Kapitel 4 | |
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C. Die
Persönlichkeitsrechte |
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D. Rechtserhebliche
Zustände und Eigenschaften von
Menschen |
Für die
Entwicklung der idF behandelten rechtlich relevanten Zustände und
Eigenschaften von Menschen spielt heute das öffentliche Recht eine
zentrale Rolle. In der Rechtsgeschichte war es oft umgekehrt: Das
Privatrecht schritt mit der Entwicklung voran, das öffentliche Recht
folgte oft erst wesentlich später nach. Das war in Österreich bei
den „angebornen Rechten” des § 16 ABGB, den Menschenrechten so,
die erst spät zu verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten
des öffentlichen Rechts wurden (StGG 1867 und EMRK), während sie
im Privatrecht in Ansätzen schon in Martinis Entwurf eines bürgerlichen
Gesetzbuchs (1796) aufscheinen und idF ins WGGB 1797 und das ABGB
(1811) einfließen. – Heute gelangen Grundrechts-Werte nach hA über
normative „Wertschleusen“ des bürgerlichen Rechts – insbesondere
die §§ 16, 879 und 1295 Abs 2 ABGB, aber auch § 1 UWG – ins Privatrecht;
sog mittelbare Drittwirkung der Grundrechte → Was
bedeutet „mittelbare” Einwirkung?
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Grundsätzlich
sollte bedacht werden, dass der
Persönlichkeitsschutz,
je nach Normstufe und Geltungsbereich in dem er geregelt wird, unterschiedlich
ausgestaltet ist, wenngleich alle Regelungen die Würde des einzelnen
Menschen rechtlich schützen wollen. Unterschiede bestehen aber insoferne,
als die Persönlichkeitsrechte des Privatrechts unmittelbar personenbezogen
sind (zB Recht auf Ehre oder geschlechtliche Selbstbestimmung oder
Recht am eigenen Bild und auf die eigene Stimme), während die verfassungsrechtlich
gewährleisteten Grundrechte vornehmlich auch politische Werte (zB
Wahlrecht oder Recht politische Parteien zu gründen) schützen und
insbesondere das Verhalten des Einzelnen zu Staat und Gesellschaft
miteinbeziehen. Die privatrechtlichen Persönlichkeitsrechte (in
verschiedenen Feldern), der europäische Menschenrechtsschutz (EMRK) und
die UNO-Aktivitäten zur Effizienz und Ausbreitung
der Menschenrechte auf der ganzen Welt, sind wichtige und unverzichtbare
Teile eines künftigen
Humanismus, für den es, trotz grosser
Enttäuschungen mit diesem Leitbild, keine Alternative gibt. | Persönlichkeitsschutz |
Auf nationaler
Verfassungsebene tun dies die sog
Grundrechte (niedergelegt
insbesondere im StGG von 1867, RGBl 142), die zwischen bloßen
Bürgerrechten und Menschenrechten unterscheiden;
vgl die Art 4 (öffentliche Ämter sind für alle Staatsbürger gleich
zugänglich) und 14 (Glaubens- und Gewissensfreiheit für jedermann)
StGG 1867. | Grundrechte als Bürger- und Menschenrechte |
Der österreichische Grundrechtskatalog ist längst nicht
mehr auf der Höhe der Zeit. Es ist in den 50 Jahren nach dem Zweiten
Weltkrieg nicht gelungen, einen modernen Grundrechtskatalog zu schaffen,
mag auch das Bonner GrundG (1949, BGBl I, S. 1) als Beispiel vor
Augen gestanden haben. Es deutet auch nichts darauf hin, dass es
politisch gelingen könnte, das Versäumte politisch nachzuholen.
Österreichs Grundrechtshoffnungen richten sich daher auf eine europäische
Lösung. Ein erster Schritt wurde mit der EU-Verfassung realisiert,
deren verbindlicher Bestandteil die bisher unverbindliche EU-Grundrechtscharta
werden soll. | |
R. Dworkin, Bürgerrechte ernstgenommen (Frankfurt,
1984); Originalausgabe: Taking Rights Seriously (Harvard University
Press, 1978); J. Braun, Rechtsphilosophie im 20. Jhd. Die Rückkehr
der Gerechtigkeit (2001). | |
Auf europäischer
Ebene sind insbesondere zu unterscheiden: Die „
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten” vom 4. November 1950, BGBl 1958/210; EMRK:
Europäische Menschenrechtskonvention. – Die EMRK steht innerstaatlich
im Verfassungsrang und besteht aus dem Hauptvertrag, der „Konvention”
und mittlerweile mehreren (verfassungsändernden) Zusatzprotokollen
(ZP) Die von der EMRK gewährleisteten Rechte stellen subjektive-öffentliche
Rechte dar und sind daher individuell durchsetzbar. Zuständig ist
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in
Straßburg. | Europäische Ebene |
Die EU hat im Dezember 2000 auf dem EU-Gipfel in Nizza eine EU-Grundrechtscharta verabschiedet.
