geschädigte treffen kann.
Die Grenze zum Drittschaden ist zu beachten.
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8. Kausalität und Beweislast:
Die Kausalität des Schädigers für den eingetretenen Schaden muss im deliktischen und vertraglichen Bereich grundsätzlich vom Geschädigten bewiesen, dh wenigstens wahrscheinlich gemacht werden, also nicht nur möglich erscheinen!
Hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs besteht Uneinigkeit in Rspr und Schrifttum über die Voraussetzungen (= das Ausmaß), also den erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit. Dadurch werden beliebige Entscheidungen möglich.
Wahrscheinlichkeitsmaßstab
Grundsätzlich sollte ein Kausalzusammenhang aber bloß wahrscheinlich gemacht werden müssen, was früher auch von der Rspr angenommen wurde, mittlerweile aber unter dem Einfluss von Schrifttum und Verfahrensrecht in Richtung hohe und höchste Wahrscheinlichkeit „verschoben” wurde. Das stellt keinen Fortschritt dar. Begnügt man sich aber mit schlichter Wahrscheinlichkeit, was hier vertreten wird, ist die Grenze zur blossen „Möglichkeit” scharf zu ziehen, wie dies in der Folie „Kausalitätsspektrum” dargestellt wurde. Darüber bleibt dem Schädiger auch hier der Nachweis des Gegenteils.


Kausalitätsspektrum
Abbildung 9.14:
Kausalitätsspektrum
Mehr zur Beweislast → Beweislast und Anspruchsdurchsetzung – Zur Beweislast im Rahmen des § 1299 ABGB → KAPITEL 10: Beweislast. Zur Beweislast beim Behandlungsvertrag → KAPITEL 10: Medizinhaftung ¿ Beweislast.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1953, 18: Zur Frage der Substitution im Medizinbereich. OGH begnügt sich mit blosser Wahrscheinlichkeit. Nicht klar unterschieden wird zwischen blosser Möglichkeit und (schlichter) Wahrscheinlichkeit.
JBl 1999, 246 (Nierenversagen): Gelingt der Nachweis, dass der ärztliche Behandlungsfehler die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht bloß unwesentlich erhöhte, obliegt dem Schädiger der volle Beweis, dass die erwiesene Vertragsverletzung im konkreten Fall für die nachteiligen Folgen mit größter Wahrscheinlichkeit unwesentlich geblieben sei.
JBl 2002, 720: Wassereintritt durch Bauarbeiten führt zu Absturz der Dekkenstuckatur – Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der überholenden Kausalität trägt der Schädiger der überholenden Ursache.
Die Kausalitätsbeweislast gilt für Verschuldens- wie Nichtverschuldenshaftungen. Moderne Haftpflichtgesetze erleichtern Geschädigten den (technisch) oft nur schwer zu erbringenden Beweis durch Verursachungsvermutungen, wozu Auskunftspflichten treten können.
Verursachungsvermutungen etc
Beispiel
Zur praesumtio iuris und der praesumtio iuris ac de iure → KAPITEL 3: Redlichkeitsvermutung.
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III. Verschulden (culpa)
Das ABGB steht grundsätzlich auf dem Standpunkt der Verschuldenshaftung; §§ 1306, 1294, 1295, 1296. Verschulden meint rechtlich vorwerfbares Verhalten. – Um rechtlich als Verschulden vorwerfbar zu sein, muss ein Verhalten aber auch (im Hinblick auf die Schadensherbeiführung) voraussehbar sein. Diese für die Annahme von Verschulden grundsätzlich nötige (individuelle) Voraussehbarkeit deckt sich nicht mit der generellen Voraussehbarkeit der im Rahmen der Kausalitätsprüfung zu beurteilenden adäquaten Verursachung; EvBl 2000/41.
Rechtlich vorwerfbares und voraussehbares Verhalten
Mitunter geht das Gesetz aber von der hier beschriebenen individuellen Voraussehbarkeit ab und verlangt – unabhängig davon – das Einhalten objektiver, also genereller Standards; so in § 1299 ABGB: Sachverständigenhaftung → KAPITEL 10: Die Sachverständigenhaftung.
1. Abgestufte Verschuldenshaftung
Das ABGB baut – dem römisch-gemeinen Recht und dem ALR folgend – grundsätzlich auf einer gestaffelten, graduell abgestuften Verschuldenshaftung auf (§ 1295 Abs 1 ABGB), kennt aber auch schon Nichtverschuldenstatbestände; vgl zB § 1306 iVm § 1318 ABGB.
Die wichtigsten Nicht-Verschuldenshaftungen finden sich jedoch außerhalb des ABGB. Man spricht – je nach Ausgestaltung – von Erfolgs-, Gefährdungs-, Kausal- oder Eingriffshaftungen: zB EKHG, PHG, § 364a ABGB. Bei ihnen fehlt das Verschulden als Haftungsvoraussetzung! Dazu
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2. Haftung ab leichter Fahrlässigkeit
Nach dem ABGB wird grundsätzlich ab leichter Fahrlässigkeit voll (!) gehaftet. Das Gesetz selbst kennt aber Ausnahmen; zB § 1319a ABGB (sog Wegehalterhaftung: ab grober Fahrlässigkeit) oder § 67 Abs 2 VersVG: Haftung nur bei Vorsatz. – Regressregeln (zB nach ASVG, AHG, OrgHG) reduzieren die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit.
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3. Grade des Verschuldens
Das ABGB unterscheidet:
Vorsatz = böse Absicht, lat dolus; § 1294 ABGB versteht darunter die Verursachung eines Schadens „mit Wissen und Willen”.
Vorsatz
Die zentrale Unterscheidung zwischen vorsätzlichem und unvorsätzlichem Handeln geht auf das griechische Rechtsdenken (Drakon 623/22 v. C.) zurück; ebenso die erst im 4. Jahrhundert v. C. (Anaximenes v. Lampsakos, ein Zeitgenosse des Aristoteles) erfolgte Abgrenzung des Verschuldens vom Zufall. – Aristoteles kannte zudem auch schon, anders als die Römer, Abstufungen innerhalb des Vorsatzes.
Fahrlässigkeit meint Versehen, lat culpa. § 1294 ABGB spricht von Handeln „aus schuldbarer Unwissenheit” oder „aus Mangel der gehörigen Aufmerksamkeit, oder des gehörigen Fleisses”. – Fahrlässig handelt, wer die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt; vgl §§ 1296 und 1297 ABGB. Sie enthalten interessante Verschuldensvermutungen. Unterschieden wird im Bereich der Fahrlässigkeit zwischen:
Fahrlässigkeit
leichter Fahrlässigkeit iS eines kleinen Sorgfaltsverstoßes, der auch sorgfältigen Menschen bisweilen unterläuft und
grober Fahrlässigkeit iSv auffallender Sorglosigkeit, die einem sorgfältigen Menschen nicht passiert.
Die Unterscheidung von Fahrlässigkeitsgraden kannte weder das griechische, noch das klassische römische Recht. Die Unterscheidung ist vielmehr erst byzantinisch-justinianischen Ursprungs.
StrafrechtDas Strafrecht gliedert insbesondere innerhalb des höchsten Verschuldensbereichs (Vorsatz) stärker als das Zivilrecht und unterscheidet:• Absicht: stärkste Form des Vorsatzes: § 5 Abs 2 StGB;
Wissentlichkeit: § 5 Abs 3 StGB;
einfacher oder unbedingter Vorsatz: § 5 Abs 1, 1. HalbS StGB;
bedingter Vorsatz oder dolus eventualis (§ 5 Abs 1, 2. HalbS StGB) als Grenzfall zur Fahrlässigkeit: Wenn der Täter die Verwirklichung des Tatbildes „ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet”.
Rechtssprechungsbeispiel
Arten des Verschuldens – Rspr-Beispiele:
Nichtweiterleiten eines Stornos einer großen Hotelzimmerbuchung durch die zuständige Sachbearbeiterin eines Reisebüros: grobe Fahrlässigkeit; AG Wien 6.9.1971.
SZ 40/81 (1967): Zur Frage des grobfahrlässigen Verschuldens eines Baumeisters am Einsturz eines Hauses.
Überschreiten einer 30 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung um 10 km/h, wenn für den dadurch entstandenen Unfall keine weiteren Fehler des Lenkers ursächlich waren und er das Versagen der Bremsen nicht voraussehen konnte: leichte Fahrlässigkeit; OGH 19.10.1971.
Prozessführung als Verschulden ? – Prozessführung begründet Verschulden, wenn der Schuldner bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass sein Prozessstandpunkt aussichtslos ist. Das gilt erst recht für das Aufstellen falscher Tatsachenbehauptungen; hier schuldhaftes Nichtzahlen des Kaufpreises: grobe Fahrlässigkeit: EvBl 1993/15.
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4. Umfang des Ersatzes von Vermögensschäden
Der Umfang des Ersatzes von Vermögensschäden (→ Vermögensschäden) – nicht auch der von Körperschäden (§ 1325 ABGB → Was ist nach § 1325 ABGB zu ersetzen?) – ist nach dem ABGB vom Verschuldensgrad abhängig; §§ 1323, 1324, 1331, 1332 ABGB. Diese Regelung des ABGB ist allgemeiner Einsicht zugänglich und entspricht grundlegenden Gerechtigkeitspostulaten.
Das ABGB hat diesen Grundgedanken vom ALR übernommen, das allerdings vier Verschuldensgrade kannte, während Martini sich aus Praktikabilitätsüberlegungen mit der Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit begnügte, also nur zwei Verschuldensgrade vorsah. Zeiller kehrte zu den drei Verschuldensgraden des römisch-gemeinen Rechts zurück.
Die Verschuldensstaffelung des ABGB:
• Bei leicht fahrlässiger Schadenszufügung ist bloß der Ersatz des wirklichen / erlittenen – oder wie er auch genannt wird – des „positiven” Schadens zu entrichten = sog schlichte Schadloshaltung; vgl § 1323 ABGB.
Der Ersatz des Affektionsinteresses, wie der Ersatz des Werts der besonderen Vorliebe auch genannt wird, macht deutlich, dass es auch im Bereich der Vermögensschäden einen – subjektiv zu bemessenden – Ersatz immaterieller Schäden gibt, der demnach nicht auf Personenschäden beschränkt ist. – Praktisch ist diese Form des Ersatzes nur von geringer Bedeutung.
Affektionsinteresse
Beispiel
Beispiele für entgangenen Gewinn:
• Ein Galerist kauft in einer Vernissage ein Bild um 1.000 ı und bietet es umgehend einer seiner Kundschaften um 1.350 ı an, die sehr interessiert ist. Das Bild bleibt noch in der Ausstellung hängen und wird in der Folge von einem unachtsamen Besucher grob fahrlässig zerstört. Der Galerist kann nun – wäre das Bild von ihm verkauft worden, was zu prüfen ist, – nicht nur den Schaden von 1.000 ı (= seinen Kaufpreis), sondern auch den ihm durch die Zerstörung des Bildes entgangenen Gewinn (= Weiterverkaufspreis, also + 350 ı) verlangen.
• Ein gut erhaltener VW, Baujahr 1960, wird zerstört, sollte aber demnächst günstig an einen Autoliebhaber um 8.000 ı verkauft werden. – Der Verkäufer kann nach den genannten Grundsätzen den ihm entgangenen Gewinn ersetzt verlangen.
Rechtssprechungsbeispiel
Vgl auch EvBl 1957/62: Die Abgrenzung des wirklichen oder positiven Schadens und des entgangenen Gewinnes ist nicht immer leicht. Nach Rspr und Lehre stellt die Vernichtung einer Chance regelmäßig entgangenen Gewinn dar, jedoch nur dann, wenn es sich um eine bloße Chance handelt, nicht aber dann, wenn das Bestehen einer Gewinnmöglichkeit im Verkehr bereits als selbständiger Wert angesehen wird. – Hatte der Kläger sein durch einen Verkehrsunfall beschädigtes Auto bereits verkauft, liegt daher wirklicher / positiver Schaden und nicht (nur) entgangener Gewinn vor!
Wird ein Lkw schuldhaft schwer beschädigt (Totalschaden) und ist ein Ersatzfahrzeug nicht erhältlich, so ist dem Beschädigten für die Dauer der Reparatur der Verdienstentgang zu ersetzen; SZ 42/92 (1969). – Vgl auch ZVR 1988/138: Gewinnentgang durch reparaturbedingte Stehzeiten eines Omnibusses.
JBl 1999, 183: Der Verlust der Möglichkeit des Geschädigten, als Gesellschafter im Unternehmen seines Arbeitgebers für die selbe Arbeitsleistung die er bisher als Arbeitnehmer erbrachte einen Gewinnanteil in mehrfacher Höhe des bisherigen Arbeitslohns zu beziehen ist nicht wirklicher / erlittener oder positiver Schaden, sondern entgangener Gewinn und daher mangels grober Fahrlässigkeit nicht zu ersetzen.
Kein entgangener Gewinn, sondern wirklicher Schaden, wurde vom OGH in SZ 40/2 (1967) angenomen: Telefongebührenentfall der Post wegen Beschädigung eines Fernmeldekabels bei Bauarbeiten → Drittschäden
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5. § 1332 ABGB: gemeiner Wert
Nach § 1332 ABGB ist der Vermögensschaden bei leicht fahrlässiger Schädigung „nach dem gemeinen Werte [§ 305 ABGB → KAPITEL 8: Wert und Preis: gemeiner Wert ], den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte” zu ersetzen.
Zur Art des Ersatzes auch → Arten des Ersatzes: §§ 1323 ff ABGB
Art 8 Nr 2 EVHGB bestimmt, dass im Handelsrecht im Rahmen des Ersatzes von Vermögensschäden auch schon bei leicht fahrlässiger Schadenszufügung der entgangene Gewinn zu ersetzen ist.
Mit „Freizeichnung” wird die Frage einer beabsichtigten Haftungsbeschränkung angesprochen; sie ist vornehmlich im Schadenersatzrecht von praktischer Bedeutung, reicht aber darüber hinaus. – Freizeichnung meint: eine Haftung vertraglich ganz ausschließen oder doch beschränken zu wollen, die andernfalls (aufgrund der geltenden Rechtslage) bestünde. Die Verschuldenshaftung des allgemeinen Schadenersatzrechts „greift” – wie wir wissen – generell ab leichter Fahrlässigkeit. Soll „freigezeichnet” werden, soll zumindest der unterste Bereich des Verschuldens, also leichte Fahrlässigkeit, als haftungsbegründend ausgeschlossen werden.
Haftungsbeschränkung durch Freizeichnung?
Die Rspr war nicht immer ganz sicher, wieweit ein solcher Ausschluss gehen kann und schwankte, ob nicht auch grob fahrlässige Schadenszufügung vereinbarungsgemäß ausgeschlossen werden kann. Heute wird das zurecht abgelehnt. – Mit der Aufnahme einer Freizeichnungsklausel in einen Vertrag, will ein Vertragsteil für sich also eine Haftungsbeschränkung erreichen.
Vgl etwa JBl 1983, 255; Reitunfall → KAPITEL 10: Entscheidungsbeispiele zu den Kapiteln 9 und 10 „Fälle”.
Ein Verzicht oder Ausschluss auf/von künftige/n Schadenersatzforderungen ist nach hRspr im Falle leichter Fahrlässigkeit grundsätzlich wirksam. Dies aber nur, sofern durch die „Freizeichnung”:
Verzicht oder Ausschluss
• nicht auf gänzlich unvorhersehbare oder atypische Schäden verzichtet wird, mit denen nicht gerechnet werden konnte;
• oder die Vereinbarung (insbesondere im Zusammenhang mit Ausschlüssen in AGB) wegen der wirtschaftlichen Vormacht- oder Monopolstellung des durch den Beschluss Begünstigten gegen die guten Sitten verstößt; so JBl 1979, 483: Zentralheizungsinstallationsarbeiten.
Der Missbrauch wirtschaftlicher Vormachtstellung führt leicht zur „Vereinbarung” einseitiger Vertragsbedingungen, zum Abnötigen von Verzichtserklärungen, überhaupt zum Abdingen nachgiebigen Rechts; Gschnitzer in Klang IV/1 2, 212. Die Rspr setzt hier der Vertragsfreiheit Grenzen. – Für die Frage der Zulässigkeit einer Freizeichnungsklausel ist also das Kriterium des Verschuldens nicht der einzige Bewertungsgesichtspunkt. Auch die Vorhersehbarkeit und Atypizität des Schadens spielt eine Rolle. Dazu kommt das Berücksichtigen wirtschaftlicher Übermacht und des Vorteils, den die Klausel dem Begünstigten bringen soll. – Praktisch stellen immer auch die übernommenen Vertragspflichten einen zentralen Beurteilungsgesichtspunkt dar.
Darüber hinaus erscheint ein Freizeichnen in Rechtsbeziehungen, die durch ein besonderes Vertrauen und gesteigerte Sorgfaltspflichten charakterisiert sind, problematisch. Das gilt bspw für die Arzt-Patient-Beziehung im Behandlungsvertrag (→ KAPITEL 10: Behandlungsvertrag ¿ Medizinhaftung) oder im Alten- oder Pflegeheimbereich.
Mitunter verbietet das Gesetz selbst eine Haftungsbeschränkung oder einen Haftungsausschluss (zB § 970a ABGB: Gastwirtehaftung → KAPITEL 3: Gesetzliche Gastwirtehaftung) oder senkt den Level der sonst geltenden allgemeinen Verschuldenshaftung auf ein niedrigeres Maß; so greift die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB erst ab grober Fahrlässigkeit → KAPITEL 10: Die Wegehalterhaftung des § 1319a ABGB.
Gesetzlicher Ausschluss der Freizeichnung
Erlaubt ist es aber nach hA bspw, die Haftung beim Hypothekardarlehen vertraglich auf bloße Sachhaftung zu beschränken, also die persönliche Haftung auszuschließen; vgl Gschnitzer in Klang IV/12 , 213 uH auf GlU 15.764 (1896).
Haftung beim Hypothekardarlehen
Zur Sachhaftung → KAPITEL 15: Sachhaftung.
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6. Mitverschulden: § 1304 ABGB
Mitverschulden spielt in der Schadenersatzpraxis eine wichtige Rolle. Es gibt immer wieder Konstellationen, bei denen auch der/die Geschädigte (selbst) zum Eintritt des Schadens beigetragenhat. Das ist rechtlich – aus Gerechtigkeitsüberlegungen – zu berücksichtigen.
So wichtig und richtig dieser Gedanke ist, so gerne und oft wird er missbraucht, indem geschädigten Prozessgegnern – gleichsam prohibitiv, dh um die drohende eigene Ersatzpflicht abzuwenden oder doch zu reduzieren! – argumentativ ein Mitverschulden „angedichtet” wird, das mitunter (aus Beweisgründen) schwer auszuräumen ist.
Unsitte: „Vorbeugende“ Geltendmachung
Etwa: Sie fahren als späterer Geschädigte/r allein mit dem Pkw und ein anderer Pkw fährt unachtsam aus einer Seitenstraße heraus, sodass es zur Kollision kommt. Der Schädiger hatte einen Beifahrer, und beide behaupten, Sie seien zu schnell gefahren.
Mitunter bewertet schon das Gesetz selbst, um unnötigen Streit zu vermeiden, gewisse Umstände als Mitverschulden; so in § 1299 letzter Satz oder § 1308 ABGB, aber auch die Verletzung der Gurtenanlege- oder Helmpflicht wird als ein den Schmerzengeldanspruch minderndes Mitverschulden angesehen.
Gurtenanlege- oder Helmpflicht
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 37/90 (1964): Mitverschulden nach § 1304 ABGB liegt auch vor, wenn sich der Beschädigte aus eigenem Verschulden in den Zustand der Sinneswirrung (Alkoholisierung) versetzt und in diesem Zustand den Schaden mitverursacht hat; § 1307 ABGB. Klägerin = Frau des Verstorbenen. Beklagte = zwei Männer, die den Mann der Klägerin aus dem Gasthaus ins Freie „befördert” hatten. Sachverhalt: Rupert L, der Gatte der Klägerin, betrank sich in einem Gasthaus und benahm sich in der Folge provozierend, weshalb er von den Beklagten aus dem Gasthaus entfernt und im Freien liegen gelassen wurde (15.1.1961). Da Winter war und große Kälte herrschte und Rupert L lange im Freien lag, zog er sich eine (schwere) Lungenentzündung zu, an der er tags darauf (16.1.1961) verstarb. – Die Klägerin verlangte von den Beklagten den Ersatz der Kosten des Totenmahles (2.338,50 S) sowie den Ersatz für ihren Entgang einer Rente von monatlich 400,– S. – OGH bewertete das provozierende Verhalten des Rupert L als 50%iges Mitverschulden.
Vgl auch die Mitverschuldensproblematik in EvBl 1983/90: Langlaufloipenfall → KAPITEL 11: Der ¿erste¿ Fall.
EvBl 1998/24: Mitverschulden des Patienten bei (schuldhafter) Versäumung einer Nachbehandlung; das Eigenverschulden des Patienten ist im Rahmen der Entscheidung über das Schmerzengeld zu berücksichtigen.
SZ 69/264 (1996): Schäfer-Rassehündin wird durch Mischlingsrüden gedeckt – Gleichteilige Schadensteilung nach § 1304 ABGB wegen Verletzung der Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflicht (§ 1320 ABGB) durch beide Hundehalter.
EvBl 1999/125: Zur Rettungspflicht des Anlegers – Einen nicht professionellen Anleger ist es nicht zumutbar eine Rettung durch Veränderung seiner Beteiligung in Angriff zu nehmen, zumal wenn er die Aktien steuerbegünstigt erworben hatte und im Fall einer Veräußerung innerhalb von zehn Jahren mit dem Rückersatz der Steuerbegünstigen rechnen musste.
ZVR 1998/11: Zwischen dem Teilnehmer einer Hochzeitsgesellschaft, der es beim Tanzen an der erforderlichen Aufmerksamkeit mangeln lässt und einer Kellnerin, die während des Tanzens ein Tablett mit heißen Suppen serviert, anstatt in der Tanzpause zu servieren, ist eine Schadensteilung von 1:1 gerechtfertigt.
ZVR 1968/12 (§ 20 Abs 1 StVO, § 1304 ABGB): Auch auf Autobahnen ist in der Nacht auf Sicht zu fahren. Bei Verwendung des Abblendlichts muss die gewählte Geschwindigkeit ein Anhalten innerhalb der ausgeleuchteten Strecke ermöglichen. Das Gebot des Fahrens auf Sicht wird bei Verwendung des Abblendlichts auf Autobahnen dann nicht verletzt, wenn die Fahrbahn durch entgegenkommende oder vorausfahrende Fahrzeuge ausgeleuchtet wird. – Zwischen einem Kfz-Lenker, der mit Abblendlicht auf der Autobahn eine Geschwindigkeit von 120 km/h einhält und einem anderen Kfz-Lenker, der mit seinem Pkw wegen Übermüdung ins Schleudern und auf der Autobahn auf dem Dach zum Stillstand kommt, ist eine Schadenteilung von 1:2 zu Lasten des übermüdeten Lenkers angemessen.
EvBl 2000/34: Mitverschulden des Ausstellers eines Verrechnungsschecks.
Die Feststellung von Mitverschulden erfolgt grobschlächtig; zB zu 1/3, 1/4, allenfalls 1/5, selten „feiner”!
Feststellung von Mitverschulden
Zu der aus § 1304 ABGB abgeleiteten – praktisch wichtigen – Schadensminderungspflicht des Geschädigten vgl auch → Mitverschulden: § 1304 ABGB (E-Beispiele zur Adäquanz → Mitverschulden: § 1304 ABGB) und SZ 36/37 (plastische Operation).
Schadensminderungspflicht
Aus § 1304 ABGB wird allgemein eine Verpflichtung des Geschädigten abgeleitet, seinen Schaden so gering wie möglich zu halten und die (Schadens)Folgen nicht durch Unterlassung erforderlicher Tätigkeiten zu vergrößern oder zu verlängern; sog Rettungspflicht: zB SZ 45/137 (1974). – Anzulegen ist dabei der Maßstab eines verständigen Durchschnittsmenschen; SZ 62/185 (1989). – Der Geschädigte hat ihm zumutbare Maßnahmen von sich aus und ohne Rücksicht auf das Verhalten des Schädigers zu setzen; JBl 1987, 723. – Der Geschädigte hat dabei (wie der Schädiger) schon leichte Fahrlässigkeit zu vertreten; SZ 39/170 (1966): So kann es geboten sein, ungerechtfertigte Ansprüche Dritter abzuwehren (SZ 62/185 [1989]), nicht aber sich auf einen Prozess mit höchst zweifelhaftem Ausgang einzulassen (SZ 62/185 = ecolex 1990, 143).
Rettungspflicht
Gesetzliche Mitverschuldensfiktionen kennt das KFG 1967 (BGBl 267) für die Verletzung der Sicherheitsgurt- und Sturzhelmanlegepflicht. Die Rechtsfolge besteht in einer Reduzierung des allfälligen Schmerzengeldanspruchs um den jeweiligen Mitverschuldensanteil. Die Rspr nimmt dabei einen strengen Standpunkt ein, bestimmt aber die Höhe der Mitverschuldensquote nach den Umständen des Einzelfalls; SZ 51/104 (1978). – Hinweise darauf, dass der Gurt verschmutzt gewesen sei, reichen ebenso wenig aus wie die Erklärung einer Schwangeren, dass sie sich bei Anlegung des Gurts beengt gefühlt habe.
Mitverschuldenfiktionen
Art III Abs 1 KFG 1967 enthält die Mitverschuldensanordnung, Abs 5 normiert, dass ein Nichterfüllen der in Abs 1 angeführten Verpflichtung auch eine Verwaltungsübertretung darstellt:
Art III Abs 1 KFG 1967
(1) Ist ein Sitzplatz eines Kraftfahrzeuges mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet, so sind Lenker und beförderte Personen, die einen solchen Sitzplatz benützen, je für sich zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes verpflichtet. Die Verletzung dieser Pflicht begründet, jedoch nur soweit es sich um einen allfälligen Schmerzengeldanspruch handelt, im Fall der Tötung oder Verletzung des Benützers durch einen Unfall ein Mitverschulden an diesen Folgen im Sinne des § 1304 ABGB. Das Mitverschulden ist so weit nicht gegeben, als der Geschädigte (sein Rechtsnachfolger) beweist, dass die Folge in dieser Schwere auch beim Gebrauch des Sicherheitsgurtes eingetreten wäre.
Rechtstatsachen zur Gurtenanlegepflicht / Gurtenanlegequoten:
Die Einführung der Gurtenanlegepflicht im Jahr 1984 bewirkte einen Anstieg der Anlegequote bei Pkw-Benützern auf den Vordersitzen auf 80 %, wobei diese danach wieder abnahm. So betrug sie im Jahr 1993 im Ortsgebiet nur mehr 57 %. Seither ist sie wieder gestiegen. Frauen verwenden den Sicherheitsgurt deutlich häufiger als Männer. Im Jahr 2002 lag die Gurtenanlegequote der Lenkerinnen bei 78,9 % und der Beifahrerinnen bei 85,2 % sowie der im Fond mitfahrenden Frauen bei 65 %, während die männlichen Lenker mit 72,1 %, die Beifahrer mit 66,9 % und die Mitfahrer mit 57 % vom Sicherheitsgurt wesentlich seltener Gebrauch machten. Insgesamt ist die Gurtenanlegequote bei (männlichen und weiblichen) Lenkern auf Autobahnen mit rund 77,5 % am höchsten, gefolgt von Freilandstraßen mit 77 % und dem Ortsgebiet mit 72,5 %. Sehr ähnlich ist die Quote bei BeifahrerInnen, wobei auffällt, dass Beifahrerinnen häufiger angegurtet sind als Lenkerinnen, während (männliche) Beifahrer den Sicherheitsgurt seltener anlegen als (männliche) Lenker. (Quelle: Kuratorium für Verkehrssicherheit, Verkehr in Österreich, Heft 34, Mai 2003).


