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SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 13
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vor B. Die Zeit im Privatrecht
A. Stellvertretung und Vollmacht
§§ 1002 ff ABGB; §§ 48 ff HGB; HVertrG 1993; MaklerG 1996.
Literaturquelle
I. Was ist Stellvertretung?
Ein (echter) Stellvertreter gibt in (nicht unter!) fremdem Namen rechtsgeschäftliche Erklärungen ab (aktive) oder empfängt sie (passive Stellvertretung), wobei die Rechtswirkungen dieses Handelns unmittelbar beim Vertretenen eintreten. – Der Weg dieses uns heute selbstverständlich erscheinenden Rechtsinstituts der direkten Stellvertretung war aber lange und steinig, mögen ihm die großen Völker der Antike (vor allem die Griechen, weniger die Römer) auch schon nahe gekommen sein. Allein die rechtlichen Errungenschaften der Griechen gingen wieder verloren, die Römer übernahmen sie nicht.
Langer Entwicklungsweg
1. Allgemeines – Historische Entwicklung
Grundsätzlich kann man nur für sich selbst rechtsverbindlich handeln. Das ist vor allem für den Bereich der Verpflichtungen von Bedeutung. Wo käme man hin, wollte man es zulassen, dass andere einen verpflichten können. – Das Rechtsinstitut der Stellvertretung regelt, unter welchen Voraussetzungen – ausnahmsweise – ein rechtswirksames Handeln für andere gestattet ist.
Der tatsächliche Grund, der nach Stellvertretung verlangt, kann sehr verschieden sein: Krankheit, Urlaub, sonstige Verhinderung, Überlastung, aber auch fehlende (Fach)Kenntnisse oder einfach bessere und effizientere Geschäftsorganisation. Daher Vollmacht an Verwandte, Freunde, Angestellte, Anwälte, Steuerberater etc. Moderne Unternehmungen können meist nicht mehr „allein” geführt werden, sondern brauchen Hilfspersonen, die für das Unternehmen handeln können; entweder für den gesamten Unternehmensbereich oder doch einen Teil.
Grund der Stellvertretung
Inhaltlich kann die Stellvertretung einen Kaufvertragsabschluss betreffen oder nur die Abgabe oder Entgegennahme einer Offerte. – Immer aber geht es um rechtswirksames oder rechtsgeschäftliches Handeln für andere und nicht bloß um tatsächliches Handeln wie beim Arbeits- und Werkvertrag → KAPITEL 12: Was wird geschuldet? und → KAPITEL 12: Werkvertrag ¿ Bedeutung und Abgrenzung. Zum Unterschied zwischen Werkvertrag und Auftrag → KAPITEL 12: Abgrenzungen.


Direkte oder offene Stellvertretung
Abbildung 13.1:
Direkte oder offene Stellvertretung
Das moderne Rechtsinstitut der direkten Stellvertretung ist noch jung. Lange Zeit behalf man sich mit der umständlicheren Form indirekter / unechter / mittelbarer oder verdeckter Stellvertretung → Die indirekte Stellvertretung Erst im 19. Jhd wird im Privatrecht endgültig das Recht der modernen direkten Stellvertretung etabliert und dabei streng zwischen:
Direkte Stellvertretung
• jenem zwischen Machtgeber und Machthaber (sog Innenverhältnis) und
• dem (Rechts)Verhältnis zwischen Machthaber / Stellvertreter und Drittem (sog Außenverhältnis) unterschieden.
Dazu kommt, dass im Rahmen dieser Entwicklung auch das rechtsgeschäftliche Instrument zur Erteilung von Vertretungsmacht, die Vollmacht, von der häufig ebenfalls bestehenden vertraglichen Beziehung zwischen Machtgeber und Machthaber (Dienstvertrag oder Auftrag → KAPITEL 12: Abgrenzungen) klar unterschieden wird. Die Vollmacht(erteilung) ist nämlich kein Vertrag, sondern nur ein einseitiges Rechtsgeschäft → KAPITEL 5: Einteilung nach ihrer Entstehung.
Vollmacht
Von dieser inneren Verbindung von (bereits bestehender oder doch gleichzeitig begründeter) vertraglicher Beziehung zwischen Machtgeber und Machthaber und zusätzlich erteilter Vollmacht geht auch – als praktisch häufiger Fall (!) – das ABGB aus. Es versieht die §§ 1002 ff ABGB mit der Marginalrubrik: „Bevollmächtigungsvertrag „, trennt also noch nicht klar zwischen dem der Erteilung von Vertretungsmacht dienenden einseitigen Rechtsgeschäft, der „Vollmacht „ und der (allenfalls) parallel dazu bestehenden vertraglichen Beziehung „Auftrag „. Vgl aber die Bemerkung zu § 1017 ABGB → Parteien und Rechtsfolgen direkter Stellvertretung
Bevollmächtigungsvertrag
Auch das Preußische Landrecht / ALR, dem das ABGB folgt, kennt die Unterscheidung zwischen Vollmacht und Auftrag noch nicht.
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2. Die indirekte Stellvertretung
Im eigenen Namen Der indirekte(mittelbare, unechte oder verdeckte) Stellvertreter handelt nicht in fremdem (wie der direkte), sondern im eigenen Namen. Das heisst: Es erfolgt auch keine Offenlegung der im Innenverhältnis erteilten Ermächtigung.
Im eigenen Namen
Ermächtigung meint im Privatrecht eine (einseitige) Erklärung, dass der Erklärende das künftige Verhalten eines andern – hier des indirekten Stellvertreters – gegen sich gelten lassen will.


Indirekte Stellvertretung
Abbildung 13.2:
Indirekte Stellvertretung
Der indirekte Stellvertreter handelt aber – wie der direkte – auf fremde Rechnung, nämlich die des eigentlichen, wenn auch verdeckten Geschäftsherrn. – Die Rechtsfolgen aus dem zwischen ihm und dem Dritten geschlossenen Geschäft treffen aber – anders als bei der direkten Stellvertretung – zunächst den indirekten Stellvertreter selbst. Dieser wird zB aus dem (auf Rechnung des „Vertretenen”) abgeschlossenen Kaufvertrag selbst berechtigt und verpflichtet; § 1017 Satz 3 ABGB.
Auf fremde Rechnung
Der indirekte Stellvertreter muss daher die formal von ihm selbst erworbene Rechtsposition in einem eigenen, neuerlichen Rechtsgeschäft / Vertrag auf den „Vertretenen” übertragen; Übertragungsgeschäft. – Das ist umständlich, unsicher und uU teuer. Daher wurde nach einem Ausweg gesucht und in der direktenStellvertretung gefunden.
Übertragungsgeschäft
Ein gesetzliches Beispiel einer indirekten Stellvertretung enthalten die §§ 383 ff HGB; Kommissionsgeschäft. Auch der sog Strohmann ist (bloß) mittelbarer Stellvertreter.