Sie gewährt keine subjektiven Rechte und ist daher keine rechtliche
Basis für individuelle Rechtsansprüche. Sie besitzt aber Bedeutung
für die Auslegung des EU-Rechts, insbesondere durch den EuGH in
Luxemburg, und soll Teil der neuen
EU-Verfassung werden. | |
Daneben existiert weltweit als UNO- Deklaration die
„
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte”
von 1948. | UNO |
I. Der Mensch als
Rechtsperson | |
Wir
haben gehört, dass der Weg zu einem modernen Verständnis
der Rechtssubjektivität das Ergebnis eines langen rechtshistorischen
Prozesses war und wollen uns nun – ohne Vollständigkeit anzustreben
– ansehen, welche Bereiche und Stationen dabei besonders wichtig
waren. | |
Zur frühen Entwicklung einer allgemeinen Rechtsfähigkeit
für alle Menschen in Österreich durch § 16 ABGB → §
16 ABGB –
Zum Entstehen der Rechtssubjektivität / Rechtsfähigkeit im „modernen”
Sinn in der griechischen Antike: Barta, „Graeca
non leguntur?” – Zum Ursprung des europäischen Rechtsdenkens im
antiken Griechenland (in Vorbereitung: 2005). | |
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In
Erinnerung zu rufen gilt es zunächst das historische Faktum, dass
die europäische Kultur, und damit auch ihr Recht, aus antiken
Sklavengesellschaften entstanden ist. Im alten Griechenland und
in Rom war nicht jeder Mensch rechtsfähig und daher Rechtssubjekt.
Neben dem (Polis)Bürger als Rechtssubjekt existierte auch die Rechtskategorie
Sklave/in, was – cum grano salis – nichts anderes meint, als: der Mensch
als Sache. Sklaven/innen konnten ge- und verkauft, im Allein-
oder Miteigentum stehen, verliehen, verschenkt oder verpfändet werden.
In alter Zeit besaß der Eigentümer auch das ius vitae ac necis,
also das Recht über Leben und Tod zu bestimmen. – Diese, die Rechtsfähigkeit
/ Rechtssubjektivität von Menschen ausschließende oder doch entscheidend
mindernde, Rechtskategorie der
Sklaverei – die allerdings große (Ausformungs)Unterschiede
kannte – wirkte in den verschiedensten Bereichen der Rechtsordnung
und bei verschiedensten Personengruppen nach und noch das mittelalterliche
deutsche Recht versagt ganz oder beschränkt bestimmten Personengruppen
die Rechtsfähigkeit: bspw Juden, Alten, Kranken, Ehrlosen, Frauen und
Minderjährigen. | Sklaverei |
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Schon in der griechischen
Antike gab es aber auch wichtige Entwicklungsschritte, die zum Teil sogar
schon sehr früh gesetzt wurden. So beseitigte Solon bereits 594/3
v. C. die Schuldknechtschaft und untersagte damit
ein für allemal, dass attische / athenische Bürger ihrer Freiheit verlustig
gehen konnten. Die Verpfändung des eigenen Leibes wurde untersagt.
– Solon war es auch, der das „moderne” Rechtssubjekt bereits in
der Antike geschaffen hat. – Früh wuchs auch in Athen die Isonomie heran,
die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, die zuerst privatrechtlich
und dann politisch-öffentlichrechtlich voll verwirklicht wurde.