Arten des Verschuldens
Abbildung 9.15:
Arten des Verschuldens


Konsequenzen der Verschuldensgrade
Abbildung 9.16:
Konsequenzen der Verschuldensgrade


Mitverschulden: § 1304 ABGB
Abbildung 9.17:
Mitverschulden: § 1304 ABGB
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IV. Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit gehört zu den vier Grundvoraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs. Der Schaden muss nicht nur entstanden und verursacht, sondern auch verschuldet und zudem rechtswidrig zugefügt worden sein. Davon existieren allerdings Ausnahmen. So statuiert das Haftpflichtrecht Ersatzpflichten ohne Verschulden. – Gefährdungshaftungen fehlt nach hA das Kriterium der Rechtswidrigkeit.
Literaturquelle
1. Verhaltens- und Erfolgsunrecht
Der Begriff Rechtswidrigkeit meint schon sprachlich: rechts- oder normwidriges Handeln / Verhalten, Widerspruch zum Recht, zur Rechtsordnung, zumal die Rechtsordnung jene Bewertungsmaßstäbe bereithält, die ein Verhalten oder einen Erfolg als rechtmäßig oder rechtswidrig erscheinen lassen.
Zusammen mit dem „Schaden” und der „Kausalität” ist die „Rechtswidrigkeit” eine sehr alte Zurechnungsvoraussetzung für den Ersatz von Schäden. Das Verschulden hat sich erst aus dem allgemeinen Verständnis der Rechtswidrigkeit entwickelt. Es war Drakon, der diesen Schritt gesetzt hat (624/3 v. C.). – Das römische Recht kannte sehr lange nur eine allgemeine Rechtswidrigkeit / iniuria: Das gilt nicht nur für das Zwölftafelgesetz (451/50 v. C.), sondern auch noch für die lex Aquilia (287/6 v. C.).
Im Bereich der Rechtswidrigkeit wird zwischen Verhaltens- (Handlungs- oder Unterlassungsunrecht) und Erfolgsunrecht unterschieden, je nachdem, ob ein Verstoß gegen ein von der Rechtsordnung erlassenes Verhaltensgebot oder einen von der Rechtsordnung verpönten Erfolg herbeigeführt wurde.
Beispiel
Rechtfertigungsgründe. – Eine an und für sich anzunehmende Rechtswidrigkeit wird durch das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes beseitigt. Es handelt sich bei den folgenden Rechtfertigungsgründen um vom Gesetz (§§ 19, 344 ABGB und §§ 3, 10 StGB) geduldete Selbsthilfemaßnahmen. – Beachte das Rechtssprichwort: Not, kennt kein Gebot.
Rechtfertigungsgründe
Rechtfertigungsgründe sind:
Notwehr (§ 19 Satz 2 und § 344 Satz 1 ABGB) und
Notstand (§ 1306a ABGB).
Notwehr: „(1) Nicht rechtswidrig handelt, wer sich nur der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren. Die Handlung ist jedoch nicht gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, daß dem Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung, insbesondere wegen der Schwere der zur Abwehr nötigen Beeinträchtigung des Angreifers, unangemessen ist.”
§ 3 StGB
„(2) Wer das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschreitet oder sich einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung (Abs. 1) bedient, ist, wenn dies lediglich aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken geschieht, nur strafbar, wenn die Überschreitung auf Fahrlässigkeit beruht und die fahrlässige Handlung mit Strafe bedroht ist.” – Sog Notwehrüberschreitung, -ekzess.
Entschuldigender Notstand: „(1) Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil von sich oder einem anderen abzuwenden, ist entschuldigt, wenn der aus der Tat drohende Schaden nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt als der Nachteil, den sie abwenden soll, und in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war.”
„(2) Der Täter ist nicht entschuldigt, wenn er sich der Gefahr ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund bewusst ausgesetzt hat. Der Täter ist wegen fahrlässiger Begehung zu bestrafen, wenn er die Voraussetzungen, unter denen seine Handlung entschuldigt wäre, in einem Irrtum angenommen hat, der auf Fahrlässigkeit beruhte, und die fahrlässige Begehung mit Strafe bedroht ist.”
Zu Selbsthilfe und Notwehr im Rahmen von Besitzstörung und Besitzschutz und die normativ funktionale Verknüpfung von grundsätzlichem bürgerlichem Selbsthilfeverbot, staatlicher Rechtsschutzgarantie sowie geduldeten letzten Resten der Selbsthilfe (Notwehr, Besitzwehr und Besitzkehr) bis hin zum Widerstandsrecht gegen den Staat in § 19 ABGB → KAPITEL 3: Verknüpfung von bürgerlichem Selbsthilfeverbot und staatlichem Rechtsverweigerungsverbot.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1953, 267: Bäuerliche Selbsthilfe gegen wildernde Hunde; Erschießen. Bei berechtigter Selbsthilfe ist kein Schadenersatz zu leisten, weil dieses Handeln nicht rechtswidrig ist, vielmehr nur angemessene Reaktion auf fremdes rechtswidriges Verhalten ist.
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2. Beweislast
Grundsätzlich hat der Geschädigte auch die Rechtswidrigkeit der Schadenszufügung durch den Schädiger zu beweisen; vgl etwa den Leitsatz, der im Anschluss wiedergegebenen E des OGH – EvBl 1995/74. – Die Rspr verlangt vom Geschädigten aber nur – und erleichtert ihm dadurch den Beweis, dass er die Umstände anzuführen hat, die auf eine Rechtswidrigkeit schließen lassen; also etwa der zugefügten Körperverletzung oder der erfolgten Sachbeschädigung eines Kraftfahrzeugs. – Das allfällige Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes hat dagegen der Schädiger zu beweisen. – Und: Stützt sich ein Schadenersatzanspruch auf ein rechtswidriges Unterlassen, hat der Geschädigte das Außerachtlassen der bestehenden Handlungspflicht zu beweisen.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1995/74: § 1293 ff ABGB: Die Rechtswidrigkeit einer Verletzungshandlung beim Kampfsport hat der Geschädigte zu beweisen. Rechtswidrig ist das Verhalten eines Fußballspielers erst dann, wenn es über einen typischen Regelverstoß hinausgeht, wie er beim Kampf um den Ball immer wieder vorkommt. (Gekürzt). Kläger = verletzter Fußballspieler. Beklagter = gegnerischer Spieler, der die Verletzung durch sein regelwidriges Verhalten herbeigeführt hat Bei einem Meis terschaftsspiel schlug der Beklagte mit gestrecktem Bein gegen das Standbein des Klägers, brachte ihn dadurch zu Fall und kam selbst zu Sturz. Der Kläger erlitt dabei einen Bruch des rechten Schien- und Wadenbeines. Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung des geforderten Schmerzengeldes. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der OGH gab der außerordentlichen Revision des Klägers Folge und stellte das Ersturteil wieder her. Aus den E-Gründen: Demnach ist die vom Geschädigten zu beweisende Rechtswidrigkeit einer Verletzungshandlung beim Kampfsport erst dann gegeben, wenn das Verhalten des Schädigers über einen beim Kampf um den Ball immer wieder vorkommenden typischen Regelverstoß hinausgeht. Nach Auffassung des erkennenden Senates trifft dies hier zu. Das Erstgericht hat festgestellt, dass der Beklagte nicht „den Ball”, sondern „den Mann” gespielt hat. Durch diese Spielweise wurde das in der Natur des Fußballsportes gelegene Risiko erheblich vergrößert. Der Regelverstoß des Beklagten ist demnach nicht als spieltypisch zu bezeichnen; sein Verhalten war rechtswidrig.
Literaturquelle