Kommissionsgeschäft und Strohmann
Das Kommissionsgeschäft und damit die indirekte Stellvertretung spielen heute noch eine Rolle im Rahmen der Wertpapierkommission der Banken, aber auch im Rahmen der Rechtsbeziehung zwischen Verlagen und dem Buch- und Zeitschriftenhandel sowie bei Second Hand-Läden. Die problematische Zeitschriftenvielfalt in Kiosken und Tankstellen wäre ohne dieses Rechtsinstitut undenkbar. – Das Komissionsgeschäft dient auch der Verlagerung des Verkaufsrisikos; zB vom Buchhändler oder Zeitschriftenverkäufer auf den Verleger.
Der Rechtsfigur des Strohmanns bedient sich die Rechtspraxis in legaler und illegaler Absicht. – Legal ist es, dass eine Person bspw ein Grundstück erwirbt, dabei aber nicht an die Öffentlichkeit treten will. Die Rechtsfigur wird immer wieder zu unerlaubter Umgehung → KAPITEL 11: Die (Gesetzes)Umgehung. – etwa im Rahmen des (Ausländer)Grundverkehrs – benützt.


Kommissionsgeschäft: §§ 383 – 406 HGB
Abbildung 13.3:
Kommissionsgeschäft: §§ 383 – 406 HGB
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3. Direkte Stellvertretung: Anwendungsbereich
Bei der direkten Stellvertretung wird dem Vertreter Vertretungsmacht – dh rechtliches Handeln-Können, nicht Handeln-Müssen, für andere, hier den Vertretenen – verliehen. – Diese Vertretungsmacht betrifft das Außenverhältnis, also das rechtliche Verhältnis des Stellvertreters zu Dritten. Nach der Terminologie des ABGB erteilt der Machtgeber dem Machthaber Vertretungsmacht.
Vertretungsmacht
Sie kann(→ Entstehungsquellen der Vertretungsmacht) auf verschiedene Weise geschehen, nämlich:
Begründung von Vertretungsmacht
• durch Rechtsgeschäft: nur dann heißt sie Vollmacht;
• durch Statuten oder den Gesellschaftsvertrag;
• durch Gesetz (zB Eltern als gesetzliche Vertreter der Kinder): dann heißt sie gesetzliche Vertretung;
• oder durch den Richter: zB Sachwalterbestellung oder Bestellung eines Patientenanwalts nach dem UbG.
Die statutarische Begründung von Vertretungsmacht ist ein Unterfall der rechtsgeschäftlichen, die richterliche ein Unterfall der gesetzlichen.
Die Rechtsordnung gestattet ein rechtlich wirksames Handeln für andere (insbesondere das Bewirken von Verpflichtungen für andere) – gleichsam präventiv – nur unter ganz bestimmten Kautelen / Voraussetzungen (→ Voraussetzungen moderner Stellvertretung):
Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung
• Das Vorliegen von Vertretungsmacht; zB Vollmachterteilung. Dabei muss die Vertretungsmacht stets von dem stammen, der vertreten werden soll; Selbstverpflichtung.
• Das Handeln in fremdem Namen muss für den Dritten auch erkennbar sein; der Vertreter muss sich daher als solcher zu erkennen geben. – Die Vertretungsmacht muss, soll es sich um gültige direkte Stellvertretung handeln, offengelegt werden; Offenlegungsgrundsatz.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 2000, 170 (Blutspender wird mit Hepatitis C infiziert): Nach allgemeinen Regeln (§ 863 ABGB) und dem Grundsatz, dass mangels Offenlegung eines Vertretungsverhältnisses jeder im eigenen Namen handelt, wird derjenige, der sich in eine Arztordination oder in ein ärztliches Labor oder in ein sonstiges medizinisches Institut begibt, mit dem freiberuflich tätigen Arzt oder mit dem Inhaber des Instituts oder Labors kontrahieren.
Das moderne Wirtschaftsleben ist der Hauptanwendungsbereich von direkter Stellvertretung und Vollmacht. Modernes Wirtschaften, insbesondere das großer Unternehmungen, ist ohne das Rechtsinstitut der direkten Stellvertretung undenkbar. Das Handelsrecht hat daher eigene Stellvertretungsformen und kaufmännische Hilfspersonen entwickelt und gesetzlich näher geregelt. Sie bauen – wie das Handelsrecht insgesamt – auf dem bürgerlichen Recht auf.
Handelsrecht hat eigene Vertretungsformen entwickelt
Im kaufmännischen Bereich sind dies unselbständige (die beiden erstgenannten) und selbständige Hilfspersonen:
Kaufmännische Hilfspersonen
Prokura (§§ 48 ff HGB) → Vollmachtsarten
Handlungsvollmacht (§§ 54 ff HGB) an Betriebsangehörige / Angestellte → Handelsrechtliche Vollmachten
Handelsvertreter (im Anschluss), und
• (Handels)Makler → KAPITEL 12: Makler.
Handelsvertreter ist nach § 1 Abs 1 HVertrG:
Der Handelsvertreter
Rechtsquelle: HVertrG 1993, BGBl 88
• „ ... wer von einem anderen... [= Unternehmer]
• mit der Vermittlung [= Vermittlungsvertrag] oder dem Abschluss [= Abschlussvertrag] von Geschäften, ...
in dessen Namen und für dessen Rechnung
ständig betraut ist und
• diese Tätigkeit selbständig und gewerbsmäßig ausübt.”
Der Handelsvertreter ist Kaufmann nach § 1 Abs 2 Z 7 HGB. Bedeutsam ist der konkret geschlossene Vertrag, der daher sorgfältiger Ausarbeitung bedarf; Kautelarjurisprudenz. Eine Ausnahme bilden die Liegenschaftsgeschäfte; § 1 Abs 1 HVertrG. Handelsvertreter können auch zu mehreren Geschäftsherrn in ständiger Geschäftsbeziehung stehen. Das Entgelt von Handelsvertretern heißt Provision.
Kaufmann
• § 3 HVertrG regelt die Befugnisse des Handelsvertreters; zB Annahme von Zahlungen
Weitere Regelungen des HVertrG
• § 3 Abs 3: „Ist der Handelsvertreter als Reisender tätig, so gilt er als ermächtigt, den Kaufpreis aus den von ihm geschlossenen Verkäufen einzuziehen [Inkasso ] oder dafür Zahlungsfristen zu bewilligen.”
• § 3 Abs 4: Möglichkeit der Abgabe der Mängelrüge gegenüber dem Handelsvertreter;
• § 5 HVertrG: Der Handelsvertreter hat die Interessen des Unternehmers mit Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen und den Unternehmer unverzüglich von Geschäftsabschlüssen zu verständigen.
