Kapitel 18 | |
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B.
Rechtswissenschaft
als Sozialwissenschaft? |
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C.
Weltbild, Menschenbild und Menschenwürde – Zur
Rolle der Medizin in modernen Gesellschaften |
I. Weltbild
und Menschenbild im Spannungsfeld von Recht und (Transplantations)Medizin | |
Wie die Generationen
vor uns, haben auch wir unser Weltbild aufzubauen,
das immer weniger dem unserer Vorfahren gleicht. Teil dieses Weltbildes
ist das Menschenbild und – daraus fließend – das Verständnis
der Menschenwürde. Zu unserem Menschenbild und
unserem Verständnis der Menschenwürde zählen auch die über den Tod
hinaus reichenden Persönlichkeitsrechte auf ein würdevolles Sterben
(§ 5a KAKuG) und einen pietätvollen Umgang mit dem toten menschlichen
Körper; §§ 16, 17 ABGB iVm § 62a Abs 1 KAKuG. Dazu tritt der strafrechtliche
Schutz der Totenruhe nach § 190 StGB. | |
Mit dem Weltbild – das ebenfalls keine
statische Größe darstellt – ändern sich auch seine Teile und umgekehrt.
– Fragen von Recht und Medizin reichen tief in diese Sektoren hinein,
was für uns von Bedeutung ist. Auch die Rechtsphilosophie ist
gefordert, schweigt aber zu oft. – Weltbilder werden von Gesellschaften
nicht autoritativ vorgefertigt, mag es auch (vor)herrschende Strömungen
und Antworten geben. Wir alle sind gefordert, einen Beitrag zum
gegenwärtigen Weltbild sowie zu den Konturen des Menschenbildes
und der Menschenwürde zu leisten. Bestehen diese Begriffe doch aus
Versatzstücken kollektiver und individueller Provenienz. | Die Rechtsphilosophie
ist gefordert |
1. Medizin und
Menschenbild | |
Die Medizin bräuchte ein ganzheitliches Menschenbild auf
der Höhe der Zeit. Aber Medizin- und Bioethik greifen immer wieder
zu kurz. Der Begriff des Menschenbildes wird zwar mitunter bemüht,
aber meist zur Rechtfertigung eigenen Handelns. In Frage gestellt
wird meist zu wenig. Ergänzt wird das oft noch durch den Hinweis
auf einen persönlichen religiösen Hintergrund, was die Sache nicht
einfacher macht. – Dazu kommt: Entscheidungen in diesem wichtigen
Bereich menschlicher Existenz sollten nicht im Schnellverfahren
getroffen werden. Sie brauchen Zeit und Sorgfalt, demnach Eigenschaften,
denen die Politik häufig keine größere Bedeutung beilegt, von der
Wissenschaft aber eingemahnt werden müssen. – Ein Zurückdrängen
der Fächer Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung
und Rechtssoziologie fördert diese Erkenntnisprozesse nicht, sondern
unterläuft sie. Der Medizin, Politik und der Wirtschaft sind aber abhängige und ungebildete
Juristen/innen lieber, als autonom denkende. | |
Aber ist die
Transplantationsmedizin im Vergleich zu gentechnischen
Anthropotechniken nicht harmlos?
– Darauf ließe sich antworten, dass jeder Antihumanismus seine Wegbereiter
braucht. Und könnte nicht eine Transplantationsmedizin, die nicht
nur innere Organe, sondern auch – wie bereits praktiziert – immer
weitere Gliedmaßen anderer Menschen nützt, zu einem Vorreiter jener Methoden
werden, mit denen dann, gleichsam als „bessere medizintechnische
Lösung” nach der Transplantationsmedizin, neue Menschen oder Hominiden
als körperliche „Reparaturlager” oder wozu auch immer gezüchtet
werden? (Im Bereich des embryonalen Klonens werden bereits heute Mischwesen/Chimären hergestellt; vgl
Der Standard, 17. 9. 2003, S. 30.) – Man muss also fragen: Mündet
der vordergründige medizinische Humanismus – der sich bereits heute
bedenkenlos über geltendes Recht hinwegsetzt – ins Inhumane? Vielleicht
kann man es mir aus humanistischen Gründen nachsehen, dass ich zu
dem, was die Medizin und manche Rechtswissenschaftler machen und
vertreten, nicht nur Beifall klatsche. – Es erhebt sich daher die
unabweisbare rechts-philosophische Frage auch in Bezug auf Medizintechniken:
Sollen wir wirklich alles machen und wollen, was wir können? | Anthropotechniken? |
2. Rechtspolitische
Voraussicht | |
Bei der Diskussion und Interpretation dieser Fragen lassen
sich zwei Ebenen unterscheiden: | |
• eine juristisch-hermeneutische und
eine | |
• der menschlichen Besonnenheit, Klugheit und rechtspolitischen
Voraussicht. | |
Auf
der ersten Ebene halte ich manche Meinungen, etwa die von Staatssekretär
Waneck, aber auch die des Innsbrucker Transplantationsteams für
interpretativ unausgewogen; auf der zweiten Ebene erscheinen sie
mir obendrein unklug und der Erhaltung der österreichischen Widerspruchslösung, für
die es einzutreten gilt, abträglich. Es ist unklug, weil, sollte
sich die Meinung durchsetzen, dass sowohl die derzeit eindeutig
illegale
Multiorganspende wie
wohl auch das
Abtrennen von Extremitäten bereits
de lege lata für zulässig erachtet wird, dies zur Folge haben wird,
dass immer mehr Österreicherinnen und Österreicher wenigstens eine
Teilwiderspruchserklärung abgeben werden. | Unkluge und illegale Praktiken |
Dies zeigt uns, dass der moderne
Staat kaum mehr in der Lage ist, in bestimmten Bereichen der Rechtsordnung
für die Beachtung seines Rechts zu sorgen. Staatliches Recht
wird von der Medizin in diesem Bereich ignoriert.
Die Medizin stellt sich, unterstützt von einer fragwürdigen Politik,
über das demokratische Gesetz. Es handelt sich rechtstheoretisch
um (Rechts)Geltungsprobleme. Das hat einerseits mit der Stärke bestimmter
gesellschaftlicher Gruppen zu tun, hier der Medizin; zum anderen
mit der Verfilzung von Medizin und Politik. Demokratisch ist diese
Entwicklung als bedenklich anzusehen, zumal andere Gesellschaftsbereiche
folgen. | Medizin und
demokratisches Gesetz |
Eine solche
(Zweck)Interpretation durch die Medizin durch willfährige oder allzu
fortschrittsgläubige Juristen widerspricht aber meines Erachtens
auch dem demokratischen Konsens des Jahres 1982 und schlägt dem
damals einstimmig gesetzlich beschlossenenen Menschenbild ins Gesicht.
Es mag schon sein, dass für manche Menschen der Begriff der
Pietät nicht
mehr zählt oder lästig ist; aber diese müssten dann den Mut besitzen,
einen neuen demokratisch-politischen Konsens in Bezug auf diese
Frage zu suchen. Und wenn diese Kreise meinen, dies nicht erreichen zu
können, müssen sie sich wohl oder übel mit dem geltenden rechtlichen
Rahmen begnügen. Das ist besser, als sich über das Gesetz hinweg
zu setzen und so zu tun, als wäre ohnehin alles in Ordnung. Das
ist das Schlechteste, was man tun kann. Denn dadurch wird auf Dauer
sowohl der Weiterbestand der Widerspruchslösung gefährdet, als auch
der Demokratie ein Bärendienst erwiesen. | Begriff der „Pietät“ |
Verspielt wird dadurch auch die Möglichkeit,
anhand dieser Frage paradigmatisch das Verhalten unserer Gesellschaft
in Hinblick auf den Umgang mit dem enormen und akzelerierten disziplinären
Fortschritt einzuüben. Wir sollten uns daher – bei aller Fortschrittsoffenheit
– auch fragen, ob wir es uns leisten können, ganze Bereiche unserer
Gesellschaft aus der Legitimität und der demokratischen Gesetzesbindung
zu entlassen. Es wäre feige, diese rechtliche unpolitische Herausforderung
nicht sehen zu wollen und wir sollten auch nicht so naiv sein, von
den unmittelbar betroffenen Disziplinen die Lösung dieser schwierigen
Fragen zu erwarten. Unsere sich rasch wandelnden Gesellschaften
werden uns künftig wohl noch öfter vor die Frage stellen, ob wir
auch all das machen sollen, was wir zu tun in der Lage sind. Das
mag die Technik, die Wirtschaft, die Politik oder die Medizin betreffen.
