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Inhaltsverzeichnis
SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 8
zurück B. Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung
vor D. Die Lehre vom Rechtsobjekt
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C. Gutglaubenserwerb und Doppelverkauf
I. Gutgläubiger Eigentumserwerb
1. Der Problemhintergrund des § 367 ABGB
Üblicherweise wird Eigentum derivativ, dh von einem (berechtigten) Vormann, erworben. § 423 ABGB spricht von „Sachen, die schon einen Eigentümer haben”. So wird zB das Eigentumsrecht einer Käuferin unmittelbar vom Veräußerer / Verkäufer, der idR Eigentümer ist, abgeleitet. Dabei gilt – wie wir schon wissen – der Grundsatz, dass niemand mehr Recht übertragen kann, als er selbst hat: Nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet.
Nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet
Damit lässt sich das Problem des Gutglaubenserwerbs (vom Nichteigentümer) aber nicht lösen, denn es gibt Fälle, und nur diese will § 367 ABGB regeln, dass jemand zB von einem Antiquitäten- oder Autohändler oder auch einer Privatperson etwas kauft, und zwar im guten Glauben, dass diese Personen Eigentümer des Kaufgegenstands oder doch wenigstens darüber verfügungsberechtigt sind, was sich aber nachträglich als falsch herausstellt. Der Händler verkauft zB wissentlich gestohlene Ware und ist / wurde daher selbst gar nicht Eigentümer! Oder eine Privatperson verkauft die ihr anvertraute Sache, etwa das geliehene Fahrrad. – Kann in so einem Fall zB der hehlerische Händler dennoch an gutgläubige Kunden Eigentum übertragen? Und warum soll das so sein?
Typische Fälle
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2. § 367 ABGB als Ausnahme von § 366 ABGB
Das ABGB behandelt den Gutglaubenserwerb des § 367 legistisch als Ausnahmefall der unmittelbar vorangehenden Eigentumsklage des § 366 ABGB. – Es ist also kein Zufall, dass § 367 unmittelbar im Anschluss an die Eigentumsentziehungsklage des § 366 ABGB anschliesst.
Ausnahme von § 366 ABGB
§ 367 ABGB
Die Eigentumsklage [gemeint ist zB die eines Eigentümers, dem die Sache gestohlen wurde!] findet gegen den redlichen Besitzer einer beweglichen Sache nicht statt, wenn er beweist, dass .... In diesen Fällen wird von den redlichen Besitzern das Eigentum erworben, und dem vorigen Eigentümer [dem zB die Sache gestohlen wurde] steht nur gegen jene, die ihm dafür verantwortlich sind [= zB den Dieb und seinen Hehler = Antiquitätenhändler], das Recht der Schadloshaltung zu.
Beachte
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3. Einschneidende Rechtsfolge: Verkehrsschutz
Die Rechtsfolge des § 367 ABGB ist einschneidend! Der bspw bestohlene (= frühere) Eigentümer verliert sein Eigentum (zB am gestohlenen Familienbild oder Teppich), wenn der Erwerber (= Käufer) die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere auch die der Gutgläubigkeit erfüllt. – Diese harte Sanktion wird vom Gesetz nur deshalb angeordnet, weil der Gesetzgeber den rechtsgeschäftlichen Verkehr auf eine sichere Grundlage stellen wollte; Verkehrs- und Vertrauensschutz. Man muss sich darauf verlassen können, dass Eigentum erlangt wird, wenn man zB von einem Kfz-Händler, also einem befugten „Gewerbsmann”, in gutem Glauben ein Kraftfahrzeug oder aus einer öffentlichen Versteigerung Gegenstände erwirbt. Die Erwartungen des Publikums dürfen trotz möglicher „Unregelmäßigkeiten” nicht enttäuscht werden. – Nur diese wirtschaftlich orientierten rechtlichen Verkehrsschutzüberlegungen rechtfertigen die harte und – zunächst vielleicht – ungerecht erscheinende Rechtsfolge des Eigentumsverlustes des früheren Eigentümers; in unserem Beispiel des Bestohlenen.
Verkehrsschutz bewirkt ET-Verlust
Solche Überlegungen können in der Kodifikationsgeschichte bis zum Codex Theresianus zurückverfolgt werden.
