Das Rechtsgeschäft
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A. Was will die Rechtsgeschäftslehre?
Die Lehre vom Rechtsgeschäft hat ihren Sitz nicht zufällig im „Allgemeinen Teil” des bürgerlichen Rechts. Sie ist sein Herzstück. Ihr sollte beim Studium besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden! – Der „Allgemeine Teil” des bürgerlichen Rechts behandelt Rechtsgeschäfte schlechthin, also abstrakt. Im Gesetzbuch sind sie dagegen in konkreter Form als Kauf-, Werkvertrag, Schenkung oder Ehevertrag in den verschiedenen besonderen Teilen des bürgerlichen Rechts – also dem Schuld-, Sachen-, Familien- oder Erbrecht – geregelt. – Die Lehre vom Rechtsgeschäft gilt für alle Arten von Rechtsgeschäften: unentgeltliche und entgeltliche, solche von Todes wegen und unter Lebenden, einseitige, zweiseitige und mehrseitige; personen-, familien- und erbrechtliche, insbesondere aber schuldrechtliche.
In den „besonderen Teilen” des bürgerlichen Rechts, vor allem im Schuldrecht, finden wir konkret ausgeformte Rechtsgeschäftstypen, insbesondere Verträge wie: Kauf, Tausch, Schenkung, Darlehen, Verwahrung, Werk- und Arbeitsvertrag, Vereinsgründung, Ehe(schließung), Verlobung, Testament und Erbvertrag. – Die Rechtsgeschäftslehre des „Allgemeinen Teils” hebt das all diesen konkreten Rechtsgeschäftstypen Gemeinsame heraus, abstrahiert vom Besonderen und schafft so – zum besseren Verständnis – den Idealtypus „Rechtsgeschäft”, der in der juristischen Wirklichkeit in dieser Form gar nicht existiert. Dieser IdealtypusRechtsgeschäft” dient didaktisch-dogmatischen Zielen und verfolgt ein besseres Verständnis der Vorgänge im und um das Rechtsgeschäft. – Es ist wie beim Mechaniker, der, um einen Fehler zu finden, die möglichen Fehlerquellen einzeln und nacheinander durchgeht, was aber deren Kenntnis voraussetzt.
Idealtypus „Rechtsgeschäft”
Neben der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie als Rahmenbedingungen, gehört auch die Willenserklärung zum Fundament der Lehre vom Rechtsgeschäft. Daneben spielt im Rechtsgeschäftskonzept des ABGB aber auch der Verkehrsschutzgedanke eine wichtige Rolle → Zur Rechtsgeschäftslehre des ABGB
Willenserklärung: Fundament der Lehre vom Rechtsgeschäft
Gleich hier soll angemerkt werden, dass mit der Willenserklärung – die eine spätgriechisch-byzantinische Entwicklung darstellt – mitunter ein rechtsdogmatischer Kult betrieben wird. Rechtsgeschäft und Willenserklärung wurden als Allheil- und Erklärungsmittel für zu viele privatrechtliche Fragen betrachtet. Auf der anderen Seite hat die Privatrechtsdogmatik über ein vertieftes Verständnis der Willenserklärung wichtige Einsichten gewonnen. Aber nicht alle (privat)rechtlich relevanten Erklärungen / Äußerungen sind Rechtsgeschäfte oder rechtsgeschäftliche Willenserklärungen; vgl dazu → Arten von Willenserklärungen: § 863 ABGB Es ist darauf zu achten, dass der Begriff Rechtsgeschäft und rechtsgeschäftliche Willenserklärung nicht über Gebühr strapaziert wird. Dabei existieren Grauzonen, die zu Zweifeln Anlass geben: So werden Patientenverfügungen (→ KAPITEL 17: Exkurs: Die Patientenverfügung), die Widerspruchserklärung nach § 62a Abs 1 KAKuG (→ KAPITEL 18: Weltbild, Menschenbild und Menschenwürde ¿ Zur Rolle der Medizin in modernen Gesellschaften) oder die Zustimmung zu einem medizinischen Eingriff (→ KAPITEL 10: Die ¿Einwilligung¿ in die medizinische Behandlung) mitunter irrigerweise als Rechtsgeschäft qualifiziert, was besser vermieden wird und mittlerweile auch vom Gesetzgeber erkannt und abgelehnt wurde; vgl § 146c ABGB → KAPITEL 10: Die ¿Einwilligung¿ in die medizinische Behandlung.
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B. Begriff und Erklärung
I. DtBGB und „moderne” Rechtsgeschäftslehre
Die Rechtsgeschäftslehre orientiert sich in Bezug auf das Verständnis des Rechtsgeschäfts an den Motiven / Materialien, also den Entstehungsprotokollen zum dtBGB: Motive I 126 (= Mugdan I 421); so auch Gschnitzer (AllgT1+2). – Die Lehre vom Rechtsgeschäft ist eine bedeutende Leistung der deutschen Pandektistik des 19. Jhd.
Der Terminus „Rechtsgeschäft” stellt eine Übersetzung der gemeinrechtlichen Termini „actus juridicus” und „negotium juridicum” dar.
Terminus
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II. Willenserklärung und Rechtsgeschäft
Die Willenserklärung/en der Partei/en ist / sind der wesentliche Teil des Rechtsgeschäfts, denn Rechtsgeschäfte bestehen aus Willenserklärungen; wenigstens einer oder häufig aus zwei oder mehreren → Ein-, zwei- und mehrseitige Willenserklärungen – Der Parteiwille ist die treibende Kraft für den Abschluss von Rechtsgeschäften.
Parteiwille
Willenserklärung meint privatrechtlich: Willensäußerung mit rechtsgeschäftlichem Kundgebungszweck (Gschnitzer).