Um solch grundlegende Fragen möglichst richtig und gerecht beantworten
zu können, brauchen wir wenigstens annähernde Klarheit über
jenes Menschenbild, dem wir folgen wollen. Je klarer wir
entscheiden, umso weniger Überraschungen wird es geben. Allzu optimistisch
dürfen wir dabei aber vorerst nicht sein! | Rechtlicher Umgang mit disziplinärem
Fortschritt |
Wir dürfen dabei nicht vergessen: Aufgabe
des Rechts ist es, zum Vorteil der Menschen eines Gemeinwesens und (!)
der jeweiligen Gesellschaft zu wirken. – Recht soll Gesellschaft
möglich machen! | |
II. Rechtsfragen
der Transplantationsmedizin
in Österreich (mit Links) | |
Zunächst
einige Klarstellungen, um Missverständnisse möglichst auszuräumen.
Ich befürworte die österreichische Widerspruchslösung,
weil ich meine, dass diese eine vertretbare Mitte hält zwischen
den beiden Polen, die für eine Lösung des Transplantationswesens
zu berücksichtigen sind; nämlich der
Spenderautonomie auf
der einen und gesellschaftlicher Solidarität (im
Bewusstsein des individuellen Eingebundenseins und der Angewiesenheit
des Individuums auf andere in der Gesellschaft) auf der andern Seite.
– Meine Befürwortung bedeutet aber nicht, dass ich der Meinung bin,
dass alles so bleiben sollte, wie es derzeit ist! Ich meine vielmehr,
dass es eine Reihe wichtiger Gründe gibt, unsere geltende Widerspruchslösung
zu verbessern und zu diesem Zwecke zu überdenken. Diese Gründe sind
recht(sinhalt)licher, rechtstechnisch-organisatorischer, aber insbesondere
auch rechtsethischer und demokratiepolitisch-rechtsstaatlicher Natur.
Ich bin überhaupt der Meinung, dass unsere Widerspruchslösung den
Widerspruch ernster nehmen muss als bisher, soll sie auf Dauer Bestand
haben. | Wir benötigen ein öTPG |
1. Deutschland,
Schweiz, Europarat | |
Die Tatsache,
dass unser nördlicher Nachbar, Deutschland, 1997
ein neues Transplantationsgesetz beschlossen hat und auch die Schweiz 1999
einen umfangreichen Gesetzesentwurf erstellt hat und diskutiert,
der aufgrund eines Volksentscheids verfasst wurde, zeigt, dass hier
etwas in Bewegung geraten ist. Dazu kommt, dass der Europarat 1997
die sog Bio-Ethik-Konvention verabschiedet hat, die unter anderem
die Lebendspende (Art 19 ff) regelt und darüber hinaus vom selben Gremium
1999 der Entwurf eines Zusatzprotokolls (ZP) zu dieser Konvention
erstellt wurde, das unter anderem die Totenspende regeln soll. | Internationale Entwicklung |
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Daneben
bemühen sich die Eurotransplantminister auf rechtlich
unsicherem Terrain um eine Verbesserung der grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit; vgl die gemeinsame Erklärung vom Oktober 1999. –
Ich darf in diesem Zusammenhang feststellen, dass eine europäische
Lösung des Transplantationswesens wünschenswert wäre. Sie
sollte eine europaweite Zusammenarbeit ermöglichen, ohne die Mitgliedsländer
unter das Joch eines einheitlichen Systems zu zwingen. | Europäische Lösung wäre wünschenswert |
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2. Praxis des Transplantationswesens
in Österreich | |
Ohne
hier auf die Frage des umstrittenen
Organbegriffs näher
eingehen zu können, möchte ich eine Gegenfrage an jene richten,
die meinen, diesen Begriff beliebig dehnen zu können: Verliert, so
meine Frage, der vom Gesetzgeber – meines Erachtens bewusst ein-
und abgrenzend – im Zusammenhang mit dem Begriff der Pietät gebrauchte
Organbegriff nicht völlig seine Kontur und damit seinen Abgrenzungswert,
wenn man ihn so dehnt, wie das geschehen ist und offenbar weiterhin
geschieht? Besteht dann nicht der ganze Körper nur aus Organen?
Was bleibt dann von der gesetzlich festgeschriebenen „Pietät” übrig,
wenn der gesamte Körper des Menschen von ehrgeizigen Medizinern
als Rohstofflager verwendet wird? – Von einem derart schwammigen
Organbegriff auszugehen, erscheint fragwürdig. Der Gesetzgeber von
1992 war hier jedenfalls anderer Meinung. | Strapazierter Organbegriff – Achtung des Gesetzes? |
Gegen
die gelebte Praxis des Transplantationswesens in Österreich lassen
sich daher wichtige Bedenken vorbringen, und zwar
– wie erwähnt – solche rechtsethischer, interpretativer, aber auch rechtstechnisch-organisatorischer
und demokratiepolitisch-rechtsstaatlicher Art. Denn auch die Medizin
untersteht der Rechtsordnung und ist kein Arkanbereich,
der legibus solutus handeln darf. Das führt mich zum zweiten Teil
meines Themas: Dem Verhältnis von Medizin und moderner Gesellschaft. | Untersteht auch die Medizin der RO? |
Wenn
ich disziplinäre Sorgen in Bezug auf das Verhältnis von Recht und
Medizin äußere, geschieht dies nicht aus Besserwisserei oder in
Einmischungsabsicht (wie das seitens der Medizin gerne abwehrend
gesehen wird), sondern in der Hoffnung, dass es gelingt, die Medizin
künftig besser in die Gesellschaft und unser Rechtssystem zu integrieren
und sie zu ihrem eigenen Wohl – möglichst ohne störende Nebenwirkungen
– gesellschaftlich tätig sein zu lassen. Es kann dabei nicht schaden, das
disziplinäre Verhältnis von Recht und Medizin immer wieder zu hinterfragen.
Das gilt natürlich für beide Seiten! Es geht dabei auch um Rechtssicherheit für
„beide” Seiten der Transplantation: die Spenderseite und die Medizin.
Aber auch um ein Respektieren recht(staat)licher Parameter. | Medizin und moderne Gesellschaft |
Diese Klarstellungen erscheinen
auch deshalb nötig, weil erfreuliche Fortschritte der Immunologie weitere
Fortschritte der Transplantationsmedizin erwarten lassen. Das erfordert
aber auch rechtliche Klarstellungen. Dazu kommt, dass die Frage
der Stammzellenzüchtung,
des therapeutischen Klonens
und der Xenotransplantation
als mögliche (Weiter)Entwicklungen der nächsten Jahre angesehen
werden müssen. Auch sie benötigen einen rechtlichen Rahmen. Allein
es fehlt bislang an rechtspolitischer Vorsorge. | Fortschritte der
Transplantationsmedizin |
Die
Realisierung von § 3 unseres Entwurfs besäße den
Vorteil, die Politik, das heißt überhaupt die gesellschaftlichen
Machtträger zu animieren, Farbe zu bekennen, wenn die dort genannten
neuen Medizintechniken zur Anwendung gelangen sollen. Ohne diese
Bestimmung erscheinen Politik und Interessensvertretungen in hohem Maße
versucht, den nötigen Antworten auszuweichen und diese de facto
dem jeweiligen Sachbereich – hier der Medizin – zu überlassen, der
aber zur Beantwortung dieser Fragen weder demokratisch legitimiert
noch politisch dafür Verantwortung zu tragen hat. – Das Ziel, den Entwurf
eines österreichischen Transplantationsgesetzes vorzulegen
liegt demnach darin, einen rechtspolitischen Diskurs anzuregen,
der bestehende Hoffnungen und Ängste (der Bevölkerung), aber auch
Machtinteressen (involvierter Bereiche) zutage treten lässt und
diesen wichtigen Gesellschaftsssektor nicht im Nebel scheinbarer
Sachfragen belässt. Der Diskurs böte aber auch für die Medizin und
ihre Machtapparate die Chance, allmählich die Sprache einer breiteren
gesellschaftlichen Problemfindung zu erlernen, die nicht die eigenen
Interessen mit gesellschaftlicher Wahrheitsfindung verwechselt;
und für das Recht und seine Vertreter beinhaltete dies die Chance,
sehen zu lernen, wo die Gefahr politischer Handlangerdienste
und politischer Willfährigkeit beginnt. Das mag idealistisch
klingen, ist aber – ganz im Gegenteil – sehr realistisch, freilich
nur in dem Sinne, dass ein solches Vorgehen für unsere politische
Rechtskultur von Vorteil wäre, mögen auch die Chancen dafür
gering sein. Es sei daher noch einmal betont, dass Fragen wie diese keine bloßen
medizinischen Fachfragen sind, sondern solche, die einer politisch-demokratischen
Antwort bedürfen. Medizin erscheint dabei, wie übrigens
auch das Recht – wenngleich in unterschiedlicher Weise – als Hilfsdisziplin im
Rahmen der Aufbereitung einer nötigen politischen Entscheidung.