• § 6: Unterstützungspflichten des Unternehmers
• § 7: Verbot der Annahme von Belohnungen
• §§ 8 ff: Vergütung / Provision
• § 13: Auslagenersatz
• § 14: Abrechnung und Vorschußleistung
• § 15: Fälligkeit der Provision
• § 16:Buchauszug und Büchereinsicht
• § 17: Gewinnbeteiligung
• § 18: Verjährung aus Vertragsverhältnis (3 Jahre)
• § 19: Zurückbehaltungsrecht;
• §§ 20 ff: Beendigung des Vertragsverhältnisses
• § 20: Fristablauf
• §§ 21 f: Kündigung, vorzeitige Auflösung
• § 25: Konkurrenzklausel
• § 26: Konkurs des Unternehmers
Ein anderer wichtiger Anwendungsbereich moderner Stellvertretung ist das Verfahrensrecht: Vertretung durch Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater etc; vgl etwa §§ 26 ff ZPO: Prozessvollmacht.
Prozessvollmacht
§ 26 ZPO
(1) Die Parteien können, sofern in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt ist, Processhandlungen entweder in Person oder durch Bevollmächtigte vornehmen.
(2) Die Vertretung durch einen Bevollmächtigten schließt auch in jenen Fällen, in welchen die Vertretung durch Rechtsanwalt geboten ist, nicht aus, dass die Partei in Begleitung ihres Bevollmächtigten vor Gericht erscheint und daselbst neben diesem mündliche Erklärungen abgibt.”
Nicht alle Rechtsgeschäfte eignen sich zur Stellvertretung. Es gibt auch sog vertretungsfeindliche Rechtsgeschäfte: wie zB Eheschließung oder Testamentserrichtung. – Es handelt sich dabei um Rechtsakte, die nur höchstpersönlich ausgeübt werden können. Die Rechtsgeschichte kennt freilich auch hier Ausnahmen; zB Soldatentestament oder Ferntrauung von Soldaten.
Vertretungsfeindliche Rechtsgeschäfte
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4. Parteien und Rechtsfolgen direkter Stellvertretung
Die Parteien der Stellvertretung heißen:
Parteien
• Machtgeber = Vertretener,
• Machthaber = Stellvertreter und
• Dritter = RechtsgeschäftspartnerIn des Stellvertreters.
Die Rechtsfolge moderner – direkter – Stellvertretung besteht – wie angedeutet – darin, dass die Rechtswirkungen des zwischen Machthaber / Stellvertreter und Drittem abgeschlossenen Rechtsgeschäfts unmittelbar beim Vertretenen eintreten. Vgl
Rechtsfolge
㤠1017 ABGB
Insofern der Gewalthaber nach dem Inhalte der Vollmacht den Gewaltgeber vorstellt, kann er ihm Rechte erwerben und Verbindlichkeiten auflegen. Hat er also innerhalb der Grenzen der offenen Vollmacht mit einem Dritten einen Vertrag geschlossen; so kommen die dadurch gegründeten Rechte und Verbindlichkeiten dem Gewaltgeber und dem Dritten; nicht aber dem Gewalthaber zu.”
Dies zeigt, dass bereits das ABGB die echte Stellvertretung kannte und nur durch die unglückliche Verbindung von Vollmacht und Auftrag zum „Bevollmächtigungsvertrag” letzte Klarheit nicht erreichte.
Es braucht also bei der modernen, direkten Stellvertretung nicht den umständlichen Vorgang der Übertragung der Rechtsfolgen vom Machthaber auf den Machtgeber / Vertretenen.
Keine Stellvertretung gibt es im deliktischen Bereich. – Für deliktisches Verhalten hat vielmehr jeder selbst einzustehen. Das Strafrecht kennt aber die Mittäterschaft; § 12 StGB. – Vgl auch die §§ 1301 und 1302 ABGB.
Delikte
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5. Gegenseitige Rechte und Pflichten
§ 1009 ABGB handelt von den „Rechten und Pflichten des Gewalthabers „ (= Stellvertreter). – Niemand muss eine Stellvertretung übernehmen! Wer sie aber übernimmt, hat diese – nach der schönen Formulierung des § 1009 ABGB:
• „emsig und redlich zu besorgen „! Und der Vertreter hat ferner
• „allen [!] aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen dem Machtgeber zu überlassen „.
Auf der anderen Seite kann der Stellvertreter „alle Mittel anwenden, die mit der Natur des Geschäftes notwendig verbunden, oder der erklärten Absicht des Machtgebers gemäß sind”. – Das hat Folgen für den Machtgeber; vgl die §§ 1014 ff ABGB.
Rechte und Pflichten des Gewaltgebers
Die §§ 1014 ffABGB regeln die Rechte und Pflichten des Gewaltgebers. – Er hat dem Machthaber insbesondere:
• allen im Rahmen der Stellvertretung notwendigen oder nützlichen Aufwand zu ersetzen; „selbst bei fehlgeschlagenem Erfolge” (§ 1014 ABGB) und
• auf Verlangen „zur Bestreitung der baren Auslagen ... einen angemessenen Vorschuss zu leisten”; und
• „er muss ferner allen durch sein Verschulden entstandenen, oder mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen Schaden vergüten”; dazu → KAPITEL 12: Schadenersatzpflicht des Auftraggebers.
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6. Abgrenzungen
Zu unterscheiden ist die Stellvertretung von einigen ähnlichen Rechtsinstituten, insbesondere:
Ein Bote überbringt nicht wie der Stellvertreter eine eigene Willenserklärung, sondern eine fremde; ein Bote braucht daher auch nicht geschäftsfähig zu sein, während ein Stellvertreter wenigstens beschränkt (!) geschäftsfähig sein muss; § 1018 ABGB. – Der Bote ist bloß Werkzeug; daher können auch Brieftaube oder Hund Bote sein. Natürlich auch Kinder! – Die Abgrenzung zum Boten ist aber nicht immer leicht. Die Rspr stellt iSd Vertrauenstheorie auf das objektive äußere Verhalten ab. Frage: Wie musste / konnte der Dritte das Handeln verstehen? Als das eines Boten oder eines Stellvertreters?
Botenstellung
Zu unterscheiden ist der Erklärungsbote (aktiv), vom Empfangsboten (passiv); zB Angestellte überbringt Offerte ihrer Chefin, Sekretär des Adressaten nimmt sie entgegen. – Zur Handlungs- und Empfangsvollmacht → Handlungs- oder Empfangsvollmacht.
Rechtsgeschäftliche Vermittlung obliegt heute sog Maklern: Hier wird nicht das Rechtsgeschäft selbst vom Vermittler /Makler abgeschlossen, sondern es werden von ihm nur vorbereitende Arbeiten zum Abschluss desselben durch die Parteien geleistet; zB Versicherungs-, Börsen- oder Immobilienmakler.
Vermittlung
Treuhänder handeln nicht – wie der direkte Stellvertreter – in fremdem Namen, sondern im eigenen Namen, wenngleich aufgrund vertraglicher Verpflichtung zur Wahrung der Interessen des Treugebers; mehr → KAPITEL 15: Die Treuhand.