Rechtswidrigkeit
Abbildung 9.18:
Rechtswidrigkeit
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V. Lehre vom Schutzzweck der (verletzten) Norm – Rechtmäßiges Alternativverhalten
Das Schadenersatzrecht hat auch Vorsorge dafür zu treffen, dass Schäden nur in einem als „tragbar” zu bezeichnendem Umfang Schädigern zugerechnet werden. Nicht alles was mit dem Schadenseintritt in Zusammenhang steht, soll auch ersatzpflichtig machen! – Für eine erste Einschränkung des weiten Kausalzurechnungsspektrums sorgt bereits das Adäquanzkonzept, indem es das kausaltheoretisch anspruchslose Äquivalenzkonzept realistisch korrigiert → Die sog Äquivalenztheorie
Nicht alles macht ersatzpflichtig
1. Rechtswidrigkeitszusammenhang
Ein (weiteres) einschränkendes Korrektiv der Schadenszurechnung enthält die Lehre vom Schutzzweck der (verletzten) Norm (Normzwecklehre) oder – wie sie auch genannt wird – vom Rechtswidrigkeitszusammenhang. Ihre Kernaussage ist folgende: Ein eingetretener, adäquat verursachter Schaden wird einem Schädiger (trotz anzunehmender Adäquanz) nur dann zugerechnet, wenn die Norm, die der Schädiger verletzt hat, gerade auch einen derartigen Schaden vermeiden wollte. – Zurechnungsmäßig eingeschränkt wird dadurch der gesamte Schadenersatzbereich, also die deliktische wie die vertragliche Haftung, die Verschuldens- wie die Gefährdungshaftung. Man könnte auch sagen: Bei der Lehre vom Schutzzweck der Norm handle es sich um eine zweite Adäquanzprüfung, wobei hier nicht das Verhalten des Schädigers, sondern der Zweck der angewandten Norm auf seine Typizität / seinen Schutzzweck geprüft und mit dem eingetretenen Schaden verglichen wird. – Diese zweite Adäquanzprüfung kann das Ergebnis der ersten bestätigen oder korrigieren.
Die Rspr zieht diese Zurechnungsfigur zu Recht auch zur Bewältigung der Drittschadensproblematik (→ Drittschäden) heran; vgl etwa JBl 1966, 86: „Die Grenze zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden bestimmt sich nach dem Schutzzweck der verletzten gesetzlichen Norm.” Dieser Lösungsansatz gehörte zur Bewältigung der Drittschadensproblematik ausgebaut! – Wie weit der Normzweck reicht, ist Auslegungsfrage, wobei dafür die teleologische Auslegung im Vordergrund steht; vgl SZ 54/108 (1981). – Mehr als bisher könnte die Schutzzwecklehre auch zur Bestimmung des Ersatzumfangs deliktisch zugefügter Vermögensschäden genützt werden.
Drittschadensproblematik
Erfinder” der Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang war der berühmte österreichische Zivilrechtler Armin Ehrenzweig (System2 II/1, S. 48); dazu: Posch / Bernat, JBl 1985, 604. – Das Schrifttum bringt folgende Beispiele:
A. Ehrenzweig
Beispiel
Man sieht daran, dass der Rechtswidrigkeitszusammenhang sowohl eine zeitliche, wie eine normativ-inhaltliche Dimension besitzt.
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2. Rechtmäßiges Alternativverhalten
Modifizieren wir den Sachverhalt des letzten Beispiels nur geringfügig, um eine weitere einschränkende Zurechnungsfigur kennenzulernen, das sog rechtmäßige Alternativverhalten:
A fährt nun im Unfallszeitpunkt (im Ortsgebiet) immer noch 70 km/h und wieder torkelt ihm ein Betrunkener in die Fahrbahn. A haftet nicht, wenn er beweisen kann, dass der Unfall auch bei 50 km/h, also auch bei rechtmäßigem (Alternativ)Verhalten, nicht zu vermeiden gewesen wäre. Die Beweislast dafür trifft allerdings A, weil er ein Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB (StVO) verletzt hat.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1987, 104 → KAPITEL 10: Entscheidungsbeispiele zu den Kapiteln 9 und 10, „Fälle”: Ein erst in Facharztausbildung stehender Arzt darf nicht allein eine Narkose verabreichen. Tut er das dennoch und fügt er dabei durch Unterlassung einem Patienten Schaden zu, haftet er, wenn er nicht beweist, „dass auch ein erfahrener Arzt in gleicher Lage die indizierte Maßnahme unterlassen hätte”.
EvBl 1985/21: Fleischbeschautierarzt – Schutzzweck des Lebensmittelrechtes ist nicht die Sicherung der Beweislage dessen, der Lebensmittel in den Verkehr bringt, in einem späteren Gewährleistungsprozess; rechtswidriges Handeln des ... Tierarztes bei der Fleischbeschau steht in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit allfälligen Beweisschwierigkeiten in einem Rechtsstreit gegen den Lieferanten des Fleisches.
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
Für Deutschland vgl BGHZ 27, 137 (1958 mwH): „1. Auch bei Schadenersatzansprüchen, die aus § 823 Abs 1 dtBGB hergeleitet werden, ist zunächst zu prüfen, ob die Tatfolge, für die Ersatz begehrt wird, in den Schutzbereich des Gesetzes fällt, m.a.W.: ob der geltend gemachte Schaden aus der Verletzung eines Rechtsgutes entstanden ist, zu dessen Schutz das Gesetz erlassen worden ist. 2. Ein an einem Verkehrsunfall Beteiligter, der im Strafverfahren wegen des Unfalls freigesprochen worden ist, kann die Verteidigungskosten des Strafverfahrens nicht nach § 823 Abs 1 dtBGB von demjenigen ersetzt verlangen, der den Unfall schuldhaft herbeigeführt hat.”
SZ 69/214 (1996): Die Verfolgung eines Schädigers, der nach einem Kfz-Unfall Fahrerflucht begeht, durch den Geschädigten, ist vom Schutzzweck der Norm der §§ 4 und 97 Abs 5 StVO umfasst; der Rechtswidrigkeitszusammenhang ist gegeben. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten; Interessenabwägung. Der fahrerflüchtige Schädiger haftet also für die vom Geschädigten bei den in erlaubter Selbsthilfe gesetzten Verfolgungshandlungen erlittenen Schäden (an seinem Kfz); ein Mitverschulden des Geschädigten ist aber bei derartigen Verfolgungshandlungen denkbar.
OGH 26. 2. 2002, 1 Ob 32/02s, JBl 2002, 523 = EvBl 2002/119: Die Betreiberin einer Pfandleihanstalt nimmt als Sicherheit für einen Kredit an einen Kunden den Typenschein seines Pkw entgegen. Dieser meldet den Typenschein bei der Bundespolizeidirektion als verloren und lässt sich einen neuen ausstellen. Die Behörde ließ sich entgegen § 30 Abs 5 KFG den Verlust des alten Typenscheins nicht bescheinigen. Die Klägerin klagt nach AHG auf Schadenersatz. – OGH verneint Rechtswidrigkeitszusammenhang: § 30 Abs 5 KFG sei zwar eine Schutznorm iSd § 1311 ABGB, sie bezwecke aber nicht den Schutz zivilrechtlicher Ansprüche eines Darlehensgebers, der zur Sicherung der Rückzahlungsverpflichtung den Typenschein in seine Gewahrsame nimmt. Vielmehr soll die Bestimmung im öffentlichen Interesse ganz allgemein den Gefahren vorbeugen, die durch den Betrieb nicht typengerechter Fahrzeuge im Straßenverkehr hervorgerufen werden.
OGH 29. 1. 2002, 1 Ob 168/01i, JBl 2002, 390 = EvBl 2002/108: Gemeinnützige Bauvereinigung erwirbt eine Liegenschaft in der Nähe einer Chemiefabrik und räumt einer anderen gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft ein Baurecht gegen einen jährlichen Bauzins ein. Auf Grund extremer Geruchsbelästigung wurde jedoch keine Wohnbauförderung gewährt, weshalb der Baurechtsvertrag aufgelöst wurde. Bauvereinigung klagt die Republik aus Amtshaftung auf Ersatz des entgangenen Bauzinses. – OGH: Unterlässt die Gewerbebehörde rechtswidrig und schuldhaft die Herstellung des auflagengemäßen und gesetzmäßigen (bewilligungsgemäßen) Gewerbebetriebs, dann entsteht Amtshaftung für die dadurch verursachten Schäden (auch Vermögensschäden) von Anrainern. OGH bejaht aber auch den Rechtswidrigkeitszusammenhang für Sekundärschäden; GewO als Schutzgesetz (§ 1311 ABGB) für mittelbare Vermögensschäden.
OGH 26. 11. 2002, 1 Ob 253/02s, EvBl 2003/55: Bauherr will Bodenplatte für ein Haus im Pfusch herstellen lassen und erkundigt sich hinsichtlich des zu verwendenden Betons bei einem Baustoffhändler, der zu einem ungeeigneten Produkt rät. Im Schadenersatzprozess gegen den Baustoffhändler versucht sich dieser dadurch aus der Schlinge zu ziehen, dass er dem Bauherren vorwirft, sich nicht eines verwaltungsrechtlich vorgeschriebenen Bauführers bedient zu haben. – OGH weist den Versuch des beklagten Baustoffhändlers, den Schutzzweck der öffentlich-rechtlichen Norm so weit auszudehnen zurück und bejaht den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der OÖ. BauO und dem durch den Rat des Baustoffhändlers verursachten Schaden.
Zum Zusammenhang unserer Zurechnungsfigur mit § 1311 Satz 2 ABGB → Schadenersatz und Zufall: § 1311 ABGB
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VI. Beweislast und Anspruchsdurchsetzung
Die Bedeutung der Beweislast für die praktische Rechtsdurchsetzung ist groß und kann gar nicht genug betont werden. Sie wird hier im Zusammenhang mit dem Schadenersatzprozess behandelt, spielt aber auch in anderen privatrechtlichen Fragen dieselbe wichtige Rolle.
1. Beweislastüberlegungen
Überlegen Sie sich daher vor einem Prozess:
Was muss ich als Kläger oder Beklagter beweisen, um meinen Anspruch erfolgreich durchzusetzen oder den gegen mich erhobenen Anspruch abzuwehren? – Und:
Kann ich beweisen, was ich beweisen muss ?
Nur wenn Sie beide Fragen klar mit einem Ja beantworten können, ist ein Prozess sinnvoll. Denn die Frage der Beweislast entscheidet über Prozessgewinn und Prozessverlust. Und bedenken Sie: Was nützt es, Recht zu haben und es nicht beweisen zu können? – Daher sollte bei allen wichtigen Rechts- und Wirtschaftsakten immer auch an deren Beweisbarkeit gedacht werden; zB Zeugen, Schriftform.
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2. Beweislastregeln
Beweislastregeln werden sowohl vom Gesetzgeber angeordnet – vgl etwa § 970 Abs 1 Satz 1 ABGB (Gastwirtehaftung) – wie von der Rechtspraxis entwickelt.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 54/179 (1981)im Rahmen eines streitig gewordenen Kaufvertrags, wo die Frage zu klären war, ob den Verkäufer eines Alu-Schwimmbeckens gegenüber dem Käufer eine Warnpflicht traf oder nicht → KAPITEL 12: Verletzung der Warnpflicht: § 1168a.
OGH 26. 2. 2002, 1 Ob 175/01v, JBl 2002, 720: Bauarbeiten am Hausdach führen zu Wassereinritt und idF zum Absturz der über 100 Jahre alten Deckenstuckatur in einer Wohnung des obersten Stockwerks. – OGH bereitet didaktisch vorbildlich die Abgrenzung von alternativer, kumulativer und hypothetischer Kausalität auf. Für die Berücksichtigung überholender Kausalität muss danach feststehen, dass der gleiche Erfolg auch ohne das (reale) Schadensereignis „zu einem bestimmten Zeitpunkt” eingetreten wäre; es genügt nicht, dass der Erfolg „irgendwann” eintreten wird (zeitliche Bestimmbarkeit). Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der überholenden Kausalität trägt der Schädiger der überholenden Ursache.
Vgl auch → KAPITEL 7: Gewährleistung als ¿Schlecht-Erfüllung¿: Zugesicherte Eigenschaften.
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3. „Beweis-Last“
Man spricht von Beweis- Last, weil die gesetzliche Pflicht, im Prozess etwas – bei sonstigem Prozessverlust (!) – beweisen zu müssen, eine „Last” darstellt.
Im Prozess hat die Klägerseite die klagsbegründenden, die Beklagtenseite, die klagsabweisenden Umstände / Beweise, kurz: jede Partei die Voraussetzungen der für sie günstigeren Rechtsnormen darzutun, dh zu behaupten und zu beweisen. (Im Anschluss daran wird zwischen Behauptungslast und Beweislast unterschieden.) – Neben dieser Faustregel sind aber auch – wie erwähnt – besondere, nämlich gesetzlich statuierte oder von der Rspr entwickelte, Beweislastregeln zu beachten; dazu gleich mehr.
Faustregel
Unter Beweislast versteht man kurz gesagt: Wer im Prozess, was zu beweisen hat und wem dies, wenn er das zu Beweisende nicht beweisen kann, zum Nachteil gereicht (= Prozessverlust). – Vgl die Formulierung in GlUNF 370 (1898), wo das OLG Wien als 2. Instanz ausführt: „Da die Ersatzpflicht des Militäraerars aus einem außerordentlichen Verschulden eines Organes der Militärverwaltung abgeleitet wird, so obliegt gemäß § 1296 a.b.G.B. dem Kläger die Beweislast nicht nur in der Richtung, dass ihm ein Vermögensnachtheil von bestimmtem Umfange, und zwar durch eine vom Beklagten, beziehungsweise dessen Organ gesetzte Ursache entstanden sei [Schadensnachweis], sondern auch in der Richtung, dass in der schädigenden Handlung [Kausalität] ein Mangel jenes Fleißes und jener Aufmerksamkeit hervortritt, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (§ 1297 a.b.G.B.) [Veschulden]. Allein diesen Beweis hat der Kläger nicht erbracht ....”
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4. Sonderregeln der Rspr
Verständnis und Darstellung der Beweislast werden dadurch erschwert, weil die gesetzlichen Regeln durch die Rspr nicht nur ergänzt, sondern auch (contra legem!) korrigiert wurden und zudem immer wieder mit Ausnahmen durchsetzt sind. Die folgende Darstellung geht von den Grundregeln aus und versucht bestehende Ausnahmen nachzutragen. – Dabei erscheint es sinnvoll, zwischen der Beweislast für die einzelnen schadenersatzrechtlichen Zurechnungsvoraussetzungen – nämlich Schaden, Kausalität, Verschulden und Rechtswidrigkeit – zu unterscheiden, sie aber dennoch zusammenzufassen.
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5. „Non liquet”?
Zunächst: Was bedeutet – „Non liquet”? Wörtlich: Es besteht keine Klarheit.
„Eine Rechtsnorm ist nur anwendbar, wenn ihr abstrakter Tatbestand mit dem konkreten Sachverhalt übereinstimmt. Sie ist nicht anwendbar, wenn auch nur eine entscheidungserhebliche Tatsache widerlegt wird. Bisweilen lässt sich aber eine solche Tatsache nicht klären (non liquet): dann benachteiligt diese Ungewissheit jene Partei, welche die Rechtsnorm zum Prozeßsieg braucht.” (R. Holzhammer) – Die Beweislastregeln helfen demnach ein non liquet zu vermeiden!
Das Zivilgericht entscheidet nach den Regeln über die Beweislast gegen jene Partei, der der Beweis über nicht aufgeklärte Tatsachen oblegen wäre! – Im Strafrecht gilt diese Regel grundsätzlich nicht und es existiert auch keine Beweislast. Vielmehr gelangt der Grundsatz materieller Wahrheitssuche / -findung zur Anwendung (Amtswegigkeit), der in der Maxime gipfelt: In dubio pro reo. – Auch andere Verfahrensarten kennen keine Beweislast iSd Zivilprozesses; zB das Außerstreit- oder das Sozialgerichtsverfahren.
Strafrecht und Zivilrecht
Die rechtskulturellen Wurzeln des Grundsatzes „in dubio pro reo” liegen bereits im antiken Griechenland.
Die klare Unterscheidung zwischen Beweis-”last” und dem Grundsatz amtswegiger materieller Wahrheitssuche / Untersuchungsgrundsatz droht immer mehr verwischt zu werden. Darin liegt ein schwerer rechtskultureller Verlust.
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6. Beweislast für den „Schaden”
Dass Schaden entstanden ist, hat stets – dh sowohl bei deliktischer, wie vertraglicher Schadenszufügung – der Geschädigte zu beweisen; zB einen Kfz-Schaden durch ein Sachverständigengutachten oder eine Körperverletzung durch ärztliches Attest.
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7. Beweislast für das „Verschulden” (Schädiger)
Für die Deliktshaftung normiert § 1296 ABGB:
„Im Zweifel gilt die Vermutung, dass ein Schade ohne Verschulden eines andern entstanden sei.”
(1) Deliktshaftung
Die Beweislast trifft daher hier den Geschädigten.
Beweislast für das Verschulden des Schädigers bei bestehender vertraglicher oder gesetzlicher Beziehung: Besteht zwischen Schädiger und Geschädigtem zB eine vertragliche Beziehung, bleibt es nicht bei der normalen Beweislastverteilung nach § 1296 ABGB. Es kommt vielmehr zur Beweislastumkehr. Umkehr der Beweislast bei Vertragshaftung bedeutet nach § 1298 ABGB:
(2) Vertragliche oder gesetzliche Beziehung
„Wer vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen [oder gesetzlichen] Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sei, dem liegt der Beweis ob.”