Dadurch könnte auch der viel beschworene Primat des Politischen unterstützt
und in diesem Felde aufgezeigt werden, dass auch schwierige und
scheinbar reine Sachfragen (in Spezialfragen) einer politisch-gesellschaftlichen
Lösung zum Wohle des Ganzen möglich sind und keineswegs der immer
wieder behauptete Sachzwang besteht, diesen Fragen politisch aus
dem Weg zu gehen. | Primat des Politischen? |
Es geht also auch darum, in modernen Gesellschaften darauf
zu achten, den Primat des Gesamtgesellschaftlich-Politischen zu
wahren und zu stärken. Moderne Gesellschaften laufen nämlich allenthalben
Gefahr, von Partikularinteressen überrannt und
– zum Nachteil des Ganzen – an die Wand gedrückt zu werden. Das
lehrt uns neben der Ökonomie (Globalisierung, Multis, blinde ideologische
Privatisierung der Märkte etc) unter anderem auch die Medizin, zumal
dieser Bereich starke wirtschaftliche Affinitäten aufweist, was
Problemlösungen nicht erleichtert. – Damit ist noch nicht gesagt,
dass der politische Sektor, die auf ihm lastende gesellschaftliche
Verantwortung bereits wahrnimmt. Es sieht vielmehr danach aus, als
würde auch dieser Bereich versagen. Das kann aber nicht bedeuten,
dass die Wissenschaft diesem Versagen Beifall zu klatschen hat. | |
3. Zur gegenwärtigen
Rechtslage | |
Über
die gegenwärtige Rechtslage und die „Vorstellungen” des
Gesetzgebers von 1982 soll kurz mittels „Links”
informiert werden, was den Text nicht belastet: | „Links” zum besseren Verständnis |
• Link-1: Der Text der KAG-Novelle 1982
– §§ 9, 10 KAG | |
• Link-2: Regierungsvorlage 1982 | |
• Link-3: Der Ausschußbericht | |
• Link-4: III. Welche Themenbereiche des TP-Sektors
gehören gesetzlich geregelt? | |
• Link-5: IV. Welche Organe dürfen entnommen
werden? – Zur Frage der Multiorganspende | |
• Link-6: V. Transplantation und Pietät | |
• Link-7: VI. Plädoyer
für eine neues TPG. | |
Entwicklung der Organ-Transplantationsfrequenzen
in Österreich 1971 bis 1999 Jahr | Herz | Lunge | Leber | Niere | Pankreas | 1971 | | | | 17 | | 1972 | | | | 34 | | 1973 | | | | 63 | | 1974 | | | | 95 | | 1975 | | | | 85 | | 1976 | | | | 61 | | 1977 | | | | 72 | | 1978 | | | 1 | 70 | | 1979 | | | | 92 | 1 | 1980 | | | 1 | 93 | 1 | 1981 | | | 2 | 106 | | 1982 | | | 7 | 156 | 1 | 1983 | 1 | | 14 | 151 | 5 | 1984 | 8 | | 18 | 233 | 7 | 1985 | 17 | 1 | 28 | 238 | 8 | 1986 | 39 | 3 | 30 | 280 | 11 | 1987 | 43 | 6 | 57 | 351 | 24 | 1988 | 46 | 3 | 32 | 306 | 8 | 1989 | 56 | 6 | 56 | 411 | 7 | 1990 | 82 | 22 | 80 | 424 | 11 | 1991 | 68 | 24 | 60 | 396 | 8 | 1992 | 90 | 32 | 66 | 322 | 14 | 1993 | 110 | 38 | 91 | 386 | 16 | 1994 | 95 | 37 | 96 | 350 | 12 | 1995 | 108 | 28 | 109 | 305 | 9 | 1996 | 105 | 29 | 131 | 363 | 8 | 1997 | 95 | 33 | 134 | 334 | 25 | 1998 | 95 | 62 | 134 | 374 | 31 | 1999 | 95 | 70 | 151 | 421 | 30 |
| |
Kombinierte Transplantationen werden nicht extra
angeführt – Quelle: ET-Dokumentation (ÖBIG ´99) | |
Text
der KAG-Nov 1982
| Link-1 |
§ 9
KAG. (1) Für die in Krankenanstalten beschäftigten Personen besteht Verschwiegenheitspflicht,
sofern ihnen nicht schon nach anderen gesetzlichen oder dienstrechtlichen
Vorschriften eine solche Verschwiegenheitspflicht auferlegt ist.
Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit erstreckt sich auf alle die
Krankheit betreffenden Umstände sowie auf die persönlichen, wirtschaftlichen
und sonstigen Verhältnisse der Pfleglinge, die den Anstaltsangehörigen in
Ausübung ihres Berufes bekannt geworden sind; bei Eingriffen
nach § 62a auch auf die Person des Spenders und des Empfängers. | |
§
10 KAG | |
(1) Durch die Landesgesetzgebung sind die
Krankenanstalten zu verpflichten: | |
1 ... ... | |
2 ... ... | |
3 ... ... | |
4 ... ... | |
5 ... ... | |
6. über Entnahmen nach § 62a Niederschriften
zur Krankengeschichte aufzunehmen und gemäß Z 3 zu verwahren. | |
Hauptstück F | |
Entnahme von Organen oder Organteilen
Verstorbener zum Zwecke der Transplantation [Überschriften
als Marginalien? Wenn ja , bitte noch machen, ich trau mich nicht!] | |
|
§ 62 a KAG | |
(1) Es ist zulässig, Verstorbenen einzelne Organe
oder Organteile zu entnehmen, um durch deren Transplantation das
Leben eines anderen Menschen zu retten oder dessen Gesundheit wiederherzustellen.
"Die Entnahme ist unzulässig, wenn den Ärzten eine Erklärung vorliegt,
mit der der Verstorbene oder, vor dessen Tod, sein gesetzlicher
Vertreter eine Organspende ausdrücklich abgelehnt hat. Die Entnahme
darf nicht zu einer die Pietät verletzenden Verunstaltung der Leiche
führen." | |
(2) Die Entnahme darf erst durchgeführt werden,
wenn ein zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt den
eingetretenen Tod festgestellt hat. Dieser Arzt darf weder die Entnahme
noch die Transplantation durchführen. Er darf an diesen Eingriffen
auch sonst nicht beteiligt oder durch sie betroffen sein. | |
(3) Die Entnahme darf nur in Krankenanstalten
vorgenommen werden, die die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 lit.
a und c bis g erfüllen. | |
(4) Organe oder Organteile Verstorbener dürfen
nicht Gegenstand von Rechtsgeschäften sein, die auf Gewinn gerichtet
sind. | |
|
Erst im parlamentarischen Gesundheitsausschuß
wurden dem Absatz 1 zwei weitere Sätze angefügt. Sie lauten: | |
|
§ 62 b KAG | |
Angaben über die Person von Spender bzw. Empfänger
sind vom Auskunftsrecht gemäß § 11 Datenschutzgesetz, BGBl. Nr.