Parallel dazu entwickelte sich die Teilhabe aller (!) Bürger
am Staatsgeschehen (der Polis), was von Perikles Demokratia
genannt wurde. – Das griechische Recht war insgesamt sehr hoch entwickelt
und die Behauptung, das europäische Rechtsdenken entstamme ausschließlich
dem römischen Recht, ist eine Geschichtslüge. | Solon |
Näheres in meinem bereits mehrfach erwähnten
Buch „Graeca non leguntur”? – Zum Ursprung des europäischen Rechtsdenkens
im antiken Griechenland (in Vorbereitung: 2005). | |
2. Schritte zum
„modernen” Rechtssubjekt
ab dem 18. Jhd | |
Wichtige, wenngleich
historisch oft erst spät gesetzte, Schritte auf dem Weg zum modernen Rechtssubjekt
waren in Österreich: | Vorarbeit Joseph II |
• Die
Aufhebung der
Folter 1776;
Preußen hatte unter Friedrich dem Großen bereits 1740 und 1754 die
Folter beseitigt; | |
• die Ablehnung der
Todesstrafe im
ausgehenden 18. Jahrhundert durch namhafte österreichische Wissenschaftler wie
K.A.v. Martini oder J.v. Sonnenfels; | |
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• die
Aufhebung der
Leibeigenschaft 1781
durch Joseph II, | |
• das ebenfalls von Joseph II erlassene
Toleranzpatent 1781; | |
• das
Erbfolge- und
Ehepatent Josephs
II von 1783; | |
• die
Bauernbefreiung und
Grundentlastung von
1848 → KAPITEL 15: Persönliche,
dingliche und beschränkte Haftung. Sie erfolgte in Preußen bereits 1807:
Aufhebung der Erbuntertänigkeit. | |
Alle diese Schritte trugen dazu bei, das „moderne” Rechtssubjekt auch
rechtlich als autonomes Individuum zu entwickeln, das heute auch
in seiner Persönlichkeit umfassend geschützt wird. | Das „moderne”
Rechtssubjekt |
Mit der Anerkennung individualrechtlich ausformbarer
„angeborner Rechte” im bürgerlichen Recht (Menschenrechte), beginnt
sich erstmals in der Rechtsgeschichte der Mensch als Rechtsperson
voll zu etablieren. Dies iS eines Bezugspunkts individueller Persönlichkeitsrechte.
Es gelingt damit das Rechtssubjekt Mensch – als Träger von Rechten
und Pflichten – um eine neue Dimension zu bereichern: den Schutz
der eigenen Person. Ansätze auch dazu finden sich allerdings schon
in der griechischen Antike. Er wird – und darin liegt Martinis genialer
Ansatz – sowohl öffentlichrechtlich, als auch privatrechtlich angelegt
und im Rahmen gegebener Möglichkeiten umgesetzt. Seit langem war
der Mensch als Rechtssubjekt – und damit als Träger von familien-,
erb-, schuld- und sachenrechtlichen Rechtspositionen – anerkannt
gewesen; bislang fehlte aber rechtlich ein das Individuum selbst
konstituierender Schutz der Rechtsperson Mensch als Einzelnem. Martini
erkannte die Bedeutung dieses neuen Ansatzes für das Privatrecht.
Es war nur konsequent und naheliegend, die primär völkerrechtliche
und rechtsphilosophische Lehre der angebornen Rechte (Menschenrechte),
ins Privatrecht zu transferieren und ihr in „neuer” Umgebung einen
Anwendungsbereich zu verschaffen. Welche dogmatischen Schwierigkeiten
dieser Paradigmenwechsel der Zivilistik aber noch in der zweiten
Hälfte des 19. Jhds gemacht hat, beweist das Verhalten Joseph Ungers (1828-1913)
und der Rechtshistorischen Schule in Österreich. Diese im 19. Jhd
– dogmatisch wie politisch – mächtige Rechtsschule leugnete historisch
willkürlich ein subjektives Recht an der eigenen Person, da nach
ihrer Auffassung eine Rechtsmacht an der eigenen Person undenkbar
war. Für J. Unger und seine Gefolgsleute besaß § 16 ABGB keine Bedeutung;
vgl schon Gschnitzer, AT 182 (1992 2).
Mehr bei Barta, in: Barta / Pallaver / Rossi (Hg),
Storia, Istitutioni e diritto in Carlo Antonio de Martini (1726-1800).
– Diese ablehnende Haltung gegenüber dem Individuum als Träger von
Persönlichkeitsrechten erklärt auch, weshalb sich der mit dem WGGB
(I 2 § 29; dazu gleich unten) und dann mit § 16 ABGB etablierende
Persönlichkeitsrechtsschutz in Österreich trotz früher gesetzlicher
Verankerung judikativ erst so spät – nämlich erst in den 1970er-Jahren
(!) – entfalten konnte, wozu allerdings weitere Umstände beitrugen;
vgl die Rspr-Beispiele bei Gschnitzer, AT 183 f (19922).