Treuhand
Die Treuhand ist gesetzlich nicht geschlossen geregelt, vielmehr ein vornehmlich von Rspr und Schrifttum entwikkeltes Rechtsinstitut. Daneben finden sich einzelne gesetzliche Erwähnungen/Regelungen. – Die Personen der Treuhand sind der Treugeber und der Treuhänder. Aus dem geschlossenen Treuhandvertrag entsteht das Treuhandverhältnis. Der Treuhänder übt eigenes Recht im eigenen Namen, wenngleich im Interesse des Treugebers aus. Daher die Merkformel: „Der Treuhänder kann mehr als er darf.” Damit wird der Rechtsüberschuss des Treuhänders im unbeschränkten Außenverhältnis angesprochen und darauf angespielt, dass der Treuhänder im Innenverhältnis idR sehr wohl Beschränkungen unterliegt.
Einen neuen Aufgabenbereich für die Treuhand brachte das BTVG 1997 (→ KAPITEL 15: Das Bauträgervertragsgesetz / BTVG), das die Treuhand als Sicherungsmittel für die Abwicklung bestimmter Liegenschaftskäufe einsetzt. – Vgl auch § 202 Abs 2 KO: Treuhandbestellung im Rahmen des Privatkonkurs- Abschöpfungsverfahrens → KAPITEL 19: Privatkonkurs.
Rechtssprechungsbeispiel
Rechtsanwalt wird von Käufer und Verkäufer zur Abwicklung eines Liegenschaftskaufs beauftragt; vgl etwa EvBl 1999/196: Pflichten des Treuhänders; oder – Steuerberater übergibt seine Kanzlei für die Zeit seiner politischen Tätigkeit an einen Treuhänder.
Literaturquelle
Abzugrenzen von der Stellvertretung (= Handeln in fremdem Namen) ist ferner das (unerlaubte) Handeln unter fremdem Namen. – Natürlich kann der unter fremdem Namen Auftretende – also der zB mit falschem Namen Auftretende – den namentlich Betroffenen nicht verpflichten. Es fehlt an allen Voraussetzungen (→ Voraussetzungen moderner Stellvertretung) einer gültigen rechtsgeschäftlichen Stellvertretung!
Handeln unter fremdem Namen
Besondere Vorkehrungen werden im Bereich von Internet und e-commerce getroffen, um ein Handeln unter fremdem Namen auszuschalten → KAPITEL 2: Internet und Recht.
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7. Voraussetzungen moderner Stellvertretung
Es wurde schon erwähnt, dass man grundsätzlich nur sich selbst berechtigen und verpflichten kann; Grundsatz der Selbstverpflichtung. Wenn das Gesetz davon eine Ausnahme macht, knüpft es diese an Bedingungen. – Was sind nun – zusammengefasst – die Voraussetzungen moderner direkter Stellvertretung?
Grundsatz der Selbstverpflichtung
• Der Stellvertreter braucht Vertretungsmacht und
• er muss als Machthaber im Namen des Vertretenen, also des Machtgebers handeln; und zudem muss dieses Handeln in (nicht unter!) fremdem Namen
offengelegt werden; dh es muss dem Dritten erkennbar werden! Man nennt das Offenlegungsgrundsatz. § 1017 ABGB spricht von „offener Vollmacht” im Gegensatz zur „geheimen” oder verdeckten bei der indirekten Stellvertretung.
Offenlegung
Nur unter Einhaltung aller dieser Voraussetzungen treffen die Rechtsfolgen des abgeschlossenen Geschäfts den Machtgeber / Vertretenen unmittelbar und nicht nur den handelnden Stellvertreter (selbst).
Wer sich also bloß als Vertreter ausgibt, ohne es zu sein, oder wer seine Vertretungsmacht überschreitet (sog falsus procurator → Vertreter ohne Vertretungsmacht ), kann den Vertretenen nicht berechtigen und verpflichten. Aber auch ein Vertreter, der Vertretungsmacht besitzt, aber nicht im Namen des Vertretenen auftritt, löst die Wirkungen direkter Stellvertretung nicht aus; Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel → Abschluss sog unternehmensbezogener Geschäfte – Verzicht auf strikte Offenlegung: Abschluss sog unternehmernsbezogener Geschäfte.
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8. Entstehungsquellen der Vertretungsmacht
Dass jemand als Stellvertreter handeln darf, kann verschiedene Gründe haben. Rechtliche Vertretungsmacht fließt aus verschiedenen Quellen:
Rechtsgeschäftliche oder gewillkürte Stellvertretung: Die einseitige Willenserklärung / das einseitige Rechtsgeschäft, womit rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht übertragen / erteilt wird, heißt Vollmacht → Die Vollmacht Der Vollmacht kommt von allen Begründungsarten der Stellvertretung die größte praktische Bedeutung zu.
rechtsgeschäftliche Stellvertretung
• Statut / Satzung / Gesellschaftsvertrag; organschaftliche oder statutarische Vertretung bei juristischen Personen: zB Geschäftsführer einer GmbH oder Vereinsvorstand. – Die Bestellung zum Organ begründet kraft Statut / Satzung / Gesellschaftsvertrag Vertretungsmacht.
statutarische Stellvertretung
Gesetzliche Stellvertretung: zB §§ 151 Abs 1, 154, 865 ABGB; vgl die Ausführungen zur Geschäftsfähigkeit Minderjähriger! → KAPITEL 4: Wer ist gesetzlicher Vertreter?. – Vater, Mutter als gesetzliche Vertreter ihrer minderjährigen Kinder; vgl § 1034 Satz 2 ABGB.
gesetzliche Stellvertretung
Richterliche Erteilung von Vertretungsmacht: zB Vormund, Kurator, Sachwalter, Masseverwalter im Konkurs; vgl § 1034 Satz 1 ABGB.
richterliche Stellvertretung
Das ABGB spricht in der Überschrift vor § 1034 ungenau von „Gerichtliche[r] und gesetzliche[r] Bevollmächtigung”. Aber die richterliche Erteilung von Vertretungsmacht beruht ebenfalls auf dem Gesetz.
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9. Vertreter ohne Vertretungsmacht
Rechtsquellen: – §§ 1009 und 1016 ABGB; – HGB
Das römische Recht sprach von falsus procurator; heute kurz auch: Falsus
Falsus
Der Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt zwar in fremdem Namen, aber er erfüllt nicht die gesetzlichen Voraussetzungen gültiger Stellvertretung; dh er besitzt keine ordentliche Vertretungsmacht. – Dafür gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten:
Keine ordentliche Vertretungsmacht
• § 1016 ABGB nennt bloß den Fall, dass ein Vertreter seine Vertretungsmacht überschreitet.