565/1978, ausgenommen. | |
|
|
§ 62 c KAG | |
Wer dem § 62 a zuwiderhandelt, begeht, sofern
nicht eine gerichtlich strafbare Tat vorliegt, eine Verwaltungsübertretung
und ist mit Geldstrafe bis 30.000 S zu bestrafen. | |
|
In der Folge sollen aus der Regierungsvorlage (RV)
969 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates
XV. GP, Seite 1 ff wichtige Passagen wiedergegeben werden, die auch
noch für das Verständnis heutiger Probleme von Bedeutung sind. | Link-2: Die Regierungsvorlage
1982 |
Im Vorblatt der RV wird ein kurzer Problemaufriss gegeben:
"Obschon nach der bisherigen Rechtslage die Entnahme von Organen
bzw. Organteilen zu Heilzwecken zulässig ist, besteht seitens der
Ärzteschaft und der Vereinigungen betroffener Patienten, wie zB
den Dialysepatienten, der Wunsch, die Zulässigkeit dieser Entnahmen
zum Zwecke der Transplantation ausdrücklich und
unzweifelhaft [Hervorhebung in den Materialien]
im Gesetz festzulegen. Die bisherige Rechtslage hat verschiedentlich
zu Unsicherheit und Unklarheiten geführt." | |
Bei der Lösung des dargestellten Problems gilt es, die einander
gegenüberstehenden Güter der Rettung menschlichen Lebens bzw. der
Wiederherstellung der Gesundheit einerseits sowie der Pietät und
der Achtung religiöser und philosophischer Überzeugungen andererseits
abzuwägen und einen Ausgleich zu finden. Dies soll dadurch geschehen,
als es lediglich erlaubt ist, einzelne Organe oder Organteile zu
entnehmen. Insgesamt sind jedoch bei dieser Abwägung die Güter Leben
und Gesundheit höher zu bewerten." | |
In den "Erläuterungen" wird zu §
62 a Abs 1 ausgeführt: "Diese Bestimmung erklärt, daß es
zulässig ist, zum Zwecke der Verpflanzung Organe oder Organteile
zu entnehmen, gibt aber gleichzeitig an, daß diese Eingriffe nur in
einem begrenzten Umfang zulässig sein sollen. Die Entnahme darf
sich nur [!- Hervorhebung von mir] auf einzelne
wenige Organe oder Organteile erstrecken. Damit soll sichergestellt
sein, daß der Leichnam eines als Spender geeigneten Verstorbenen
auch nach Durchführung einer Entnahme in einem solchen Zustand verbleibt,
der der Würde eines Toten entspricht und durch den eine Verletzung
zur Pietät nicht erfolgt. Der Organbegriff ist im medizinischen
Sinn zu verstehen und erfaßt daher auch das Gewebe." | |
Die "Erläuterungen" enthalten weitere Ausführungen
zur Todesfeststellung, der Entnahme und Verpflanzung in gemeinnützigen
Krankenanstalten und dem Verbot der Gewinnerzielung aus Pietätsgründen
etc. | |
Wichtige Einsichten vermittelt auch der Ausschussbericht
(AB) des Ausschusses für Gesundheit und Umweltschutz über die Regierungsvorlage
(969 der Beilagen) betreffend das Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert
wird (1089 der Beilagen); abgedruckt in: Protokolle des NR XV. GP,
116. Sitzung, 1. Juni 1982, S. 11622 ff. Daraus sollen ebenfalls
wichtige Passagen zitiert werden. Hinzuweisen ist darauf, dass erst
im genannten Ausschuss die Änderung der Regierungsvorlage in Richtung
Widerspruchslösung beschlossen wurde. | |
S. 11.623: "Der Ausschuß für Gesundheit und Umweltschutz
hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung vom
6. Mai 1982 in Verhandlung genommen. Bei der Abstimmung wurde die
Regierungsvorlage unter Berücksichtigung dieses Abänderungsantrages
einstimmig angenommen. [Hervorhebung von mir] Zu der Abänderung
gegenüber der Regierungsvorlage wird folgendes bemerkt: Im Hinblick
auf die Wahrung religiöser und philosophischer Überzeugungen ist
es geboten, auch einen im Zeitpunkt der vorgesehenen Entnahme vorliegenden Widerspruch
des Verstorbenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters zu beachten.
... Die Abänderung lautet: Dem § 62 a Abs. 1 sind folgende Sätze
anzufügen: ‚Die Entnahme ist unzulässig, wenn den Ärzten eine Erklärung
vorliegt, mit der der Verstorbene oder, vor dessen Tod, sein gesetzlicher
Vertreter eine Organspende ausdrücklich abgelehnt hat. Die Entnahme
darf nicht zu einer die Pietät verletzenden Verunstaltung der Leiche
führen.’ " | |
In der anschließenden Diskussion im Nationalrat führt der
Abgeordnete Dr. Wiesinger (ÖVP) unter anderem aus:
" ... Wir hätten jetzt als Opposition, das gilt für beide Parteien,
zwei Wege gehen können. Den einen Weg, nämlich zu sagen, ganz typisch,
das ist hier eben ein materialistisches Gesetz, wo der Körper als
Reparaturlager angesehen wird, und wir hätten in relativ kurzer
Zeit eine sehr starke, unerfreuliche, emotionsgeladene Diskussion
in der Öffentlichkeit gehabt. | |
Wir sind bewußt diesen Weg nicht gegangen, weil wir glauben,
daß diese gesetzliche Maßnahme so ungeheuer wichtig ist, vor allem
für die Hunderten von Nierenkranken, die heute auf die Nierenwäsche
angewiesen sind und die praktisch auf Nierenspender warten, um weiterhin
überleben zu können. Hier ist es um sehr wesentliche vitale Interessen
von vielen Menschen in Österreich gegangen. Und bei einer Güterabwägung
war es für uns ganz einfach der richtige Weg, mit der Regierung
Verhandlungen aufzunehmen und zu versuchen, auch unseren Argumenten
zu entsprechen. Konsens statt Konfrontation. | |
Ich stehe nicht an hier zu sagen, daß man seitens der sozialistischen
Fraktion, auch von seiten des Herrn Bundesministers absolut bereit
war, hier in konstruktive Gespräche einzugehen, und diesen Argumenten,
die für uns aus grundsatzpolitischen, weltanschaulichen Gründen
so wesentlich waren, diesen Anträgen auch Rechnung getragen hat. | |
Warum erwähne ich das so ausführlich? Das zeigt, daß eine
parlamentarische Arbeit möglich ist, zu einem Konsens zu finden,
wenn auf seiten derjenigen, die die Mehrheit haben, auch eine Bereitschaft
besteht, diesen Konsensweg zu gehen. Denn eines geht natürlich nicht,
meine Damen und Herren, von der Opposition zu erwarten, daß sie
mehr oder weniger die Dinge hinnimmt, die ihr grundsätzlich nicht
passen, und die Regierung nur von sich aus mit ihrem Mehrheitszug
über alles drüberfährt. Das ist ein Weg, der der Demokratie, der
diesem Land und der der Bevölkerung sicher auf Dauer nicht guttun
wird. (Beifall bei der ÖVP.) ... | |
Wir werden in einer dreiviertel Stunde Gelegenheit haben,
über einen derartigen Fall zu reden. Sehen Sie, das sind für mich
die Antipoden, das ist das Gegenstück. Auf der einen Seite der Versuch,
etwas Vernünftiges gemeinsam für dieses Land zustande zu bringen,
und auf der anderen Seite ein Justamentstandpunkt, wo man glaubt,
sich mit der Mehrheit durchsetzen zu müssen. Ich halte den zweiten
Weg für gefährlich." | |
Der Abgeordnete Samwald (SPÖ) führte unter
anderem aus: " ... Genau festgehalten wurde in diesem Gesetz auch, daß
eine Organentnahme nur zur Lebensrettung oder in einem anderen Fall
zu einer sinnvollen Lebensverlängerung eines Patienten geschehen
darf, aber nicht zu wissenschaftlichen Zwecken und auf gar keinen
Fall zu einer wirtschaftlichen Verwertung führen darf. | |
Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute mit dieser Beschlußfassung
hier im Hohen Haus, Abänderung des Krankenanstaltengesetzes befassen,
muß vor allen Dingen auch zum Ausdruck gebracht werden, daß, obwohl
nach der bisherigen Rechtslage die Entnahme von Leichenteilen zu
Heilzwecken schon zulässig war, schon vor längerer Zeit auch von
seiten der Ärzteschaft Österreichs und der Vereinigung der betreffenden
Patienten, wie der Dialysepatienten, der Herzpatienten, um nur einige
anzuführen, der Wunsch bestand, auch die Zulässigkeit der Entnahme dieser
einzelnen Organe und Organteile von Verstorbenen zum Zwecke dieser
Transplantationen auch unzweifelhaft mittels Gesetz neu festzulegen. | |
Wobei gerade vielleicht auch hier bis vor kurzem die bisherige
Rechtslage, Herr Kollege Primarius Dr. Wiesinger hat es ja angeführt,
schon in manchen Fällen zu einer Unischerheit geführt hat und vor
allen Dingen auch in der Auslegung manchmal zu Unklarheiten geführt
hat. Wir wissen, daß nach der Verurteilung eines Wiener Primararztes wegen
Entnahme von Knochensplittern im Jahre 1978 eigentlich die Zahl
der Transplantationen sehr strak zurückgegangen ist und daß dieser
Fall und einige andere, die dann gefolgt sind, dazu geführt haben,
daß wir heute hier dem Hohen Hause die Änderung des Krankenanstaltengesetzes
in bezug auf die Organtransplantationen vorlegen und nach eingehenden
Beratungen, das muß ich auch hier anerkennen, im Ausschuß eine Dreiparteieneinigung erreicht
werden konnte. | |
Vor allem in der primären Frage der Entnahme des Organes
konnte Einigung erzielt werden, wobei der Passus in das Gesetz aufgenommen
wurde, daß die Entnahme dann unzulässig wäre, wenn den Ärzten eine
Erklärung vorliegt, mit der der Verstorbene oder vor dessen Tod
sein gesetzlicher Vertreter eine Organspende ausdrücklich abgelehnt
hat. Die Entnahme dieses Organes darf auf keinen Fall, das ist,
glaube ich, auch sehr wichtig für die Bevölkerung Österreichs, zu
einer die Pietät verletzenden Verunstaltung der Leiche führen. | |
["Pietät" ist ein normativ in hohem Maße
aufgeladener Begriff, der nicht nur rechtliche,
sondern auch weltanschaulich-religiöse, philosophische und medizinische
Inhalte aufweist, und im jeweils zu interpretierenden Kontext
keineswegs vage verfließt, sondern lösungsbezogen sogar relativ
klare, wenn auch nicht messerscharfe Konturen erhält. Die gesellschaftsbezogene
Aussage der "Pietät" in § 62a Abs 1 KAG, auf welche in den Materialien 1982
mehrfach und nachdrücklich Bezug genommen wird, kann demnach auch
nicht durch eine von den Vorstellungen des Gesetzgebers abweichende
Erklärung von Angehörigen Verstorbener aufgehoben oder modifiziert werden.