Die in WGGB I 2 § 29 genannten Menschen- und Persönlichkeitsrechte
umschreiben den Kern, der von Martini wohl bis zuletzt für unveränderbar
angesehenen naturrechtlich fundierten Menschen- und Persönlichkeitsrechte.
Sie waren von Martini nach 1792 als Verfassungssurrogate gedacht. | |
Die Überschrift des „Zweyten Hauptstücks” des „Ersten Theils”
des WGGB lautete: „Von den Rechten der Personen”.
Sie steht vor § 28. Damit treten erstmals nicht die Pflichten, sondern
die Rechte der Menschen in den Vordergrund. Der „Unterthan” des
Josephinischen Gesetzbuchs – das gilt auch noch für Hortens Entwurf
und den Codex Theresianus – mutierte evolutiv zur (Rechts)Person,
dem bürgerlichrechtlichen Rechtssubjekt. | |
I 2 § 28: „Menschen, die sich in eine bürgerliche Gesellschaft
vereinigen, legen deswegen weder ihre natürlichen Pflichten, noch
die ihnen angebohrnen Rechte ab. Nur eine gewisse Richtung und Beschränkung
dieser Rechte findet in sofern Statt, als sie zur Erreichung der
allgemeinen Wohlfahrt nothwendig ist.” | |
I 2 § 29: „Zu den angebohrnen Rechten der Menschen gehören
vorzüglich das Recht sein Leben zu erhalten, das Recht die dazu
nöthigen Dinge sich zu verschaffen, das Recht seine Leibes und Geisteskräfte
zu veredeln, das Recht sich und das Seinige zu vertheidigen, das
Recht seinen guten Leumund zu behaupten, endlich das Recht mit dem, was
ihm ganz eigen ist, frey zu schalten und zu walten.” | |
II. Besonders
geschützte Werte, Zustände und Eigenschaften | |
Bestimmte rechtliche Grundwerte – etwa Freiheit und Gleichheit –
sind „unteilbar”. Dh: das jeweilige Rechtsprinzip gäbe sich selbst
auf, würde es zwischen der Freiheit des einen und der anderer, Unterschiede
machen. Von Gesetzes wegen! – Rechtlich gilt daher zB das Prinzip
der Freiheit aller Rechtsgenossen/innen. Tatsächlich sieht das wieder
anders aus: Da sind zB manche nach wie vor „gleicher” und „freier”
als andere. | |
1.
Gleichheit vor dem Gesetz | |
Während
es heute rechtlich keine
Standesunterschiede mehr gibt – früher
sprach man von Ebenbürtigkeit: zB bei Eheschließungen, bestanden
diese auch bei uns bis zum Ende der Monarchie in gewisser Hinsicht
fort. Immerhin bestimmte das StaatsgrundG über
die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom 21.12.1867, RGBl 142: | Standesunterschiede |
”Vor dem Gesetz sind alle Staatsbürger gleich.” | |
Und Art 7 Abs 1 B-VG idF von 1929 betont dies erneut: | |
„Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich.
Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und
des Bekenntnisses sind ausgeschlossen.” | |
Art 7 Abs 2 B-VG gestattet seit 1998 | |
„Maßnahmen zur faktischen Gleichstellung
von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich
bestehender Ungleichheit”. | |
Und Abs 3 leg cit sieht nunmehr vor, dass
Amts- und
Berufsbezeichnungen sowie
akademische Grade das
Geschlecht des/der Amtsinhaber/in zum Ausdruck bringen können. | |
Das Privatrecht in Österreich war der Entwicklung des öffentlichen
Rechts vorausgeeilt, hatte doch schon die Josephinische Gesetzgebung
(1786, 1783 etc) allen Bürgern Freiheit und in gewisser Weise (zB
im Erbrecht und weiten Teilen des Familienrechts) auch schon Gleichheit
gebracht, was Martini in seinem Entwurf (1796) und dem WGGB (1797)
festigt und ausbaut. Das ABGB hat das weitgehend übernommen. | |
Der
Gleichheitsgrundsatz will,
indem er Gleichheit anordnet, Ungleichheit und Diskriminierung verhindern.