• Es kann aber auch sein, dass die Vertretungsmacht (ursprünglich) zwar bestanden hat, mittlerweile aber erloschen ist, und
• schließlich kann Vertretungsmacht überhaupt fehlen, gar nicht erteilt worden sein.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 20. 1. 2000, 2 Ob 5/00z, SZ 73/11: Mehrheitseigentümer einer Liegenschaft überträgt mit schriftlicher Vollmacht die Hausverwaltung an einen Dritten. Darin wird dieser zur in Empfangnahme von Geldern jedoch nicht zur Darlehensaufnahme bevollmächtigt. Trotzdem nimmt der Verwalter einen Kredit unter Berufung auf seine Vollmacht auf. Das Geld verwendet er zur Tilgung offener Verbindlichkeiten des Mehrheitseigentümers. – OGH: Wer einem falsus procurator auf Grund eines unwirksamen Geschäftes geleistet hat, wobei der Scheinvertreter grundsätzlich zwar nicht zum Abschluss des Grundgeschäfts, aber zur Empfangnahme von Leistungen ermächtigt war, hat einen Kondiktionsanspruch gegen den Vertretenen, wenn der Vertreter das Empfangene tatsächlich an den Vertretenen weitergeleitet hat; hier: durch Zahlung offener Verbindlichkeiten des Vertretenen an sich selbst.(?)
Ein Vertreter ohne Vertretungsmacht kann den Vertretenen nicht verpflichten. Es besteht allerdings die Möglichkeit (§ 1016 ABGB), dass der fälschlich Vertretene das Geschäft nachträglich genehmigt (ratihabiert / Ratihabition), was iSd § 863 ABGB auch schlüssig erfolgen kann; zB indem sich der Vertretene „den aus dem Geschäfte entstandenen Vorteil ... zuwendet.”; § 1016 ABGB Schluss.
Ratihabition
Rechtsfolge bei Nichtgenehmigung: Falls aber der Vertretene nicht an Genehmigung denkt, kann der Dritte den Falsus „zur Verantwortung” ziehen. – Was meint das Gesetz damit? Die Lösung bietet § 1009 ABGB letzter Satz (Faistenberger): Danach haftet der Vertreter ohne Vertretungsmacht (dem Dritten) für den Erfüllungs- und nicht nur für den Vertrauensschaden. Der Falsus muss daher den von ihm für den Vertretenen geschlossenen Vertrag selber zuhalten. Allerdings nur, wenn der Dritte es will; dh, wenn der Dritte auf Vertragserfüllung besteht. Es liegt also nicht am Falsus den Vertrag mit dem Dritten aufrechtzuerhalten! – Die Haftung des Falsus ist eine normale Verschuldenshaftung (für omnis culpa), greift also ab leichter Fahrlässigkeit.
Haftung des Falsus
Sonderregelungen: ABGB, HVertrG, HGB
• Eine Sonderregelung enthält § 1026 ABGB für den Fall, dass dem Dritten, die Aufhebung der Vollmachtohne sein Verschulden unbekannt war”. Der vom Falsus in einem solchen Fall mit dem Dritten geschlossene Vertrag bleibt (für den Vertretenen!) verbindlich und dieser (!) muss sich an den Falsus halten, der (dem Dritten) die Aufhebung der Vollmacht verschwiegen hat.
• Eine weitere Sonderregelung enthält § 2 Abs 2 HVertrG, wenn ein bloßer Vermittlungsvertreter mit einem Dritten ein Geschäft im Namen des Unternehmers abgeschlossen hat. Das Gesetz erklärt dieses Geschäft für gültig– Fiktion der Genehmigung durch den Unternehmer, wenn der Unternehmer nicht unverzüglich dem Dritten gegenüber das Geschäft ablehnt.
• Das HGB (Art 8 Nr 11 EVHGB) trifft eine vom ABGB abweichende Lösung, was sachgerecht erscheint. – Sie folgt dem dtBGB und lautet:
(1) „Wer als Vertreter ein Handelsgeschäft geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadenersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.”
Kannte der Falsus den Mangel nicht, haftet er nach Abs 2 unserer Bestimmung nur für den Vertrauensschaden. Nach Abs 3 haftet der Vertreter auch nicht, „wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste.”
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II. Die Vollmacht
1. Erteilung der Vollmacht
Wir wissen bereits, dass Stellvertretung rechtlich nur wirksam ist, wenn Vertretungsmacht korrekt erteilt wurde → Voraussetzungen moderner Stellvertretung Die Vollmacht ist nun jenes rechtliche Instrument, mittels dessen Vertretungsmacht (rechtsgeschäftlich) erteilt wird. Man spricht deshalb auch von gewillkürter Stellvertretung; vgl die Marginalrubrik zu § 49 IPRG.
Kein Vertrag
Vollmacht wird durch einseitige Willenserklärung erteilt. Sie ist kein Vertrag (!), vielmehr einseitige/s Willenserklärung/Rechtsgeschäft. – Ihre Erteilung durch den Machtgeber kann aber in eine vertragliche Beziehung eingebettet sein, dh im Rahmen eines (schon) bestehenden oder doch gleichzeitig abgeschlossenen Vertrags erteilt werden; dazu gleich unten. – Als einseitige und empfangsbedürftige Willenserklärung wird die (erteilte) Vollmacht mit Zugang wirksam. Eine Annahme ist daher nicht nötig; JB 212 (1914).
Vollmacht wird idR zu rechtsgeschäftlichem Handeln des Bevollmächtigten erteilt, aber sie kann auch bloss zur Vornahme von Rechtshandlungen (dazu → KAPITEL 5: Die Rechtshandlungen) dienen. Das spielt bei sog Patientenverfügungen (→ KAPITEL 17: Exkurs: Die Patientenverfügung) eine Rolle, die nach us-amerikanischem Vorbild mittlerweile auch in Europa mit einer „Vorsorgevollmacht “ verbunden werden. Die so bevollmächtigte Person handelt dann allenfalls anstelle der betroffenen Person, wenn diese nicht mehr in der Lage ist, selbst über die Vornahme oder Nichtvornahme bestimmter medizinischer Behandlungen zu entscheiden. – Das lehrt uns, dass das Rechtsinstitut der Stellvertretung nicht nur im rechtsgeschäftlichen Bereich, sondern auch in dem der Rechtshandlungen Anwendung findet.
Vorsorgevollmacht
Die Vollmachterteilung kann:
Wer ist Adressat der Vollmachtserteilung?
• dem Bevollmächtigten selbst zugehen, man spricht dann von interner Vollmachtserteilung; oder auch
• an den betroffenen Dritten oder an die Öffentlichkeit gerichtet sein (externe Bevollmächtigung): OGH 16.1.1986, 6 Ob 511/86.
Die erteilte Vollmacht allein, verpflichtet den Bevollmächtigten noch zu nichts, räumt ihm vielmehr nur die rechtliche Befugnis ein, für einen anderen handeln zu können (nicht zu müssen!)
Handlungs- oder Empfangsvollmacht
Die Vollmacht kann zu aktivem Handeln (Handlungs- oder Erklärungsvollmacht) oder zu passiver/m Entgegennahme/Empfang (Empfangsvollmacht) erteilt werden; vgl § 54 HGB (→ Handelsrechtliche Vollmachten: Handlungsvollmacht des Handelsrechts) und die Empfangsvollmacht des Art 8 Nr 9 EVHGB für den Überbringer einer Quittung:
„Der Überbringer einer Quittung gilt als ermächtigt, die Leistung zu empfangen, sofern nicht die dem Leistenden bekannten Umstände der Annahme einer solchen Ermächtigung entgegenstehen.”