Moderne Wirtschaftsordnungen verlangen von der Rechtsordnung, dass im Interesse von Verkehrssicherheit und Vertrauensschutz stärker auf äußere Erscheinungsformen von Rechtsverhältnissen Bedacht genommen wird und nicht so sehr auf innere Zustände oder Vorgänge, die nicht unmittelbar einsichtig sind. Das wird noch dadurch verstärkt, dass der Handels- und Wirtschaftsverkehr auf rasche und verlässliche Geschäftsabwicklung angewiesen ist. Vgl dazu die Begründung in SZ 2/14 (1920): Pferdediebstahl → Entscheidungsbeispiele
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4. Gesetzliche Voraussetzungen
Gutgläubiger Erwerb ist aber an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen geknüpft. Nur die vollständige Erfüllung dieser Voraussetzungen lässt die erwähnte harte Sanktion für den bisherigen Eigentümer eintreten und den gutgläubigen Erwerber Eigentum auch vom Nichteigentümer erlangen.
Das Handelsrecht kennt in den §§ 366 ff HGB eine vom bürgerlichen Recht etwas abweichende Regelung des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten. Eine Vereinheitlichung steht immer noch aus, sollte aber im Rahmen der Neufassung des HGB angestrebt werden.
§ 367 ABGB kennt drei allgemeine und drei besondere Voraussetzungen:
Die drei allgemeinen Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Es sind folgende:
Drei „allgemeine“ Voraussetzungen
• Der Erwerber muss redlich, dh gutgläubig sein, ein Kriterium, das von der Rspr streng geprüft wird! Vgl dazu die Beispiele in → KAPITEL 3: Redlicher Besitz.
• Es muss sich um den Erwerb einer beweglichen (körperlichen) Sache handeln; für Liegenschaften gilt § 367 ABGB also nicht.
Es gibt auch keinen gutgläubigen Erwerb von Forderungsrechten → Körperliche und unkörperliche Sachen
• Schließlich muss der Erwerb entgeltlich erfolgt sein; § 367 ABGB: „ ... gegen Entgelt.” – Gutgläubiger unentgeltlicher Erwerb (zB Schenkung einer gestohlenen Sache) wird also nicht geschützt! Hier hat also der Schutz des Eigentümers Vorrang.
Beispiel
Dazu treten zusätzlich als besondere Voraussetzungen folgende, wobei hier nur eine von ihnen – alternativ – vorliegen muss. Entweder:
Alternative „besondere“ Voraussetzungen
• Erwerb der Sache „in einer öffentlichen Versteigerung „ (1. Fall);
1. Fall
Der Ersteher von Fahrnis erwirkt Eigentum mit dem Zuschlag ohne besonderen Übergabsakt durch das Vollstrekkungsorgan; SZ 26/281 (1953) oder SZ 58/64 (1985). – Wie ist zu entscheiden, wenn die versteigerte Sache (eine Skulptur des Pharao Sesostris III) als echt angekündigt wird, sich aber nachträglich als Fälschung herausstellt? § 367 ABGB regelt nur den gutgläubigen Eigentumserwerb; andere Rechte, etwa Schadenersatz- oder Gewährleistungsansprüche bleiben davon unberührt und könnten daher hier zu Wandlung, Preisminderung oder allenfalls auch Schadenersatzansprüchen führen. Nicht der Erwerbsakt nach § 367 ABGB ist hier mangelhaft, sondern die Sache selbst. Es liegt eine Leistungsstörung, kein Mangel in der Wurzel vor → KAPITEL 7: Mängel von Rechtsgeschäften (Folie).
• oder „von einem zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmann „ (2. Fall), oder
2. Fall
• wer die Sache „ ... von jemandem an sich gebracht hat, dem sie der Kläger [also der bisherige Eigentümer] selbst zum Gebrauche, zur Verwahrung, oder in was immer für einer andern Absicht anvertraut hatte”; sog Vertrauensperson (3. Fall).
3. Fall
Anvertraut ist eine Sache dann, wenn sie sich mit Willen des Eigentümers im (ausschließlichen) Gewahrsam eines andern befindet; SZ 39/189 (1967). Das gilt selbst dann, wenn sie dem Eigentümer betrügerisch herausgelockt wurde; SZ 58/75 (1985) unter ausdrücklicher Ablehnung der vorangehenden Rspr. Daran zeigt sich, dass der Verkehrsschutz sehr weit reicht! – Geschützt ist auch der Erwerb vom Vertrauensmann des Vertrauensmanns oder vom Erben des Vertrauensmanns; Rspr 1936/53.