Damit soll aber nicht ausgedrückt werden, dass eine unterschiedliche
rechtliche Regelung / Behandlung aus sachlichen Gründen nicht möglich
oder erwünscht wäre. Vielmehr soll rechtlich Gleiches durchaus gleich
und Ungleiches aber ungleich behandelt werden. Nur ungerechtfertigte
Differenzierung iSv Diskriminierung soll
ausgeschlossen werden. | Gleichheitsgrundsatz |
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Die internationale Staatengemeinschaft hat sich insbesondere
nach dem Zweiten Weltkrieg ebenso wie die im Europarat versammelten
Staaten Europas der Menschenrechte und dabei auch des Gleichheitsgrundsatzes
angenommen: | Internationale
und nationale Rechtsakte |
| Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
1948 (UNO-Deklaration) |
• Art 1 – „Alle Menschen
sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren ...” Art 7 – Gleichheit
vor dem Gesetz; Art 16 Z 1 – Gleiche Rechte von Mann und Frau in
der Ehe und bei deren Auflösung etc. | |
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Art 14:
„Der Genuss der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte
und Freiheiten ist ohne Benachteiligung zu gewährleisten, die insbesondere
im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den
politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer
Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im
Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet ist.” | Europäische Konvention zum Schutz
der Menschenrechte und Grundfreiheiten 1950 |
BGBl 460/1969: Art 4 Z 3 „ ... gleiches Entgelt für gleichwertige
Arbeit” für Männer und Frauen; | |
BundesG
vom 23.2.1979 über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben
( GleichbehandlungsG), BGBl 108: § 2 Abs 1 : „Auf
Grund des Geschlechtes darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis
niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden.” – § 3
sieht die Errichtung einer Gleichbehandlungskommission vor, § 3a
eine Anwältin für Gleichbehandlungsfragen. Vgl → KAPITEL 12: Gleichbehandlung
von Frauen und Männern. | |
• UN-Erklärung der
Rechte des Kindes (1959) | |
•
UN-Konvention
über die Rechte des Kindes (1989) | |
• UN-Konvention zu den politischen Rechten der
Frau (1952) | |
• UN-Erklärung gegen die Diskriminierung aus
rassischen Gründen (1962) uam. | |
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2. Geburt, Stand,
Klasse, Rasse, Sprache etc | |
Neben dem Gleichheitsgrundsatz
gibt es aber noch weitere rechtlich bedeutsame Eigenschaften des Menschen,
die entweder in der Rechtsgeschichte Bedeutung besaßen oder noch
heute wichtig sind; etwa: | |
Heute
sind nach Art 7 Abs 1 Satz 2 B-VG Vorrechte der Geburt ausgeschlossen,
der Geburtsstand des Adels wurde aufgehoben, das Führen von Adelsbezeichnungen
mit Gesetz von 1919 (Nr 211) untersagt. – Auch das wurde privatrechtlich
viel früher entwickelt, in Österreich durch K. A. v. Martini, der
sowohl in seinen Entwurf von 1796 wie in das WGGB 1797 bereits angeborene,
also Menschenrechte aufgenommen hatte; zu § 16 ABGB → §
16 ABGB Das
ABGB hatte, zum Unterschied vom preußischen ALR, das noch eine geburtsständische
Rechtssubjektivität vermittelte, allen Menschen gleiche angeborene
Rechte zugesprochen; § 16 ABGB. | Geburt |
Das
römische Recht war noch stark standes- oder statusorientiert; status
libertatis (Geburt als Freie/r oder Sklave/in) + status
civitatis (Bürger oder Nichtbürger) + status familiae (zB
Hausvater oder Hauskind oder uxor in manu) + Geburtsstand als Patrizier oder Plebejer:
die lex Canuleia (445 v. Chr.) hebt aber das bestehende Eheverbot zwischen
Patriziern und Plebejern auf. Man nennt solche Gesellschaften daher
Statusgesellschaften. – In
Statusgesellschaften wurde
man in einen Bereich der Gesellschaft hineingeboren und blieb dort
zeitlebens. Statusgesellschaften waren gesellschaftlich nicht durchlässig,
sondern starr. – Der historische Weg aus den bis ins 18. Jahrhundert
reichenden Statusgesellschaften zur modernen bürgerlichen Gesellschaft
verlief nach der „Formel”: from status – via contract –
to (modern) civil society ( H.S.