Zu unterscheiden sind:
Wichtige Unterscheidung
• das Grundverhältnis (zwischen Machtgeber und Machthaber, es wird auch Innenverhältnis genannt) und andrerseits
• das Ausführungsgeschäft des bevollmächtigten (Stell)Vertreters mit dem Dritten: Außenverhältnis.
Zur Bedeutung von Willensmängeln im Verhältnis zwischen Machtgeber und Machthaber → KAPITEL 5: ¿Wer¿ kann anfechten?.
Vollmachtserteilungen sind häufig eingebettet in vertragliche Beziehungen, die zwischen Machtgeber und Machthaber (bereits) bestehen oder doch begründet werden (Grundverhältnis); sei es ein Arbeits- oder Dienstvertrag, ein Auftrag oder ein Gesellschaftsverhältnis. – Das ABGB selbst fasst diesen praktisch häufigen Fall – wie eingangs erwähnt – begrifflich im Terminus des Bevollmächtigungsvertrags zusammen (Überschrift vor § 1002 ABGB), verbindet also – als wäre dies die einzig mögliche Form – Vollmacht und Auftrag. Das führt immer wieder zu Verwirrung. Auftrag und Vollmacht können, müssen aber nicht verbunden sein; dh: es gibt sowohl vollmachtlose Aufträge, wie auftraglose Vollmachten.
Bevollmächtigungsvertrag
Anders als die Vollmacht ist der Auftrag ein Vertrag. – Inhaltlich enthält ein Auftrag die Geschäftsbesorgung für andere auf Rechnung des Auftraggebers / Geschäftsherrn. Beim Auftrag geht es – wie bei der Stellvertretung – um die Durchführung von Rechtsgeschäften oder doch Rechtshandlungen. Das unterscheidet Auftrag und Stellvertretung vom Arbeitsvertrag und vom Werkvertrag, bei denen es um das Verrichten faktischer Arbeiten / Dienste geht; Büroarbeit, Baumeister.
Vollmacht und Auftrag
Der Unterschied von Auftrag und Stellvertretung liegt auch darin, dass dem Auftrag immer eine vertragliche Beziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zugrunde liegt, während Stellvertretung grundsätzlich auf Vollmacht, also einseitiger rechtsgeschäftlicher Erklärung beruht (die den Bevollmächtigten noch zu nichts verpflichtet!). Der Auftrag statuiert demnach eine vertragliche Pflicht des Auftragnehmers, die ihm übertragenen Geschäfte auf Rechnung des Auftraggebers zu besorgen. – Ein weiter Unterschied liegt darin, dass der Auftrag im Innenverhältnis wirkt, die Stellvertretung dagegen im Außenverhältnis.
Beispiele aus der Praxis: – Dauerauftrag einer Bankkundschaft für die eigene Hausbank; – Dauervollmacht(ohne Auftrag) an einen Rechtsanwalt; – Erteilung einer Hausverwaltervollmacht im Rahmen eines zwischen Mit- / Wohnungseigentümern und einem Hausverwalter abgeschlossenen Vertrag.


Begriffliche Gegenüberstellung


Vollmacht = Begründet ein rechtliches Handeln-Können und betrifft das Außenverhältnis. Vollmacht entsteht idR durch rechtsgeschäftliche Begründung von Vertretungsmacht = Handeln in fremdem Namen und auf fremde Rechnung.
Ermächtigung = Begründet ein rechtliches Handeln-Dürfen. Ermächtigte werden durch einseitige Willenserklärung berechtigt in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung handeln zu dürfen. Der Ermächtigende erklärt, künftig das Handeln des Ermächtigten gegen sich gelten zu lassen. Dazu ist keine Zustimmung des Ermächtigten nötig. Sie betrifft das Innenverhältnis; typisch indirekte Stellvertretung!
Auftrag = Begründet ein rechtliches Handeln-Sollen (iSv Müssen). Er ist ein Vertrag (zweiseitiges RG) und verpflichtet den Beauftragten zu rechtsgeschäftlichem Handeln auf Rechnung des Auftraggebers. Er betrifft (wiederum nur) das Innenverhältnis
Bevollmächtigungsvertrag: Diktion des ABGB in § 1002 = Verbindung von Auftrag und Vollmacht (in einem einheitlichen Vertrag) !
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2. Vollmachtsarten
Zur Unterscheidung des ABGB zwischen offener und geheimer Vollmacht (§ 1017 ABGB) → Voraussetzungen moderner Stellvertretung
offene und geheime Vollmacht
Generalvollmacht (ABGB = allgemeine Vollmacht) und Spezialvollmacht (ABGB = besondere Vollmacht): „ ... je nachdem jemandem die Besorgung aller, oder nur einiger Geschäfte anvertraut wird”; § 1006 Satz 1 ABGB.
General- und Spezialvollmacht
Beispiel
Unumschränkte oder beschränkte Vollmacht:
Unumschränkte oder beschränkte Vollmacht
„Vollmachten werden entweder mit unumschränkter oder mit beschränkter Freiheit zu handeln erteilt. Durch die erstere wird der Gewalthaber berechtigt, das Geschäft nach seinem besten Wissen und Gewissen zu leiten: durch die letztere aber werden ihm die Grenzen, wie weit, und die Art, wie er dasselbe betreiben soll, vorgeschrieben.” (§ 1007 ABGB)
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 24/169 (1951): Die Bevollmächtigung zum Verkauf einer Liegenschaft umfasst noch nicht die Vollmacht, auf Kosten des Auftraggebers ein Realitätenbüro mit dem Verkauf und der Ermittlung von Interessenten zu beauftragen.
Die Bevollmächtigung kann eine unentgeltliche oder entgeltliche sein; § 1004 ABGB. Sie kann nach § 1005 ABGB mündlich oder schriftlich erteilt werden.
Unentgeltliche oder entgeltliche, mündliche oder schriftliche Vollmacht
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3. Handelsrechtliche Vollmachten
Gewisse Vollmachten, etwa die handelsrechtliche Generalvollmacht – die Prokura – sind ihrer praktischen Bedeutung wegen gesetzlich näher umschrieben. Die Prokura ermächtigt – gemäß § 49 HGB – „zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines [nicht des Unternehmens in dem sie erteilt wird! – Unterschied zur Handlungsvollmacht!] Handelsgewerbes mit sich bringt.”
Prokura
Trotz dieser Generalklausel bestehen Beschränkungen:
gesetzliche Beschränkungen der Prokura
• „Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist [aber] nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist”; § 49 Abs 2 HGB.
• „Eine [rechtsgeschäftliche!] Beschränkung des Umfanges der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam; § 50 Abs 1 HGB. Dies gilt insbesondere von der Beschränkung, dass die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder gewisse Arten von Geschäften oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten ausgeübt werden soll”; § 50 Abs 2 HGB.