Anvertraut?
Schon das alte deutsche Recht kannte für diesen 3. Fall das Rechtssprichwort: „Wo Du Deinen Glauben gelassen hast [zB bei einem untreuen Freund, der das entliehene Fahrrad idF verkauft!], musst Du ihn suchen „; oder: ”Trau, schau, wem!” – Der Erwerb von einer Vertrauensperson, also der 3. Fall des § 367 ABGB, gelangte erstmals in Martinis Entwurf (II 3 § 20) ins österreichische Recht. Die ersten beiden Fälle des § 367 ABGB kennt dagegen schon der Codex Theresianus und auch das ALR; vgl Wellspacher, Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Recht 168 f (1906). Der erste Fall des § 367 ABGB hat bereits griechische Wurzeln. – Vgl auch den Hinweis in § 1088 Satz 2 ABGB (Trödelvertrag / Verkaufsauftrag): „In keinem Fall kann die zum Verkaufe anvertraute Sache dem Dritten, welcher sie von dem Übernehmer redlicher Weise an sich gebracht hat, abgefordert werden (§ 367 ABGB).”
Rechtssprichworte
Beispiel
Beispiel
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5. Entscheidungsbeispiele
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 20/182 (1938): Dauerwellenapparat – §§ 367, 368 ABGB. – Der gutgläubige Erwerb wird durch Umstände ausgeschlossen, die den begründeten Verdacht entstehen lassen, dass der Verkäufer nicht Eigentümer der Sache ist, sondern selbst [zB] nur Vorbehaltskäufer [Eigentumsvorbehalt]. – Die Versicherung des Verkäufers allein, dass er über die Sache verfügen kann, kann guten Glauben des Erwerbers nicht begründen.
Kläger = Verkäufer eines Dauerwellenapparats;
Beklagter = Vermieter des Friseurs.
Die Klägerin hatte dem im Hause des Beklagten wohnenden Friseur gegen Ratenzahlungen einen Dauerwellenapparat unter Eigentumsvorbehalt verkauft. Obwohl der Friseur nur einen geringen Teil des Kaufpreises bezahlt hatte, überließ er dem Beklagten, dem er seit längerer Zeit den (Miet)Zins schuldig war, den Apparat auf Abschlag der Zinsschuld. Er ist deswegen strafrechtlich verurteilt worden. – Die Klägerin verlangte vom Beklagten die Herausgabe des ihr gehörigen Apparats. Zu Recht? Versuchen Sie die dazu nötigen Argumente zu sammeln. Welcher Fall des § 367 ABGB ist hier zu prüfen?
JBl 1988, 313: Vorführwagen „Alfa Romeo „; Kläger = Autokäufer (ohne Kontrolle des Typenscheins); Beklagter = Autohändler. Wer beim Kauf eines Gebrauchtwagens nicht in den Typenschein Einsicht nimmt, kann das Auto mangels Redlichkeit in aller Regel nicht gutgläubig erwerben. – Der Käufer eines Neu- oder auch Vorführwagens, der den Kaufpreis sogleich bezahlt, darf jedoch uU vom Eigentum des Verkäufers auch ausgehen, wenn er sich den Typenschein nicht vorlegen ließ.
Nach stRsp ist es Sache des Käufers eines Kraftwagens, sich durch Einsichtnahme in den Kraftfahrzeugbrief / Typenschein von der Rechtmäßigkeit des Besitzes seines Vorgängers zu überzeugen ( ...). An die Erkundigungspflicht des Käufers sind besonders strenge Anforderungen dann zu stellen, wenn es sich um einen Gebrauchtwagen handelt, weil hier Diebstähle besonders häufig vorkommen ( ...). Immer aber ist im Einzelfall zu prüfen, ob die nach den besonderen Umständen erforderliche Sorgfalt verletzt wurde ( ...). Auch bei Anwendung eines strengen Maßstabs kann deshalb die Gutgläubigkeit des Käufers eines fabriksneuen Fahrzeuges, der einem autorisierten Händler den Kaufpreis bar bezahlt hat – auch wenn für einen Teil des Kaufpreises ein gebrauchter PKW des Käufers an Zahlungs statt gegeben wird – nicht allein aus dem Grunde verneint werden, weil er sich den Typenschein nicht vorweisen ließ. Dies gilt auch für einen vom Kraftfahrzeughändler benützten Vorführwagen. Denn bei einem Vorführwagen handelt es sich nicht um den Gebrauchtwagen eines Dritten, so dass bei dessen Erwerb die Rechtsgrundsätze für den Kauf eines Neuwagens anzuwenden sind.