Hier trifft also den Schädiger – und nicht wie bei deliktischer Haftung den Geschädigten! – die Beweislast dafür, dass ihn an der Schadenszufügung kein Verschulden trifft; insofern „Umkehr”! – Da aber der Schädiger oft seine Schuldlosigkeit nicht beweisen kann, gereicht ihm die gesetzlich auferlegte Beweislast zum prozessualen Nachteil; dh er verliert den Prozess.
„Umkehr” der Beweislast
Für den Schädiger besteht aber die grundsätzliche Möglichkeit, sich zu exkulpieren, dh sich dadurch freizubeweisen und haftungsmäßig zu „entlasten”, indem er seine Schuldlosigkeit beweist.
Exkulpieren = Freibeweisen
Sich freibeweisen zu können ist auch in anderem Zusammenhang von Bedeutung; vgl § 970 Abs 1, Satz 1 ABGB: Gastwirtehaftung (sog Freibeweis) → KAPITEL 3: Tatbestandsvoraussetzungen der Besitzstörung. – Zu unterscheiden davon ist die sog Freizeichnung → Verschulden (culpa)
Die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB wird auch auf vertragsähnliche Pflichten (cic → KAPITEL 6: Cic ¿ culpa in contrahendo) und die Verletzung von Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten angewandt. Zu den sog positiven Vertrags- oder Forderungsverletzungen → KAPITEL 7: Zur sog positiven Vertragsverletzung: Link. – Zur Schutzgesetzverletzung gleich unten.
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8. § 1298 Satz 2 ABGB
Mit Novelle, BGBl I 1997/6, wurde § 1298 ABGB ein zweiter Satz angefügt. Er lautet:
„Soweit er [sc der Schädiger] auf Grund vertraglicher Vereinbarung nur für grobe Fahrlässigkeit haftet, muss er auch beweisen, dass es an dieser Voraussetzung fehlt.”
Damit wird gesagt, dass dann, wenn der Schuldner seine Haftung (zulässigerweise) vertraglich auf grobe Fahrlässigkeit eingeschränkt (und leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen) hat – sog Freizeichnung, er auch beweisen muss, dass ihn keine grobe Fahrlässigkeit am Schadenseintritt trifft.
Das stellt insoferne eine Besserstellung des Geschädigten dar, als dadurch die Beweislast für grobes Verschulden im vertraglichen Bereich dem Schädiger auferlegt wird. Nach der Rspr hatte dies nämlich bisher der Geschädigte zu beweisen, dazu gleich unten.
Im Bereich deliktischer Haftung bleibt es allerdings – aufgrund des aus Satz 2 zu ziehenden Umkehrschlusses – dabei (!?), dass der Geschädigte grobes Verschulden (des Schädigers) zu beweisen hat; dazu gleich unten.
Literaturquelle
Die Frage der Beweislast für das Vorliegen von Verschulden ist von zentraler Bedeutung. Ausnahmen gelten aber nicht nur für diesen Bereich. Von der allgemeinen Beweislastregelung weicht das Gesetz selbst immer wieder ab und die Rspr tut ein weiteres und dreht – wie man das nennt – die Beweislast um (Beweislastumkehr) oder modifiziert sie wenigstens.
(3) Abweichungen der Rspr von der „normalen” gesetzlichen Beweislast:
Vorausgeeilte oder vom Gesetz abweichende Rspr wieder gesetzlich einzufangen stellt eine wichtige Aufgabe des Gesetzgebers dar, der er sich immer wieder zu stellen hat. Im Bereich der Beweislast hat der Gesetzgeber aber diesbezüglich versagt und die Eigenmächtigkeiten der Judikatur hingenommen. Der Rechtssicherheit und Gerechtigkeit dient das nicht.


Wer hat was im Prozess zu beweisen?
Abbildung 9.19:
Wer hat was im Prozess zu beweisen?
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9. § 1298 ABGB: Ausnahme von der Ausnahme
So regelt das ABGB, wie wir eben gehört haben, die Beweislast für das Verschulden als Zurechnungsvoraussetzung bei deliktischerSchadenszufügung in § 1296 ABGB. § 1298 ABGB statuiert für bereits bestehende „vertragsmäßige oder gesetzliche Verbindlichkeit[en]” – sog schuldrechtliche Sonderverbindlichkeiten, einschließlich der cic – die bereits behandelte wichtige Ausnahme.
Die Judikatur hat nun für den Bereich des § 1298 ABGB gleichsam eine Ausnahme von der Ausnahme eingeführt und wendet die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB nur an, wenn ein Schaden durch Nichterfüllung eingetreten ist; nicht aber, wenn ein Vertragspartner durch Schlechterfüllung – zB Gewährleistung! – geschädigt wurde.
Das hat zB „böse” Folgen für die Arzthaftung (→ KAPITEL 10: Medizinhaftung ¿ Beweislast), weil die Rspr hier verlangt, dass der Schadenersatz fordernde Patient, den Beweis eines Behandlungsfehlers des Arztes iS einer (objektiven) Sorgfaltsverletzung nach § 1299 ABGB zu erbringen hat und erst aus dem objektiven Beweis eines Behandlungsfehlers in der Folge in subjektiver Hinsicht, bis zum Beweis des Gegenteils, auf eine Sorgfaltsverletzung des Arztes geschlossen wird. Man kann nur beipflichten, wenn gesagt wurde, dass die Rspr hier eine „arztfreundliche” Haltung einnimmt (K. Kohlegger). Es wird aber immer wieder versucht, dieses Faktum zu leugnen, umzudrehen oder doch zu verzeichnen; auch von der Theorie.
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10. Bedeutung des Verschuldensgrades
Eine weitere gravierende Ausnahme von der gesetzlichen Beweislastregel des § 1298 ABGB macht – wie angedeutet – die stRspr in Bezug auf den Verschuldensgrad, der zu beweisen ist: Sie wendet nämlich die Umkehr der Beweislast nach § 1298 ABGB grundsätzlich nur auf den Bereich leichter Fahrlässigkeit an, was heißt, dass der Geschädigte – wie nach § 1296 ABGB! – bei deliktischer Schädigung grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz stets zu beweisen hat; vgl etwa JBl 1997, 390 oder JBl 1995, 248. – Auf die kleine Verbesserung durch § 1298 Satz 2 ABGB wurde hingewiesen.
Trotz Kritik des Schrifttums war die Rspr bislang nicht zu bewegen, von ihrem Standpunkt abzugehen, für den sie keine Begründung gegeben hat.
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11. Gesetzliche Ausnahmen
Gesetzliche Ausnahmen in puncto Beweislast finden sich bspw in den §§ 1319 und 1320 ABGB: Auch bei bloß deliktischer Schadenszufügung hat in diesen Fällen nicht der Geschädigte, sondern der Schädiger im Prozess zu beweisen, dass er bspw „für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung [des Tieres] gesorgt hat”; § 1320 ABGB. – Eine derartige Umkehr der Beweislast mindert die Prozesschancen des Beweis(last)pflichtigen.
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12. § 1311 Satz 2 ABGB: Schutzgesetzverletzung
Eine weitere wichtige Beweislastausnahme stützt die Rspr auf § 1311 Satz 2 ABGB:
„Hat aber jemand ... ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, übertreten ...”.
Damit wird für sog Schutzgesetzverletzungen eine Beweislastumkehr statuiert, die über den Bereich des Verschuldens hinausreicht und auch die Kausalität der Schadenszufügung mitumfasst. – Steht fest, dass ein Schutzgesetz übertreten wurde, was allerdings vom Geschädigten zu beweisen ist, dann gilt die (widerlegbare!) Vermutung, dass der Schädiger schuldhaft und kausal den Schadenseintritt herbeigeführt hat.
Mit dem Beweis der Schutzgesetzverletzung (die den Geschädigten trifft) ist auch die Frage der Rechtswidrigkeit geklärt! – Wurde bspw die StVO übertreten – Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit, muss der Fahrer beweisen, dass ihn am eingetretenen Unfall dennoch kein Verschulden trifft, was er idR nicht kann!
Schutzgesetze sind etwa: StVO, LebensmittelG, WeinG, PlasmaphareseG / BlutsicherheitsG (für Blutspender), GefahrgutbeförderungsG 1998 samt GGBVO, die Bauordnungen der Länder, KAKuG und ÄrzteG. – Schutzgesetze sind der gesamten Rechtsordnung zu entnehmen.
Literaturquelle Rechtssprechungsbeispiel
JBl 2000, 169: Schadenersatzansprüche eines Blutspenders wegen Hepatitis-C-Infektion (Leberzirrhose)– Die §§ 3, 15 und 8 Abs 2 Z 2 PlasmaphareseG (jetzt: BlutsicherheitsG) sind Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB;
ZVR 1998/3: Bei Verletzung eines Schutzgesetzes (§§ 1298 und 1311 ABGB, § 7 StVO) hat der Schädiger nachzuweisen, dass dies ohne sein Verschulden geschehen ist. Der Lenker eines Kfz, das auf die linke Fahrbahnhälfte geraten ist, hat zu beweisen, dass er unverschuldet daran gehindert war, dem Rechtsfahrgebot zu entsprechen. Allfällige Unklarheiten gehen zu seinen Lasten.
SZ 51/109 (1981): Verkehrsunfall – Schutzgesetze begründen gesetzliche Verbindlichkeiten iSd § 1298 ABGB;
SZ 63/217 (1990): Verletzung von zugunsten dinglicher Berechtigten bestehenden Schutznormen im Rahmen einer Enteignung.
SZ 51/88 (1978): § 85 GmbHG als Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger; Verletzung der Konkursantragspflicht durch den Geschäftsführer einer GmbH.
EvBl 2000/41: Eine interne Arbeitsanweisung ist keine Schutznorm iSd § 1311 ABGB. Ein durch einen Verstoß gegen die Anweisung entstandener Schaden ist nur dann verschuldet, wenn der Schaden voraussehbar war; dafür genügt das Bestehen der Anweisung allein nicht.
OGH 14. 9. 1999, 4 Ob 216/99i („Kurzschluss”), EvBl 2000/41: Heizungsanlage eines Wohnblocks fällt wegen eines Kurzschlusses aus, worauf der Gatte der Hausbesorgerin beim zuständigen EVU anruft. Ein Techniker sagt zu, umgehend zu kommen und ersucht den Anrufer, vor dem Haus auf ihn zu warten. Auf dem Weg entschließt sich der Techniker dann aber doch dazu, zuerst zur Trafostation zu fahren, weil er einen allgemeinen Stromausfall vermutet. Da er nicht so rasch erscheint, begibt sich der Anrufer in den Keller des Hauses zum Schalterschrank, öffnet diesen und im selben Moment schaltet der Techniker den Hauptleistungsschalter der Trafostation wieder ein. Dadurch entsteht ein Lichtbogen, der den Anrufer schwer verletzt. – OGH qualifiziert die interne Betriebsanleitung des EVU (das Technikern vorschreibt, zuerst zum Anrufer zu fahren) nicht als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB. OGH verneint auch die Vorhersehbarkeit des Adäquanzurteils. (?)
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13. Beweislast für die Kausalität (des Schädigers)
Zur Beweislast für die Kausalität (des Schädigers) → Beweislast für die Kausalität (des Schädigers)
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14. Beweislast für die Rechtswidrigkeit
Zur Beweislast für die Rechtswidrigkeit → Beweislast für die Rechtswidrigkeit
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15. Der Anscheins- oder Prima Facie-Beweis:
Der Zweck des Anscheinsbeweises liegt in einer Beweiserleichterung, insbesondere des Verschuldens, aber auch des Kausalitätsbeweises idR für Geschädigte / Kläger. – Die Judikatur ist aber in ihrem Urteil wankelmütig, wie das folgende Beispiel zeigt, wo trotz schwerer Schutzgesetzverletzung der Anscheinsbeweis nicht angewandt wird. Dadurch wird diese wichtige Beweiserleichterung entwertet.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 21. 12. 2000, 2 Ob 339/00t, JBl 2001, 450: Bei einem Autounfall im Begegnungsverkehr erleiden beide Fahrzeuglenker schwere Verletzungen. Es war dämmrig und schneite stark. Der schwer alkoholisierte Beklagte geriet nachweislich mehrmals über die Fahrbahnmitte auf die Gegenfahrbahn. Ob dies jedoch auch im Augenblick des Zusammenstoßes der Fall war, konnte nicht mehr festgestellt werden. – OGH erklärt Beweislastumkehr wegen Schutzgesetzverletzung trotz hoher Alkoholisierung (1,8 – 2,1 ‰!) für nicht anwendbar und lehnt einen (Kausalitäts)Anscheinsbeweis ab. (?)
OGH 29. 5. 2000, 2 Ob 133/99v, SZ 73/107: Vom Konto eines Lehrlings werden via Bankomat zweimal 5.000 S abgehoben. Er behauptet, es liege ein Missbrauch vor und verlangt Gutschrift in der entsprechenden Höhe. Die Bank hält dem ihre AGB entgegen, die einen Haftungsausschluss normieren. Es kommt zu einer Verbandsklage; § 29 KSchG. – OGH: Der Haftungsausschluss von Banken für technischen Missbrauch von Bankomatkarten (ohne Verschulden des Kunden) ist im Gegensatz zum Haftungsausschluss für Missbrauch wegen Verlustes gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig. Sofern der richtige PIN-Code verwendet wurde, spricht der Beweis des ersten Anscheins (prima facie Beweis) für eine Nutzung der Karte durch den Karteninhaber selbst oder für eine Verletzung der Geheimhaltungspflicht; dieser Anscheinsbeweis kann jedoch durch den Karteninhaber dadurch erschüttert werden, dass er die ernsthafte Möglichkeit eines atypichen Geschehensablaufs beweist (was dem Lehrling im konkreten Fall gelungen ist).
Es geht beim Anscheinsbeweis um Beweiserleichterung mittels Erfahrungssätzen betreffend typische Geschehensabläufe. – Der Schluss dabei ist folgender: Bestimmte Geschehensabläufe sind typisch, daher ist es wahrscheinlich, dass auch im zu beurteilenden Fall ein derart typischer und kein atypischer Geschehens- und Kausalablauf vorliegt. Es geht also darum, bestimmte Tatsachen zu beweisen, von denen dann typischerweise auf einen wahrscheinlichen (weiteren) Kausalablauf geschlossen werden kann. Vgl diesbezüglich etwa die eben erwähnte problematische Alkohol-E: JBl 2001, 450.
Beweiserleichterung mittels Erfahrungssätzen
Beweist der Geschädigte (Kläger), dass die Schädigung nur durch das Verhalten des Schädigers (Beklagter) eingetreten sein kann (res ipsa loquitur), dann obliegt dem Schädiger (Beklagten) der Gegenbeweis, dass er trotzdem schuldlos oder nicht ursächlich gewesen ist.
res ipsa loquitur
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
Vgl aber SZ 57/20: Für das Abhandenkommen eines Schmuckstücks aus einem Hotelzimmer gibt es keinen typischen Geschehensablauf, weshalb hier ein Prima Facie-Beweis nicht in Betracht kommt. – Dieses Beispiel lehrt uns, dass der Anscheinsbeweis nicht immer anwendbar ist!
OGH 4.5.1999, 10 ObS 423/98y: Ereignet sich der Unfall auf eine Art, die geradezu typisch für Unfälle ist, die die Folge der Alkoholbeeinträchtigung des Lenkers sind, so ist dem Sozialversicherungsträger vorerst der Beweis des ersten Anscheins gelungen, dass der Unfall seine Ursache nicht in den üblichen Gefahren des Arbeitsweges hatte, sondern die Folge der Alkoholisierung des Versicherten war. Der Versicherte hat dann darzutun, dass nicht die Alkoholisierung, sondern andere Ursachen den Unfall auslösten. Ein Anscheinsbeweis ist unzulässig, wenn kein Sachverhalt mit typisch formelhaftem Geschehensablauf vorliegt. Bei Fußgängern kann bspw, anders als bei Autofahrern, kein Grenzwert für eine absolute Verkehrsuntauglichkeit festgelegt werden. – Der Anscheinsbeweis findet auch in der gesetzlichen Unfallversicherung Anwendung.
Große praktische Bedeutung besitzt der Anscheinsbeweis im Bereich der Medizin (Arzt-/Medizinhaftung) für Behandlungsfehler, wo – wie eben ausgeführt – nach stRspr der Geschädigte (Patient) grundsätzlich die Beweislast dafür trägt, dass der Beklagte (Arzt oder die Krankenanstalt) einen Behandlungsfehler iSd § 1299 ABGB zu vertreten hat. Da dieser Beweis oft schwer zu führen ist, gewährt die Rspr Beweiserleichterungen in Gestalt des Anscheinsbeweises; vgl zuletzt etwa JBl 1999, 246 (ärztlicher Behandlungsfehler) oder JBl 1996, 181 (alternative Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Zufall) sowie JBl 1994, 540 (alternative Kausalität bei der Arzthaftung.
Behandlungsfehler
Probleme bereitet aber immer wieder die Frage, wann ein Anscheinsbeweis als erschüttert anzusehen ist, zumal dafür unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Zu folgen ist hier Reischauer (in Rummel2 § 1296 Rz 4), der für die Erschütterung des Anscheinsbeweises den Nachweis von Tatsachen fordert, die einen Schluss auf einen anderen Geschehensablauf zulassen, „der zumindest ebenso / gleich wahrscheinlich ist”.
Erschütterung des Anscheinsbeweises
Daneben ranken sich zahlreiche Einzel- oder Sonderprobleme um die Fragen von Beweislast und Anscheinsbeweis; vgl etwa JBl 1999, 465: Beweislast bei einem Schiunfall im Falle eines Mitverschuldeneinwands des Schädigers.
Zur Beweiserleichterung im Bereich von Gefährdungshaftungen Es handelt sich dabei bspw um gesetzliche Verursachungsvermutungen oder Auskunftsansprüche.
Gefährdungshaftungen