• Die Erteilung der Prokura ist im Firmenbuch (früher Handelsregister) einzutragen; § 53 Satz 1 HGB.
• Die Prokura ist (vom Inhaber) nicht übertragbar und erlischt nicht durch den Tod des Geschäftsherrn; § 52 Abs 1 HGB.
• „Sie kann jederzeit ohne Rücksicht auf einen allenfalls weiterbestehenden Dienstvertrag oder Auftrag widerrufen werden „; § 52 Abs 1 HGB.
Sonderformen der Prokura:
Sonderformen der Prokura
Gesamtprokura (§ 48 Abs 2 HGB),
gemischte und die
Filialprokura; § 50 Abs 3 HGB.
Von der Prokura ist die Handlungsvollmacht zu unterscheiden. Sie erstreckt sich „auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen (!) Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt”; § 54 HGB. – Die Handlungsvollmacht ist also deutlich „enger” angelegt als die Prokura und zudem an der konkreten Unternehmenstätigkeit orientiert!
Handlungsvollmacht


Prokura (1)
Abbildung 13.4:
Prokura (1)


Prokura (2)
Abbildung 13.5:
Prokura (2)


Prokura (3)
Abbildung 13.6:
Prokura (3)


Handlungsvollmacht (1)
Abbildung 13.7:
Handlungsvollmacht (1)


Handlungsvollmacht (2)
Abbildung 13.8:
Handlungsvollmacht (2)


Handlungsvollmacht (3)
Abbildung 13.9:
Handlungsvollmacht (3)
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4. Duldungs- oder Anscheinsvollmacht
Wir haben schon gehört, dass die Vollmacht nicht nur ausdrücklich, sondern auch schlüssig oder stillschweigend (iSd § 863 ABGB) erteilt werden kann und das ABGB selbst die Verwaltungs- und Ladenvollmacht kennt; §§ 1029 ff ABGB. – Die Vollmacht ist – wie wir gehört haben – die einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Machtgebers / Vertretenen gerichtet an:
• den Stellvertreter / Machthaber; sog Innenvollmacht;
• oder an Dritte / die Öffentlichkeit; sog Außenvollmacht.
Der Grundgedanke der §§ 1029 – 1031 ABGB – als gesetzlich geregelten Fällen stillschweigend erteilter Vollmacht, wird über den dort geregelten Bereich hinaus angewandt; man spricht in solchen Fällen von Duldungs- oder Anscheinsvollmacht und verlangt dafür folgende Voraussetzungen:
Verwaltungs- und Ladenvollmacht
• Vertretener duldet oder erweckt den Anschein, dass die Vollmacht von ihm ausgeht, also eine Art äußerer Tatbestand einer Vollmachtserteilung vorliegt und der Vertretene nicht widerspricht;
• dann wird das Vertreterverhalten dem Vertretenen zugerechnet.
Unbedingte Voraussetzung dafür ist aber, dass die Anscheinswirkung auf den Vertretenen selbst zurückgeht und nicht nur auf den Vertreter. Dritte vertrauen demnach auf eine stillschweigende oder schlüssige Zustimmung des Vertretenen!
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 27/277 (1954): Hofmeister eines Klosters verkauft Pferdehändler 2 Schlachtpferde, die dieser nicht zahlt, wozu er aber idF verurteilt wird. Später treffen sich beide im Gasthaus und schließen einen Vergleich (über die Judikatschuld von 5.500S) und einigen sich auf 4.500 S + 1 Liter Wein. Das Kloster will den Vergleich nicht gelten lassen, setzt sich aber nicht durch. – OGH nimmt (Anscheins)Vollmacht des Hofmeisters an.
HS 5088 (1965): Bauherr überträgt befugtem Architekten die Ausführung eines Hausbaus; er setzt äußeren Tatbestand typischen Charakters und erweckt bei gutgläubigen Dritten nach der Verkehrssitte den Eindruck, der Architekt sei ... auch als Machthaber des Bauherrn anzusehen und daher zum Abschluss einschlägiger Rechtsgeschäfte berechtigt.
EvBl 1971/20 (1970): Architekt führt im Auftrag des Akademischen Senates Planungsarbeiten zum Bau der Mensa in Innsbruck durch; Ministerium lehnt Zahlung des Honorars ab; – OGH: Keine Anscheinsvollmacht des Akademischen Senates/ Rektors.
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5. Umfang der Vertretungsmacht und mündliche Zusagen
§ 10 KSchG behandelt Spezialfälle, die in der Praxis immer wieder Probleme schufen:
• § 10 Abs 1: Hat ein Unternehmer – zB an einen Angestellten – eine Vollmacht erteilt, ist eine unübliche Beschränkung dieser Vollmacht dem Verbraucher gegenüber nur wirksam, „wenn sie ihm bewusst war”.
• Abs 2: War einem Verbraucher eine solche Vollmachtsbeschränkung nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht bewusst, kann der Unternehmer vom Vertrag zurücktreten.
• Abs 3: „Die Rechtswirksamkeit formloser Erklärungen desUnternehmersoder seinerVertreter kann zum Nachteil des Verbrauchers vertraglich nicht ausgeschlossen werden.” – Was heißt das?
Beispiel
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6. Höchstpersönlichkeit der Vollmacht – Substitution
Machtgeber und Machthaber verbindet eine Vertrauensbeziehung. Der Machthaber / Vertreter kann daher seine Vollmacht grundsätzlich nicht übertragen; sog Höchstpersönlichkeit der Vollmacht. Die Übertragung / Substitution müsste ihm vielmehr:
Substitution?
• „ausdrücklich gestattet, oder
• durch die Umstände unvermeidlich „ geworden sein.
Man nennt also die Übertragung der dem Vertreter vom Machtgeber erteilten Vertretungs(voll)macht durch den Vertreter selbst: Substitution; § 1010 ABGB. Der Vertreter haftet dabei für Auswahlverschulden / culpa in eligendo. Nicht zu verwechseln mit der Substitution ist, dass sich auch ein (einfacher) Vertreter / Machthaber eines Erfüllungsgehilfen bedienen kann (Rechtsanwalt-Konzipient), der ihn unterstützen soll und für dessen Verschulden der Vertreter nach allgemeinen Grundsätzen einzustehen hat; zu § 1313a ABGB → KAPITEL 10: § 1313a ABGB: Erfüllungsgehilfenhaftung. – Allein der Unterschied liegt in folgendem: Der Substitut handelt (direkt / unmittelbar) für den Vertretenen / Machtgeber, ein Erfüllungsgehilfe dagegen nur für den Vertreter / Machthaber.