Der Begriffsinhalt mag zwar einem gewissen gesellschaftlichen
Wandel ausgesetzt sein, sein Kern bleibt aber verbindlich.
Der normative Begriff der "Pietät" bildet einen wichtigen Teil jenes
politischen Kompromisses, der zum einstimmigen Gesetzesbeschluss
im Jahre 1982 geführt hat. Dieser normative Rahmen kannn weder individuell aufgekündigt,
noch durch die Medizin einseitig verändert werden.] | |
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß es
uns hier gemeinsam gelungen ist, im Ausschuß eine Einigung zu erringen,
die wir heute diesem Hohen Hause vorlegen konnten, und daß es uns
vor allen Dingen auch gemeinsam gelungen ist, in einer Interessenabwägung
für die Rettung und Erhaltung des Lebens für viele Menschen in Österreich,
die ja schon jahrelang auf eine solche Organspende warten, wirksam
zu werden, bei gleichzeitiger Einhaltung der Pietät und der Beachtung
der Gefühle von deren Angehörigen. | |
Es ist daher zu hoffen, meine sehr geehrten Damen und Herren,
daß es mit dieser Gesetzeswerdung wieder zu einer Zunahme der Organverpflanzungen
und der Transplantation im Interesse vieler Kranker, die auf Heilung
beziehungsweise Verbesserung ihres Leidens hoffen, kommen wird." | |
Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz Dr.
Steyrer führt unter anderem aus: "... Seit dem Jahre 1770 besitzt
Österreich ein sehr modernes Obduktionsgesetz, das damals den Vorrang
der Wissenschaft vor der Totenruhe arrogiert und festgestellt hat.
Mit diesem Obduktionsgesetz wurden die gigantischen Fortschritte
der Wiener Ersten und Zweiten medizinischen Schule praktisch überhaupt
erst ermöglicht. | |
Ich glaube, daß analog diesem modernen Obduktionsgesetz
eine solche Novelle zum Organ- und Transplantationsgesetz Berechtigung
hat, weil hier das Vorrecht des Lebens vor der Totenruhe statuiert
wurde. | |
Ich möchte – das ist der Sinn meiner Wortmeldung – dem Ausschuß
für diese konstruktive Arbeit danken und ich möchte auch – und das
stehe ich nicht an zu erklären – feststellen, daß hier die traditionell
gute Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Gesundheitswesens auch von
den Oppositionsparteien demonstriert wurde. | |
Ich möchte auch sagen, daß eine solche Regelung, wie wir
sie heute in Österreich erzielt haben, zum Beispiel in der Bundesrepublik
Deutschland nicht möglich gewesen wäre, weil zweifellos eine so
wichtige sachliche Frage dort stark emotionalisiert und sicherlich
dem Parteienhickhack ausgeliefert worden wäre. | |
Deshalb mein Dank. Ich möchte sagen, daß hier eine Tat gesetzt
wurde, die zweifellos für einen großen Teil der österreichischen
Bevölkerung wesentliche Verbesserungen auf dem Gebiete der gesundheitlichen
Betreuung bringen wird und vor allem eines beseitigen wird, nämlich
die Rechtsunsicherheit, die viele Ärzte befallen hat .... Und daher haben
wir heute etwas erreicht, was zweifellos auch den Oppositionsparteien
zugute kommt. Das möchte ich anerkennen. Ich möchte mich herzlich
dafür bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)" | |
Die Abgeordnete Dr. Marga Hubinek (ÖVP)
führt aus: " ... Ich halte das, meine sehr geehrten Damen und Herren, für
einen großen Fortschritt, für einen Fortschritt, den die Regierungsvorlage
nicht aufweisen konnte. Ich glaube, es war wichtig, daß der Antrag
der ÖVP-Fraktion auf die Zustimmung gestoßen ist, daß es einen absoluten
Respekt vor dem Willen des Spenders geben muß. | |
Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir
vom mündigen Bürger reden, so müssen wir eigentlich auch respektieren,
daß er bestimmt, ob sein Körper unversehrt erhalten bleibt. Es können
weltanschauliche, es können religiöse Gründe für ihn wichtig sein.
Wichtig ist, daß sie die Ärzte respektieren .... | |
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ähnlich
wie der Herr Minister über den Konsens einige Worte sagen. Ich glaube,
es zeigt, daß das Parlament durchaus in der Lage ist, einen sinnvollen
Kompromiß zu erarbeiten, einen sinnvollen Kompromiß, der vielen
Menschen zugute kommt. | |
Man sollte die Lehre aus dem ziehen, was in diesem Bereich
möglich ist: Ideen auch der Opposition nicht von vornherein vom
Tisch zu fegen, sondern sie zumindest zu prüfen, und wenn man der
Meinung ist, daß man ihnen Folge leisten kann, flexibel genug zu
sein, seinen eigenen Standpunkt zu korrigieren." | |
Diese Novelle zum Krankenanstaltengesetz wurde einstimmig angenommen. | |
4. Welche Themenbereiche
des Transplantationssektors gehören gesetzlich geregelt? | |
| Adresse unseres Gesetzentwurfs |
 | |
Das
Widerspruchsregister bedarf dringend einer gesetzlichen Grundlage:
"Aufgaben" und "Pflichten" dieser wichtigen Einrichtung sind zu
normieren. Dabei sollte die Möglichkeit des Widerspruchs
effektuiert werden! Klargestellt werden sollte dabei auch
die Rechtsnatur der Widerspruchserklärung, die
nämlich keine rechtsgeschäftliche (Willens)Erklärung ist, sondern einen
(Willens)Akt menschlicher Selbstbestimmung darstellt, den es persönlichkeiltsrechtlich
zu schützen gilt. Die Erklärung sollte formfrei abgegeben
und jederzeit widerrufen werden können. Stellvertretung sollte
nicht möglich sein. - Statuiert werden sollte auch eine Erkundigungspflicht des
Arztes vor Durchführung einer Transplantation beim Widerspruchsregister.
– Unbedingt vorzusehen wäre die Möglichkeit des Teilwiderspruchs,
wie das in anderen Ländern – bspw in Holland – schon möglich ist. | Gesetzliche Grundlage nötig Widerspruchsregister |
Widerspruchsregister gegen Organspende jährliche
Eintragungen und Anfragen 1995 bis 1999 Jahr | Eintragungen | Anfragen | 1995 | 323 | 450 | 1996 | 1153 | 829 | 1997 | 1665 | 879 | 1998 | 855 | 845 | 1999 | 590 | 815 |
| |
Gesetzlich umschrieben werden sollten auch jene Körperteile,
die entnommen werden dürfen. Das dtTPG 1997 ist
diesen Weg gegangen; vgl § 1 iVm § 9 dtTPG. Man kann diese Fragen
nicht allein der Medizin überlassen. Darunter leidet die Rechtssicherheit.
– Zu regeln wäre in diesem Kontext auch die sog Multiorganspende,
die derzeit zur gelebten österreichischen Praxis gehört, was aber nicht
gesetzeskonform ist. | Welche
Körperteile dürfen entnommen werden? – Zur Zulässigkeit der Multiorganspende? |
Anzustreben ist auch eine gesetzliche Mindestorganisation für
den Transplantationssektor; vgl die §§ 10 und 11 unseres Entwurfs.
Er sieht Transplantationszentren, Transplantationssprengel, eine
Transplantationskonferenz und darüber hinaus sogenannte Transplantationskoordinatoren
vor. | Gesetzlicher
Organisationsrahmen der Transplantationsmedizin |
Wünschenswert erschiene ferner eine gesetzlich fundierte
internationale oder doch europäische Einbindung des grenzüberschreitenden
Organaustauschs wie er bspw über Eurotransplant und andere Verteilungsorganisationen
(zB Swiss- oder Scan-Transplant) bereits praktiziert wird. Diesbezüglich
ist auf die "Gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit im Rahmen der
Stiftung Eurotransplant international" der Eurotransplantminister
vom Oktober 1999 hinzuweisen. | Eine europäische
Regelung |
Wichtig erscheint ferner eine verbesserte Information der
Bevölkerung über den gesamten Transplantationssektor; vgl dazu §
7 unseres Entwurfs. Berichtspflichten sind zu statuieren;
vgl § 11 Abs 2, § 12 Abs 5 sowie § 18 iVm § 21 unseres Entwurfs. | Information
der Bevölkerung |
Unverzichtbar erscheint ferner die gesetzliche Regelung
der Warteliste und damit zusammenhängend gesetzliche Regeln über
die Organzuteilung. Vgl § 12 unseres Entwurfs. – Hier geht es um überfällige rechtsstaatliche
Erfordernisse. Man muss sich wirklich fragen warum das
nicht längst gemacht wurde. | Warteliste und
Organzuteilung |
Dringend einer Regelung bedarf die derzeit in Österreich
gesetzlich ungeregelte Lebendspende samt Aufklärungspflichten und
nötiger Einwilligung dazu; vgl die §§ 16 und 17 unseres Entwurfs. Mangels
rechtlicher Klarheit ist die Lebendspende bei uns in Österreich
– im Vergleich zu anderen Ländern – derzeit nur von untergeordneter
Bedeutung. Hier könnte für das Transplantationswesen mehr erreicht
werden, zumal die Lebendspende auch medizinische Vorteile aufweist.