Beweislast
Abbildung 9.20:
Beweislast


Non liquet (1)
Abbildung 9.21:
Non liquet (1)


Non liquet (2)
Abbildung 9.22:
Non liquet (2)


Beweislast im Schadenersatzprozeß
Abbildung 9.23:
Beweislast im Schadenersatzprozeß


Beweislast bei Delikts- und Vertragshaftung
Abbildung 9.24:
Beweislast bei Delikts- und Vertragshaftung


Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB
Abbildung 9.25:
Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB


Sonderformen der Beweislast
Abbildung 9.26:
Sonderformen der Beweislast


Der Prima-Facie-Beweis
Abbildung 9.27:
Der Prima-Facie-Beweis
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C. „Wie” ist Schaden zu ersetzen?
Literaturquelle
Steht einmal fest, „dass” entstandener Schaden zu ersetzen ist, stellt sich die Frage, „wie” er zu ersetzen ist? – Das ABGB steht dabei auf dem Standpunkt des Naturalersatzes. – Dazu kommt, dass es im ABGB keine einheitlichen Regeln für den Ersatz aller Schadensarten gibt. Das Gesetz unterscheidet vielmehr als große Gruppen des Ersatzes zwischen:
Naturalersatz
Vermögensschäden (→ Vermögensschäden) und
Nicht-Vermögensschäden, nämlich Körperschäden, Ehrverletzungen, Freiheitsbeschränkungen, Verletzungen der geschlechtlichen Selbstbestimmung, überhaupt Persönlichkeitsrechtsverletzungen → Körperverletzung und Tötung
Im Rahmen des (Natural)Ersatzes handelt die Rspr traditionellerweise über den „Kern” dieses Fragenbereichs hinaus, weitere Fragestellungen ab, die in der Folge ebenfalls kurz angesprochen werden. Das betrifft den merkantilen Minderwert, fiktive Reparaturkosten, die Kosten eines Ersatzfahrzeugs (sog Nutzungsausfall), die Frage des Ersatzes der Umsatzsteuer und das Problem des Ersatzes der sog Betriebsreservekosten → Sonderprobleme des Vermögensschadens
I. Was heißt Naturalrestitution?
Nach § 1323 ABGB, „muss alles in den vorigen Stand zurückversetzt” (sog Naturalrestitution), und nur, „wenn dieses nicht [möglich oder] tunlich ist, der Schätzungswert” (= Geldersatz) vergütet werden.
Untunlichbedeutet vor allem unwirtschaftlich, aber auch unzumutbar, was bei Kraftfahrzeugschäden eine Rolle spielt; zB Reparaturkosten überschreiten den sog Zeitwert eines Kraftfahrzeugs deutlich.
„Untunlich“
Anders als das römische Recht, das den Standpunkt des Geldersatzes vertrat – omnis comdemnatio pecuniaria est, ordnet das ABGB primär Naturalersatz an, gibt also dem Herstellen eines grundsätzlich gleichartigen / gleichwertigen Ersatzes den Vorrang vor dem Geldersatz.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 4/91 (1922): Diebstahl eines Gummimantels → KAPITEL 10: Entscheidungsbeispiele zu den Kapiteln 9 und 10: Fälle zum Schadenersatzrecht (Link).
SZ 19/205 (1937): Klosettmitbenützung → KAPITEL 11: Verletzung fremder Forderungsrechte. Diese E macht deutlich, dass Naturalersatz iS einer „widerruflichen” Beschädigung nach § 1294 ABGB für die Haftung ex delicto wie ex contractu gilt → Vertrags- und Deliktshaftung
1. Natural- oder Geldersatz?
Die Rspr gewährt dem Geschädigten aber das Recht zwischen Natural- und Geldersatz zu wählen; vgl EvBl 2000/104 gleich unten: Das Wahlrecht des Geschädigten ist aber dadurch begrenzt, dass die Naturalherstellung möglich und – auch aus der Sicht des Schädigers – tunlich sein muss. In diesem Sinne ist Naturalersatz untunlich, wenn das Interesse des Schädigers am Geldersatz unverhältnismäßig größer ist als das Interesse des Geschädigten am Naturalersatz; SZ 49/139 oder 63/53. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Wiederherstellung unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Kriterien wegen der hohen Kosten nicht zumutbar und sinnvoll erscheint; SZ 68/101. – Ist die Naturalherstellung sowohl möglich als auch tunlich, steht es dem Geschädigten frei, entweder Wiederherstellung des vorigen Zustands oder Geldersatz zu verlangen. Die Rspr bindet jedoch – Reischauer folgend – den Geschädigten wie einen Wahlschuldner nach § 906 ABGB (→ KAPITEL 7: Die Wahlschuld oder Alternativobligation) grundsätzlich an seine getroffene Wahl; EvBl 2000/104.
Eine Kfz-Reparatur, zB Ausbeulen der Dellen und Bezahlung dafür, ist danach Naturalersatz, obwohl der Schädiger dabei Geld zu zahlen hat.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 41/150 (1968): Schlägerung eines Bannwaldes beim Bau der Felbertauernstraße. Gericht verpflichtete Schädiger ua zum Bau von Lawinenschutzbauten, was auf einen subsidiären Naturalersatz hinausläuft.
Vgl auch SZ 7/301 Servituten → KAPITEL 8: Dingliche Wirkung nur bei Verbücherung; nichtverbücherte Personalservitut (Wohnungsrecht).
OGH 21. 12. 1999, 4 Ob 343/99s, EvBl 2000/104: Eine Baufirma (Generalunternehmer) errichtet auf dem Nachbargrundstück des Klägers eine Wohnhausanlage. Dabei reißt ein Subunternehmer eigenmächtig den Zaun des Klägers nieder. Dieser klagt zuerst die Baufirma auf Schadenersatz und als diese in Ausgleich geht, den Subunternehmer. – OGH: Ist die Naturalherstellung sowohl möglich als auch tunlich, so steht es dem Geschädigten frei, entweder Wiederherstellung des vorigen Zustandes oder Geldersatz zu wählen. OGH betrachtet die Wahl nach § 1323 ABGB als Anwendungsfall der Wahlschuld (§ 906 ABGB) und betont, dass die einmal getroffene Wahl endgültig ist. Die Annahme der Ausgleichsquote im Ausgleichsverfahren gilt nicht als Verzicht auf Naturalrestitution.
Fügt ein Arzt einem Patienten bspw einen bleibenden Gesundheitsschaden zu, ist Naturalersatz nicht (mehr) möglich. Daher werden solche Schadenersatzprozesse typischerweise um Geldbeträge geführt. Dabei werden sowohl einmalige Geldbeträge, wie Renten bei bleibenden Körperschäden zugesprochen, die wiederum auf Zeit, lebenslänglich oder auf unbestimmte Zeit zuerkannt werden können. – Mehr zum Ersatz von Körperschäden → Körperverletzung und Tötung Zur abstrakten Rente → Die abstrakte Rente
Einmaliger Geldbetrag oder Rente
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2. Schadensbehebung
Wer entscheidet über die Art der Vornahme der Schadensbehebung durch Naturalersatz? – Grundsätzlich der Geschädigte, der die Reparatur auch selbst durchführen kann. Er entscheidet auch wo die Reparatur durchgeführt wird oder welcher Arzt die nötige Heilbehandlung oder Operation ausführt. Dem Schädiger stehen aber Kontrollrechte zu; vgl die typische Praxis bei Kraftfahrzeugschäden: Die gegnerische Versicherung besichtigt das beschädigte Kraftfahrzeug in der Werkstätte.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1988, 319: Lkw fuhr mit angehobenem Kranarm über eine Eisenbahnkreuzung und beschädigte die Oberleitung. – OGH: Der für die Vornahme der Naturalrestitution besser als der Schädiger ausgerüstete Geschädigte kann diese selbst durchführen und Ersatz des dafür notwendigen und nützlichen Aufwands verlangen.
EvBl 2000/104: Wahl zwischen Natural- und Geldersatz.
Ist dem Geschädigten Naturalersatz nicht zumutbar, braucht er sich diesen vom Schädiger nicht aufdrängen zu lassen.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1954/328: Schadenersatzanspruch des verdrängten Mieters gegen den vertragsbrüchigen Hauseigentümer: Ersatzwohnung oder Geld? Mieter muss sich eine bestimmte Ersatzwohnung nicht aufdrängen lassen!
SZ 24/312 (1951): Zur Frage der Untunlichkeit des Naturalersatzes einer Sache, die im Zeitpunkt ihrer Zerstörung bereits beschädigt war; Hauseinsturz durch Straßenbauarbeiten (§ 364b ABGB).
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3. Zeitpunkt der Schadensberechnung?
Die Judikatur stellt hinsichtlich des Zeitpunkts der Schadensberechnung auf den Eintritt des Schadens ab, was nicht (immer) mit dem Zeitpunkt des Schadensereignisses gleichzusetzen ist. Vgl dazu auch → Spät- oder Folgeschäden: Spät- oder Folgeschäden.
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4. Geldwertschuld
Die Schadenersatzleistung des Schädigers begründet eine Geldwert- und nicht nur eine Geldbetragsschuld; zur Unterscheidung → Körperverletzung und Tötung Die Ersatzleistung ist daher aufzuwerten, wenn zwischen schädigendem Ereignis und Erbringung des Schadenersatzes ein längerer Zeitraum verstrichen und dadurch der geschuldete Betrag nicht unwesentlich entwertet wurde. – Das gilt natürlich vor allem dann, wenn der Ersatz in Form einer Rente entrichtet wird.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1953, 267: Aus der Bestimmung des § 1323 ABGB folgt, dass der Schädiger das aufwenden muss, was erforderlich ist, damit sich der Geschädigte in der gleichen Vermögenslage wie früher befindet.
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II. Arten des Ersatzes: §§ 1323 ff ABGB
Das „Wie” des Ersatzes hängt aber – wie wir schon wissen – auch davon ab, um welche Art von Schaden es sich handelt. Das Gesetz kennt nämlich unterschiedliche Regeln für Körper- oder Personenschäden (→ Körperverletzung und Tötung) und Vermögensschäden ( → Vermögensschäden). – Immaterielle Schäden (relevant vor allem bei Körper- und Persönlichkeitsschäden) sind nach der Rspr nur dort Gegenstand des Ersatzes, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht; zB nach § 1325 ABGB in Form von Schmerzengeld. An einer Reform dieses Bereichs wird gearbeitet. Ein Ausufern der Ansprüche ist dabei zu vermeiden.
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III. Vermögensschäden
Für den Ersatz von Vermögensschäden ordnet § 1323 Satz 2 iVm den §§ 1331 und 1332 ABGB an (vgl schon → Verschulden (culpa)):
„Schadloshaltung” = Ersatz des erlittenen / wirklichen / positiven Schadens oder
„volle Genugtuung” = erlittener Schaden + entgangener Gewinn + Tilgung der verursachten Beleidigung (worunter vom Schrifttum die Anordnung für den Ersatz immaterieller Schäden verstanden wird).
• Wurde der „Schade vermittelst einer durch ein Strafgesetz verbotenen Handlung, oder aus Mutwillen und Schadenfreude verursacht”, kann der Beschädigte auch den „Wert der besonderen Vorliebe” fordern.
1. Schwere des Verschuldens
Die Höhe/der Umfang des Ersatzes – ob bloße Schadloshaltung, volle Genugtuung oder Wert der besonderen Vorliebe – bestimmt sich im ABGB nach der Schwere, also dem Grad des Verschuldens des Schädigers → Verschulden (culpa)
§ 1332 ABGB ordnet dazu an, dass ein leicht fahrlässig zugefügter „Schade”, „nach dem gemeinen Wert [§ 305 ABGB], den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte”, zu ersetzen ist. Dazu → KAPITEL 9: § 1332 ABGB: gemeiner Wert.
Gemeiner Wert
§ 1332a ABGB enthält eine (mit BGBl 1988/179 eingeführte) Sonderregelung darüber, welche Kosten ein „verständiger Tierhalter” ersetzt verlangen kann, wenn sein Tier verletzt wird.
Literaturquelle Literaturquelle
In der Folge werden einige Sonderprobleme des Vermögensschadens behandelt: Fiktive Reparaturkosten, merkantiler Minderwert, sog Nutzungsausfall, Ersatz der Umsatzsteuer, Betriebsreservekosten und Ersatz „alt durch neu“.
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IV. Sonderprobleme des Vermögensschadens
1. Fiktive Reparaturkosten
Ein Problem der Schadensabwicklungs- oder Liquidationspraxis von Sachschäden stellen die sog fiktiven Reparaturkosten dar. Bei der Unfallreparatur von Kraftfahrzeugen stand nämlich Geschädigten lange nicht nur der Anspruch auf eine (§ 1323 ABGB entsprechende) ordnungsgemäß durchgeführte Reparatur (zB durch eine Werkstätte) zu, sondern nach stRspr des OGH auch ein – alternativer – Anspruch auf Auszahlung der fiktiven Reparaturkosten (auch ohne Reparaturnachweis); sog Unfallreparaturkostenablöse. – Dagegen argumentierten die Karosseriefachbetriebe, dass diese Praxis den Pfusch und unlautere Manipulationen geradezu fördere. Der OGH ist von seiner lange vertretenen Position (durch die E eines verstärkten Senats abgerückt und vertritt nunmehr die Meinung, dass fiktive Reparaturkosten dann nicht zu ersetzen sind, wenn feststeht, dass eine Schadensbehebung überhaupt nicht erfolgen wird.
Die Rspr ist mittlerweile auch von ihrer lange vertretenen Meinung abgegangen, wonach auch Heilungskosten und Betreuungsleistungen abstrakt zu berechnen seien: SZ 70/220 (1997: verst Senat) = ZVR 1998/32 sowie JAP 1999/2000, H.2, 79 → Drittschäden
Literaturquelle
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2. Merkantiler Minderwert
Beim Ersatz von Kraftfahrzeugsachschäden ist der sog merkantile Minderwert zu berücksichtigen; vgl ZVR 1959/95. Das gilt auch bei Naturalersatz. Da diese Form des Ersatzes nicht in Natur erbracht werden kann, ist sie (stets) in Geld zu leisten.
Der von der Rspr herausgearbeitete Grundgedanke dafür ist folgender: Auch bei einwandfreier Reparatur (insbesondere neuer Kraftfahrzeuge), ist ein Auto weniger Wert als vorher, da beim Käuferpublikum eine gefühlsmäßige Abneigung gegen Unfallfahrzeuge besteht; vgl ZVR 1977/298 und 1983/280. Das durchschnittliche Käuferpublikum begehrt beim Kauf eines Unfallfahrzeugs erfahrungsgemäß einen Preisnachlass; vgl ZVR 1985/131. – Der merkaile Minderwert soll diese potentielle Verkaufseinbuße ausgleichen. Der merkantile Minderwert ist Ersatz wirklichen / positiven Schadens und ist objektiv zu berechnen; vgl ZVR 1990/49.
Grundgedanke
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3. Ersatzfahrzeug – sog Nutzungsausfall
Der Besitzer eines beschädigten Kraftfahrzeugs hat grundsätzlich auch während der Reparatur seines Fahrzeugs einen Anspruch auf ein Ersatzfahrzeug. Dafür stellt es keine Voraussetzung dar, dass die von ihm beabsichtigten Fahrten wirtschaftlich notwendig sind; vgl ZVR 1973/31 = SZ 45/48. – Die bloße Gebrauchsmöglichkeit stellt aber neben dem Substanzwert des Eigentums nach hA keinen selbständigen Vermögenswert dar; vgl ZVR 1994/39. Daher gebührt auch keine Entschädigung für den bloßen Verlust der Möglichkeit, das eigene Kraftfahrzeug während der Zeit der unfallbedingten Reparatur benützen zu können (sog Nutzungsausfall); vgl EvBl 1969/283 = SZ 42/33.
In der Praxis verzichten viele Kraftfahrzeughalter ihrem Versicherer gegenüber auf das ihnen an und für sich zustehende Recht auf ein Ersatzfahrzeug und zahlen dadurch eine ermäßigte Versicherungsprämie. Der (Voraus)Verzicht des Haftpflichtversicherten auf Stellung eines Ersatzfahrzeugs im Rahmen des sog (Versicherungs)Spalttarifs wurde vom OGH weder als rechtsunwirksam, noch sittenwidrig angesehen; vgl EvBl 1975/134 = SZ 48/22.
Literaturquelle
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4. Ersatz der Umsatzsteuer?
Die Rspr spricht bei Schadenersatzansprüchen auch die Umsatzsteuer zu; vgl SZ 50/8 (1977). – Die Naturalrestitution durch den Schädiger selbst ist aber nicht umsatzsteuerpflichtig; SZ 63/46 (1990).
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5. Betriebsreservekosten
Die Frage des Ersatzes von Vorsorgekosten des Geschädigten – sog Betriebsreservekosten – stellt sich dann, wenn bspw der Halter eines beschädigten Kfz – zB ein Autobusunternehmer oder Städtische Verkehrsbetriebe – für die Reparaturdauer einen eigenen (häufig dafür angeschafften) Reservewagen einsetzt. – Frage: Treffen den Schädiger im Rahmen seiner Ersatzpflicht auch anteilige Kosten für die Anschaffung und Wartung / Haltung von Ersatzfahrzeugen? – Ja. Die Rspr sprach lange Kostenersatz nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag ( → KAPITEL 12: Geschäftsführung ohne Auftrag) zu; vgl SZ 45/137 (1972) oder SZ 60/65 (1987). Eine Judikaturwende brachte SZ 64/87 (1991) = JBl 1992, 325: Ampelbeschädigung – Polizisten regeln (ersatzweise) den Verkehr.
Der OGH bejahte in dieser E die Ersatzfähigkeit von Verkehrsüberwachungskosten (in Entsprechung zu den hier behandelten Betriebsreservekosten) und stützte sich nicht mehr auf die GoA-Konstruktion; statt dessen Einordnung ins allgemeine Schadenersatzrecht, was vorzuziehen ist.
Beachte
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6. Ersatz „alt durch neu”
Wird eine gebrauchte Sache beschädigt oder zerstört, muss oft eine neue Sache angeschafft werden. Die Praxis hat für diese häufige Konstellation den Abzug neu für alt” entwickelt. Ein solcher Abzug erscheint jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die neue oder reparierte Sache deutlich wertvoller als die alte (geworden) ist. Über die Höhe des Abzugs gehen die Meinungen auseinander. – Mit Gschnitzer (SchRBesT2) gilt es zu bedenken:
„Auch beim Ersatz alt durch neu ist nicht kleinlich vorzugehen. Nicht jeder ‚Mehrwert’ ist zu vergüten. Das Problem stellt sich nur dann, wenn die neue Sache wesentlich mehr wert ist als die alte.”
Literaturquelle Rechtssprechungsbeispiel
OGH 13. 11. 2001, 4 Ob 98/01t, JBl 2002, 381: Mieter einer Berghütte („Waldherrenhütte”) verursacht durch Kachelofen einen Brand. – OGH zur Schadensbemessung für ein abgebranntes 85 Jahre altes Gebäude: Wird ein zerstörtes Gebäude wesentlich größer und mit anderer Nutzungsaufteilung aufgebaut, können die Kapitalaufwendungen dafür nicht zur Bemessung des Schadenersatzes beim Problem „neu für alt” herangezogen werden. In solchen Fällen ist vielmehr bei leichter Fahrlässigkeit des Schädigers nur ein an der Restlebensdauer des Gebäudes orientierter anteiliger Wiederherstellungswert zu ersetzen.
SZ 54/65 (1981): Wird eine alte Hochspannungsleitung beschädigt, sind bei Ermittlung des zu ersetzenden Schadens auch die Montagekosten zu ersetzen, allerdings verkürzt um die Abnützungsquote. Dazu kommen die Kosten für die vorzeitige Erneuerung (Zinsen). – Vgl die weiteren Beispiele bei Gschnitzer, SchRBesT2 462 (1988).