Die rg Willenserklärung
Nicht immer gelingt es der oder den Partei/en ihren rechtsgeschäftlichen Willen richtig zu bilden oder zu äußern; sei es, dass sie sich versprechen, im Wort vergreifen, verhören oder einfach – auf Grund von Unwissen oder unrichtigen Schlussfolgerungen – von falschen Vorstellungen ausgehen. Unter bestimmten Voraussetzungen – etwa nach den §§ 871 ff ABGB (Irrtumsregeln ) – kann eine misslungene Willensbildung oder Willenserklärung „korrigiert” werden. Allein: Immer ist das nicht möglich. Die Auslegung und Korrektur von Willenserklärungen orientiert sich nämlich nicht nur am Willen des oder der Erklärenden (sog Willenstheorie), sondern mitunter auch an der abgegebenen Erklärung (sog Erklärungstheorie) und – bei den wichtigen entgeltlichen Rechtsgeschäften – auch nach dem Verständnis des Publikums, der sog Verkehrssitte oder Verkehrsauffassung iSd § 914 ABGB (sog Vertrauenstheorie). Mehr dazu → Zur Rechtsgeschäftslehre des ABGB
Willens-, Erklärungs- und Vertrauenstheorie


Das Rechtsgeschäft
Abbildung 5.1:
Das Rechtsgeschäft
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III. Begriff des Rechtsgeschäfts
Das Rechtsgeschäft ist (in einer ersten Annäherung; vgl auch → Einteilung und Abgrenzung) Privat-Willenserklärung, gerichtet auf Rechtswirkung, die willensgemäß eintritt, weil sie rechtmäßig ist: Gschnitzer + Motive zum dtBGB. – Betrachten wir idF die einzelnen „Elemente” des Rechtsgeschäfts:
Elemente des Rechtsgeschäftsbegriffs
• Privat-WillenserklärungDas Element „Privat-Willenserklärung” will von öffentlichrechtlichen Willenserklärungen abgrenzen (<->); zB der Ausübung des Wahlrechts in der Wahlzelle oder einem Richterspruch.
• „ ... gerichtet auf Rechtswirkung”: also Hervorbringung eines rechtlichen Erfolgs. Die Rechtswirkungen bestehen danach in der Begründung, Aufhebung oder Abänderung von Rechten und/oder Pflichten. Dieses Begriffselement ist abzugrenzen (<->) von unverbindlichen Willensäußerungen iSv nicht einklagbaren (!), etwa bloß gesellschaftlichen Verabredungen; zB gemeinsam ins Kino oder Essen zu gehen oder einem Rendezvous.
• „ ... die [gemeint ist: die Rechtswirkung] willensgemäß eintritt”: Der Erfolg tritt nach der Rechtsordnung deswegen ein, weil er [vom / von den Erklärenden] gewollt ist; das heißt, der Erfolg / das Ziel des Rechtsgeschäfts wird vom Parteiwillen getragen. Dabei muss der Wille nicht alle rechtsdogmatischen Details, insbesondere nicht sämtliche Tatbestandselemente und Rechtsfolgen eines Rechtsgeschäfts umfassen. Es genügt vielmehr das Bewusstsein der Parteien, ein Rechtsgeschäft abschließen, also einen Rechtsakt setzen zu wollen! Man verlangt demnach nur das Vorliegen einer Rahmenvorstellung. – Der (Rechts)Geschäftswille richtet sich – nach W. Flume – auf einen weitgefassten Rechtsfolgewillen, der häufig einen rechtlichen und/oder wirtschaftlichen Erfolg auf rechtlich gesicherte Weise herbeiführen will; sog gemäßigte Rechtsfolgenlehre.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1977/68: Danach kommt ein Vertrag zustande, wenn nicht „den Parteien erkennbar das Bewusstsein fehlt, mit ihrer Vereinbarung Rechtsfolgen auszulösen”.
Abzugrenzen sind rechtsgeschäftliche Willenserklärungen von <-> Rechtshandlungen, Wissenserklärungen und Realakten; dazu → Exkurs: Rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen .
• „ ... weil sie [sc: die Rechtswirkung] rechtmäßig ist”: Der rechtsgeschäftliche Erfolg tritt, wie gewünscht, ein, wenn das (vom / von den Erklärenden) Gewollte rechtmäßig ist, also der Rechtsordnung nicht widerspricht. – Rechtsgeschäftliches Handeln ist also nur innerhalb der Grenzen des rechtlich Erlaubten / Zulässigen möglich. Diese Grenzen müssen von den Parteien eingehalten werden; wollen sie ihre Erklärung oder Vereinbarung mit Rechtsfolgen ausstatten. Nur in dem von ihr vorgegebenen – freilich weiten – Rahmen gewährt die Rechtsordnung Rechtsschutz/Rechtssicherheit und verleiht dem Geschäfts- oder Parteiwillen rechtliche Wirksamkeit. – Daher führt gesetz- oder sittenwidriges (rechtsgeschäftliches) Handeln nicht zum gewünschten rechtsgeschäftlichen Erfolg; vgl § 879 ABGB.
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IV. Zur Rechtsgeschäftslehre des ABGB
Aufmerksam gemacht werden muss darauf, dass die Rechtsgeschäftslehre des dtBGB (und dabei auch das Verständnis der Willenserklärung) nicht ohne Einschränkung auf das ABGB übertragen werden darf, was aber immer wieder geschieht. Das ABGB stellt nämlich, obwohl wesentlich älter, aufgrund seiner naturrechtlichen Wurzeln (K.A.v. Martini), stärker – und aus heutiger Sicht: moderner – auf Vertrauens- und Verkehrs(schutz)überlegungen ab, als das jüngere dtBGB, das vornehmlich willenstheoretisch ausgerichtet ist.
Vertrauens- und Verkehrsschutzüberlegungen
Als zurechenbare Willenserklärung iSd ABGB gilt nämlich nicht nur eine gewollte Erklärung, sondern – darüber hinaus – auch jedes menschliche Verhalten, das nach den Erfahrungen des rechtsgeschäftlichen Verkehrs die Annahme rechtfertigt, dass damit die Begründung, Abänderung oder Aufhebung von Rechten oder Rechtsverhältnissen angestrebt wird und dies der Erklärende durch sein Verhalten (als ein Tun oder Unterlassen) kundtut; dies auch unabhängig davon, ob tatsächlich ein innerer Wille beim Erklärenden vorhanden ist, dass er eine (derartige) Erklärung abgibt oder nicht. Vgl auch → Arten von Willenserklärungen: § 863 ABGB – Im Regelfall stimmen aber Wille, Erklärung und Verhalten überein.