Hier könnten uns vielleicht die holländischen Erfahrungen weiter
helfen. | Regelung der
Lebendspende |
Auf der anderen Seite treten bereits jetzt Missbrauchsmöglichkeiten in
Erscheinung. – Wie beurteilen Sie etwa den folgenden Fall, der nicht
erfunden ist: Ein österreichisches Transplantationsteam will die
Zustimmung der zuständigen Ethikkommission dafür erlangen, dass
einem deutschen Rechtsanwalt die Niere seines rumänischen Brieffreundes
transplantiert wird. | |
Spenderaufkommen nach Transplantationszentren und
Spendertyp 1999 TX-Zentrum | Tote Spender * | Lebendspender | Graz | 26 | 1 | Innsbruck | ** 48 | 16 | Region Linz | 25 | 3 | Wien | 106 | 26 | Gesamt | 205 | 46 |
| |
*Used cadaveric donors, **12 Spender aus Südtirol | |
*Used cadaveric donors, **12 Spender aus Südtirol | |
Auszubauen und weiter zu klären wäre ferner das bereits
jetzt bestehende Gewinnverbot, das unter anderem durch ein angemessenes
Werbeverbot zu ergänzen wäre. – Ein Handel mit menschlichen Organen
ist unter allen Umständen zu vermeiden. Das dies nicht nur eine
theoretische Befürchtung, sondern Zeitungsberichten zufolge (Der
Standard, Dienstag, 15. Juli 2003, Seite 5: "Niere für Geld: Illegaler
Handel" – Österreicher brauchte Geld, um die Firma seiner Lebensgefährtin
zu retten) gesellschaftliche Realität ist, sollte bedacht werden.
– Dringt der Götze Mammon in diesen Bereich einmal ein, sind die
Folgen kaum abzusehen. Markt und Wirtschaft haben hier nichts verloren.
Nur eine klare Antwort löst hier die Probleme. | Gewinn- und
Werbeverbot – Kein Organhandel |
Die Kompetenzen des Obersten Sanitätsrates im Zusammenhang
mit dem Transplantationswesen wären grundsätzlich zu überdenken,
zu modernisieren und – vor allem auch – zu demokratisieren; vgl
dazu § 8 unseres Entwurfs, der diesem Gremium – in einem rechtsstaatlich-demokratischen Kontext
– wichtige Aufgaben zuweist. | Kompetenzen
des Obersten Sanitätsrates |
Gesetzlich zu regeln sind auch Organbanken, mögen diese
vielleicht auch erst künftig zu größerer Bedeutung gelangen; vgl
§ 9 unseres Entwurfs. | |
Rechtlich geregelt werden muss auch die Organisation der
(einzelnen) Transplantationszentren; insbesondere auch die Aufgaben
des bereits jetzt eingesetzten Transplantationskoordinators. – Vgl dazu
§ 11 unseres Entwurfs. | |
Neu und umfassender zu regeln ist ferner die Totenspende.
Sie wurde in den §§ 13 ff unseres Entwurfs eingehend behandelt.
Hinzuweisen ist hier bspw darauf, dass § 14 iVm § 1 unseres Entwurfs auch
die Entnahme "anderer" Körperteile zulässt, dies aber an besondere
im Gesetz genannte Voraussetzungen bindet. | |
Gesetzlich geregelt werden muss ferner die Todesfeststellung;
vgl § 15 unseres Entwurfs. | |
Dringlich erscheint das Schaffen eines gesetzlichen Transplantationsregisters;
vgl die §§ 18-20 unseres Entwurfs. In dieses Register wären einerseits
Widersprüche einzutragen, selbstverständlich in
neuer erweiterter Form. – Darüber hinaus wären auch erfolgte Toten-
und Lebendspenden zu dokumentieren.
Das ist nicht nur wissenschaftlich von Vorteil, sondern auch aus
Gründen der Rechtssicherheit ratsam. | |
Unverzichtbar erscheint ferner das Schaffen von effizienten
Kontrolleinrichtungen; vgl § 21 unseres Entwurfs. – Vorgesehen ist
dort auch eine Beschwerdemöglichkeit an den zuständigen Bundesminister. | Verbesserte
Kontrolleinrichtungen |
Auch realistische Sanktionen sind anzustreben, zumal die
gegenwärtige Regelung völlig unzureichend ist: Das betrifft gerichtlich
strafbare Handlungen, Verwaltungsstrafen und Schadenersatz; vgl
§ 22 unseres Entwurfs. | |
Transplantationsgeschehen 1999 in Österreich gegliedert
nach Transplantationszentren und Organen TX-Zentrum | Graz | Innsbruck | Linz | Wien | Summe | Herz | 15 | 20 | | 59 | 94 | Herz und Lunge | | | | 1 | 1 | Lunge | | 10 | | 59* | 60 | Leber (tote Spende) | 10 | 56 | | 79 | 145 | Leber (Lebendspende) | | | | | 6 | Leber gesamt | 10 | 62 | | 79 | 151 | Niere (inkl. Pa/Niere) (tote Spende) | 47 | 104 | 54 | 177 | 382 | Niere (Lebendspende) | 1 | 10 | 3 | 25 | 39 | Niere gesamt | 48 | 114 | 57 | 202 | 421 | Pankreas (komb. mit Niere) | | 23 | | 1 | 27 | Pankreas | | 3 | | | 3 | Pankreas gesamt | | 29 | | 1 | 30 |
| |
* Eine Lunge durch Lebendspende | |
Quelle: ET-Dokumentation | |
5. Welche Organe
dürfen entnommen werden? – Zur Frage der Multiorganspende | |
Das geltende Gesetz geht davon aus, dass nur die Entnahme
"einzelner Organe oder Organteile" zulässig ist.
– Hier besteht eine grosse Kluft zwischen Gesetz und gelebter medizinischer
Praxis. | |
Unbestritten
ist, dass die Entnahme"aller"
Organe gesetzwidrig wäre, wenngleich auch daran mitunter
gezweifelt wird. Strittig ist jedoch wie das Wort "einzelne"
zu verstehen ist. Festgehalten werden soll, dass das überwiegende
Verständnis dieses Passus darin besteht, dass die zu entnehmende
Organzahl mit dem Begriff "einzelne Organe oder Organteile" limitiert
ist. Aufgrund des Gesetzestextes ist davon auszugehen, dass die
Entnahme zu vieler Organe unzulässig ist. "Einzelne" heißt
eben nicht "alle", aber auch nicht "viele".