SZ 2/14 (1920): Pferdediebstahl – Wer ist befugter Gewerbsmann iSd § 367 ABGB?
Kläger = Bestohlener Pferdeeigentümer; Beklagter = Großgrundbesitzer, dessen Verwalter ein gestohlenes Pferd des Klägers gekauft hat.
Dem Kläger, einem burgenländischen Wirtschaftsbesitzer, wurden in der Nacht vom 15. zum 16. Oktober 1918 zwei Pferde aus dem Stall gestohlen. Am Abend des 17. und in der Früh des 18. Oktobers 1919 hatte ein bekannter Mann eines dieser Pferde dem Verwalter des Beklagten M, eines in einer nö Gemeinde begüterten Großgrundbesitzers, zum Kaufe angeboten und überlassen. Der Verwalter hatte diesem Mann dafür einen Rapphengst im Werte von 5000 Kronen und einen Barbetrag von 4500 Kronen übergeben. Dem Kläger war es nach wochenlangen Nachforschungen gelungen, den Dieb zu verfolgen und das Pferd im Stalle des Großgrundbesitzers zu agnoszieren. Der Verwalter war anfangs geneigt, weigerte sich aber später, das Pferd herauszugeben. – Der Kläger begehrte mit der Klage von M. die Ausfolgung des Pferdes oder Zahlung des Betrags von 15.000 Kronen. – Alle 3 Instanzen gaben der Klage statt.
RdW 1985/11: Herauslocken von Perserteppichen – Gutglaubenserwerb an listig entlockten Sachen? Dem Eigentümer betrügerisch entlockte Sachen sind anvertraut iSd § 367 ABGB und können daher von Dritten gutgläubig erworben werden. – Der gute Glaube wird aber schon durch leicht fahrlässige Unkenntnis der wahren Umstände ausgeschlossen.
Kläger = Teppichhändler; Beklagter = Teppichkäufer.
H.K. verleitete einen Angestellten des Klägers zur Ausfolgung von Perserteppichen, indem er vorgab, er wolle sie zu Hause zur Probe auflegen. Tatsächlich verkaufte er sie dem Beklagten zu einem günstigen Preis. Der Kläger verlangt vom Beklagten die Herausgabe der Teppiche. – Hier findet nicht der 2., sondern der 3. Fall des § 367 ABGB Anwendung.
EvBl 1999/168: Wirkung des gutgläubigen Erwerbs bei Weiterveräußerung und Rückerwerb durch den Veräußerer. – Der gutgläubige Erwerber verschafft durch die Übertragung der Sache (Motorjacht) jedem Dritten Eigentum, auch wenn diesem der Mangel im Erwerbsakt des Vormanns bekannt ist. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Sache an den schlechtgläubigen Veräußerer selbst zurückgelangt; hier durch ein Finanzierungsleasing in Form eines Sale-and-lease-back-Geschäfts. (?)
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II. Der sog Doppelverkauf
Literaturquelle
1. § 367 und § 430 ABGB
Immer wieder stellt sich – oft im praktischen Zusammenhang mit § 367 ABGB (der aber auf den Erwerb beweglicher Sachen beschränkt ist!) – auch die Frage des Doppelverkaufs. Das ABGB regelt ihn getrennt für bewegliche (§ 430 ABGB) und unbewegliche Sachen (§ 440 ABGB).
Es handelt sich bei der Regelung des Doppelverkaufs auch um eine frühe Antwort des Gesetzgebers auf die Verletzung fremder Forderungsrechte, die auch die Rspr früh für schutzwürdig ansah; dazu Gschnitzer, AllgT 717 ff (19922) und → KAPITEL 11: Verletzung fremder Forderungsrechte: Sittenwidrigkeit.