„Wie” ist Schaden zu ersetzen?
Abbildung 9.28:
„Wie” ist Schaden zu ersetzen?


Beweislast und Gehilfenhaftung
Abbildung 9.29:
Beweislast und Gehilfenhaftung


Ersatz von Vermögensschäden
Abbildung 9.30:
Ersatz von Vermögensschäden
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D. Körperverletzung und Tötung
Literaturquelle
I. Die einzelnen Tatbestände:
• § 1325 ABGB: Körperverletzung
• § 1326 ABGB: Verunstaltung (sentschädigung)
• § 1327 ABGB: Tötung
• § 1328 ABGB: Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung
• §§ 12-14 EKHG
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II. Die §§ 1325, 1327 ABGB
Zum Schadensbegriff des § 1293 ABGB → Schadensbegriff, Schadensarten, Schadensfeststellung
Bei Körperverletzungen und Tötung kommt es parallel zum Zivilprozess oder häufig sogar diesem vorgeschaltet zu einem Strafverfahren; vgl §§ 75 ff StGB – Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben: § 75 Mord, § 76 Totschlag, § 80 fahrlässige Tötung, § 83 Körperverletzung, § 84 schwere Körperverletzung, § 87 absichtliche schwere Körperverletzung usw.
Unter gewissen Voraussetzungen können bereits im Strafverfahren (privatrechtliche!) Schadenersatzansprüche geltend gemacht und zugesprochen werden; sog Anschluss- oder Adhäsionsverfahren. Regelmäßig wird jedoch im Strafverfahren auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Adhäsionsverfahren
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III. Was versteht die Rspr unter Körperverletzung?
Körperverletzung ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit des Menschen. Es müssen keine äußerlich sichtbaren Verletzungen eingetreten sein, auch nervliche Schädigungen sind Körperverletzungen. Ebenso gilt das für starke Einwirkungen auf die Psyche, wie einen Schock; JBl 1989, 41 oder ZVR 1977/54: Unfallschock des Geschädigten.
1. Schockschäden dritter Personen
Nicht ersetzt wurden aber lange Schockschäden dritter Personen; zB SZ 44/39 (1971): Frau stirbt an einem Schock, als ihr die Nachricht vom Unfalltod ihres Mannes überbracht wird. Der OGH nahm hier einen nicht erstattungsfähigen Drittschaden an → Drittschäden Vgl aber nunmehr ZVR 1995/46 (Angstneurose eines Kleinkindes):
Weist ein Kleinkind, dessen Mutter bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde, und mehrere Wochen im Krankenhaus zubringen musste, auf Grund des gravierenden Trennungserlebnisses massive angstneutrotische Symptome auf, die es ohne fachkundige Hilfe nicht bewältigen kann , sodaß von einer bloß geringfügigen psychischen Beeinträchtigung nicht mehr gesprochen werden kann, sondern eine mit Krankheitswert behaftete Gesundheitsschädigung vorliegt, hat es auch Anspruch auf Schmerzengeld.
Das wurde zunächst so verstanden, dass Dritten (Personen) nur dann ein eigener Schmerzengeldanspruch als Schadenersatz zustand, wenn diese ein eigenes „Krankheitsbild” (zB Depression, Neurose) entwickelten; bloße Trauer(arbeit) oder Apathie wurde nicht für ausreichend erachtet. – Auf das in ZVR 1995/46 betroffene Kleinkind trifft das zu.
Das Kriterium des „Krankheitsbildes” wurde nunmehr aber aufgegeben. Die seit etwa 10 Jahren feststellbare Bewegung im Grenzbereich zwischen Körperverletzung und immateriellem Schaden hält an.
Das BMfJ plant, im Anschluss an die Trauerschaden-En des OGH (zB ZVR 2001/72 → Schmerzen(s)geld oder JBl 2001, 660: dazu gleich mehr), die gesetzliche Regelung weiterer immaterieller Schadenersatzansprüche, nämlich:
• bei seelischer Beeinträchtigung durch Trauer über den Tod eines nahen Angehörigen (Einfangen der Rspr);
• den Ersatz für entgangene Urlaubsfreude (in Anlehnung an EuGH 12. 3. 2002, C – 168/0: Leitner → KAPITEL 1: Europäisierung des Privatrechts: Privatrechtsvereinheitlichung-Europäische Rechtsangleichung);
• bessere Entschädigung für zu Unrecht erlittene Haft;
• erhöhter Schutz der Privatsphäre; zB bei rechtswidrigen Verletzungen durch Abhöreinrichtungen oder durch das Internet oder die widerrechtliche Weitergabe von Daten der Privatsphäre unter Verletzung des Amtsgeheimnisses (zB durch Politiker). – Gedacht ist dabei an eine Mindestgrenze von 1000 ı.
Damit sind derartige Reflexschäden ersatzfähig geworden und werden nicht mehr als Drittschaden eingestuft.
Literaturquelle
Zur psychischen Kausalität → Sonderformen der Kausalität
Rechtssprechungsbeispiel
ZVR 1974/20: Auch die Leibesfrucht kann körperlich verletzt werden (SZ 52/136 [1979]) und der durch den Unfall ausgelöste Abortus ist Körperverletzung.
Die Judikatur betrachtet auch das eigenmächtige Abschneiden der Haare (SZ 47/147 [1974]: Friseur schneidet Schönheitsberaterin gegen deren Willen 35 cm ihrer langen Haare ab – Schmerzengeld) oder des Schnurrbarts (GlUNF 3965 [1907]) als Körperverletzung.
Auch durch Lärmbelästigungen kann jemand einen Körperschaden erleiden; vgl JBl 1989, 41: Musikschule in Graz. OGH: Eine psychische Beeinträchtigung, die sich bloß in Unbehagen und Unlustgefühlen äußert, reicht aber nicht aus, um als Körperverletzung anerkannt zu werden.
OGH 17. 5. 2000, 2 Ob 138/00h, JBl 2000, 729: Ein durch Unfall verletzter Student kann den gesamten Verdienstentgang als Schaden geltend machen, der ihm durch den verzögerten Eintritt in das Berufsleben entsteht. Davon ist auch jener Betrag nicht abzuziehen, den er als Unterhalt in dieser Zeit erlangt hat. – Beachte: OGH geht auf die versteckte Dritt-Schadens-Problematik (Unterhaltserbringung durch die Eltern) nicht ein.
Sog TrauerschädenOGH 16. 5. 2001, 2 Ob 84/01v, JBl 2001, 660: Achtjährige Tochter wird von Lkw erfasst und getötet. Vater klagt auf Schadenersatz. – OGH: Ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger (sog Trauerschaden), der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung iSd § 1325 ABGB geführt hat, kommt nach Meinung des OGH nur (?) bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht. (Vgl OGH 22. 2. 2001, 2 Ob 79/00g.) – Urteile wie dieses machen deutlich, wie „souverän” ein Höchstgericht mit dem Gesetz umgeht. Der OGH unterläuft das Prinzip, dass für Körperschäden iSd § 1325 ABGB schon ab leichter Fahrlässigkeit gehaftet wird und nur Vermögensschäden unterschiedliche Verschuldensvoraussetzungen kennen. Das ist weder Auslegung, noch rechtsfortbildende Analogie iSd § 7 ABGB, sondern eine problematische und unsystematische Eigenmächtigkeit des Höchstgerichts, die der Gesetzgeber rasch beseitigen sollte.
OGH 22. 2. 2001, 2 Ob 79/00g, JBl 2001, 659: Nicht am Unfall seines Sohnes beteiligter Vater erleidet einige Zeit nach Erhalt der Todesnachricht Nervenzusammenbruch und klagt den Schädiger auf Schadenersatz. – OGH: Der Ersatz von Schockschäden (§ 1325 ABGB) mit Krankheitswert, die Dritte durch die Tötung eines nahen Angehörigen erleiden, wird grundsätzlich anerkannt; die Rechtswidrigkeit einer solchen Körperverletzung ergibt sich zwar nicht aus dem Schutzzweck der Verhaltensvorschrift, welche die Erstverletzung verhindern will, aber aus der bei Verletzung absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung. Um einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung entgegenzuwirken, wird ein Ausgleich des Fernwirkungsschadens nur dann bejaht, wenn die Verletzungshandlung in hohem Maß geeignet erscheint, einen Schockschaden herbeizuführen. Im Fall von Schockschäden naher Angehöriger macht es keinen Unterschied, ob sie durch das Unfallerlebnis selbst oder die Unfallnachricht bewirkt werden. (Vgl auch OGH 16. 5. 2001, 2 Ob 84/01v).
OGH 29. 8. 2002, 8 Ob 127/02p, JBl 2003, 118: Lebensgefährtin einer seit 20 Jahren bestehenden Lebensgemeinschaft klagt nach dem Tod ihres Lebensgefährten, der nach einer Leistenoperation an postoperativen Problemen (Darmperforation) starb auf Schadenersatz. – OGH verneint einen Anspruch nach § 1327 ABGB; dieser umschreibe den Kreis der Anspruchsberechtigten erschöpfend – ein Lebensgefährte gehört, da er keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hat, nicht dazu. Der Schmerzengeldanspruch nach § 1325 ABGB wird jedoch bejaht. Zu den nahen Angehörigen, die Schadenersatz wegen eines durch eine Todesnachricht erlittenen Schocks mit Krankheitswert verlangen können, gehören auch Lebensgefährten/innen Getöteter.
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IV. Was ist nach § 1325 ABGB zu ersetzen?
Das Gesetz gliedert den grundsätzlich kumulativ zu erbringenden Ersatz in:
• Heilungskosten,
• Verdienstentgang und
• Schmerzengeld.
Darauf wird idF näher eingegangen. – Zu erinnern ist daran, dass nach § 1325 ABGB Ersatz schon ab leichter Fahrlässigkeit zu erbringen ist, das Gesetz also – anders als bei Vermögensschäden – keine Staffelung des Ersatzes nach dem Verschuldensgrad kennt.
Der Zuspruch des Ersatzes kann in Form einer einmaligen Kapitalzahlung oder einer Rente erfolgen, die bei geänderten Verhältnissen anzupassen ist; vgl etwa ZVR 1998/21: Arbeitsunfähigkeit nach einem Verkehrsunfall.
Kapitalzahlung oder Rente
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V. „Heilungskosten”
Heilungskosten sind alle Aufwendungen, die durch die Körperverletzung veranlasst wurden und die (anders als die ohne den Unfall erforderlich gewesenen gewöhnlichen Aufwendungen) in der Absicht gemacht wurden, die gesundheitlichen Folgen des Unfalls zu beseitigen oder zu bessern; vgl ZVR 1983/281.
Zu ersetzen ist aber nur der zweckmäßig gemachte Aufwand, wozu es bspw auch gehört, dass die Unfallnarben nachträglich durch eine Operation verschönert werden; JBl 1986, 580: Kosmetische Operation.
Zweckmäßig gemachter Aufwand
Ersetzt wird nach § 1325 ABGB nunmehr auch nur der tatsächlich gemachte Aufwand. Heilungskosten ieS und Betreuungsleistungen sind danach konkret – dh nach den individuellen Umständen – zu berechnen; vgl auch → Sonderprobleme des Vermögensschadens
Tatsächlich gemachter Aufwand
Hierher gehören auch die Kosten einer unfallbedingten Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten. – § 13 Z 3 EKHG führt dies bereits als eigene Ersatzkategorie an: So wenn der Verletzte der Hilfestellung durch dritte Personen bedarf; etwa die Kosten einer Haushalts- oder Pflegehilfe. Auch die Kosten einer Wohnungsadaptierung – behindertengerechte Gestaltung – oder der Einbau eines Liftes sind Heilungskosten; vgl ZVR 1998/26: Behindertengerechte Wohnung. Dasselbe gilt für die Anschaffung eines Pkw mit automatischem Getriebe bei Querschnittlähmung.
Vermehrung der Bedürfnisse
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 20. 6. 2002, 2 Ob 103/01p; EvBl 2002/190: Ein Pkw-Fahrer verschuldet einen Zusammenstoß mit einem Motorradfahrer (Vorrangmissachtung), der schwere Verletzungen davonträgt. Während des Aufenthalts im Krankenhaus und später im Reha-Zentrum wird er von Verwandten besucht und von Freunden angerufen. Diese klagen idF die ihnen dadurch entstandenen Aufwendungen (Fahrtkosten etc) vom Schädiger ein. – OGH: Die Besuchskosten einer im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährtin sind als ersatzfähige Heilungskosten anzusehen; nicht jedoch zB die Kosten für Telefonate von Freunden und Bekannten im In- und Ausland.
Zum Verhältnis von Heilungskosten iSd § 1325 ABGB und Voraussetzungen für einen Pflege(geld)bedarf hat der OGH jüngst Stellung genommen; vgl EvBl 1999/59:
Heilungskosten und Pflege(geld)bedarf
Danach will das BundespflegegeldG (BPGG) nur jene Personen erfassen, die selbst der Pflege in Form notwendiger Betreuung und Hilfe bedürfen. Kann aber eine Person Verrichtungen des täglichen Lebens ohne die sie der Verwahrlosung ausgesetzt wäre (§ 1 EinstV) und die zur Sicherung der Existenz der eigenen Person erforderlich sind (§ 2 EinstV), noch weitgehend selbst vornehmen, dann besteht kein Pflegegeldbedarf iSd BPGG. Dies auch dann nicht, wenn diese Person in Folge gesundheitsbedingter Einschränkungen zB außer Stande wäre, bestimmte Verpflichtungen gegenüber Dritten – seien diese vertraglicher oder familienrechtlicher Natur, wie die Verpflichtung, den Haushalt für die gesamte Familie zu führen – nachzukommen. (Hier hatte die Klägerin damit argumentiert, dass sie insbesondere nicht mehr in der Lage sei ihren Sohn zu erziehen und zu pflegen.) Derartige Ansprüche müssen demnach über das Schadenersatzrecht geltend gemacht werden, zumal § 1 BPGG klar zum Ausdruck bringt, dass es nur Personen erfassen will, die selbst der Pflege in Form notwendiger Betreuung und Hilfe bedürfen.
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VI. „Verdienstentgang”
Der Verdienstentgang kann – anders als die Heilungskosten und das Schmerzengeld (die immer nur konkret berechnet werden können) – auf zwei Arten berechnet werden, entweder:
konkret (= Differenz zwischen bisherigem und künftigem Einkommen des Geschädigten) oder
abstrakt (= objektive Minderung / Verringerung der Erwerbsfähigkeit: MdE). – Der Kläger hat sich für eine der beiden Möglichkeiten zu entscheiden.
Verdienstentgang ist wirklicher / positiver Schaden, nicht entgangener Gewinn. – Verdienst ist jeder Arbeitserwerb, daher auch das Einkommen einer registrierten Prostituierten (SZ 54/70 [1981] = EvBl 1982/37) oder das Nebeneinkommen, auch das eines Pfuschers; vgl. dazu die folgenden Beispiele. Ebenso die Einkommenseinbuße eines Selbständigen oder die Verminderung des Gewinnanteils eines geschäftsführenden Gesellschafters.
Verdienst
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 54/70 [1981] = EvBl 1982/37: § 1325 ABGB(§ 879 ABGB): Zum Ersatz des Verdienstentgangs einer registrierten Prostituierten bei ihrer Verletzung durch ein Kraftfahrzeug; OGH lehnt Sittenwidrigkeitsargument des Schädigers (§ 879 ABGB) zurecht ab.
OGH 25.3.1999, 2 Ob 289/97g: Ein Pfuscher wurde als Beifahrer bei einem Autounfall verletzt. Er klagte die Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers auf Schadenersatz wegen Verdienstentgangs, da er – unfallbedingt an zumindest 15 Wochenenden – keine Baustellenpfuscharbeiten ausführen konnte. Der OGH gab der Klage statt und sprach für 15 Wochenenden à 5.000 S Verdienstentgang zu.
ZVR 1998/21: Zur Berechnung des Verdienstentgangs – Der Verletzte ist so zu stellen, dass er im Ergebnis netto den gleichen Betrag zur Verfügung hat, wie bei Fortsetzung der Erwerbstätigkeit.
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VII. Die abstrakte Rente
Einen Sonderfall des Verdienstentgangs stellt die – seit 1927 in Österreich nachweisbare – Rechtsfigur der abstrakten Rente dar, deren Weiterbestand lange gefährdet erschien, nunmehr aber erfreulicher Weise vom OGH jüngst bestätigt wurde; OGH 12.9.2003, 2 Ob 143/03y. Der OGH stellt treffend fest, „dass keine Bedenken bestehen, eine abstrakte Rente gegen die – soweit überblickbar – seit ihrer ’Erfindung’ im Jahre 1881 bis zum Jahre 1984 (Erscheinungsjahr des zweiten Bandes des Kommentars von Rummel mit Kritik von Reischauer) keine grundsätzlichen Einwände erhoben wurden, jedenfalls in den engen Grenzen der bisherigen Rechtsprechung aufrecht zu erhalten“.
Sonderfall: Abstrakte Rente
Literaturquelle
Die abstrakte Rente ist eine Schöpfung der judikativen Praxis. Sie wurde von der Rspr zum dtRHG 1871 und idF vom Reichsversicherungsamt (RVA) der deutschen Arbeiterunfallversicherung entwickelt, ehe sie in Österreich übernommen wurde; SZ 9/85 (1927). Vgl Barta, Kausalität im Sozialrecht I 609 FN 112 (1983). Vgl dazu nunmehr insbesondere auch A. Wittwer: Literatur.
1. Voraussetzungen
Wird der Verdienstentgang abstrakt – dh hier: unabhängig von einem konkret eingetretenen (Verdienstentgangs)Schaden – berechnet, spricht man von abstrakter Rente. Sie wurde vom OGH jahrzehntelang unter folgenden Voraussetzungen (vorbildlich) zugesprochen:
• Es muss (durch den Unfall / die Verletzung) objektiv-abstrakt zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) gekommen sein, auch wenn dies zunächst zu keiner konkreten Einkommensminderung (MdE) führte;
• es muss ein Dauerschaden entstanden und zudem
• eine Einkommensminderung in der Zukunft wahrscheinlich sein [, wofür den Geschädigten die Beweislast trifft; vgl SZ 70/220 (S. 589): 1997].
Diese Kriterien für das Erlangen einer abstrakten Rente stimmten (bisher) im Wesentlichen mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1326 ABGB (Verunstaltungsentschädigung) überein; dazu → § 1326 ABGB – Verunstaltungsentschädigung Eine Gleichbehandlung beider Anspruchsgrundlagen erscheint ratsam.
Während das dritte Kriterium – wie bei der Verunstaltungsentschädigung (!) – von der Rspr bislang nicht sehr streng geprüft wurde, wurde es vom OGH seit etwa 10 Jahren, offenbar einer unglücklichen Anregung Reischauers (ZVR 1993/165: Werkzeugmacher) folgend, strikt geprüft, was in SZ 70/220 zur Abweisung des Anspruchs führte. Die Unterinstanzen hatten noch iSd bisherigen Judikatur entschieden. – Ein Weiterführen dieser (nicht überzeugenden) Rspr hätte das Rechtsinstitut gefährdet; Ch. Huber sprach daher in Bezug auf diese E anschaulich vom „Totenglöcklein der abstrakten Rente”. In letzter Konsequenz bedeutet diese Rspr – vgl auch die unten angeführte E des OGH, JBl 2003, 242 – eine unbillige Entlastung des Schädigers und eine auf einer verfehlten Ökonomisierung beruhende Missachtung der körperlichen Unversehrheit, was nicht Aufgabe der Rspr und des Schadenersatzrechts sein kann. Umso erfreulicher ist es, dass der OGH „seine” langjährige Rspr nunmehr gegen eine nicht überzeugende Kritik verteidigt hat; 12.9.2003, 20b 143/03y.
Überlegenswert wäre es allenfalls auch gewesen, die bisherige Entschädigung aus dem Titel „Schmerzengeld” iVm § 1326 ABGB zuzusprechen, den Entschädigungsanspruch also auf eine neue Basis – iS einer Pauschalabgeltung eines erlittenen Dauerschadens und erlittener Unbill – zu stellen. – Eine gewisse Abhilfe (bei Fortführung der Rspr) hätte auch das Geltendmachen solcher Schäden als Spät- oder Folgeschäden darstellen können → Spät- oder Folgeschäden
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 5. 6. 2002, 2 Ob 133/02a, JBl 2003, 242 (Anm Faber): Der Kläger wird als Beifahrer eines PKW bei einem Unfall schwer verletzt und trägt eine 20%ige Minderung seiner Erwerbsfähigkeit davon. Er begehrt von der Haftpflichtversicherung eine monatliche abstrakte Rente von 2.260 S. – OGH lehnt dies – in Übereinstimmung mit der zuletzt restriktiven Rspr zur abstrakten Rente – ab. OGH 12.9.2003, 2 Ob 143/03y.
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2. Funktion
Die abstrakte Rente bildete nach der Rspr eine Ausnahme für Härtefälle, weil andernfalls der Verletzte trotz erlittenen Dauerschadens zunächst leer ausginge, wenn (unmittelbar) kein ziffernmäßig (konkret) erfassbarer Verdienstentgang eintritt.
Die abstrakte Rente erfüllt daher sowohl eine
Sicherungs-, wie eine
Ausgleichs- oder Erschwernisfunktion für die Zukunft,
weil damit zu rechnen ist, dass Verletzte durch die Verletzung künftig bei der Arbeitsplatzsuche gegenüber gesunden Mitbewerbern benachteiligt sind (erhöhtes Risiko der Arbeitslosigkeit) und weil sie zudem den erforderlichen Arbeitserfolg (im Vergleich mit nicht versehrten Berufskollegen) nur durch eine körperliche und geistige Mehranstrengung erzielen können, wodurch die Gefahr besteht, dass ihre Arbeitskraft schneller verbraucht wird. Dieser Aspekt wurde vom OGH zuletzt nicht mehr hinreichend beachtet. Er erscheint aber aktueller denn je.
Die zugesprochene Rente soll Verletzte ua in die Lage versetzen, sich für die Zukunft durch Rücklagen einen Deckungsfonds für künftige Ausfälle zu bilden; aber auch andere Möglichkeiten stehen offen. – Bei einer Umstellung der Entschädigungsgrundlage auf Schmerzengeld wäre, was zuletzt auch unbeachtet blieb, wäre die erhöhte Anstrengung und das Bewusstsein möglicher künftiger „Probleme” stärker zu berücksichtigen gewesen.
Deckungsfonds
Die Rspr (vgl ZVR 1984/48 – OLG Ibk) lehnt auch die Aufwertung einer abstrakten Rente bei nachträglicher Steigerung des Erwerbseinkommens des Geschädigten ab, gleichgültig ob die Steigerung in einer erhöhten Arbeitsleistung, einer Verbesserung des Einkommens durch sozialen Aufstieg oder in einer Anpassung des Einkommens an die Geldentwertung ihre Ursache hat. Dies mit dem Argument, dass die Umstandsklausel des § 901 ABGB (im Gegensatz zu § 1327 ABGB) hier nicht gelte. Darüber hinaus wird in dieser E die Sicherungsfunktion zu eng verstanden. – Diese Rspr-Position überzeugt nicht, zumal unbeachtet bleibt, dass es sich bei Schadenersatzleistungen um Geldwert- und nicht Geldbetragsschulden handelt → KAPITEL 7: Geldbetrags- und Geldwertschulden .
Aufwertung?
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3. Rentenberechnung nach der Pieglerschen Formel
Die Rspr wendet zur Rentenberechnung in grundsätzlicher Anlehnung an § 273 ZPO die sog Pieglersche Formel an: Danach wird als abstrakte Rente die Hälfte des Prozentsatzes der Minderung der Erwerbsfähigkeit / MdE gewährt.
Vgl aber schon GlU 8512 (1881: eine genaue und sorgfältig begründete E – § 7 ABGB!), nch deren Sachverhalt der zweijährige Knabe A, der im Hofe des väterlichen Hauses mit anderen Kindern gespielt hatt, vom 14jährigen B, der „aus Muthwillen mit einem Hammer ein Zündhütchen zerschlagen [habe], von welchem ein Stück in das linke Auge des A geflogen sei“, was zu dessen Erblindung geführt habe. Der OGH stellte in Bezug auf Kinder und sonstige nicht im Erwerbsleben stehende Personen fest, dass dann, wenn nach der allgemeinen Lebenserfahrung schon zum Urteilszeitpunkt feststehe, dass der Geschädigte in seinen künftigen Erwerbsmöglichkeiten beeinträchtigt sei, eine „abstrakte Schätzung Platz zu greifen habe“, weil der Geschädigte „geringere Aussichten auf künftigen Erwerb habe“. – Vgl auch GlU 10.141 (1884): Einem 17jährigen wird das rechte Auge „ausgeschossen“.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1966/355: Maurer erleidet Kahnbeinbruch an rechter Hand, der zu einer Arthrose und in der Folge Arbeitsbehinderung führt. Angenommenes monatliches Durchschnittseinkommen 2.750 S, durchschnittliche MdE 17,5%, zugesprochene monatliche Rente ca 250 S, d.s. etwa 9% der MdE.
RZ 1982/9: Verletzung eines Hoteldirektors mit Reitbetrieb. Monatseinkommen 21.200 S, MdE 30%, zugesprochene Rente ca 3.000 S.
SZ 9/85 (1927): Unfall beim Heuabladen: Bauernsohn wird beim Heuabladen durch Unachtsamkeit eines Mitarbeiters mit der Heugabel ein Auge ausgestochen. Abstrakte Rente wird zuerkannt, obwohl der Verletzte bei seinem Vater arbeitete und ein Lohnausfall „derzeit” nicht eintrat. 1927 herrschte große Arbeitslosigkeit, was die „Sensibilität” des OGH verständlich macht! – Dies ist die erste österreichische E zur abstrakten Rente.
Vgl ferner SZ 26/67 (1953): Schwere Schädelverletzung und unfallbedingte Erblindung an einem Auge.
SZ 19/78 (1937): Kontoristin wird als Radfahrerin von Mühlkreisbahn zwischen Linz und Ottensheim niedergestoßen und verliert zwei Finger der linken Hand.
JBl 1953, 49: Kläger (Radfahrer) verliert durch einen bei einer Treibjagd abgegebenen Schuß sein linkes Auge;
Näherin in einer Textilfabrik wird bei einem Unfall schwer am rechten Bein verletzt; Dauerschaden. Sie kann die Nähmaschine nur mit erhöhtem Kraftaufwand bedienen.
Literaturquelle