In diesem Sinne schon Gschnitzer in Klang2 IV/1, 72 und idF auch Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung 171 und derselbe im: Münchner-Kommentar, BGB3, Vor § 116 Rz 17. – Versteht man die Willenserklärung in diesem Sinne und hält man sie von psychologischen Elementen frei, führt das auch zu einem besseren Verständnis automatisierter „Willens”-Erklärungen (Computererklärungen). Es macht dann keine Probleme, solche Erklärungen als zurechenbare (Willens)Erklärungen zu verstehen.
Computererklärungen


Das Rechtsgeschäft/RG
Abbildung 5.2:
Das Rechtsgeschäft/RG


Ausdrückliche und schlüssige Willenserklärung
Abbildung 5.3:
Ausdrückliche und schlüssige Willenserklärung
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C. Einteilung und Abgrenzung
I. Ein-, zwei- und mehrseitige Willenserklärungen
Rechtsgeschäfte bestehen entweder aus der Willenserklärung einer (zB Testament, Auslobung oder Kündigung) oder von zwei (zB Vertrag) oder mehreren Parteien (zB Vereins- oder Gesellschaftsgründung) → Einteilung nach ihrer Entstehung Danach unterscheiden wir ein-, zwei- und mehrseitige Rechtsgeschäfte.
Die Begriffe Person und Partei sind rechtlich nicht identisch. Eine Partei kann wiederum aus mehreren Personen bestehen, also mehrgliedrig sein. So, wenn Geschwister ein Auto kaufen. – Besteht das Rechtsgeschäft nur aus einer Willenserklärung, decken sich die Begriffe Rechtsgeschäft und Willenserklärung (zB Testament), mag auch ersterer Begriff das Ergebnis, letzterer das Mittel, um dorthin zu gelangen, betonen. Andernfalls – etwa beim Vertrag – ist die Willenserklärung nur ein Teil des (Gesamt)Rechtsgeschäfts, das bei zweiseitigen Rechtsgeschäften, den Verträgen, aus Antrag und korrespondierender Annahme besteht.
Person und Partei


Einteilung der Rechtsgeschäfte: Entstehung
Abbildung 5.4:
Einteilung der Rechtsgeschäfte: Entstehung


Einteilung der Rechtsgeschäfte: Wirkungen
Abbildung 5.5:
Einteilung der Rechtsgeschäfte: Wirkungen
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II. Arten von Willenserklärungen: § 863 ABGB
Der rechtsgeschäftliche Wille kann nach § 863 ABGB (Gesetz lesen!) entweder:
ausdrücklich oder
schlüssig / konkludent oder
stillschweigend erklärt werden.
Jedenfalls muss ein rechtsgeschäftlicher Wille erklärt, dh erkennbar geäußert werden, weil sonst kein Rechtsgeschäft zustande kommt. Zu einem gültigen Testament braucht es daher mehr, als eine bloße gedankliche Überlegung, wer, was bekommen soll. – Zur Bedeutung des Stillschweigens im rechtsgeschäftlichen Verkehr
Von einer rechtlich beachtlichen Willenserklärung sprechen wir idR – daran sei erinnnert – aber nur dann, wenn der jeweilige Wille in rechtsgeschäftlicher Erklärungs- oder Kundgebungsabsicht (gültig) geäußert wird.
Kundgebungsabsicht
Rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Willenserklärungen spielen neben dem Privatrecht auch im öffentlichen Recht eine Rolle. Auch dort werden Verträge geschlossen und verbindliche Erklärungen abgegeben. Rechtsträger begeben sich dabei aber regelmäßig auf das Gebiet des Privatrechts (Privatwirtschaftsverwaltung). Abgrenzungen können sich dabei aber als schwierig erweisen, zumal Erklärungen auch sowohl dem privaten wie dem öffentlichen Recht angehören können; Mischerklärungen. Als eine solche rechtsgeschäftliche Mischerklärung könnte bspw auch die Patientenverfügung (→ KAPITEL 17: Exkurs: Die Patientenverfügung) verstanden werden. Auch Hoheitsträger können Willenserklärungen nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent abgeben. Die Rspr zieht dabei aber realistische Grenzen. So wird es abgelehnt, Beamten ohne ausdrückliche Zustimmung des zuständigen Organs ein Zusatzentgelt gewähren zu können; ZAS 2001, 51 (5).
Privatrecht und öffentliches Recht
Zur Problematik des § 867 ABGB → KAPITEL 4: Geschäftsfähigkeit von Gemeinden. – Zur Bedeutung von Formvorschriften → KAPITEL 15: Die Form (im Privatrecht).
Literaturquelle
Zwischen ausdrücklichen sowie schlüssigen und stillschweigenden Willenserklärungen gibt es Übergänge. Wichtig ist vorerst, dass verstanden wird, dass Rechtsgeschäfte und Verträge nicht nur durch ausdrückliche Willenserklärungen geschlossen werden können, sondern auch dadurch, dass Parteien ein Verhalten an den Tag legen, das objektiv – also nach der Verkehrsauffassung – als Zustimmung oder Ablehnung gedeutet werden kann.
Die Bedeutung der Verkehrsauffassung
Wir sind bereits auf solche Situationen gestoßen; vgl etwa den Abschluss eines schlüssigen Verwahrungs- oder Leihvertrags. – Im gesetzlichen Anerkennen von Konkludenz liegt ein Schutz anderer Verkehrsteilnehmer, die auf einen äußeren „Tatbestand” (iSv Verhalten) vertrauen.
Konkludenz, schlüssiges Verhalten scheidet daher aus, wenn für einen Vertragsabschluss die Schriftform vorgeschrieben ist. Andernfalls könnte diese Formvorschrift umgangen werden; vgl SZ 61/241 (1988).