Verletzung fremder Forderungsrechte
Man darf nicht meinen, Doppelverkäufe von Liegenschaften kämen nicht vor. In Wahrheit sind sie nicht selten.
Sehen wir uns das häufige Zusammenspiel von § 367 und bspw § 430 ABGB anhand eines Beispiels an.
Zusammenspiel von § 367 und bspw § 430 ABGB
Schulfall: Frau A kauft bei einem Antiquitätenhändler einen schönen alten Kelim (2 x 3 m), bezahlt auch gleich, ersucht jedoch darum, den Teppich erst einige Tage später abholen zu können, weil er ihr zum Tragen zu schwer sei und sie derzeit über kein Fahrzeug verfüge. – Als Frau A zwei Tage später den Teppich abholen will, tritt der Verkäufer verlegen von einem Fuß auf den anderen und teilt Frau A schließlich mit, dass er den Kelim mittlerweile an eine andere Kundschaft für ihn günstiger (zB um 250 ı teurer!) verkauft habe. – Was kann Frau A tun?
Wie würden Sie entscheiden?
• Ist Frau A bereits Eigentümerin geworden? Wenn ja – wodurch?
• Welche Nebenpflicht des Kaufvertrags hat der Verkäufer verletzt?
• Erwirbt der Zweitkäufer (K2) Eigentum am Kelim? Wenn ja – wie?
• Kann Frau A, wenn sie zufällig einige Tage nach der bösen Überraschung in der Auslage eines anderen Teppichhändlers einen ähnlichen Teppich sieht, der aber ebenfalls um 250 ı teurer ist, als der von ihr gekaufte, diesen Mehrpreis, der dem höheren Zweitverkäuferpreis ihres treulosen Verkäufers entspricht, verlangen oder erhält sie nur ihren Kaufpreis zurück? – Anders gefragt: Stehen Frau A auch Schadenersatzansprüche zu?
Hat der Verkäufer (Schuldner) durch einen Doppelverkauf die Erfüllung der geschuldeten Leistung vereitelt / unmöglich gemacht, hat er den höheren Erlös dem Käufer als (Schaden)Ersatz herauszugeben. Am Vorliegen von Verschulden ist idR nicht zu rütteln. Der Verkäufer wird als unechter Geschäftsführer (→ KAPITEL 12: Unerlaubte oder unechte GoA: § 1040 ABGB) behandelt; § 1040 ABGB. Der Mehrerlös wird als sog stellvertretendes Commodum bezeichnet, das auch in anderen Konstellationen von Bedeutung ist. Diese Rechtsfigur wird ua auf § 7 ABGB gestützt. – Wir haben es in unserem Beispiel mit einer verschuldeten nachträglichen Unmöglichkeit iSd § 920 ABGB zu tun → KAPITEL 7: Nachträgliche Unmöglichkeit. Zusätzlich kommt neben § 430, der die Rechtsfolge offen lässt – wie erwähnt – § 1040 ABGB zur Anwendung.
Stellvertretendes Commodum
Literaturquelle
Für den Eigentumserwerb beim Doppelverkauf entscheidet in beiden Fällen nicht die Priorität des schuldrechtlichen Titels (= erster Kaufvertrag), sondern die des sachenrechtlichen Modus: Bei § 430 ABGB (beweglichen Sachen) die frühere Übergabe; bei Liegenschaften (§ 440 ABGB) kommt es auf das frühere Ansuchen um Grundbuchseintragung an → KAPITEL 2: Arten bücherlicher Eintragungen. – Der, dem die Sache zuerst übergeben oder der zuerst um Verbücherung angesucht hat, erwirbt gültiges Eigentum. Selbst bei Kenntnis des ersten Verkaufs! „Kenntnis” meint aber nicht „Verleitung zum Vertragsbruch”. Dazu → Doppelverkäufe von Liegenschaften Der Doppelverkäufer haftet allerdings dem verletzten Teil für die – idR schuldhafte – Nichterfüllung.