Abstrakte Rente (1)
Abbildung 9.31:
Abstrakte Rente (1)


Abstrakte Rente (2)
Abbildung 9.32:
Abstrakte Rente (2)


Abstrakte Rente (3)
Abbildung 9.33:
Abstrakte Rente (3)


Abstrakte Rente (4)
Abbildung 9.34:
Abstrakte Rente (4)
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VIII. Schmerzen(s)geld
Literaturquelle
Geregelt ist der Ersatz von Schmerzengeld in § 1325 ABGB und der Parallelregelung des § 13 Z 4 EKHG.
1. Was ist das Schmerzen(s)geld?
Die Rspr versteht das Schmerzengeld heute nicht mehr als Strafe, Sühne oder Buße für die Verletzung, sondern als echten Schadenersatz und zwar als Ersatz ideellen / immateriellen Schadens, der im Zusammenhang mit einer Körperverletzung – als selbständige Kategorie – entsteht. Der Schmerzengeldanspruch mindert sich daher bei Mitverschulden des Verletzten.
Es würde aber dem Verständnis und der Funktion von Schmerzensgeld keinen Abbruch tun, im Bedarfsfall auch ein pönales Element – das über § 1326 ABGB hinausgeht – zur Verfügung zu haben. Der Spielraum würde dadurch größer; möglicher Regelungsort: § 1326 Abs 2 ABGB. Darin läge ein moderater Schritt in Richtung eines präventiven Strafschadenersatzes im Bereich der Personenschäden.
Schmerzengeld soll alle Schmerzempfindungen abgelten und zwar solche körperlicher und seelischer Art; es schließt auch das Bewusstsein eines allfälligen Dauerschadens und die Gefahr der Verschlechterung für alles Ungemach aus der Verletzung, abgesehen von der Schädigung des Erwerbslebens, ein. Es soll einerseits Unlustgefühle ausgleichen und andrerseits gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen verschaffen.
Funktion
Zur Möglichkeit die bisher als abstrakte Rente zugesprochene Entschädigung als Komponente des Schmerzengeld- oder Verunstaltungsanspruchs zuzusprechen → Die abstrakte Rente
Bewusstlosigkeit schließt Schmerzengeld ebenso wenig aus, wie Körperverletzungen, die keine Schmerzen verursachen: zB SZ 47/147 (1974): Abschneiden der Haare; und gleiches gilt bei völligem Verlust des Schmerzempfindens (OGH 11.3.1999, 2 Ob 192/97t). – Schmerzengeld gebührt auch bei Freiheitsentzug (§ 1329 ABGB; JBl 1982, 263: Rechtswidriges Einsperren und Vergessen in Vorarlberger Gemeindearrest), psychischer Beeinträchtigung (etwa Schock- und Verwirrungsschäden) oder ärztlichen Behandlungsfehlern oder einwilligungsloser medizinischer Behandlung → KAPITEL 10: Die ¿Einwilligung¿ in die medizinische Behandlung.
Bewusstlosigkeit
Diese En zeigen ebenso wie die novellierte Bestimmung des § 1328 ABGB (Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung), dass im Ersatz von Schmerzengeld auch der Gedanke der Genugtuung bei Verletzung der personellen Selbstbestimmung und verlorener Lebensfreude steckt. Das mag das Abschneiden der Haare, einen unerlaubten Freiheitsentzug oder eine Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung betreffen. – Kein Schmerzengeld spricht die Rspr aber bspw für belästigende Geruchsimmissionen zu; vgl EvBl 1983/82 → KAPITEL 8: Rspr-Beispiele. Zuerkannt wurde Schmerzengeld aber einem Mieter, der durch Schimmelbefall seiner Wohnung, Bronchitis und weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen erlitten hatte. (Ein Bauphysiker hatte festgestellt, dass der Schimmel von der pfuschmäßigen Behebung eines Rohrbruchs durch den Vermieter stammte.)
Die europäischen Länder sprechen – im Vergleich zu den USA – Schmerzengeld nur moderat, also in begrenzter Höhe zu. Der bisherige Höchstzuspruch durch ein österreichisches Gericht betrug 1997 1,750 Mio S und erhöhte sich 2002 aus 3 Mio S (~ 218.000 ı); in Deutschland lag dieser Betrag 1997 bei ca 4 Mio S (~ 290.690 ı).
Europäischer Vergleich
Maximale Schmerzensgeldsummen in ı
SchmerzensgeldErsatz für seelische Schmerzen bei Verlust naher Angehöriger
Spanien1.803.036nicht bekannt
Deutschland357.90435.790
Irland317.4359.523
Italien258.22877.469
Belgien173.52524.789
Niederlande136.1340
Österreich127.17721.802
Schweden120.0003.000
Schweiz78.95052.635
Frankreich45.73530.490
Portugal6.4846.484
Griechenland4.4021.174
Literaturquelle Rechtssprechungsbeispiel
3 Mio S (= 218.018 ı) gemäß § 1325 ABGB bei durch Geisterfahrerunfall schuldlos schwerst verletztem erst 21-jährigem Mann; hohe Querschnittsymptomatik mit Lähmung des Rumpfes und aller vier Extremitäten, weiters Lähmung des Atemnervs mit Notwendigkeit, bis an sein Lebensende künstlich beatmet zu werden, verbunden auch mit daraus resultierender und bewusst erlebter ständiger Todesangst; OGH 18.4.2002, ZVR 2002/66 bisher höchster Schmerzengeldzuspruch.
1,5 Mio S zuzüglich 300.000 S für Misshandlung (§ 1326 ABGB): der Verletzte war ein 23-jähriger iranischer Asylwerber. Verletzungen: Gehirnerschütterung; Bruch des 3. Halswirbelkörpers mit Verrenkung zwischen dem 3. und dem 4. Halswirbelkörper mit sofortiger hoher Rückenmarksquerschittsläsion; komplette Lähmung der oberen und unteren Extremitäten sowie komplette Blasen- und Mastdarmlähmung; Dekubitalgeschwüre, ständige Pflege in Spital notwendig. – Schmerzen: Keine Schmerzempfindung in den gelähmten Körperteilen, jedoch schmerzhafte Muskelzuckungen; ständig schwerste psychische Beeinträchtigungen: OGH 9.12.1993, 2 Ob 65/93.
1 Mio S zuzüglich 150.000 S für Misshandlung (§ 1326 ABGB): Verletzter: Pensionist; 2 tiefe Rissquetschwunden am Kopf, Schädelhirnverletzung, offener Bruch des rechten Unterschenkels, Prellung des Brustkorbs mit Lungenprellung, Dauerfolgen; (Schmerzen: unbekannt); 11 Monate Spitalsaufenthalt: OGH 27.2.1991, 2 Ob 7/91.
800.000 S (= 58.138,27 ı) Schmerzengeld für Mountainbiker, der auf einer Forststraße durch über die Straße gespanntes Drahtseil zu Sturz kommt, was eine Querschnittslähmung zur Folge hat (ein Drittel Mitverschulden); OGH 30.1.2003, s Ob 314/02v.
400.000 S: 14-jährige Schülerin, Gehirnerschütterung, Oberschenkelbiegebruch rechts, zweigradiger offener Unterschenkelstückbruch rechts, ausgedehnte Hautnekrosen sowie mehrfache Rissquetschwunden an rechten Unterschenkel. Narbenbildung, rechtes Bein 1,5 cm verkürzt; mehrere Operationen, Schmerzen: 19 Tage starke, 3 Wochen mittelstarke, 14 Wochen leichte, Todesängste wegen der Operationen, Unlustgefühle wegen Einengung der Bewegungsfreiheit, der Unfähigkeit Sport zu betreiben und zu gewissen Berufen: OGH 28.10.1993, 2 Ob 46/93.
100.000 S Schmerzengeld (Trauerschaden): Die Klägerin litt wegen des Unfalltodes ihres Sohnes unter erheblichen seelischen Beschwerden, die Krankheitswert erreichten und einer medizinischen Behandlung bedurften. Für die mit der Psychose der Klägerin zusammenhängenden Beschwerden, die aller Voraussicht nach auch weiterhin bestehen bleiben, sei der geltend gemachte Betrag von 100.000 S angemessen: OGH 16.5.2001, ZVR 2001/72.
50.000 S: Unfall eines minderjährigen Mädchens; offener Unterschenkelbruch, Gehirnerschütterung, Bluterguss über dem linken Auge, Schmerzen: 4 Tage starke, 4 Tage mittelstarke, 20 Tage leichte und nicht unerhebliche seelische Beeinträchtigung: OLG Graz, 15.1.1993.
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2. Rechtsnatur des Schmerzengeldanspruchs
Schmerzengeld wurde bisher nach ABGB nicht „automatisch” zugesprochen, es musste „verlangt”, also gefordert werden, worunter idR gerichtliches Geltendmachen verstanden wurde. Das EKHG (§ 12 Abs 1) und andere Haftpflichtgesetze kannten diese Tatbestandsvoraussetzung aber schon lange nicht mehr. Daher sprach der OGH nunmehr den Worten des § 1325 ABGB „auf Verlangen” eine eigenständige normative Bedeutung ab; vgl SZ 69/217 = EvBl 1997/19: dazu gleich unten.
Der Schmerzengeldanspruch wurde lange als höchstpersönlicher Natur angesehen. Seit EvBl 1997/19 werden Schmerzengeldansprüche aber nicht mehr als höchstpersönliche Ansprüche verstanden, sondern als ganz normale Schadenersatzansprüche. Wie diese sind daher nunmehr auch Schmerzengeldansprüche ohne weitere Voraussetzungen abtretbar, vererbbar und verpfändbar. Vererblich war ein Schmerzengeldanspruch bisher erst nach (noch bei Lebzeiten) erfolgter gerichtlicher Geltendmachung oder vertraglicher Anerkennung. – Dasselbe galt bis 1991 für die Pfändung eines Schmerzengeldanspruchs; geändert durch BGBl 1991/628, EO-Nov. Seit der EO-Nov 1991 besteht für Schmerzengeldansprüche kein exekutionsrechtlicher Pfändungsschutz mehr; Schmerzengeldansprüche sind also nunmehr mit ihrer Entstehung (d.i. das Auftreten von Schmerzen!) pfändbar. – Nach neuer Rspr sind Schmerzengeldansprüche nun auch unabhängig von ihrer Geltendmachung noch zu Lebzeiten des Verletzten vererblich, was von Bedeutung ist, wenn der beim Unfall Verletzte, an den Unfallfolgen stirbt, bevor sein Anspruch gerichtlich geltend gemacht oder vertraglich anerkannt werden konnte. Auch diese Rspr-Änderung wurde durch den Sachverhalt der E EvBl 1997/19 bewirkt.
Abtretbar, vererbbar, verpfändbar und pfändbar
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1997/19 = SZ 69/217 (1996) – Sachverhalt: Anlässlich einer Grillveranstaltung in einem Linzer Kindergarten der Beklagten am 27.6.1994 hatte die Kindergartenhelferin versucht, das Grillfeuer mit Brennspiritus anzufachen. Dabei entwickelte sich explosionsartig eine Stichflamme, welche die 6-jährige Tochter der Kläger erfasste und schwerste Brandverletzungen verursachte. Das Kind starb am 21.7.1994. Die Kindergartenhelferin wurde wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 81 Z 1 StGB rechtskräftig verurteilt. Der Nachlass des Kindes wurde seinen Eltern je zur Hälfte eingeantwortet. Die Kläger begehren für die von ihrer Tochter erlittenen Schmerzen ein Schmerzengeld von je 150.000,? S. In dem einmonatigen Todeskampf ihres Kindes hätten sie [als dessen gesetzliche Vertreter] nicht daran gedacht, Schmerzengeldansprüche gerichtlich geltend zu machen. Nach einhelliger Auffassung der Lehre sei der Anspruch auf Schmerzengeld auch unabhängig von einer solchen Geltendmachung vererblich. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und verwies auf die bisherige stRspr des OGH, wonach ein Schmerzengeldanspruch mangels rechtzeitiger Geltendmachung nicht vererblich sei. Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil die Klageforderungen als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Der OGH stellte das Zwischenurteil des Erstgerichts wieder her.
Dieses Urteil lehrt uns, dass auch jahrzehntelang gefestigte Rspr-Positionen des OGH dann revidiert werden, wenn ein eindringlicher Sachverhalt dies nahelegt. Die Kritik des Schrifttums allein vermag dies oft nicht.
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3. Festsetzung der Schmerzengeldhöhe
Die Festsetzung der Schmerzengeldhöhe erfolgt durch das Gericht. Es soll nicht tageweise oder nach Zeitpunkten oder Zeiträumen zugesprochen, sondern mit einer Globalsumme als Kapitalbetrag abgegolten werden. Teilabfindungen sind aber möglich. – Obwohl das Gesetz keine Taxen kennt, haben sich in der Praxis für die Berechnung Tagessätze entwickelt; s. Tab. Das Evidenzbüro des OGH führt eine Schmerzengeldtabelle und ein chronologisches Aktenregister mit Informationen zum jeweiligen Fall.
Schmerzengeldsätze in Österreich
Schmerzenleichtemittlerestarkequalvolle
OLG Graz100150-200250-300350-500
OLG Innsbruck
OLG Linzkeine Angaben
OLG Wien100200300
LG Eisenstadt90180270
LG Feldkirch100175250
LGZ ZRS Graz110150190
LG Innsbruck90-110130-180180-250
LG Klagenfurt100-110200-220300-330
LG Linz100200350
LG Salzburg90-100150-200200-300
LG St. Pölten100200300
Diese Schmerzengeldtabelle stellt bloß eine Berechnungshilfe und keine Berechnungsmethode dar!
Auszug aus: Hartl, AnwBl 2003, 240. Stand: 2003
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 9. 8. 2001, 2 Ob 173/01g, JBl 2002, 252: OGH führt aus, unter welchen Voraussetzungen ein Schmerzengeldanspruch bei Schleudertrauma im anhängigen Verfahren erhöht werden kann. – Interessante Ausführungen zur Funktion des Schmerzengeldes.
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4. Verjährung
Schmerzengeldansprüche verjähren als Schadenersatzansprüche nach § 1489 ABGB → Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen – Verjährung: § 1489 ABGB – Anders ist das, wenn bereits ein Feststellungsurteil darüber vorliegt. Feststellungsurteile legen die davon berührten Grundlagen des Schadenersatzanspruchs ohne zeitliche Begrenzung fest und schließen die Verjährung von Folgeschäden für die Dauer von 30 Jahren ab Rechtskraft aus (Judikatschuld); JBl 1999, 605.
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5. Arbeitsunfälle
Bei Arbeitsunfällen (§ 175 ff ASVG) sind für Körperverletzungen insbesondere die §§ 332 ff ASVG zu beachten: Legalzessionsnorm → KAPITEL 12: Legalzession des § 332 ASVG. Schmerzengeld wurde nach dem SVG grundsätzlich ausgeschlossen. Es gibt aber seit einigen Jahren einen (unzureichenden) Ansatz in diese Richtung; § 213a ASVG: sog Integritätsabgeltung für schwere Dauerschäden. – Anzustreben ist eine Gleichstellung mit dem bürgerlichen Recht.
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IX. § 1326 ABGB – Verunstaltungsentschädigung
Neben dem ABGB treffen auch Sonderhaftpflichtgesetze – zB § 13 Z 5 EKHG – derartige Regelungen. Sie sind für das Verständnis des § 1326 ABGB zu berücksichtigen. – Ansprüche nach § 1326 ABGB können kumulativ mit solchen nach § 1325 ABGB (insbesondere Schmerzengeld) zugesprochen werden; ZVR 1986/77 = EFSlg 48.658. Die Verunstaltungsentschädigung ist Ersatz für eine verminderte (objektive) Chance im Erwerbsleben, also für einen wahrscheinlich in Zukunft eintretenden Vermögensschaden (!) und nicht (wie das Schmerzengeld) für einen immateriellen Schaden; EFSlg 51.503 (1986) und ZVR 1992/79. Wie bei der abstrakten Rente (→ Die abstrakte Rente) kann auch hier eine abstrakte Berechnung des Schadens vorgenommen werden; EFSlg 33.775 (1979). – „Besseres Fortkommen” (Gesetzestext) bedeutet ebenfalls nicht einen konkreten Verdienstentgang, sondern es genügt die Wahrscheinlichkeit einer Behinderung des Fortkommens; EFSlg 57.010 (1988). – Auch hier ist der Zuspruch einer Rente ebenso möglich wie eine einmalige Kapitalzahlung.
Beachte
Der Begriff der „Verunstaltung” ist nach der Lebensanschauung zu verstehen, nicht nach medizinischen Gesichtspunkten; ZVR 1987/70.
Lebensanschauung
Berechnungzeitraum ist – wie beim Schmerzengeld – grundsätzlich der Schluss der Verhandlung erster Instanz; eine Neubemessung bei Hervorkommen weiterer Unfallfolgen ist aber möglich; EFSlg 36.193 (1981/41). Vgl das extensive Verständnis in EvBl 1988/6: Ein Anspruch wegen verminderter Heiratsaussichten kann auch entstehen, wenn Geschehensabläufe nach dem Schadenszeitpunkt, jedoch nicht unabhängig von der Schadensursache auftreten; wenn also eine Ehe etwa deshalb geschieden wird, weil der Ehegatte des Unfallopfers sie wegen der an seinem Partner aufgetretenen körperlichen und seelischen Unfallfolgen nicht mehr fortführen will. – Ein Verletzter muss sich nach § 1326 iVm § 1304 ABGB (Schadensminderungs- oder Rettungspflicht → Mitverschulden: § 1304 ABGB), nur dann einer plastischen Operation unterziehen, wenn ihm ein solcher Eingriff zumutbar ist; SZ 36/37 (1963).
Berechnungszeitpunkt
Beispiel
Die Verunstaltungsentschädigung kennt bereits Platon (Nomoi IX 878 b-d). Dort findet sich auch der Fall eines Drittschadenersatzes (zugunsten des Staates), wenn durch die einem Bürger zugefügte Verletzung dieser unfähig wird, „seinem Vaterland gegen die Feinde beizustehen”.
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X. Tödliche Körperverletzung
„Erfolgt aus einer körperlichen Verletzung der Tod, so müssen nicht nur alle Kosten [§ 1325 ABGB!], sondern auch den Hinterbliebenen [zB den Kindern oder Frau / Mann, allenfalls auch Eltern], für deren Unterhalt der Getötete zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden”; § 1327 ABGB.
1. § 1327 ABGB
§ 1327 ABGB gewährt neben den auch hier zu ersetzenden Kosten nach § 1325 ABGB (Heilungskosten etc) insbesondere originäre Ansprüche auf (Schaden)Ersatz entgangener tatsächlicher Unterhaltsleistungen; korrekt aber keinen Unterhaltsanspruch. Daher besteht kein Anspruch nach § 1327 ABGB, wenn zB die Ehefrau auf ihren Unterhalt verzichtet hatte; ZVR 1974/91.
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2. Verschuldensgrad
Der Verschuldensgrad ist für den Ersatzanspruch – wie nach § 1325 ABGB – nicht entscheidend. Die Rechtsfolgen des § 1327 ABGB greifen ab leichter Fahrlässigkeit. – Bei Mitverschulden des Getöteten steht den Hinterbliebenen nur ein um das Mitverschulden reduzierter Teilanspruch zu. – Der Ersatz Hinterbliebener erfolgt regelmäßig in Form einer Rente. Nur aus besonderen Gründen wird ein kapitalisierter Gesamtbetrag zugesprochen. Die Rente ist für jeden Berechtigten gesondert festzustellen (zB für Kinder: §§ 140 f, 182a ABGB und die Witwe: § 75 EheG) und die einzelnen Ansprüche haben nach Höhe und Dauer ihr eigenes rechtliches Schicksal.
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3. Anspruchsberechtigter Personenkreis
Durch den Hinweis auf die gesetzliche Unterhaltspflicht in § 1327 ABGB wird der Kreis der Unterhaltsberechtigten, nicht das Ausmaß der Ersatzpflicht bestimmt. Es muss sich aber um eine primäre oder subsidiäre gesetzliche Unterhaltspflicht gehandelt haben, die aktuell gewesen ist. Ein bloß vertraglicher Unterhaltsanspruch verschafft keinen Anspruch nach § 1327 ABGB. Dasselbe gilt für freiwillige Zahlungen ohne gesetzliche Unterhaltsverpflichtung.
Rechtssprechungsbeispiel
JB 189 (1909): Der Anspruch nach § 1327 ABGB steht außer der Frau und den Kindern des Getöteten allen Personen zu, denen dieser auf Grund des Gesetzes zur Leistung von Unterhalt verpflichtet war.
Den Eltern (§ 143 ABGB) Getöteter steht dann ein Anspruch zu, wenn diese nicht imstande sind, sich selbst zu erhalten; vgl EFSlg 57.027. (Eltern können zB die Haftungsfeststellung des Schädigers für künftige Schäden mit einer Feststellungsklage begehren, auch wenn sie derzeit nicht bedürftig sind.) – Der Anspruch steht auch dem unehelichen Kind des getöteten Vaters zu und natürlich auch der außerehelichen Mutter.
Der Ehemann der getöteten Frau (§ 94 ABGB) hat Anspruch auf Ersatz des Entgangs der von ihr für den Haushalt geleisteten Arbeiten; vgl EFSlg 63.271. Ein solcher Anspruch besteht unabhängig davon, ob zB der Witwer Auslagen für eine Ersatzkraft nachweisen kann; EvBl 1993/65.
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4. Dauer und Umfang der Ansprüche
Der Anspruch auf entgangenen Unterhalt besteht so lange und in dem Umfang, als der Getötete nach dem Gesetz für den Unterhalt des/der Hinterbliebenen zu sorgen gehabt hätte. Eine Rente wird grundsätzlich für die wahrscheinliche Lebensdauer des Getöteten zugesprochen. Die Beweislast dafür trifft den Anspruchswerber.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 36/132 (1963): Wegen wesentlicher Geldentwertung kann ein nach § 1327 ABGB Anspruchsberechtigter eine Erhöhung seiner Rente begehren. Ein Anspruch im Urteil eine bestimmte Indexsicherung vorzunehmen wird jedoch von der Rspr abgelehnt, obwohl diese die Rechtssicherheit fördern und entlastend wirken würde Für den Rentenanspruch gilt grundsätzlich die clausula rebus sic stantibus (Umstandsklausel).
SZ 71/5 (1998): Bemessung einer Hinterbliebenenrente nach § 1327 ABGB wegen unvorhersehbaren Änderungen; solche Umstände lassen den Fristenlauf neu beginnen. – Zur Verjährung von Schadenersatzansprüchen → Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen – Verjährung: § 1489 ABGB
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5. Welche Kosten sind zu ersetzen?
Zu ersetzen sind „alle Kosten” iSd § 1327 ABGB. Das sind nur jene Kosten, die mit dem Tod in einem adäquaten Zusammenhang stehen. Die in § 12 Abs 1 Z 1-4 EKHG aufgezählten Kosten, sind auch solche des § 1327 ABGB. Das sind neben den auch in § 1325 ABGB angeführten „Kosten” auch „die Kosten aus einer Vermehrung [der] Bedürfnisse [des Verletzten]” (Z 3) sowie nach Z 5 „die Kosten angemessener Bestattung”. Der Anspruch auf Ersatz der Bestattungskosten steht demjenigen zu, „der sie zu tragen verpflichtet ist oder sie tatsächlich getragen hat” (Z 5). – Nicht ersetzt werden aber bspw die Erbschaftssteuer oder die Kosten des Verlassenschaftsverfahrens. Ersetzt werden die Kosten für ein (übliches) Grabmahl, nicht aber die für seine künftige Instandhaltung. Auch die Kosten des üblichen Totenmahls und für Trauerkleider werden ersetzt.
Der Ersatzkatalog des § 12 EKHG ist moderner gefasst und wird zur Ergänzung des § 1327 ABGB herangezogen; zB: angemessene Bestattungskosten. Zum EKHG – Die Rspr zieht zur Auslegung des § 1327 ABGB die Sonderhaftpflichtgesetze heran; vgl SZ 44/95 (1971). – Ein Kind muss, um nach dieser Gesetzesstelle Ersatzleistungen zu erhalten, im Zeitpunkt der Verletzung wenigstens gezeugt sein; vgl § 12 Abs 2 letzter Satz EKHG.
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6. Drittschaden
§ 1327 ABGB trifft die gesetzliche Anordnung des Ersatzes von Drittschaden! Normalerweise erhalten nämlich nur unmittelbar Geschädigte, nicht aber bloß mittelbar Geschädigter, Ersatz! – Zur Abgrenzung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Schäden vgl JBl 1984, 262.
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7. Schmerzengeldansprüche Hinterbliebener
Mit dem Argument, dass die Aufzählung der Ansprüche in § 1327 ABGB eine erschöpfende sei, lehnte es die Rspr lange ab, Hinterbliebenen Schmerzengeldansprüche zuzusprechen; vgl aber nunmehr EvBl 1997/19 → Schmerzen(s)geld: Zur Vererblichkeit von Schmerzengeldansprüchen (Rspr-Änderung). Einen weiteren Schritt setzte der OGH in seiner E 8 Ob 127/02p = JBl 2003, 118 = ecolex 2003/9 (dazu gleich mehr): Der Lebensgefährte der Klägerin starb durch einen ärztlichen Kunstfehler (Darmperforation). Die Klägerin erlitt einen Schock. Sie klagte Schmerzengeld ein und der OGH stellte fest, dass auch nahen Angehörigen und Lebensgefährten/innen Schmerzengeld zustehe.
Literaturquelle
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8. Weitere Rspr-Beispiele zu § 1325 und 1327 ABGB
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 47/147 (1974): Das Abschneiden der Haare gegen den Willen des/r Betroffenen ist eine Körperverletzung iSd § 1325 ABGB, welche einen Anspruch auf Schmerzengeld für seelische Schmerzen begründen kann. – Einer Schönheitsberaterin wurden vom Friseur 35 cm ihrer langen Haarpracht abgeschnitten.
ZVR 1983/281: 1. Unter den nach § 1325 ABGB zu ersetzenden Heilungskosten sind Aufwendungen zu verstehen, die durch die Körperverletzung veranlasst wurden und die gegenüber den ohne den Unfall erforderlich gewesenen gewöhnlichen Aufwendungen in der Absicht gemacht wurden, die gesundheitlichen Folgen des Unfalls zu beseitigen oder doch zu bessern. – 2. Zu den Heilungskosten gehören ua auch Heilbehelfe und Prothesen, insbesondere aber auch Aufwendungen, die der Abwendung einer Verschlechterung des gegenwärtigen Zustandes dienen. – 3. Bei Lösung der Frage, ob eine Heilbehandlung sachgemäßist und geboten erscheint, ist die Gesamtheit der Umstände des jeweiligen Falles heranzuziehen. – 4. Der Ersatz einer Klammerprothese durch eine teurere Ankerprothese ist berechtigt, wenn durch den Unfall der Geschädigte weitere drei Zähne verloren hat, wodurch eine Verschlechterung der Befestigungsmöglichkeiten eingetreten ist.
EvBl 1988/80: Mit der Wiederverheiratung erlischt der Schadenersatzanspruch der Witwe gegen den Schädiger wegen entgangener Unterhaltsleistung durch ihren verstorbenen Ehegatten.
SZ 42/99 (1969): Hat die Gattin vor dem Unfall im Gewerbebetrieb ihres Mannes mitgearbeitet und ist sie danach nicht mehr (im gleichen Maße) in der Lage, kann sie vom Schädiger im eigenen Namen ua den unfallbedingten Aufwand für eine Hilfskraft verlangen. Es handelt sich dabei um Verdienstentgang iSd § 1325 ABGB.
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XI. § 1328 ABGB – Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung
Literaturquelle
Die Bestimmung wurde nach langer Untätigkeit des Gesetzgebers mit BGBl 1996/759 novelliert und ist seit 1.1.1997 auf Tathandlungen anzuwenden, die nach dem 31.12.1996 gesetzt wurden. – Der alte Gesetzestext (seit der III. TN) sah die Möglichkeit von Schmerzengeld für derart erlittene Beeinträchtigungen nicht vor. Auch die Rspr hat sehr lange gebraucht, um selbst bei Vergewaltigung Schmerzengeld zuzusprechen; vgl SZ 58/80 (1985) → Nicht-Vermögens- oder Personenschäden Weder der Gesetzgeber, noch der OGH waren in der Lage, die 1916 (III. TN) novellierte Vorschrift des ABGB nach dem Vorbild von § 847 Abs 2 dtBGB weiterzuentwickeln. Das offenbart ein enormes (männliches) Versagen gegenüber der Rechtsstellung der Frau in unserem Lande und zeigt, wie gesellschaftliche Werthaltungen auf die Rspr durchschlagen. – Dafür ließen sich auch weitere Entscheidungen anführen.
§ 847 Abs 2 dtBGB: „Ein gleicher [Schmerzengeld]Anspruch steht einer Frauensperson zu, gegen die ein Verbrechen oder Vergehen wider die Sittlichkeit begangen oder die durch Hinterlist, durch Drohung oder unter Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt wird.” – In Geltung seit dem 1.1.1900.
Rechtssprechungsbeispiel
§ 1328 ABGB SZ 42/149 (1969): Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses? – Der Tatbestand des § 1328 ABGB ist nur verwirklicht, wenn das Abhängigkeitsverhältnis der Beweggrund für die Gestattung des außerehelichen Beischlafs war. Das wurde bei der Sekretärin eines Architekten verneint, die von ihrem Arbeitgeber schwanger wurde und nach § 1328 ABGB als Entschädigung 250.000 S forderte; ausführliche Begründung des OGH.
In diesem Sinne auch SZ 16/65 (1934): Nichte der Hausbesorger (Klägerin) wird von Bewohner (Beklagter) schwanger.


Ersatz von Körperverletzungen
Abbildung 9.35:
Ersatz von Körperverletzungen


Berechnung des Verdienstentgangs
Abbildung 9.36:
Berechnung des Verdienstentgangs