Konkludenz/Schlüssigkeit
Zu Vertrag und Form sowie → KAPITEL 15: Die Form (im Privatrecht). Das spielt auch im öffentlichen Recht eine Rolle; vgl die eben erwähnte E, ZAS 2001, 51/5.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 17. 8. 2001, 1 Ob 83/01i, EvBl 2001/14: Hausverwalter eines Mietwohnhauses klagt den Dritteleigentümer auf Zahlung der von ihm vorgestreckten Auslagen, wogegen der Miteigentümer Verjährung einwendet. – OGH wendet § 355 HGB (Kontokorrent) analog an, obwohl eine Kaufmannseigenschaft des Hausverwalters nicht festgestellt wurde. Ein solches „uneigentlichesKontokorrentverhältnis kann auch schlüssig zustande kommen. Die Verjährung beginnt in diesem Fall erst mit Beendigung der Kontokorrentperiode.
Stillschweigen iSd § 863 ABGB gilt in der Rechtsgeschäftslehre grundsätzlich nicht als Zustimmung. Bloßes Schweigen besitzt nämlich grundsätzlich keinen (positiven) Erklärungswert; SZ 64/185 (1991). – Anders liegt der Fall aber, wenn der Stillschweigende nach dem Gesetz oder dem Vertrag oder nach der Verkehrssitte (→ KAPITEL 11: Verkehrssitte) oder nach Treu und Glauben (→ KAPITEL 11: Treu und Glauben) hätte reden müssen oder wenn dem Stillschweigen schlechterdings keine andere Bedeutung (als Zustimmung) beigelegt werden kann. – Zur Bedeutung des Stillschweigens im Rahmen von Vertragsschlüssen – Vgl ferner die folgenden Beispiele.
Stillschweigen
Beispiel Rechtssprechungsbeispiel
Zum schlüssigen Widerruf eines Testaments: EvBl 1999/195.
Reden hätte der Stillschweigende nach Treu und Glauben bspw müssen (insbesondere bei bestehender Rechtsbeziehung), wenn wichtige Interessen des Erklärenden (Vorschlagenden) dies verlangen und dies ohne ernstliche Behelligung des schweigenden Partners möglich war. Das gilt auch für jene Fälle, wenn ein Vorschlagender mit Antwort rechnen und bei deren Ausbleiben mit gutem Grund annehmen durfte, dass alles in Ordnung sei; HS 6227 (1968).
HS 4220/26 (1963): In der unbeanstandeten Annahme einer Faktura / Rechnung über nicht bestellte Ware liegt keine schlüssige oder stillschweigende Zustimmung zum Abschluss eines Kaufvertrags; es besteht auch kein derartiger Handelsbrauch. Vgl schon ACl 2122 (1900).
HS 4213 (1964): Das österreichische Recht kennt kein allgemeines Rechtsinstitut der Verwirkung (→ KAPITEL 6: Verwirkung ) im Sinne eines schlüssigen oder stillschweigenden Anspruchsverzichts durch bloßen Zeitablauf. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, die ein späteres Geltendmachen des Anspruchs als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.
HS 4216: Bei Dauerschuldverhältnissen darf aus der Nichtausübung eines Rechts im Einzelfall oder aus der Unterlassung des Widerspruchs gegen vereinzelte Eingriffe noch nicht auf einen Verzicht geschlossen werden.
EvBl 1951/485: Keine Zustimmung liegt im Stillschweigen auf eine in die Faktura oder den Lieferschein aufgenommene Eigentumsvorbehaltsklausel.
SZ 38/112 (1965): Auch bei der Annahme eines stillschweigenden Haftungsverzichts erscheint Vorsicht geboten. Ein „Handeln auf eigene Gefahr” ist nur dann anzunehmen, wenn der später Verletzte erkannt hat, dass er sich in eine besondere Gefahrenlage begibt. Ein anzunehmender Verzicht bezieht sich zudem idR nur auf den Eintritt eines unverschuldeten Erfolges oder einer solchen Gefahr, und im Bereich der Verschuldenshaftung nur auf die Haftung für leichte Fahrlässigkeit. Auch Unentgeltlichkeit befreit nicht von der Verschuldenshaftung.
OGH 5. 4. 2000, 9 Ob A 40/00y, JBl 2001, 192: Gewährt der Arbeitgeber regelmäßig und vorbehaltslos bestimmte Leistungen an seine Arbeitnehmer, gilt dies als schlüssiges Anbot (§§ 863, 914 ABGB), dies auch künftig zu tun. Nehmen die Arbeitnehmer diese Zahlungen entgegen, so liegt darin eine schlüssige Annahme. So werden die Leistungen (dieser Betriebsübung) Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge.
Das Privatrecht orientiert sich in § 863 ABGB an den allgemeinen Grundregeln der Kommunikation, wo zwischen verbalen und non-verbalen Botschaften / Äußerungen / Mitteilungen unterschieden wird. Über Mimik, Gestik, überhaupt Körpersprache verständigt sich schon die höhere Tierwelt, insbesondere die Primaten. Mitgeteilt werden Informationen, Gefühle, Gemütszustände oder Triebregungen, die alle auch rechtlich eine Rolle spielen können. – § 863 ABGB trägt auch insofern der allgemeinen Kommunikationstheorie Rechnung, als er nicht nur auf die Absicht der Botschaft, sondern vor allem auch auf die erzielte (soziale) Wirkung achtet → Arten von Willenserklärungen: § 863 ABGB: Wie war das, wie konnte und durfte das verstanden werden? Auch das Rechtsdenken hat sich demnach mit der Vielschichtigkeit und Komplexität von Kommunikation / Verhalten auseinander zu setzen, in die das Rechts- und Wirtschaftsleben nolens-volens eingebettet ist.
Grundregeln der Kommunikation
Beispiel: So kann bspw ein zunächst (objektiv) mehrdeutiger Inhalt einer Botschaft uU erst im Zusammenhang / Kontext mit der konkreten (Parteien)Beziehung eindeutig verstanden werden; so muss, was unter Kaufleuten klar ist, nicht auch für Verbraucher / Konsumenten verständlich sein.
Die Auslegung von Rechtsgeschäften (§§ 914, 915 ABGB → KAPITEL 11: Auslegung von Rechtsgeschäften und Verträgen: §§ 914, 915 ABGB) stützt sich ebenfalls auf diese Kommunikationsregeln.