Eigentumserwerb beim Doppelverkauf
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2. Doppelverkäufe von Liegenschaften
Auch Doppelverkäufe von Liegenschaften (§ 440 ABGB) kommen immer wieder vor: Der Erstkäufer, dem die Liegenschaft nicht physisch außerbücherlich übergeben wurde, kann vom Verkäufer nur Schadenersatz wegen Nichterfüllung begehren, selbst wenn der Zweitkäufer vom ersten Kauf Kenntnis hatte; SpR 59 (1873).
Nur bei Verleitung zum Vertragsbruch durch den Zweitkäufer und bei arglistigem Zusammenwirken von Verkäufer und Zweitkäufer kann der Erstkäufer unter Heranziehung von § 1295 iVm § 1323 ABGB die ihm verkaufte, aber nicht übereignete Liegenschaft als Naturalersatz herausverlangen; JBl 1981, 535.
Verleitung zum Vertragsbruch
Vgl dazu die Ausführungen (E 22 und E 23 zu § 431 ABGB) in Dittrich / Tades, MGA ABGB35 (1999). Das folgende Zitat soll auch einen ersten Eindruck über die Darstellungsweise einschlägiger Probleme in diesem wichtigen Nachschlagwerk vermitteln, wobei hier auf die Kursivsetzungen im Original verzichtet wurde.
Literaturquelle
Beispiel
Beispiel


Doppelverkauf (1)
Abbildung 8.38:
Doppelverkauf (1)


Doppelverkauf (2)
Abbildung 8.39:
Doppelverkauf (2)
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III. Gutgläubiger Pfandrechtserwerb
1. Gutgläubiger Pfandrechtserwerb
§ 367 ABGB regelt den gutgläubigen Eigentumserwerb und bindet diesen – der „harten” Konsequenzen wegen – an strenge Voraussetzungen. – Gibt es auch einen gutgläubigen Pfandrechtserwerb vom Nichtberechtigten? – Ja! Die Begründung enthält § 456 ABGB.
§ 456 ABGB
Wird eine fremde bewegliche Sache ohne Einwilligung des Eigentümers verpfändet, so hat dieser idR zwar das Recht, sie zurückzufordern; aber in solchen Fällen, in welchen die Eigentumsklage gegen einen redlichen Besitzer nicht statt hat (§ 367 ABGB), ist er verbunden, entweder den redlichen Pfandinhaber schadlos zu halten, oder das Pfand fahren zu lassen, und sich mit dem Ersatzrecht gegen den Verpfänder zu begnügen.
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2. § 456 hat § 367 ABGB zum Vorbild
§ 456 ABGB folgt tatbestandlich dem Vorbild des § 367 ABGB und ermöglicht ebenfalls einen gutgläubigen Pfandrechtserwerb an beweglichen (!) Sachen: zB bei Verpfändung einer fremden Sache. – Die Hypothek führt ein reines Buchleben und existiert außerhalb des Grundbuchs nicht.
Beispiel
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3. Rechtsfolge des § 456 ABGB
Bleiben wir bei unserem Beispiel: C erwirbt gutgläubig Pfandrecht, nicht Eigentum! Das Eigentum (des A) wird durch das gutgläubig entstehende Pfandrecht zwar belastet, geht aber nicht verloren! – Was könnte aber die Folge sein, wenn A sein Fahrrad wieder haben will?
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4. § 366 HGB
Zum gutgläubigen Pfandrechtserwerb im Handelsrecht vgl § 366 HGB. Hier genügt guter Glaube des Pfandgläubigers auf die rechtliche Verfügungsbefugnis ( Eigentum) des Pfandbestellers. – Das Handelsrecht verlangt für den Verlust der Gutgläubigkeit auch grobe Fahrlässigkeit!
§ 366 Abs 1 HGB
Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes eine bewegliche Sache, so wird das Eigentum oder Pfandrecht auch dann erworben, wenn die Sache nicht dem Veräußerer oder Verpfänder gehört, es sei denn, dass der Erwerber beim Erwerb nicht in gutem Glauben ist. Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache dem Veräußerer oder Verpfänder nicht gehört oder dass der Veräußerer oder der Verpfänder nicht befugt ist, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen.