Tödliche Körperverletzung: § 1327 ABGB
Abbildung 9.37:
Tödliche Körperverletzung: § 1327 ABGB
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E. Verträge mit Schutzwirkung für Dritte – Drittschäden
I. Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Literaturquelle
Eine wertungsmäßige Brückenfunktion zwischen „normalen“ (dh unmittelbaren) Schäden und sog Dritt- oder mittelbaren Schäden (→ Drittschäden) nehmen die Verträge mit Schutzwirkung für Dritte ein. Bei diesen erleidet nicht der unmittelbare Vertragspartner einen Schaden, sondern eine diesem „nahestehendePerson – nicht iSv gefühlsmäßig, sondern in Bezug auf die Leistungserbringung. – Bei den Verträgen mit Schutzwirkung für Dritte gelangen Dritte (Personen) in den Genuss einer Vertragshaftung – und damit insbesondere der Erfüllungsgehilfenhaftung des § 1313a ABGB und der Beweislastumkehr des § 1298 ABGB, obwohl sie selbst (als Geschädigte) mit dem Schädiger/Verantwortlichem in keiner (eigenen) vertraglichen Beziehung stehen. – Eine Vertragsbeziehung besteht bspw nur zwischen Taxi-Kundschaft und dem Schädiger (Taxi), nicht aber zwischen Taxiunternehmer und dem mitgenommenen Gast.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 21. 12. 2000, 2 Ob 329/00x, JBl 2001, 455: Eine Bank, die weiß, dass auf das Geschäftskonto eines Rechtsanwalts regelmäßig Treugelder eingezahlt werden, darf ihre persönlichen Forderungen nicht gegen diese aufrechnen. Sonst haftet sie für den Verlust, der den Treugebern bei Zahlungsunfähigkeit des Rechtsanwalts entsteht: Konstruktion über Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter; Mitverschulden des Anwalts wird vom OGH nicht in Erwägung gezogen.
Abgelehnt wird die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in folgendem Urteil: OGH 14. 12. 2000, 7 Ob 252/00k, JBl 2001, 457: Schadenersatzanspruch des Rechtsschutzversicherers gegen den Rechtsanwalt des Versicherten, der durch eine nicht ordentliche Vertretung unnötige Prozesskosten verursacht hatte: Keine Vertragshaftung, da zwischen Rechtsschutzversicherer und Rechtsanwalt regelmäßig kein direktes Vertragsverhältnis entsteht und der OGH auch keinen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter annimmt. – OGH verweist auf deliktischen Schadenersatz.
1. Schutz von Personen, die der „vertraglichen Leistung nahe stehen“
Nach dieser Rechtsfigur werden Schutz- und Sorgfaltspflichten zwischen bestimmten Vertragspartnern – etwa dem Taxi-Unternehmer und dem Taxi-Kunden – auf Dritte erstreckt, die der „vertraglichen Leistung nahe stehen”; bspw Freundin oder Freund des Taxi-Kunden, die mitfahren. Begünstigt in diesem Sinne sind aber nach der Rspr nur Personen (Dritte), „deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung bei Vertragsabschluss voraussehbar war”; JBl 1985, 295.
Wie wenn Freund oder Freundin des Taxikunden unerwartet während der Fahrt zusteigen?! – Vgl auch § 1313a ABGB.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 14. 12. 2000, 7 Ob 151/00g, JBl 2001, 524: Haus wird Kindern durch „Übergabevertrag” übergeben und den Eltern ein Wohnrecht eingeräumt. Für die betagten Eltern angestellte Pflegehelferin stürzt im Winter auf dem zum Haus führenden Weg und verletzt sich. Sie klagt die Kinder auf vertraglichen Schadenersatz. – OGH: Wenn ein Vertrag die Einräumung einer Wohnmöglichkeit zum Inhalt hat und auch die Pflicht zum Freihalten und Bestreuen der Zugangswege umfasst, so sind dadurch auch jene Personen geschützt, die vorhersehbar diese Wege benützen; Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
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2. Rspr noch in Bewegung
Die gegenwärtig von der Rspr für diese Fallgruppe vorgenommene wertmäßige Zurechnung überzeugt noch nicht vollends; vgl etwa JBl 1969, 553 (Hydraulikölfall – positiv) mit JBl 1999, 461: Vertrag eines Internatsbetreibers mit dem Schüler begründet (angeblich) keine Schutzwirkungen zugunsten besuchender Angehöriger (zB Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde) betreffend einen gefahrlosen Zugang zum Internatsgebäude (?); Verletzung der Streupflicht – negativ.
Um den geschützten Personenkreis bei Verträgen mit Schutzwirkung für Dritte wird noch „gerungen”; vgl neben den Krankenhausbesuchsfällen auch die weiteren Beispiele (allgemein zu den Verkehrssicherungspflichten → KAPITEL 6: Ausdehnung auf Verkehrssicherungspflichten).
Solche Rspr-Positionen sind wenig lebensnah und entsprechen auch nicht dem Grundgedanken unserer Rechtsfigur. Vgl damit auch die immer noch uneinheitlich und unbefriedigend gelösten Krankenhausbesuchsfälle; dazu gleich unten. – Der Internatsfall zeigt, dass die Rspr (in Fällen wie diesem oder dem Wildlederkostümfall (JBl 1986, 452, dazu gleich unten) nicht klar die Verträge mit Schutzwirkung für Dritte von den Drittschäden abgrenzt.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 53/168 (1980): Vertrag mit Schutzwirkungen für Dritte – Flughafen Graz-Thalerhof: Eine Flughafenbetriebsgesellschaft haftet den Flugpassagieren zwar nicht nach § 1319a ABGB, wohl aber aus dem von ihr mit den Fluggesellschaften geschlossenen Vertrag für die Verletzung der Streupflicht auf dem Zugang zum Flugzeug. (OGH 11. Dezember 1980, 7 Ob 738/80). Klägerin war eine verletzte Flugzeugpassagierin, Beklagter die Flughafenbetriebsgesellschaft. Die Klägerin wollte am 12. Dezember 1976 vom Flughafen Graz-Thalerhof aus mit einer Kursmaschine der AUA nach Zürich fliegen. Auf dem Weg vom Flughafengebäude zur Maschine stürzte sie und verletzte sich. Sie begehrt den Ersatz ihrer mit 84.062,44 S sA bewerteten Schäden mit der Behauptung, die beklagte Flughafenbetriebsgesellschaft habe eine ordnungsgemäße Streuung des infolge Glatteises gefährlichen Flugfeldes unterlassen.
JBl 1982, 95: §§ 1300, 1299 und 1313a ABGB: Die Mitgliedschaft in einem Automobilklub oder die Inanspruchnahme des Pannenhilfsdienstes, zu dem der Klub statutengemäß verpflichtet ist, kann Schutzpflichten des Klubs für Dritte begründen. Für eine schadenstiftende falsche Auskunft (über die Ursache eines verdächtigen Fahrgeräusches) haftet dieser daher vertraglich und für den Pannendienstfahrer als Erfüllungsgehilfen auch dem dritten Eigentümer des Pkw, dessen Lenker als Mitglied den Pannendienst angesprochen hat. – „Gegen Belohnung” in § 1300 ABGB meint die Fälle, in denen Rat und Auskunft nicht nur aus bloßer (unverbindlicher) Gefälligkeit erteilt werden; OGH 25.3.1981, 3 Ob 594/80.
SZ 14/71: Maurer wird bei Arbeiten im Garten des „Auftraggebers” / Werkbestellers getötet.
Rechtssprechungsbeispiel
Sog Krankenhausbesuchsfälle:
JBl 1953, 19 (positiv – mit anfechtbarer Begründung): Besucherin einer Heilanstalt stürzt am Abend auf glatter Holzstiege – Leitsatz: Der Inhaber einer Heilstätte haftet für durch mangelhafte oder gefährliche Einrichtungen entstandene Schäden auch gegenüber dem Besuchsgaste;
JBl 1985, 293 (positiv): Sohn wird beim Besuch seines Vaters, der Patient in einer Lungenheilanstalt war, dadurch verletzt, dass er – nach dem Besuch auf einer Bank sitzend – von einem vom Dach der Krankenanstalt herabfallenden Biberschwanzziegel am Kopf und an den Händen getroffen wurde;
JBl 1986, 452 (negativ – mit schwacher Begründung): Die Klägerin rutschte am Gang eines Krankenhauses, der zuvor mit einem farblosen Wachsentferner gereinigt worden war (Rutschgefahr!), aus, stürzte und beschmutzte ihr Wildlederkostüm irreperabel. – Der Vertrag des Krankenanstaltsträgers mit dem Patienten entfaltet – so der OGH – im Allgemeinen keine Schutzwirkungen zugunsten Dritter, die den Patienten besuchen oder ihn bei der Aufnahme begleiten. (?) – Die Leugnung von Verkehrssicherungspflichten für Krankenanstalten aller Art durch den OGH ist unhaltbar und gleichheitswidrig.
Ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte (hier einzelne Wohnugnseigentümer) kann bspw auch der Vertrag des WE-Organisators mit Professionisten sein; dazu SZ 58/7 (1985) = JBl 1985, 622.
Eine weitere Fallgruppe des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter betraf früher Aufklärungs-, Warn- oder Sorgfaltspflichten des (Produkt)Herstellers gegenüber Endverbrauchern (vgl SZ 51/169; EvBl 1993/14; ZVR 1989/89), die nunmehr vom PHG 1988 erfasst werden.
Vgl auch ZVR 1998/5 (Kreis geschützter Personen nach § 1295 ABGB): Schutz- und Sorgfaltspflichten des Schuldners als vertragliche Nebenpflichten bestehen nicht nur dem Vertragspartner, sondern auch dritten Personen gegenüber. Der Dritte erwirbt in diesem Fall unmittelbare Ansprüche gegen den Schuldner, dieser hat gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen einzustehen. – Der Kreis der geschützten Dritten ist auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung zu umgrenzen. Der Dritte muss der vertraglichen Leistung nahe stehen. Für den Schuldner muss der Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung vorhersehbar sein. Der Kreis der geschützten Personen ist eng zu ziehen. (?) – Beim Verkauf eines Mopeds gehört die volljährige Schwester der minderjährigen Käuferin, die mit dieser nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, nicht zum geschützten Personenkreis.
OGH 5. 9. 2000, 5 Ob 18/00h, JBl 2001, 227: Im Strafprozess haftet ein gerichtlicher Sachverständiger in Anlehnung an die Idee des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch anderen als den Prozessparteien für ein mangelhaftes Gutachten. Auf Grund des Untersuchungsgrundsatzes sind sie vom Schutzzweck der Bestellung mitumfasst; sie können Aufwendungen, um einen falschen Verdacht zu entkräften, über Schadenersatz geltend machen.
OGH 17. 8. 2000, 4 Ob 203/00g („Sturz von der Leiter”), EvBl 2001/17: Ein Elektromonteur stürzt in einem Rohbau von einer 4 m hohen Leiter, weil diese mit einem Standbein in ein tiefes Loch geraten ist, welches von einem anderen Bauunternehmen im Zuge der Betonier – und Estricharbeiten nicht ordnungsgemäß verschlossen, sondern bloß mit einer Folie abgedeckt worden war. Der schwer Verletzte klagt das Betonierungsunternehmen auf Schadenersatz. – OGH bejaht Schadenersatz, da Schlechterfüllung (hier durch das Betonierungsunternehmen) auch dann vorliege, wenn – bei ordentlicher Erbringung der Hauptleistung – sonstige Güter des Gläubigers verletzt werden. Auf Grund der Konstruktion des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kann Elektromonteur den Schädiger unmittelbar auf Schadenersatz ex contractu klagen.


Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (1)
Abbildung 9.38:
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (1)


Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (2)
Abbildung 9.39:
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (2)
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II. Drittschäden
Das ABGB traf – im Gegensatz zum ALR, das eine ausdrückliche Regelung enthielt (vgl Kasten), scheinbar keine gesetzliche Anordnung über Drittschäden. Es sei denn, man versteht – was wohl von Martini und vielleicht auch noch von Zeiller beabsichtigt war – die weite Formulierung des § 1295 Abs 1 ABGB: „Jedermann ist berechtigt, ...” als einen derartigen Versuch. Das wird aber von Rspr und Schrifttum weitgehend abgelehnt. Das kodifikationsgeschichtliche Versäumnis des ABGB-Gesetzgebers wird von der Rspr mühsam in Einzelfällen und Fallgruppenbildung nachzuholen versucht. – Das berechtigte Anliegen von Rspr und Schrifttum, Schadenersatzansprüche nicht ausufern zu lassen, könnte aber auch bei grundsätzlicher Anerkennung der Drittschäden erreicht werden.
Kein Ausufern von Schadenersatzansprüchen
Vgl dazu auch die Ausführungen zum Vermögensschaden → Vermögensschäden – Zur Lex Aquilia → Die rechtshistorische Bedeutung der lex Aquilia – Dritt- oder mittelbare Schäden werden von der Rspr grundsätzlich nicht, vielmehr nur – abgesehen von jenen Fällen, in denen der Gesetzgeber wie in § 1327 ABGB einen solchen Ersatz ausdrücklich anordnet – ausnahmsweise ersetzt, wobei eine überzeugende Linie bislang nicht gefunden werden konnte. Die Rspr tastet sich von Fallgruppe zu Fallgruppe voran, wobei die vergangenen 25 Jahre beträchtliche Änderungen und Verbesserungen gebracht haben. – Ersetzt werden aber bis heute grundsätzlich nur unmittelbare Schäden.
1. „Mittelbar ist ein Schaden …“
Der OGH umschreibt seine Position zum Drittschaden folgendermaßen: „Mittelbar ist ein Schaden dann, wenn er nicht in der Richtung des Angriffs, sondern in Folge einer Seitenwirkung in einer Interessensphäre eintritt, die nicht durch das Verbot des Angriffs geschützt ist”; SZ 34/112, JBl 1966, 86; EvBl 1966/305 uam. – Gemeint ist damit, dass ein Schädiger nicht alle Folgen eines Schadens zu ersetzen verpflichtet sein soll, sondern nur jene, die der Normzweck der übertretenen Norm (→ Lehre vom Schutzzweck der (verletzten) Norm – Rechtmäßiges Alternativverhalten) verhindern wollte. Über den Umfang des Normzwecks lässt sich aber trefflich streiten, mag sich auch das Verständnis in den letzten Jahrzehnten zum Teil wesentlich (zu mehr Lebensnähe) verschoben haben; dazu gleich mehr.
Beispiel
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2. § 1295 ABGB: „Jedermann …“
Die hA legt das „Jedermann ...” des § 1295 ABGB eng aus. Die weite Fassung des Gesetzes wird einschränkend im iSv „jeder unmittelbar Geschädigte” interpretiert. – Die Anordnung eines ausdrücklich gesetzlichen Drittschadensersatzes enthalten § 1327 ABGB und § 12 EKHG.
Diese Anordnung wäre nach hA überflüssig, lägen Drittschäden innerhalb des Bereichs des vom Gesetzgeber gewollten normativen Schadensbegriffs. Dieses Argument taugt aber nicht allzu viel, und lässt die Entstehungsgeschichte unseres Schadenersatzrechts außer Acht. ME wollte § 1327 ABGB nur die praktisch wichtigste Gruppe einer bestimmten Kategorie von Ersatzleistungen herausheben, nicht aber andere Drittschäden ausschließen; vgl Barta, in: Barta/Palme/Ingenhaeff (Hg), Naturrecht und Privatrechtskodifikation 377 f und 401 f (1999).
Das ALR hat versucht, die Drittschadensproblematik mittels einer Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Schäden zu lösen. Diese Unterscheidung findet auch heute noch Verwendung. Weiter sind wir auch heute noch nicht. – Im ABGB erinnert noch das „Jedermann” in § 1295 daran.
ALR I 6 § 2
„Wird ein ... [Schade] durch eine Handlung oder Unterlassung unmittelbar und zunächst bewirkt, so wird der Schade selbst unmittelbar genannt.”
ALR I 6 § 3
„Entsteht der Nachtheil zwar aus der Handlung oder Unterlassung, jedoch nur in Verbindung derselben, mit einem andern von ihr verschiedenen Ereignisse, oder mit einer nicht gewöhnlichen Beschaffenheit der Person oder Sache, so ist ein mittelbarer Schade vorhanden.”
§ 4 leg cit behandelt – nicht zufällig – den Zufall, was zeigt, das vom unmittelbaren, über den mittelbaren und schließlich zum Zufallsschaden eine Zurechnungslinie verläuft; eine Einsicht die im modernen Privatrecht in Vergessenheit geraten ist!
Darüber hinaus schränkt die Rspr den Drittschadenersatz stark ein. Die Argumente zur Einschränkung von Drittschäden überzeugen dabei nur zum Teil:
Argumente zur Einschränkung von Drittschäden
• So, wenn argumentiert wird, dass andernfalls die Ersatzpflichtuferlosausgeweitet würde und – darüber hinaus
• schon bei leichter Fahrlässigkeit des Schädigers es zu einer existenzgefährdenden Schadenersatzsumme für den Schädiger kommen könne. – Diese Argumente sind zwar ernst zu nehmen, sollten aber künftig nicht bloß der Ablehnung von Ansprüchen dienen.
Unbefriedigend bleiben bspw die sog Leasingfälle; vgl JBl 1985, 231 (Anm Apathy): § 1295 ABGB – Der obligatorisch berechtigte Leasingnehmer genießt keinen absoluten Schutz. Bei Beschädigung der Leasingsache ist er (bloß) mittelbar Geschädigter und nur der Eigentümer des Leasingobjekts ersatzberechtigt. Es liegt keine Schadensverlagerung vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer vor, wenn die Leasingraten während der Zeit der Unbenützbarkeit (zB des Kfz) weiterzuzahlen sind. (?) – In diesem Sinne auch JBl 1996, 114 (Anm Lukas); JBl 1994, 121 oder ecolex 1993, 379 (Anm Brell). – Als Vorbild einer Lösung könnte das Zuerkennen von Schadenersatzansprüchen an den Leasingnehmer und den Leasinggeber – nach dem Vorbild des Eigentumsvorbehalts – dienen → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel.
Leasingfälle
Richtungweisend für die Rspr erscheint zutreffenderweise die Orientierung an der Lehre vom Schutzzweck der Norm (→ Lehre vom Schutzzweck der (verletzten) Norm – Rechtmäßiges Alternativverhalten), die auf der einen Seite ein Ausufern des Ersatzes zu verhindern vermag, andrerseits aber auch ein Umdenken ermöglicht. Das hat die Rspr in den letzten Jahren (in mancher Hinsicht) auch getan. Der Adaptierungsprozess ist aber noch nicht abgeschlossen. Vgl jedoch folgende E:
Orientierung am Schutzzweck der Norm
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 25. 6. 2002, 1 Ob 147/02b, JBl 2003, 46: Banküberfall – Täter flieht mit Fahrschulfahrzeug. Im Zuge der Verfolgungsjagd durch die Polizei wird das Fahrschulauto durch Schüsse beschädigt. Diesen Schaden und weitere Schäden durch die Nichtverwendbarkeit des Fahrzeugs für 37 Tage werden von der Fahrschule eingeklagt. – OGH prüft den Schutzzweckumfang des Polizeibefugnis-EntschädigungsG und kommt zum Ergebnis, dass auch die Schäden der Fahrschule darin Platz haben. Das G normiere nämlich eine Ersatzpflicht für den gesamten positiven Schaden des unmittelbar Geschädigten.
Auch nach der Rspr soll der Schädiger nicht ungebührlich entlastet werden; insbesondere dann nicht, wenn er dem Schadennäher steht”, als der am (unmittelbaren) Schadensgeschehen unbeteiligte Dritte. – Das wird nunmehr in den sog Schadensverlagerungsfällen anerkannt, bei denen auf Grund bestehender besonderer Rechtsverhältnisse nicht der „unmittelbar” Geschädigte, sondern der hinter diesem Stehende bloß „mittelbar” Geschädigte den Schaden (wirtschaftlich) zu tragen hat:
Welche Drittschäden werden (bislang) ersetzt?
Rechtssprechungsbeispiel
Das trifft insbesondere auf die Lohnfortzahlungsfälle zu: Bis 1994 wurde der Schaden eines Arbeitgebers – dessen Arbeitnehmer zB bei einem Verkehrsunfall körperlich verletzt worden war, was Arbeitsunfähigkeit nach sich zog –, der dadurch entstand, daß er den Lohn zB nach § 1154b ABGB, § 8 AngG oder dem EFZG weiterzahlen musste, ohne eine Arbeitsleistung des verletzten Arbeitnehmers zu erhalten (JBl 1978, 209), nicht ersetzt. – Nunmehr wird (EvBl 1994/135 = ZVR 1994/87) ein solcher Dienstgeberschaden ersetzt. Der OGH nimmt an, daß hier der unmittelbare Schaden des Dienstnehmers aufgrund bestehender gesetzlicher Vorschriften auf den Dienstgeber „verlagert” wird und der Schädiger daher dem Dienstgeber den auf ihn überwälzten Schaden zu ersetzen habe.
Auch in der Fallgruppe der sog Schockschäden dritter Personen, hat der OGH mittlerweile seine Meinung geändert; vgl ZVR 1995/46: Angstneurose eines Kleinkinds, dessen Mutter bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wird und einige Wochen im Krankenhaus verbringen muss; das gilt auch für die Trauerschadenfälle → Schockschäden dritter Personen
Rechtssprechungsbeispiel
Schon früher ersetzt wurden bspw folgende Fallkonstellationen:
Verkauf eines schlecht reparierten Fahrzeugs, weshalb der Schaden erst nach dem Verkauf beim Käufer auftritt. Der OGH gewährte dem Käufer eine (deliktische!?) Schadenersatzklage gegen die Werkstätte; SZ 58/202 (1985) = EvBl 1986/126.
SZ 64/140 (1991): Wird eine „reifende Sache” beschädigt, kann der Käufer den Schaden an dieser Sache selbst geltend machen.
Dasselbe gilt, wenn der Schenker noch Eigentümer der verschenkten Sache ist, der Beschenkte aber den Verlust oder die Beschädigung der Sache zu tragen hat; SZ 58/202.
Wichtige weitere Drittschadensfälle – sog Stromkabelfälle
JBl 1973, 581: Bauer beschädigt beim Baumfällen Starkstromleitung: In der Nachbarschaft wurden dadurch Elektrogeräte beschädigt, zB Fernseher und Tiefkühltruhen. Anders als im späteren Chemie Kundl-Fall ersetzte der OGH hier den entstandenen Geräteschaden eines Rentners (und nicht nur den Leitungsschaden der Post).
JBl 1976, 210: Chemie Kundl-Fall – Baggerfahrer beschädigt im Rahmen von Bau(aushub)arbeiten Stromkabel: Der Stromausfall führte zur Vernichtung von Bakterienkulturen. Ersetzt wird zwar der Schaden der Post am Stromkabel, nicht aber jener des Chemie-Unternehmens.
Literaturquelle Rechtssprechungsbeispiel
ZVR 1998/13 (§ 1327 ABGB, § 12 Abs 2 EKHG): Die Verpflichtung zur Zahlung von Kreditraten, die den für den Kredit solidarisch haftenden Ehegatten nach dem Unfallstod des andern Ehegatten allein trifft, stellt einen mittelbaren Schaden (?) dar, der vom Schädiger nicht zu ersetzen ist. Ein Fall bloßer Schadensverlagerung liegt hier nach Ansicht des OGH nicht vor.
JBl 1984, 262: Zur Abgrenzung von unmittelbarem und mittelbarem Schaden. Kläger = Gesellschafter einer GmbH, der bei einem Verkehrsunfall verletzt wird. Erstbeklagter = Pkw-Lenker, Zweitbeklagter = Pkw-Haftpflichtversicher. – Ein zu ersetzender unmittelbarer Schaden des geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH ist es, wenn durch den verletzungsbedingten Ausfall von dessen Arbeitskraft die GmbH einen Gewinnausfall erleidet und so der Gewinnanteil des Verletzten geschmälert wird. Die GmbH selbst ist nur mittelbar geschädigt. – Zur Zulässigkeit des Indizienbeweises.


Dritt- oder mittelbarer Schaden (1)
Abbildung 9.40:
Dritt- oder mittelbarer Schaden (1)


Dritt- oder mittelbarer Schaden (2)
Abbildung 9.41:
Dritt- oder mittelbarer Schaden (2)


Dritt- oder mittelbarer Schaden (3)
Abbildung 9.42:
Dritt- oder mittelbarer Schaden (3)


Dritt- oder mittelbarer Schaden (4)
Abbildung 9.43:
Dritt- oder mittelbarer Schaden (4)