Am ehesten ist das Adjektiv "einzelne" iSv "mehreren",
nämlich im Ausmaß von maximal zwei oder drei Organen zu
verstehen. Der wohl bewusst nicht messerscharf gewählte Gesetzestext
deckt und rechtfertigt demnach keine Multiorganspenden,
mögen diese auch von der Transplantationsmedizin gewünscht und in
der Praxis regelmäßig (!) vorgenommen werden. Somit dürfen zwar
zwei oder allenfalls drei Organe, aber nicht mehr oder gar alle
entnommen werden. Eine großzügige Auslegung könnte
paarig angelegte Organe als ein Organ betrachten. – Die Beseitigung
bestehender Unklarheiten erschiene für Österreich wünschenswert,
um Zweifel und Unsicherheit in der Transplantationspraxis auszuräumen. Eine
gesetzliche Lösung dieser Fragen drängt auch insofern, weil die
Immunologie erfreulicherweise große Fortschritte macht, was tendenziell
aber dazu führt, Transplantationen auszuweiten. | Gesetzestext deckt keine Multiorganspenden Wünschenswerte
Klarstellungen |
Die
nach einer Aufschlüsselung von Eurotransplant quantitativ
ansteigende Multiorganspende in Österreich macht deutlich,
dass es hier – bei allem Verständnis für praktische Bedürfnisse
– nicht bloß um eine l’art pour l’art-Interpretation des Gesetzestextes
geht. Die Formulierung des § 62a Abs 1 Satz 1 KAKuG stellt nämlich
auch sicher, dass der menschliche Leichnam nicht rücksichtslos
als "Rohstofflager" verwendet wird. Das wollte der Gesetzgeber
von 1982 nämlich dezidiert nicht. Interpretationen – von wem immer
sie stammen mögen, die über dieses menschlich vernünftige und vom
Gesetzgeber seiner politischen Entscheidung zu Grunde gelegte Maß
hinausgehen, gefährden die österreichische Lösung als Ganze und
erscheinen für die Zukunft auch demokratiepolitisch kontraproduktiv. | Zur Interpretation des § 62a Abs 1 KAKuG |
Internationaler Vergleich der Spender- und Transplantationszahlen
pro Million Einwohner 1998 Land | Spenderaufkommen* | Transplantationen | | | Niere** (tote Spende) | Niere (Lebendspende) | Leber | Herz*** | Lunge**** | Österreich | 19,8 | 40,2 | 6,0 | 16,5 | 11,6 | 7,7 | Belgien | 19,4 | 36,1 | 2,6 | 13,9 | 9,6 | 3,3 | Luxenburg | 17,5 | 15,0 | 0 | 0 | 0 | 0 | Slowenien | 13,5 | 23,0 | 0,5 | 2,0 | 2,0 | 0 | Deutschland | 13,4 | 25,0 | 4,3 | 6,6 | 6,6 | 1,5 | Niederlande | 13,1 | 25,3 | 7,0 | 2,7 | 2,7 | 1,1 | Spanien | 31,5 | 49,8 | 0,5 | 22,7 | 8,8 | 3,2 | Finnland | 19,8 | 35,1 | 1,2 | 7,6 | 3,5 | 1,1 | Tschechien | 19,2 | 34,9 | 0,7 | 6,4 | 5,3 | 0,8 | Frankreich | 16,9 | 30,8 | 1,2 | 11,8 | 6,3 | 1,5 | Norwegen | 15,6 | 28,3 | 17,6 | 5,7 | 7,5 | 2,0 | Schweiz | 15,4 | 28,7 | 9,7 | 11,0 | 6,3 | 4,3 | Schweden | 14,6 | 26,7 | 13,5 | 10,8 | 4,1 | 3,7 | Italien | 12,3 | 20,9 | 1,4 | 9,5 | 5,8 | 1,1 | USA | 22,7 | 35,1 | 15,8 | 15,4 | 8,7 | 3,3 | Australien | 10,5 | 19,1 | 7,7 | 6,9 | 4,7 | 3,7 |
| |
* Used cadaveric donors ** Inklusive kombinierte
Niere-Pankreas-Transplantationen *** Exclusive Herz u. Lunge, USA
und Australien: Die Daten für Leber, Herz und Lunge beziehen sich
auf das Jahr 1997. | |
Quelle: Council of Europe, Transplant Procurement
Management (TPM), März 2000 – ÖBIG ´99 | |
6. Transplantation
und Pietät | |
Verunstaltung
der Leiche Die Entnahme darf gemäß § 62a Abs 1 KAKuG nicht zu einer
die Pietät verletzenden Verunstaltung der Leiche führen.
Unter Verunstaltung ist jede nach der allgemeinen Lebensanschauung
(!) wesentliche nachteilige Veränderung der äußeren Erscheinung
zu verstehen. Daher besteht bei der Entnahme innerer Organe keine
namhafte Verunstaltungsgefahr, sofern geöffnete Körperhöhlen ordnungsgemäß
verschlossen werden. Probleme entstehen jedoch bei der Entnahme
von Gliedmaßen, wie etwa den Händen, an die der Gesetzgeber 1982
meines Erachtens nicht gedacht hat. | Verunstaltung der Leiche |
Vgl dazu nunmehr auch § 6 dtTPG, wo auf
die Achtung der Würde des Organspenders abgestellt wird und Angehörigen
Gelegenheit zu geben ist, den Leichnam nach durchgeführter Transplantation
noch zu sehen. Das sollte europäischer Standard werden. – Ich meine
nicht, dass die Bereitschaft der österreichischen Bevölkerung als
Organspender/innen zu dienen zunimmt, wenn sich die Ansicht durchsetzt,
dass jedem Verstorbenen auch Hände, Arme und Beine und vielleicht
einmal Kopf und Rumpf abgetrennt werden können. Die Reaktion in
der Bevölkerung wird vielmehr die sein, eine Widerspruchserklärung
oder doch eine Teilwiderspruchserklärung abzugeben. Die einschlägige
medizinische Argumentation bewegt sich wohl eher in einem unbewussten
aber gefährlichen Zirkel: Wir benötigen viele Organspenden und versuchen
daher schon gegenwärtig, trotz der diesbezüglich relativ klaren Rechtslage
(Gesetz + Materialien), die Multiorganspende zu rechtfertigen. In
Wahrheit wird dadurch nicht nur die Multiorganspende, sondern unsere
gesamte durchaus positiv zu bewertende – wenn auch verbesserungsbedürftige
– Widerspruchslösung gefährlich unterminiert. | |
 | |
Ich halte derartige
Entnahmen nach geltendem Recht für unzulässig und verweise diesbezüglich auf
die wichtigen Ausführungen des früheren Justizministers
Foregger im Wiener Kommentar zu § 190 StGB Rz 14): | Ausführungen
des früheren Justizministers Foregger |
Die Fortschritte der Medizin führen "dann nicht zu beklemmenden
Vorstellungen über eine weitgehende Aufhebung der Totenruhe und
das Ende der Pietät gegenüber Toten, wenn sich die Medizin die Beschränkung
auf bloß einzelne Teile eines Leichnams und das Gebot zur Erhaltung des
äußeren Menschenbildes angelegen sein läßt". Und nach Gerhard Aigner,
dem damals zuständigen Legisten des Gesundheitsministeriums, "darf
die Entnahme sich nur auf einzelne wenige Organe oder Organteile
erstrecken". | |
Aigner, Gesetzliche Regelung der Organentnahme
von Verstorbenen in Österreich, in: Mitteilungen der österreichischen
Sanitätsverwaltung 225 (1982). Aigner betont, dass das Wort "einzelne"
im Gesetzestext des § 62a KAG im Hinblick auf wenige Organe besonders
"betont" wurde. – Wir sollten Jean Paul Sartres Mahnung ernst nehmen:
"Der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht." Ich
denke, dass wir beachten sollten, dass der Umgang mit unseren Toten
auch unseren Umgang mit den Lebenden beeinflusst. Und wir haben,
das 20. Jahrhundert im Gepäck, allen Grund dazu, vorsichtig in diesem
Umgang zu sein. Das gilt auch für unser Thema. Nicht alles, was
als Fortschritt gilt, ist einer und nicht alles, was wir machen
können, sollten wir auch tun. Der Transplantationssektor erscheint
mir auch als denkbar schlechtes Beispiel dafür, um den Forderungen
des Marktes zu entsprechen, wie das von einem bekannten Transplantationsmediziner
– wenig glücklich – behauptet wurde. | |
Vgl dazu nunmehr auch § 6 dtTPG, wo auf die Achtung der
Würde des Organspenders abgestellt wird und Angehörigen Gelegenheit
zu geben ist, den Leichnam nach durchgeführter Transplantation noch
zu sehen. Das sollte europäischer Standard werden. Mehr bei Barta,
in: Barta/Weber (Hg), Rechtsfragen der Transplantationsmedizin in Europa
36 (2001). | |
Es
geht hier insgesamt um eine sensible Interpretation mehrerer
einschlägiger Gesetzesstellen und grundsätzlicher gesellschaftlicher
Werthaltungen. Dabei darf nichts unberücksichtigt bleiben, oder
die eine gegen die andere Gesetzesstelle oder Werthaltung ausgespielt
werden. Vielmehr bildet die Rechtsordnung ein integrales Ganzes.
Man kann nun nicht verlangen und erwarten, dass Mediziner – gleichgültig
ob Chirurgen oder Gerichtsmediziner – eine solche Auslegung zustande bringen.