Bedeutung für die Auslegung
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III. Einteilung nach ihrer Entstehung
1. Einseitige Rechtsgeschäfte
Nach Ihrer Entstehung werden einseitige, zweiseitige und mehrseitige Rechtsgeschäfte unterschieden: Einseitige Rechtsgeschäfte entstehen durch die Willenserklärung nur einer Partei; die zweiseitigen entstehen durch die (korrespondierenden) Willenserklärungen zweier Parteien (Verträge) und die mehrseitigen Rechtsgeschäfte entstehen durch die Willenserklärungen mehrerer Parteien. – Zuerst wird auf die einseitigen Rechtsgeschäfte eingegangen und dabei die Auslobung näher behandelt.
Zu den mehrseitigen Rechtsgeschäften sei angemerkt:
Bei ihnen haben wir es nicht nur mit zwei, sondern mit mehreren (auch vielen) auf ein gemeinsames Ziel gerichteten Willenserklärungen zu tun. – Typische Beispiele: Vereins- oder Gesellschaftsgründung.
Auch mehrseitige Rechtsgeschäfte sind Verträge. Wie jeder Vertragsschluss, kommen auch diese Verträge (nur) durch die Willenseinigung aller Parteien zustande. Daher ist Einstimmigkeit bei der Vereins- oder Gesellschaftsgründung nötig. – Später, wenn Gesellschaft oder Verein einmal entstanden sind, genügt idR auch eine mehrheitliche Entscheidung / Beschlussfassung; Mehrheitsbeschluss. – Auch das Völkerrecht unterscheidet zwischen bilateralen und multilateralen Verträgen.
Einseitige Rechtsgeschäfte gründen – wie erwähnt – auf der Willenserklärung einer Partei. – Beispiele: Testament (→ KAPITEL 17: Das Testament: §§ 552 ff ABGB ), Auslobung (→ Die Auslobung: §§ 860, 860a, 860b ABGB ) oder Kündigung (→ KAPITEL 6: Bedeutung der Unterscheidung).
Die Willenserklärung bei einseitigen Rechtsgeschäften wirkt aber verschieden:
Wirkung einseitiger Willenserklärungen
• Bestimmte einseitige Rechtsgeschäfte kommen schon durch Abgabe der Willenserklärung zustande; zB das Testament, das mit Niederschrift gültig wird (etwa § 578 ABGB: eigenhändiges Testament), oder die Dereliktion (§§ 362, 386 f ABGB) wirkt mit Ausführung der Handlung. – Man kann sagen, die Willenserklärung ist hier nur abgabebedürftig (ohne dass sie zunächst nach außen dringen oder jemandem zugehen muss).
• Eine andere Gruppe einseitiger Rechtsgeschäfte / Willenserklärungen wird (nicht schon durch Abgabe, sondern) erst dann wirksam, wenn die Willenserklärung dem Rechtsgeschäftspartner / Adressaten zugeht; so Kündigung oder Auslobung. Wir nennen diese Gruppe zugangs- oder empfangsbedürftige Willenserklärungen. Empfangsbedürftig sind vor allem auch die einander entsprechenden Willenserklärungen, aus denen der Vertrag entsteht: Antrag und Annahme.
Beispiel
Die Begriffe Willenserklärung und Rechtsgeschäft werden oft synonym verwendet, sind aber nicht identisch; synonym sind sie beim einseitigen Rechtsgeschäft, das nur aus einer Willenserklärung ent- und besteht; zwei- und mehrseitige Rechtsgeschäfte dagegen bestehen aus zwei oder mehreren Willenserklärungen. Hier ist das „Ganze” (= Rechtsgeschäft / Vertrag) mehr als seine beiden Teile (= Willenserklärungen) aus denen es sich zusammensetzt. – Zu beachten ist ferner, dass beim Rechtsgeschäft für seine Gültigkeit neben der Willenserklärung oft noch etwas dazukommen muss; etwa eine behördliche Genehmigung udgl, also die Willenserklärung allein gar nicht das gesamte Rechtsgeschäft ausmacht.
Willenserklärung und Rechtsgeschäft
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IV. Die Auslobung: §§ 860, 860a, 860b ABGB
Beispiel
Was macht eine Willenserklärung zu einer Auslobung?
• Die Auslobung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, kein Vertrag! Das Besondere daran: Die in der Auslobung steckende Verpflichtungserklärung wird bereits durch ihren Zugang an die Öffentlichkeit wirksam; zB durch das Anschlagen des Zettels.
• Die Auslobung richtet sich an einen unbestimmten Personenkreis und verspricht eine Belohnung, wenn ein bestimmter Erfolg /Leistung erbracht wird. – Hier bspw das Zurückbringen der entlaufenen Katze oder allfällige zielführende Hinweise darauf. Verbindlich wird die Auslobung also durch ihre öffentliche Bekanntmachung, die sehr unterschiedlich erfolgen kann; § 860 Satz 1 ABGB.
• Eine Auslobung kann bis zur tatsächlichen Erbringung der ausgelobten Leistung widerrufen werden. Der Widerruf hat nach § 860a ABGB „in derselben [oder einer gleich wirksamen] Form” zu erfolgen. – Worin liegt der Unterschied zur Offerte?
• Man könnte sagen, dass in der Widerrufsmöglichkeit trotz Zugangs bei der Auslobung noch der letzte Rest der alten Vertragsschlusslehre vor der wichtigen Entdeckung der Antragsbindung durch das ABGB liegt. – Martinis Entwurf (1796) und das ALR (1794) kannten die Antragsbindung noch nicht
• § 860 b ABGB regelt den Sonderfall, dass die Leistung von mehreren Personen erbracht wird.
Diese Bestimmuung stellt klar, dass auch eine „Preisbewertung” in Form der Auslobung erfolgen kann, verlangt für deren Gültigkeit aber, dass „in der Bekanntmachung eine Frist für die Bewerbung bestimmt sein muss”. – Während bei der normalen Auslobung die Leistung / der Erfolg grundsätzlich nur einmal erbracht werden kann, gilt das für ein Preisausschreiben nicht. Innerhalb der „Frist” kann der Erfolg beliebig oft erbracht werden. – Die korrekte Abwicklung eines Preisausschreibens (Ermittlung der Gewinner) verlangt idR eine Jury / Preisgericht.