Maine / Barta). | Statuslehre |
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Der Geburtsstand spielte
bis ins 19./20. Jahrhundert eine rechtliche und gesellschaftliche
Rolle; zB bei der Ämtervergabe in Staat und Kirche. Auch der Erwerb
bestimmter Liegenschaften war lange dem Adel vorbehalten. Für Eheschließungen
galt – wie erwähnt – das Prinzip der Ebenbürtigkeit und lange der
sog politische Ehekonsens (iS einer Prüfung ausreichenden Vermögens
der Brautleute durch die Gemeinde). | Geburtsstand |
Bis in die jüngste Vergangenheit spielte die uneheliche
Geburt als gesellschaftlicher (vor allem von der Kirche
gehüteter) Makel eine Rolle; vgl aber nunmehr § 162 Satz 1 ABGB
(völlige erbrechtliche Gleichstellung mit ehelichen Kindern seit
1.1.1991): | Uneheliche
Geburt |
”Die uneheliche Geburt kann einem Kind an
seiner bürgerlichen Achtung und an seinem Fortkommen keinen Abbruch
tun.” | |
Die unter Joseph II diesbezüglich ihrer Zeit vorausgeeilte
Entwicklung wird nach seinem Tod durch den Einfluss von Kirche und
Adel wieder zurückgenommen. | |
Er verbietet Benachteiligungen
auch im Hinblick auf den Geburtsstand, der nicht
mit dem Berufsstand zu verwechseln ist: zB Arbeitnehmer/in,
Kaufmann, Geistlicher, Soldat, Beamter, Bauer. | Stand, Klasse,
Rasse, Sprache, Geschlecht etc |
Benachteiligungen
sind untersagt, sachliche Differenzierungen sind danach aber zulässig;
zB hat sich für Arbeitnehmer ein eigenes Arbeitsrecht entwickelt,
für Kaufleute das Handelsrecht (HGB). | |
Zu Recht wird heute festgestellt,
dass eine neue Klassengesellschaft im Entstehen ist.
Konsum und Lebensstil besitzen klassenprägende Kraft. Die „neue
Klassenbildung” ist eine Folge neuer sozialer Ungleichheit; Stichworte: „Zweidrittelgesellschaft”,
„neue Armut”
etc. Politisch wird diese Entwicklung von konservativen Kräften
gerne verdrängt. – Bildung und Besitz sind immer
noch die Grundlage des Entstehens einer Klassengesellschaft. Der Begriff
der „Klasse” ist nicht – wie viele meinen – ein
kommunistischer. Er ist wesentlich älter und wurzelt in der schottischen
Aufklärung; A. Smith etc. Das Konstatieren einer neuen Klassengesellschaft
darf nicht mit dem alten Begriff des Klassenkampfes verwechselt
werden, was aber nicht ausschliesst, dass dieser wiederum entsteht.
Für das Bewältigen unserer gesellschaftlichen Probleme ist jedoch
ein neues und sensibles Klassenbewusstsein nötig. Zu diesen Fragen:
– P. Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft (2000). | Klassen- oder
Schichtzugehörigkeit |
Sie ist nach verschiedenen
gesetzlichen Vorschriften untersagt; so insbesondere nach Art 7
des Staatsvertrags 1955 oder schon nach Art 19 des StGG 1867. | Rassische
oder sprachliche Diskriminierung |
Vor allem alte Rechte
(Griechenland, Rom, Germanen etc) treffen starke Unterscheidungen
nach dem Geschlecht. Frauen besaßen häufig keine
volle Rechts- oder Handlungsfähigkeit, sondern unterstanden einer
väterlichen oder ehemännlichen Gewalt; besonders ausgeprägt die
römischrechtliche manus, munt (Deutsches Recht). Manche Gebiete
des Privatrechts benachteiligten Frauen sehr lange; so kam es im
Anerbenrecht ( → KAPITEL 17: Das
bäuerliche Erbrecht als Anerbenrecht) erst 1990 zur Gleichstellung. Andrerseits
hat das Arbeitsrecht aber wichtige und differenzierende Schutzbestimmungen für
Frauen entwickelt: Frauen- und Mutterschutz. | Geschlecht |
Auch das öffentliche Recht diskriminierte Frauen lange:
So erhalten sie in Österreich das Wahlrecht erst 1918, die Männer
schon 1906. Beamtenstellen waren lange Männern vorbehalten. | |
Vgl §
39 ABGB, „wonach die Verschiedenheit der Religion ...
auf die Privatrechte keinen Einfluss hat”. Art 7 B-VG (1920/1929)
iVm Art 14 StGG („Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist
Jederman gewährleistet.”) und den Art 8 und 14 EMRK sichert diesen
Schutz verfassungsrechtlich ab. – Das Eherecht des ABGB von 1811
war noch konfesionell ausgerichtet; dh der Staat orientierte sich
am Religionsbekenntnis der Eheschließenden, insbesondere dem katholischen
Eherecht. Erst das dtEheG 1938 brach mit diesem überholten Grundsatz. |
Religion |
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Ein BundesG von 1985, BGBl Nr 155, regelt
die religiöse Kindererziehung:
| Religiöse
Kindererziehung |
„§ 1. Über die religiöse Erziehung eines
Kindes bestimmt die freie Einigung der Eltern, soweit ihnen die
Pflege und Erziehung zustehen. Die Einigung ist jederzeit widerruflich
und wird durch den Tod eines Ehegatten gelöst.” | |
„§ 2. (1) Besteht eine solche Einigung nicht oder nicht
mehr, so gelten auch für die religiöse Erziehung die Vorschriften
des ABGB über die Pflege und Erziehung. | |
(2) Es kann jedoch während bestehender Ehe von keinem Elternteil
ohne die Zustimmung des anderen bestimmt werden, dass das Kind in
einem anderen als dem zur Zeit der Eheschließung gemeinsamen Bekenntnis
oder in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen, oder dass ein
Kind vom Religionsunterricht abgemeldet werden soll. | |
(3)
Wird die Zustimmung nicht erteilt, so kann die Vermittlung oder
Entscheidung des Vormundschaftsgerichts beantragt werden. Für die
Entscheidung sind, auch soweit ein Fall des § 176 ABGB nicht vorliegt,
die Zwecke der Erziehung maßgebend. Vor der Entscheidung sind die
Ehegatten sowie erforderlichenfalls Verwandte, Verschwägerte und
die Lehrer des Kindes zu hören, wenn es ohne erhebliche Verzögerung
oder unverhältnismäßige Kosten geschehen kann. Das Kind ist zu hören,
wenn es das zehnte Jahr vollendet hat.” | |
„§ 5. Nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs steht
dem Kind die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis
es sich halten will. Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet,
so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis
als bisher erzogen werden.” [Diese Lösung stammt aus dem ALR 1794.] | |
§ 28 ABGB aF bestimmte, dass man den „vollen
Genuss der bürgerlichen Rechte ... durch die Staatsbürgerschaft”
erwirbt, deren Erwerb und Verlust die §§ 29-32 ABGB aF regelten.
Das ist auch insoferne erwähnenswert, weil daraus hervorgeht, dass
das ABGB in seiner ursprünglichen Fassung – nach heutigem Verständnis
– auch öffentlichrechtliche Regelungen enthielt. (Die Grenzziehung
zwischen öffentlichem und privatem Recht verlief damals anders.)
– Heute regelt ausschließlich das dem öffentlichen Recht zuzuzählende
StaatsbürgerschaftsG (BGBl 1985/311) Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft. |
Staatsbürgerschaft
– Fremde |
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§
33 ABGB (vgl schon ALR Einl §§ 34 ff insbesondere § 41 und WGGB
I 2 § 55) handelt noch heute von den „Rechte[n] der Fremden”
und vertritt – für das Privatrecht – eine fortschrittliche Position: | Fremde |
„Den Fremden kommen überhaupt gleiche bürgerliche
Rechte und Verbindlichkeiten mit den Eingebornen zu.” | |
Vgl jedoch die Einschränkung in Satz 2: Gegenseitigkeit.
Etwas zurückhaltender war der Code Civil; Art 11. | |
Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass
Fremde in der Rechtsgeschichte lange Zeit auch (privat)rechtlich
nicht gleichgestellt waren. Das öffentliche Recht hat die rechtliche
Andersbehandlung Fremder in wichtigen Bereichen bis heute beibehalten.