Deshalb erscheint Foreggers Aussage wichtig. Sie darf nicht einfach,
weil unbequem, zur Seite geschoben werden. – Auf dieser gesetzlichen
und wertmäßigen Grundlage ruht nämlich die 1982 erzielte politisch-demokratische
Lösung unserer Organtransplantation. Eine Interpretation, die diesen
Rahmen verlässt, verlässt den Rahmen des Gesetzes. Es besteht hier
kein Raum für eine extensive (Gesetzes)Auslegung. | Gefragt ist eine sensible Interpretation |
7. Plädoyer für
ein neues Transplantationsgesetz – Recht und Medizin in modernen
Gesellschaften | |
Gesellschaftliche Konflikte, Ängste, Unsicherheiten, Zweifel
müssen heute mehr denn je offengelegt, analysiert und dadurch "kultiviert"
werden. Das andere Muster – in der Politik meist beliebter – ist
das des Wegschauens, Leugnens, Verniedlichens, Herabsetzens oder
schlicht Verdrängens. – Diese Dichotomie lässt sich auch bei unserem
Thema ausmachen: Österreich tendiert – nicht nur hier – zum Wegschauen
und Verdrängen. Nicht "genaues Denken" und sorgfältige Analyse haben
Konjunktur, sondern Gerede, Oberflächlichkeit, Opportunismus und
Populismus. | |
Es ist zu bedauern, dass Staatssekretär Waneck – er ist
Mediziner – keine Notwendigkeit erkennen konnte, die gegenwärtige
Rechtslage zu verbessern. Ich würde ihm raten, zum Vergleich mit
der österreichischen Rechtslage, das dtTPG 1997 und den Schweizer
Entwurf 1999 und anschließend unseren Entwurf durchzusehen. Er wird
dann feststellen können, was in Österreich fehlt, was getan werden
kann und getan werden sollte. | |
- Respekt vor
Recht und GesetzWünschenswert erschiene es, in einem Verfassungsartikel –
des immer wieder zu Recht geforderten "Verfassungspakets-Patientenrechte"
– auch die Grundlinien des österreichischen Transplantationsrechts
(kurz) niederzulegen und darauf die neue einfachgesetzliche Regelung
zu stützen. Ich meine, dass es nicht zuviel wäre, von einem Staatssekretär
und der Transplantationsmedizin in Österreich zu erwarten, sich
um eine sensible (juristische) Interpretation zu bemühen. Zu verlangen wäre
aber schon jetzt mehr Respekt vor dem Recht und dem demokratischen
Gesetz, aber auch vor den von all dem Betroffenen. Es gilt
doch nicht nur die eigene politische Klientel zu bedienen. Die politische
Abwimmeltaktik zeugt von Uninformiertheit, schlechtem Gewissen,
mangellndem Einfühlungsvermögen und medizinischem Machtbewusstsein
statt Einsicht. | Verfassungsartikel |
Mein Ergebnis beruht auf einer interpretativen Zusammenschau
verschiedener Aussagen des Gesetzgebers iVm mit den – für das Gesetz
1982 – durchaus interessanten Aussagen der Gesetzesmaterialien,
die einen guten Einblick in das Denken des historischen Gesetzgebers
gewähren, was nicht selbstverständlich ist. | |
Bleibt festzuhalten, dass das Erlassen eines TPG für Österreich
rechtspolitisch nötig erscheint, mag das auch immer wieder – von
den davon betroffenen Bereichen der Medizin, die über Macht und namhaften
politischen Einfluss verfügen – bestritten werden. Der Vergleich
mit anderen westeuropäischen Staaten zeigt, dass nur Österreich
die Lebendspende gesetzlich nicht explizit regelt. | Österreich braucht
ein TPG |
Dazu Barta,
in: Barta/ Weber (Hg),
Rechtsfragen der Transplantationsmedizin in Europa 38 (2001). | |
Für die Medizin erscheint es als Vorteil, wenn sie sich
auf ihre eigentlichen Aufgaben beschränken kann und nicht – wie
bisher – mit Rechtsunsicherheit belastet wird. Aber auch für Spender
und Empfänger von Organen samt ihren Angehörigen stellt eine kompakte,
verständliche gesetzliche Information über ihre Möglichkeiten, Rechte
und Pflichten eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Status quo
dar und auch für Krankenanstalten bestünde dann ein klarer rechtlicher
Rahmen für die vielen mit Transplantationen einhergehenden Fragen.
Der Schritt des deutschen Gesetzgebers sollte für
Österreich ein neuerlicher Anstoß sein, die vielen ungeregelten
Fragen im Zusammenhang mit Transplantationen zusammenfassend zu
regeln. Auch die Bemühungen der Schweiz und des
Europarates sollten uns zu denken geben. Ich meine,
dass mit den hier vorgeschlagenen oder ähnlichen Regelungen dem
österreichischen Konzept der Widerspruchslösung ein guter Dienst
erwiesen wäre, zumal es auf Dauer gefährlich sein kann, im sensiblen
medizinisch-rechtlichen Problembereich der Organtransplantation
dem Prinzip des quieta non movere zu huldigen. Gemeinsame Aufgabe
von Recht und Medizin ist es vielmehr, der Wirklichkeit ins Auge
zu schauen und ihr bestmöglich zu begegnen. | |
Ein
normatives Einfangen der vorausgeeilten medizinischen Entwicklung erscheint
mir aber auch – wie angedeutet – gesellschaftlich wichtig. Denn
wir können es uns aus demokratiepolitischen und rechtsstaatlichen
Gründen nicht leisten, ganze Gesellschaftsbereiche aus der normativen Bindung
an das demokratische Gesetz zu entlassen. Natürlich kann ein solcher
Schritt auch nicht durch die Selbstdefinition dieser Bereiche geschehen.
Darin läge nicht nur eine Selbstüberschätzung, sondern das beschwört
auch die Gefahr herauf, dass auch andere Bereiche diesem fragwürdigen
Beispiel folgen. Dann tritt an die Stelle des allgemeinen demokratisches
Gesetzes und der Achtung vor dem Gesetz normative Beliebigkeit.
Das wäre das Ende des Rechtsstaates und vielleicht auch der Demokratie.
– Solchen Anfängen zu wehren ist daher kein nebensächliches Unterfangen. | Einfangen der medizinischen Entwicklung |
als
SolidaritätsmodellWas spricht im Bereich der Organtransplantation
für ein Beibehalten unserer österreichischen Widerspruchslösung,
was gegen die Übernahme der zuletzt von Deutschland legistisch verwirklichten
sogenannten erweiterten Zustimmungslösung? – Das deutsche
Modell betont meines Erachtens, stärker als unsere österreichische
Lösung, den Wert der Individualität, während die österreichische
Lösung zwar das Individuum in seiner freien Entscheidungsmöglichkeit
respektiert, gleichzeitig aber den Gedanken der Solidarität stärker
betont als das deutsche Modell. Und ich meine, dass es unseren postindustriellen
Gesellschaften durchaus gut ansteht, solidarisches Handeln – wo
dies möglich und sinnvoll ist– zu stützen, weil unsere Wirtschaftsordnungen
ohnehin zunehmend menschliche Gemeinschaft zerstören und Egoismen
aller Art fördern. – Wir müssen uns dabei auch mit kleinen Schritten
begnügen. | Beibehalten der Widerspruchslösung |
Ich habe unlängst ein Buch gelesen, das voller Weisheiten
auch für uns postmoderne Menschen ist: Georg Luck,
Die Weisheit der Hunde (1997). Ein Buch über die antiken
Kyniker, diese vorurteilsbehaftete griechische Philosophengruppe
in der Nachfolge des Sokrates. Dort findet sich anregendes von Anthistenes,
Diogenes von Sinope, Krates und anderen Angehörigen dieses Philosophenkreises.
Von Diogenes, dessen Begegnung mit Alexander dem Großen berühmt
wurde, wird auch berichtet, dass er, schon in hohem Alter stehend,
von Piraten gefangen und als Sklave verkauft worden war. Über 80
Jahre alt, habe er testamentarisch verfügt, seinen Leichnam nicht
zu beerdigen, sondern in einem Graben den Tieren zum Fraß vorzuwerfen. | Das Beispiel
des Diogenes von Sinnope |
Das kann leicht missverstanden und sollte nicht als grauslicher
"Kynismus" ausgelegt werden, mag das auch unseren heutigen Pietätsvorstellungen
widersprechen. Allein der Grundgedanke des Diogenes scheint auch
heute noch brauchbar: Diogenes will uns wohl lehren, dass auch wir
für die Zeit nach unserem Tod, nicht nur narzistische Anordnungen
treffen, sondern solidarisch zu unserer Umwelt und unseren Mitmenschen
stehen sollen. | |
Nachdem es im antiken Griechenland noch keine Organtransplantation
gab, war der Körper des Diogenes nach seinem uneitlen, selbstlosen
und solidarischen Verhalten nur noch für Tiere brauchbar. – Heute
dagegen sind wir in der Lage sinnvoller mit dem toten menschlichen
Körper umzugehen. Allein die Achtung vor dem toten Körper, wir nennen
sie "Pietät", sollten wir uns erhalten. Auch wenn manche Vertreter
der Politik und Medizin meinen, dass dies unwichtig sei. | |
Bestimmungen zur Organspende in der Europäischen
Union Land | Grundregelung | Belgien | Widerspruchslösung | Frankreich | Widerspruchslösung | Luxemburg | Widerspruchslösung | Österreich | Widerspruchslösung | Portugal | Widerspruchslösung | Schweden | Widerspruchslösung | Spanien | Widerspruchslösung | Finnland | Zustimmungslösung | Großbritannien | Zustimmungslösung | Griechenland | Zustimmungslösung | Italien | Zustimmungslösung | Deutschland | Zustimmungslösung | Dänemark | Zustimmungslösung | Holland | Zustimmungslösung | Irland | Zustimmungslösung: ohne gesetzliche Grundlage |
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Quelle: ÖBIG ´99 | |
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B.
Rechtswissenschaft
als Sozialwissenschaft? |
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