Preisausschreiben: § 860 Satz 2 ABGB
Weitere praktische (Auslobungs)Beispiele: – VerbrechensopferschutzG; – Wiener Mietermitbestimmung; – Schönheitskonkurrenz.
Die öffentliche Ausschreibung zur Errichtung eines Bauwerks ist nicht Auslobung, sondern Einladung zur Offertstellung. Der Ausschreibende kann eines der eingelangten Anbote annehmen und dadurch den Vertrag zustande bringen. – Werden jedoch im Rahmen eines Architektenwettbewerbs (zB für den Neubau des Innsbrucker Rathauses) Preise ausgeschrieben, liegt wieder Auslobung vor und die Auswahl des oder der Preisträger/innen bedarf fachlicher Qualifikation und die (möglichst an Kriterien zu bindende) Beurteilung darf nicht beliebig erfolgen (cic):
Architektenwettbewerb
„Das Recht an preisgekrönten Entwürfen geht dadurch aber noch nicht [auf den Auslobenden] über; ihr Ankauf ist davon unabhängig”; Gschnitzer, SchRAT2.
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V. Zweiseitige Rechtsgeschäfte – Verträge
Der Vertrag entsteht aus zwei einander entsprechenden – sog korrespondierenden – Willenserklärungen. Diese Willenserklärungen heißen Antrag (Anbot, Offert/e) und Annahme. Dazu gleich mehr. – Antrag und Annahme sind empfangsbedürftige Willenserklärungen; dh ihre Wirksamkeit ist vom Zugang abhängig. Der Antrag kann von jeder Vertragspartei ausgehen; also zB beim Kauf vom Verkäufer oder Käufer. Eine Vertragspartei kann wiederum aus zwei oder mehreren Personen bestehen; zB Freundin und Freund kaufen gemeinsam ein Auto oder Grundstück.
Beim Vertrag(sschluss) spricht man (nach griechischem Vorbild) auch von lex contractus und meint damit das individuelle „Gesetz”, das sich die Parteien im Vertrag selbst geben. Im Gegensatz zum „richtigen” Gesetz gilt dieses vertragliche Gesetz aber nur inter partes.
lex contractus
Der Vertrag ist ein Akt rechtlicher Selbstverpflichtung und Selbstbestimmung. Er setzt ein unwiderruflich freies Individuum voraus, das in der Rechtsgeschichte erstmals durch Solons Gesetzgebung geschaffen wurde. – In der persönlichen Freiheit des Einzelnen wurzelt die Vertragsfreiheit, als Freiheit Verträge zu schliessen. Die Privatautonomie braucht diesen Freiraum, um sich entwickeln zu können.
Vertrag als Akt rechtlicher „Selbstverpflichtung“
Wurde ein Vertrag geschlossen, sind beide Parteien an ihn gebunden; römisch-gemeines und Kirchenrecht: pacta sunt servanda –Verträge sind zu- oder einzuhalten. Kein (Vertrags)Teil kann einseitig vom Vereinbarten abgehen oder (auch nur kleine) Abänderungen vornehmen. Daher: Vor Vertragsschluss alles gut überlegen und rechtzeitig Rat einholen! Das erspart nachträglichen Katzenjammer. Geschlossene Verträge können also grundsätzlich nicht rückgängig gemacht oder abgeändert werden. Käufern steht (ohne diesbezügliche Vereinbarung) auch nicht das Recht zu, einseitig gegen Bezahlung eines bestimmten Betrags (etwa eines bestimmten Prozentsatzes des Kaufpreises → KAPITEL 15: Reugeld: §§ 909 ff ABGB und § 7 KSchG: Stornogebühr) vom Vertrag abzugehen / zurückzutreten. Der Vertragspartner kann diesen Wunsch akzeptieren, muss das aber nicht.
pacta sunt servanda
Davon zu unterscheiden sind jene Fälle, in denen jemand ein gesetzlich (oder auch vertraglich) festgelegtes Recht hat, aus dem Vertrag „auszusteigen”; zB nach § 3 KSchG: gesetzliches Rücktrittsrecht von sog Haustürgeschäften oder nach § 918 ABGB: gesetzliches Rücktrittsrecht des Gläubigers bei Schuldnerverzug → KAPITEL 7: Zum gesetzlichen Rücktrittsrecht des § 918 ABGB oder nach § 932 Abs 1 ABGB: Geltendmachen eines Wandlungsanspruchs im Rahmen der Gewährleistung → KAPITEL 7: Wie wirkt Wandlung? oder bei unterlaufenem Irrtum (§ 871 ABGB ) usw. – Das Gesetz formuliert hier jeweils die Voraussetzungen unter denen eine Partei sich vom geschlossenen Vertrag „lösen” kann. – Zum vertraglichen Rücktrittsrecht → KAPITEL 7: Das vertragliche Rücktrittsrecht.
Die zweiseitigen Rechtsgeschäfte (= Verträge) werden wiederum unterteilt in:
Unterteilung der zweiseitigen Rechtsgeschäfte
Einseitig verpflichtende Verträge: Hier wird nur ein Vertragsteil aus dem Vertrag (zu einer Leistung) verpflichtet; zB bei der Schenkung der Schenkende, während der andere Vertragsteil aus dem Vertrag nur Rechte erlangt.
• Und zweiseitig verpflichtende / verbindliche Verträge: Hier werden beide Vertragsteile gegenseitig berechtigt und verpflichtet. Hier wird wechselseitig jeder Vertragsteil Gläubiger und Schuldner des anderen und zwar:
Beispiel
Zum Synallagma → KAPITEL 7: Verknüpfung von Leistungspflichten und → KAPITEL 2: Gegenseitige Pflichten aus dem Kaufvertrag ¿ Das Synallagma; zum Zug-um-Zug-Prinzip (§§ 1052, 1062 ABGB) → KAPITEL 2: Zug um Zug-Leistung.
Eine eigene Untergruppe der Verträge stellen die Verträge zugunsten Dritter (§§ 881, 882 ABGB) dar; dazu → KAPITEL 15: Verträge zugunsten Dritter.