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5. Zusammenhang mit dem Eigentumsvorbehalt
Die Regeln des gutgläubigen Pfandrechtserwerbs spielen im Zusammenhang mit dem Eigentumsvorbehalt eine praktisch wichtige Rolle. – Lässt sich jemand Sachen verpfänden (sei es ein Kaufmann oder ein Privater), die üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden und zieht der Pfandgläubiger keine Erkundigungen ein (zB Urkundeneinsicht, Rechnungen, Belege, Erkundigung beim Verkäufer), ob der Verpfändende auch tatsächlich Eigentümer (oder nach Handelsrecht wenigstens verfügungsberechtigt) ist, handelt er (grob) fahrlässig und erwirbt nicht gutgläubig Pfandrecht iSd §§ 456 ABGB oder 366 HGB. „Es wird also [von der Rspr!] geradezu eine Nachforschungspflicht statuiert.” – H. Mayrhofer, Zur neueren Entwicklung der Kreditsicherung durch Fahrnis (1968).
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6. Judikaturbeispiele
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 23/379 (1950): Verpfändung einer unter Eigentumsvorbehalt gekauften Fräsmaschine – Leitsatz: Wer an einer Maschine ein Pfandrecht erwirbt, ohne sich zu vergewissern, dass der Verpfänder auch tatsächlich der Eigentümer ist, handelt grob fahrlässig iSd § 366 HGB. Käufer der Fräsmaschine = Verpfänder; Kläger = Verkäufer der Fräsmaschine; Beklagter = Pfandgläubiger (dem die Maschine als Pfand übergeben wurde). Sachverhalt: Dr. H hat die Fräsmaschine, deren Herausgabe die klagende Partei von der beklagten Partei verlangt, von der klagenden Partei unter Eigentumsvorbehalt gekauft und sie der beklagten Partei verpfändet.
EvBl 1965/123: Außenbordmotor – Leitsatz: § 456 ABGB (§§ 368, 1063 ABGB; § 366 HGB): Grobe Fahrlässigkeit des Pfandgläubigers beim Pfandrechtserwerb an Waren, die erfahrungsgemäß unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden. Kläger = Verkäufer des Außenbordmotors (unter Eigentumsvorbehalt); Beklagter = Pfandgläubiger des Käufer Adalbert K. Sachverhalt: Kläger verkaufte dem Elektrohändler Adalbert K einen Außenbordmotor mit Tank und Standardpropeller, komplett, samt Fernschaltung um 47.565,- S unter Eigentumsvorbehalt. Die Klägerin lieferte den Motor am 12. Juli 1962. Der Beklagte gewährte dem Adalbert K ein Darlehen von 100.00,- S gegen das Versprechen, ein Motorboot samt dem hiefür anzuschaffenden Außenbordmotor als Pfand zur Sicherung der Darlehensforderung übergeben zu erhalten. Adalbert K übergab ungefähr 1 Monat nach Empfang des Darlehens nach Einbau des Motors in das Boot dieses samt Motor dem Beklagten mit der Erklärung, er sei Eigentümer des Bootes. Der Beklagte kannte die finanziellen Verhältnisse des Adalbert K nicht und wusste nur, dass dieser ein Haus und ein großes Geschäft besaß. Die Klägerin begehrte nunmehr mit der Behauptung, der Beklagte sei beim Pfandrechtserwerb schlechtgläubig gewesen, die Herausgabe des Außenbordmotors.
Ähnlich HS 4264/21 (1963): Ananasdosen – Grob fahrlässig (§ 366 HGB!) handelt, wer den von Anfang an gegebenen Verdacht eines Eigentumsvorbehalts nicht aufklärt. Die Behauptung des Verpfänders allein, dass er über die Sache verfügen könne, kann den guten Glauben des Erwerbers nicht begründen. Bei der Häufigkeit des Eigentumsvorbehalts besteht eine Pflicht zur sorgfältigen Nachforschung. Kläger = Verkäufer und Lieferantin der Ananasdosen (die unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurden); Josef H = Käufer der Ananasdosen und Pfandbesteller + Verpfänder. Beklagter = Speditionsgesellschaft, die an der bei ihr eingelagerten Ware ein gesetzliches und ein vertragliches Pfandrecht behauptete und deshalb die Herausgabe der Ware an den Masseverwalter verweigerte; über das Vermögen des Josef H war nämlich der Konkurs eröffnet worden. – Der Klage wurde statt gegeben.
zurück B. Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung
vor D. Die Lehre vom Rechtsobjekt