Kapitel 17 | |
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C. Die
gesetzliche Erbfolge |
E. Erbvertrag
– Vermächtnisverträge |
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D. Pflichtteils-
oder Noterbrecht |
I. Einschränkung
der Testierfähigkeit | |
Die Testierfreiheit
– als wichtige Erscheinungsform der Privatautonomie und Ausformung
der Geschäftsfähigkeit – wird durch das Pflichtteilsrecht insoweit
eingeschränkt, als bestimmte Personen vom Erblasser nicht übergangen
werden dürfen, vielmehr bedacht werden müssen; §§ 762 ff ABGB. Das
Gesetz nennt den „Erbteil, welchen diese Personen
zu fordern berechtigt sind … Pflichtteil” und die
Forderungsberechtigten „Noterben”; § 764 ABGB.
– Das Pflichtteilrecht unterlag historischen Schwankungen. Am jüngsten
ist das Pflichtteilsrecht der Ehegatten, woran sich die starke gesellschaftliche
Aufwertung gefühlsmäßiger Nahbeziehungen ausserhalb von Verwandtschaft
zeigt. | |
1. Wer ist pflichtteilsberechtigt? | |
Die Personen, die der Erblasser „in der letzten Anordnung
bedenken muss, sind ...”: | |
• „seine Kinder [=
Nachkommen / Deszendenten], [und] in Ermangelung solcher | |
• seine Eltern, | |
• und der [überlebende] Ehegatte.” | |
§ 763 ABGB bringt die berühmte gesetzliche Festlegung
der Begriffe „Kinder” und „Eltern”
verbunden mit dem Hinweis, dass „hier zwischen dem männlichen und
weiblichen Geschlechte; zwischen ehelicher und unehelicher Geburt
kein Unterschied statt” findet. | |
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Als Pflichtteil
gebührt: | Wer erhält wieviel? |
•
jedem Kind (=
Nachkommen) und dem Ehegatten die Hälfte dessen,
was ihm nach der gesetzlichen Erfolge zugefallen wäre; § 765 ABGB | |
•
Vorfahren (nur Eltern) ein
Drittel; § 766 ABGB. | |
Daher
die Merkregel: Um den konkreten Pflichtteil bestimmen zu können,
muss immer zuerst der gesetzliche Erbteil errechnet
werden. | Merkregel |
Die §§ 784-786 bestimmen die „Art der Ausmessung
und Berechnung des Pflichtteiles” näher. | |
3. Zum Pflichtteilsanspruch | |
Der
Pflichtteilsanspruch ist eine Forderung auf einen verhältnismäßigen
Teil des Nachlasswertes in Geld und kein Anspruch auf einen
aliquoten Teil des Nachlasses; SZ 45/36 (1972) oder EFSlg 20.127.
– Der Pflichtteilsanspruch entsteht bereits mit dem Tod des Erblassers
und nicht erst mit seiner Geltendmachung; SZ 57/11 (1984). Er ist
eine Nachlassschuld, und daher nur gegen die Erben,
nicht gegen Legatare geltend zu machen; zB SZ 11/71 (1929). Pflichtteilsansprüche
können nur im Prozess geltend gemacht werden; SZ
54/122 (1981) ua. – Adoptivkinder sind pflichtteilsberechtigt,
auch wenn die Adoption erst nach Testamentserrichtung erfolgte;
RZ 1955, 146. – Nach dem Tod von Sohn oder Tochter des Erblassers
sind nach § 779 Abs 1 ABGB deren Kinder (= Enkel des Erblassers)
pflichtteilsberechtigt; EvBl 1987/48. | |
4. Enterbung,
Erbverzicht, Pflichtteilsminderung | |
Aus schwerwiegenden, im Gesetz genannten
Gründen – §§ 767 ff ABGB: zB schwere Straftaten oder ein unsittlicher
Lebenswandel – kann ein/e ErblasserIn einer pflichtteilsberechtigten
Person auch den Pflichtteil entziehen; Enterbung. – Keinen Pflichtteilsanspruch
hat ferner, wer auf seinen Pflichtteil verzichtet hat; § 767 ABGB. | Enterbung
als
Pflichtteilsentzug |
Zu einer Pflichtteilsentziehung kann es nach
§ 782 ABGB auch dann kommen, wenn „der Erbe beweisen kann, dass ein
mit Stillschweigen übergangener Noterbe sich einer der in den §§
768-770 angeführten Enterbungsursache schuldig gemacht hat”. – Die
Übergehung gilt dann als „stillschweigende rechtliche Enterbung”. | |
§
773a ABGB (in Kraft seit 1991) kennt die Möglichkeit der Pflichtteilsminderung,
wenn das an und für sich pflichtteilsberechtigte Kind und der vererbende