Verträge zugunsten Dritter
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VI. Einteilung nach der Wirkung des Rechtsgeschäfts
Schuldrechtliche: zB Kauf, Miete;
sachenrechtliche: zB WE-Begründung, Servitutsvertrag;
personenrechtliche: zB Verlöbnis;
familienrechtliche: zB Ehe;
erbrechtliche: zB Testament oder Erbvertrag.
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VII. Weitere Einteilungsgesichtspunkte
Entgeltliche (§§ 917 ff ABGB), unentgeltliche (zB Schenkung: §§ 938 ff ABGB) oder
entgeltfremde Geschäfte.
Die Kategorie der entgeltfremden Geschäfte geht auf Franz Gschnitzer zurück; vgl seinen Aufsatz, JBl 1935, 122 ff: Entgeltlich – unentgeltlich; abgedruckt auch im FGL 325. Zur Kategorie der entgeltfremden Geschäfte zählen zB: gesetzliche Unterhaltsleistungen, Verfügungen von Todes wegen, Ausgedingsleistungen, aber auch die Erfüllung und bestimmte Sicherungsgeschäfte oder eine Abfertigung für ein nicht eingelöstes Eheversprechen / Verlobung → KAPITEL 16: Das Verlöbnis: GlU 12.111.
Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte → KAPITEL 2: Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft;
abstrakte und kausale Rechtsgeschäfte → KAPITEL 2: Kausale und abstrakte Rechtsgeschäfte;
formfreie und formgebundene Rechtsgeschäfte → KAPITEL 15: Die Form (im Privatrecht);
privatrechtliche und öffentlichrechtliche Rechtsgeschäfte.
Es gibt auch ganz unterschiedliche öffentlichrechtliche Verträge: zB völkerrechtliche, Verträge zwischen Bund und Ländern oder solche zwischen Bundesländern untereinander.
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Rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen
Abbildung 5.6:
Rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen
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VIII. Exkurs: Rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen
IdF wird kurz auf die Abgrenzung von Willenserklärungen, Rechtsgeschäften, Rechtshandlungen, Wissenserklärungen und Realakten eingegangen.
Abgrenzung
Nicht jede rechtlich beachtliche Erklärung, Äußerung oder Handlung ist nämlich Willenserklärung oder Rechtsgeschäft im technischen Sinn. Es gibt vielmehr auch solche, die gleichsam sub limine von Rechtsgeschäft und Willenserklärung liegen. Rechtsnatur und Zuordnung solcher Handlungen und Erklärungen sind freilich nicht immer klar, vielmehr umstritten. – Hierher gehören insbesondere die Rechtshandlungen, Wissenserklärungen und Realakte.
Nicht jede rechtlich beachtliche Erklärung/Handlung ist rechtsgeschäftliche Willenserklärung oder Rechtsgeschäft
Der Unterschied zu den Rechtsgeschäften soll darin bestehen, dass bei Rechtsgeschäften der Parteiwille bewusst und unmittelbar (wenigstens iSd gemäßigten Rechtsfolgenlehre!) auf Rechtswirkungen gerichtet ist, während das bei Rechtshandlungen und Realakten nicht gefordert wird; die Rechtswirkungen treten hier vielmehr ex lege, also von Gesetzes wegen, und nicht wie bei Rechtsgeschäften ex voluntate, also willensgemäß ein. – Rechtshandlungen richten sich aber ebenso wie Rechtsgeschäfte und Willenserklärungen, an andere Personen, erfolgen also in Erklärungsabsicht.
Zum Unterschied vom Rechtsgeschäft kann ihnen aber jeder auf bewusste Gestaltung bedachte Rechtsfolgewillen fehlen. – IdF wird auf einige solcher Fälle eingegangen
1. Die Rechtshandlungen
Die Mahnung wird häufig zu den Rechtshandlungen gezählt, die den Rechtsgeschäften (insbesondere den einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen, wie Antrag, Annahme, Vollmachterteilung, Kündigung) sehr nahe stehen (Enneccerus), sodass deren Regeln analog angewendet werden können. Das relativiert die Bedeutung des Streits. Auch Rechtshandlungen lösen demnach Rechtswirkungen / Rechtsfolgen aus; freilich – wie erwähnt – ex lege und nicht ex voluntate (?).
„Mahnung“
Wie theoretisch dieser Streit ist, zeigt aber der Umstand, dass es schwer vorstellbar ist, dass ein Gläubiger auch hier ohne jeden Rechtsfolgewillen handelt, wenn er bspw mahnt! Gschnitzer zählt (daher) die Mahnung – was für das ABGB (§ 1334) richtiger erscheint – „eher zu den Rechtsgeschäften”, weil ihr Zugang (beim Adressaten) auch Geschäftsfähigkeit voraussetzt.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1985, 235: Kündigung wegen Mietzinsrückständen – Beklagter war wegen Schizophrenie geschäfts- und prozessunfähig – OGH verlangt daher Mahnung an den gesetzlichen Vertreter.
Zu den Rechtshandlungen zählen auch die denuntiatio, also die Verständigung des Schuldners von der Zession (§ 1396 ABGB → KAPITEL 14: Schuldnerverständigung?), die Zustimmung zum Schuldnerwechsel (§ 1405 ABGB → KAPITEL 14: Der Schuldnerwechsel), die Nachfristsetzung im Rahmen des Rücktritts nach § 918 ABGB (→ KAPITEL 7: Zum gesetzlichen Rücktrittsrecht des § 918 ABGB) und die Mängelrüge nach § 377 HGB (→ KAPITEL 7: Kaufmännische Rügepflicht), weil für diese cum grano salis dasselbe zu gelten hat wie für die Mahnung. Denuntiatio und Mängelrüge werden aber auch als bloße Wissenserklärung angesehen; so Frotz, F. Bydlinski, Kramer, Krejci und die Rspr. Geht es doch bspw bei der Mängelrüge stets um das (mehr oder weniger) bewusste – gegenüber dem ABGB modifizierte – außergerichtliche Geltendmachen und Sichern von Gewährleistungsansprüchen gegenüber dem Vertragspartner, die typischerweise in Kenntnis eines andernfalls drohenden Rechtsverlustes getätigt wird; wobei es sich noch dazu um ein sehr hartes „Rechtsmittel” unter Kaufleuten handelt. Ein einheitliches Verständnis ihres Rechtscharakters mit der Geltendmachung bürgerlichrechtlicher Gewährleistungsansprüche erscheint daher angezeigt. Die Mängelrüge ist daher zutreffenderweise zwar keine Willenserklärung, wohl aber wie Wandlung, Preisminderung und Verbesserung etc (§ 932 ABGB) als Rechtshandlung und nicht bloß als Wissenserklärung anzusehen. All diese Rechtsakte sind auch gesetzlich determiniert.