Rechtsgeschichtlich ist das
Fremdenrecht ebenso eine griechische
Entwicklung wie das Völkerrecht und das Handelsrecht. | |
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Auch
der Wohnsitz ist im (Privat)Recht von Bedeutung. | Wohnsitz |
Vgl § 66 JN: „Der allgemeine Gerichtsstand einer
Person wird durch deren Wohnsitz bestimmt. Der
Wohnsitz einer Person ist an dem Orte begründet, an welchem sie
sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht
niedergelassen hat, dasselbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen.” | |
| Erfüllungsort |
Vgl auch das IPRG: § 9 Abs 2 (gewöhnlicher Aufenthalt)
und ebendort Abs 3 (Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt); § 10
bestimmt als Personalstatut juristischer Personen den tatsächlichen
Sitz ihrer Hauptverwaltung. (Am Personalstatut orientieren sich
ferner die §§ 14 (Todeserklärung), 15 (Entmündigung / Sachwalterschaft)
oder 16 Abs 2 (Form der Eheschließung im Ausland) usw. | |
Art 6 StGG
schützt grundrechtlich die Niederlassungsfreiheit.
Danach kann: |
Niederlassungsfreiheit |
„Jeder Staatsbürger ... an jedem Orte des
Staatsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz nehmen, Liegenschaften jeder
Art erwerben und über dieselben frei verfügen [Freiheit des Liegenschaftsverkehrs,
insbesondere des Liegenschaftserwerbs], sowie unter den gesetzlichen
Bedingungen jeden Erwerbszweig ausüben [Freiheit der Erwerbsbetätigung].” | |
Die Niederlassungsfreiheit ist auch europarechtlich garantiert;
vgl Art 52 ff EGV oder Art 31 ff EWR-Abk. | |
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OGH 6.10.2000, 1 Ob 12/00: Ein
deutscher Staatsbürger, der sich in Tirol niederlässt, um dort einem
Erwerb aufgrund der europarechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit nachzugehen,
brauch für die Genehmigung eines Liegenschaftskaufvertrags weder
ein wirtschaftliches, noch ein soziales, noch ein kulturelles Interesse
(des Landes Tirol) nachzuweisen. | |
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Die
Minderung der Ehre einer Person wirkte früher noch
viel stärker auf den Rechtszustand einer Person ein und tut es –
wenngleich abgeschwächt – noch heute. Betroffen davon war früher
insbesondere auch die Rechtsfähigkeit. Wir dürfen nicht vergessen,
dass die Rechtsfähigkeit noch heute grundsätzlich als von der Rechtsordnung
verliehen anzusehen ist; vgl jedoch § 16 ABGB: | Ehre |
So kannte
das griechische Recht die
asébeia, das römische
Recht die
infamía (vgl
noch heute: infam!), welche Betroffene mehr oder weniger aus der
Rechtsgemeinschaft ausschloss; eine Verurteilung in bestimmten Fällen
(zB auch aus bloßen Zivilrechtsklagen wie depositum / Verwahrung
oder mandatum / Auftrag) machte infam. – Auch das germanische und alte
deutsche Recht legte seit alters her großen Wert auf den
Besitz der (vollen) Ehre: Seiner Ehre verlustig geht der feige Krieger
(Ausschluss vom Opfer und der Volksversammlung etc), aber auch bestimmte Verurteilungen
führten zu Ehrverlust; Friedlosigkeit oder Acht bedeuteten
einen vollständigen Verlust der Rechtsfähigkeit. Rechtlos war /
wurde man entweder aufgrund ehrenrühriger Handlungen (zB Diebstahl
oder Raub mit der Folge entehrender Strafen) oder aufgrund bestimmter
persönlicher Verhältnisse oder Eigenschaften (zB uneheliche Geburt,
schimpfliches Gewerbe wie Spielleute oder unehrbarer Lebenswandel).
Vgl auch → Beginn
und Ende der natürlichen Person – Noch das ABGB und andere
Privatrechtsnormen kennen Sanktionen im Zusammenhang mit ehrenrührigem
Verhalten / Handeln; vgl etwa § 49 EheG („ehrloses oder unsittliches
Verhalten” ist ein Scheidungsgrund), § 74 EheG (Verwirkung des Unterhaltsanspruchs
durch „ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel”), § 768 Z 4 ABGB (Enterbung
durch „anstößige Lebensart”); vgl auch § 948 ABGB: Schenkungswiderruf
wegen groben Undanks, der ua auch Ehrverletzungen sanktioniert. | |
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C. Die
Persönlichkeitsrechte |
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