Elternteil „zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis [standen], wie
es in der Familie zwischen Eltern und Kindern gewöhnlich besteht”; Reduktionsmöglichkeit
auf die Hälfte des Pflichtteils. – Das trifft häufig nichteheliche
Kinder. | Pflichtteilsminderung |
5. Wie ist der
Pflichtteil zu hinterlassen? | |
§ 774 ABGB bestimmt, wie
der Pflichtteil zu hinterlassen ist; zB als Erbteil oder als Vermächtnis. –
Der Pflichtteil muss zwar nicht als solcher bezeichnet werden, aber
er „muss … dem Noterben ganz frei bleiben. Jede
denselben einschränkende Bedingung oder Belastung ist ungültig.” | |
Von praktischer Bedeutung bei
der Pflichtteilsberechnung ist immer wieder die Frage der Anrechnung
von Vor( aus) empfängen,
insbesondere von Schenkungen; dazu → Anrechnung
auf den Pflichtteil: §§ 787 ff ABGB Vgl
den Grundsatz des § 787 Abs 1 ABGB: | Anrechnung
von Vor(aus)empfängen |
„Alles, was die Noterben durch Legate oder
andere Verfügungen des Erblassers wirklich aus der Verlassenschaft erhalten,
wird bei Bestimmung ihres Pflichtteiles in Rechnung gebracht.” | |
II. Rechtsmittel
des Noterben | |
Bei widerrechtlicher
Enterbung oder einer Verkürzung des Pflichtteils kann
ein Noterbe „den ihm gebührenden vollen Pflichtteil oder eine Ergänzung
desselben verlangen; § 775 ABGB. – Das gilt nach § 776 ABGB bei
„einer gänzlichen [stillschweigenden] Übergehung”
eines dem Erblasser bekannten Kindes. War dem Erblasser „das Dasein”
des Kindes dagegen unbekannt, kann der/die Übergangene einen Erbteil
verlangen; näheres § 777 ABGB. – Stirbt ein Kind vor dem Erblasser
und hinterlässt Nachkommen, so „treten diese mit Stillschweigen
übergangenen Abstämmlinge in Ansehung des Erbrechts an die Stelle
des Kindes”; § 779 Abs 1 ABGB. § 779 Abs 2 ABGB erstreckt die Regel
der Pflichtteilsminderung des § 773a ABGB auf die „Nachkommen eines
vorverstorbenen Noterben”. Nach § 780 ABGB sind auch die „Abstämmlinge
eines enterbten Kindes … bloß befugt, den Pflichtteil zu
verlangen”, und dies auch, „wenn der Enterbte den Erblasser überlebt
hat”. – Auch der Ehegatte oder die Eltern können,
wenn sie „mit Stillschweigen übergangen” wurden, „nur den Pflichtteil
fordern”. | |
1. Wer muss zur
Entrichtung des Erb- oder Pflichtteils beitragen? | |
Nach
§ 783 ABGB müssen immer dann, „wenn einem Noterben der gebührende
Erb- oder Pflichtteil gar nicht oder nicht vollständig ausgemessen
worden ist, … sowohl die eingesetzten Erben als
auch die Legatare, nicht jedoch der Ehegatte mit
dem gesetzlichen Vorausvermächtnis, verhältnismäßig zur vollständigen
Entrichtung beitragen”. | |
2. Anrechnung
auf den Pflichtteil: §§ 787 ff ABGB | |
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§ 787 Abs 1 ABGB stellt grundsätzlich fest, dass alles,
„was die Noterben durch Legate oder andere Verfügungen des Erblassers
wirklich aus der Verlassenschaft erhalten, … bei Bestimmung ihres Pflichtteiles
in Rechnung gebracht” wird. | |
§
788 ABGB erstreckt das auf das Heiratsgut der Tochter
oder Enkelin und die Ausstattung von Söhnen oder
Enkeln. Auch das, was der/die Erblasser/in „zur Bezahlung
der Schulden eines volljährigen Kindes verwendet hat, wird
in den Pflichtteil eingerechnet”. – Nach § 789 ABGB sind auch Vorschüsse und
das gesetzliche Vorausvermächtnis in den Pflichtteil
einzurechnen. | Heiratsgut |
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3. Unterhalt des
Noterben | |
§
795 ABGB statuiert schließlich, dass auch einem Noterben, „der von
seinem Pflichtteil … gesetzmäßig ausgeschlossen” wurde, „doch immer
der notwendige Unterhalt ausgemessen werden” muss. | |
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C. Die
gesetzliche Erbfolge |
E. Erbvertrag
– Vermächtnisverträge |
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