Weitere Beispiele für Rechtshandlungen
Die Grenze zwischen Rechtshandlungen und Rechtsgeschäften ist auch deshalb unscharf, weil auch bei rechtsgeschäftlichen Erklärungen die Vorstellungen der beteiligten Parteien in Bezug auf den angestrebten rechtlich-wirtschaftlichen Erfolg oft vage bleiben und iSd gemäßigten Rechtsfolgenlehre nicht zuviel verlangt werden darf.
Unscharfe Grenze
Umstritten, ob Rechtsgeschäft oder bloß Rechtshandlung, war auch die Rechtsnatur der Einwilligung / Zustimmung in die ärztliche Heilbehandlung (→ KAPITEL 10: Die ¿Einwilligung¿ in die medizinische Behandlung. Exkurs: Behandlungsvertrag), die von manchen (zB Koziol) als Rechtsgeschäft, von anderen und insbesondere der Rspr zutreffend aber als bloße Rechtshandlung verstanden wird; nur dieses letztere Verständnis unterscheidet klar zwischen Vertragsschluss (Behandlungsvertrag) und Einwilligung in eine bestimmte Behandlung (zB Operationsmethode), was nicht dasselbe ist. § 146c ABGB (idFd KindRÄG 2001 → KAPITEL 10: Der minderjährige Patient) hat dies nunmehr im hier vertretenen Sinne entschieden. – Hierher gehört auch die Widerspruchserklärung nach § 62a Abs 1 KAKuG, mit der jemand untersagt, dass seine Organe für Organtransplantationen verwendet werden dürfen; Totenspende. Auch die Widerspruchserklärung ist – wie die Einwilligung in eine konkrete ärztliche Heilbehandlung – kein Rechtsgeschäft, vielmehr bloße Rechtshandlung. Sie ist zwar auf Rechtswirkung gerichtet, ohne dass dabei aber ein privatautonom zu nutzender Raum verbliebe. – Entsprechend ist die Erklärung des Organspenders für eine Lebendspende (zB eine Niere) zu bewerten.
Einwilligung in die ärztliche Heilbehandlung + Widerspruchserklärung nach § 62a Abs 1 KAKuG
Dasselbe muss für die Anordnung eines sog Patiententestaments / -verfügung iSv § 10 Abs 1 Z 7 KAKuG gelten → KAPITEL 17: Exkurs: Die Patientenverfügung:
Patientenverfügung
Diese Vorausverfügung eines Patienten, wie er künftig idR medizinisch behandelt werden will, ist eine einseitige Willenserklärung, die allerdings nicht – wie immer wieder behauptet – zugangs- oder empfangsbedürftig ist, sondern vielmehr schon mit (Ent)Äußerung wirksam wird. Sie richtet sich nicht an einen bestimmten Behandler, sondern „to whom it may concern”. Das Patiententestament (Patientenverfügung, Letztverfügung, Patientenbrief oder living will) ist kein Rechtsgeschäft, wohl aber Rechtshandlung.
Alle diese medizinisch relevanten Erklärungen sind Ausdrucksmittel des Selbstbestimmungsrechts von Patienten, nicht aber auf rechtsgeschäftliche Folgewirkungen bedacht. (Auch bei positiver Spendererklärung kann die Patientenverfügung nicht etwa als Offerte zum Vertragsschluss odgl verstanden werden.) In diesen Fällen wird durch autonome Erklärung ein Persönlichkeitsrecht – als Ausdruck der individuellen Selbstbestimmung des Patienten – realisiert und konkretisiert. Bei allen Unterschieden im Detail handelt es sich also in all diesen Fällen um Rechtshandlungen.
Auch die Wissens- und Gefühlsäußerungen oder -erklärungen sind von Rechtsgeschäften und Willenserklärungen (= Willensäußerungen) zu unterscheiden. – Wissenserklärungen geben nach hA die Meinung des Erklärenden über bestimmte Fakten / Tatsachen wieder, was schriftlich oder mündlich geschehen kann.
Wissens- und Gefühlsäußerungen
Beispiel
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2. Realakte oder Tathandlungen
Gute Beispiele für Realakte oder Tathandlungen bei Gschnitzer (AT2) – Musiker/in komponiert, Dichter/in schreibt, Maler/in malt und erlangt, auch ohne es zu wissen und zu wollen, Urheberrechte am jeweiligen Produkt. Auch mit dem Finden verbindet das Gesetz (unabhängig vom Willen des Finders) bestimmte Rechtsfolgen; §§ 388 ff ABGB. – Realakte wollen im Gegensatz zu Rechtsgeschäften, Willenserklärungen und Rechtshandlungen anderen nichts kundtun, erfolgen also ohne Erklärungs- oder Kundgebungsabsicht und zielen nicht auf Rechtswirkung, obwohl sie solche nach sich ziehen (können). – Hierher gehören auch die Erfüllungshandlungen und der Spezialfall der „stillen Annahme” nach § 864 Abs 1 ABGB
Rechtssprechungsbeispiel
Der OGH erblickt im Sri Chinmoy-Fall in der staatlichen Information und Warnung der Öffentlichkeit vor bestimmten „Sekten” einen öffentlichrechtlichen Realakt, der in engem inneren und äußeren Zusammenhang mit der Pflicht des Staates steht, die persönliche Freiheit seiner Bürger zu schützen; JBl 2000, 179. – Korrekt wäre hier eine Wissenserklärung anzunehmen.