Substitution <-> Erfüllungsgehilfe
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7. Widerruf der Vollmacht – Tod
Vollmachten können – wegen der damit verbundenen engen Vertrauensbeziehung und Höchstpersönlichkeit – jederzeit vom Machtgeber widerrufen werden; § 1020 ABGB. – Auch der Machthaber / Vertreter kann sie aufkündigen; § 1021 ABGB. Tut er das aber „vor Vollendung” des ihm aufgetragenen Geschäfts, „so muss er, dafern nicht ein unvorhergesehenes und unvermeidliches Hindernis eingetreten ist, allen daraus entstandenen Schaden ersetzen”. Dies soll sicherstellen, dass begonnene Tätigkeiten zu Ende geführt werden und dem Vertretenen durch Vollmachtsaufkündigung kein Nachteil entsteht.
Im Normalfall beendet nach bürgerlichem Recht, sowohl der Tod des Gewaltgebers, wie der des Gewalthabers das Vertretungsverhältnis; § 1022 Satz 1 ABGB.
Tod
„Läßt sich aber das angefangene Geschäft ohne offenbaren Nachteil der Erben nicht unterbrechen, oder erstreckt sich die Vollmacht selbst auf den Sterbefall des Gewaltgebers; so hat der Gewalthaber das Recht und die Pflicht, das Geschäft zu vollenden.” (§ 1022 Satz 2 ABGB)
Anders im Handelsrecht: Art 8 Nr 10 EVHGB lässt die in einem Gewerbebetrieb von einem Kaufmann erteilten Vollmachten durch den Tod des Kaufmanns im Zweifel nicht erlöschen. – Die Regelung gilt auch für Aufträge.
Auch nach Prozessrecht beendet der Tod des Machtgebers – zB der KlientIn eines Anwalts – die erteilte Prozessvollmacht nicht. Der Tod bildet aber einen Widerrufungsgrund; § 35 ZPO.
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8. Abschluss sog unternehmensbezogener Geschäfte – Verzicht auf strikte Offenlegung
In manchen Fällen verlangen Gesetz (zB § 19 GmbHG) und Rspr kein striktes Offenlegen des Vertretungsverhältnisses durch den Vertreter. Das wird dann zugelassen, wenn sich die Vertretungsabsicht aus den jeweiligen Umständen (ohnehin nach der Vertrauentheorie) ergibt. – Das führt aber in der Praxis immer wieder zu Unklarheit und Streit wie die folgenden Beispiele zeigen. Vgl aber zunächst die Sonderregel des GmbHG.
§ 19 GmbHG: „Die Gesellschaft wird durch die von den Geschäftsführern in ihrem Namen geschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen der Gesellschaft geschlossen worden ist oder ob die Umstände ergeben, dass es nach dem Willen der Beteiligten für die Gesellschaft geschlossen werden sollte.”
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1976, 40: §§ 1002 ff und 863 ABGB: Ein Geschäft in fremdem Namen liegt auch vor, wenn die Person des Vertretenen bei Vertragsschluss (zwar) nicht genannt wird, aber die Stellvertretungsabsicht aus den Umständen klar hervortritt. Verträge, die ein Hausverwalter, der sich als solcher deklariert, in dieser Eigenschaft über Hausreparaturarbeiten schließt, sind daher im Namen des/r Hauseigentümer/s geschlossen, auch wenn der Hausverwalter das Vertretungsverhältnis nicht ausdrücklich und die Person des Hauseigentümers, von der sich der Vertragspartner Kenntnis verschaffen kann, überhaupt nicht offenlegt. – Kläger war ein Dachdeckerunternehmen., Beklagter der Hausverwalter einer Wohnungseigentumsanlage. Das Klagebegehren war auf Zahlung der Hausreparaturkosten gerichtet. Der Verwalter hatte telefonisch die Reparaturarbeiten vergeben und sich dabei als „Hausverwaltung S” gemeldet. Daraus hätte der Dachdeckermeister das Vertretungsverhältnis erkennen müssen. Die Klage des Dachdeckerunternehmers gegen den Hausverwalter wurde daher wegen mangelnder Passivlegitimation des Hausverwalters abgewiesen.
RdW 1985, 337: „Die Beklagte bestellte bei der Klägerin in mehreren Verträgen die Einrichtung für einen Kosmetiksalon; dieser gehörte der K-GmbH, deren alleinige Geschäftsführerin die Beklagte ist. Die Beklagte trat aber bei allen mündlichen Äußerungen so auf, als ob sie selbst alleinige Inhaberin dieses Unternehmens sei; sie ließ sämtliche Verträge auf ihren persönlichen Namen ausstellen, ohne je die Änderung auf die Firmenbezeichnung zu reklamieren. Über dem Geschäftslokal befand sich neben der großen Aufschrift ‚Depot m.‘ in kleineren Buchstaben der Zusatz K-GmbH. Die Beklagte verwendete ein Briefpapier, auf dem als Kopf in blassem Druck die Firmenbezeichnung, darunter aber in wesentlich stärkerem Druck der Name der Beklagten, und darunter wieder in blassem und wesentlich kleinerem Druck ‚Generalrepräsentant‘ aufschien .... Der Wille, im Namen eines Dritten zu handeln, muss im Geschäftsverkehr ausdrücklich erklärt werden oder aus den Umständen klar erkennbar sein (Griehsler, GesRZ 1973, 40; SZ 51/102). Ob diese Erkennbarkeit für den Vertragspartner gegeben ist, ist objektiv zu beurteilen (Strasser in Rummel, ABGB, Rz 50 zu § 1002, EvBl 1981/168). Wer sich darauf beruft, dass ein Vertretergeschäft vorliegt, muss dies beweisen (Stanzl in Klang IV/1, 776; Griehsler, GesRZ 1973, 41; Strasser aaO, EvBl 1979/12 ua). Im Zweifel ist jedenfalls ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen....“
Bei der Beurteilung, ob sich mangels einer ausdrücklichen Erklärung über das Handeln im fremden Namen für die Klägerin aus den Umständen eindeutig hätte ergeben müssen, dass die Erklärungen der Beklagten im Namen der GmbH erfolgten, sind alle Umstände in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen. Bei einer solchen alle Umstände berücksichtigenden Beurteilung kann aber trotz der festgestellten Art der Anbringung der Firmenaufschrift auf dem Geschäftslokal und auf dem Briefpapier nicht von Umständen gesprochen werden, die eindeutig auf ein Vertreterhandeln hinweisen. Daran vermag der Umstand, dass die Beklagte die Geschäftsführerin der K GmbH war, schon deshalb nichts zu ändern, weil auch dies der Klägerin bei dem festgestellten Sachverhalt nicht klar sein musste. War aber weder ausdrücklich noch aus den Umständen klar, dass die Beklagte nicht im eigenen Namen, sondern als Geschäftsführerin für die GmbH handeln wollte, so traft die Klägerin auch keine Pflicht, sich über das Vertretungsverhältnis der GmbH zu unterrichten. Die Vorinstanzen haben das Geschäft zu Recht als Eigengeschäft der Beklagten beurteilt. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich um sog unternehmensbezogene Rechtsgeschäfte gehandelt hat. Das Vorliegen solcher Rechtsgeschäfte allein ist kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin damit hätte rechnen müssen, die Beklagte sei nur Vertreterin (vgl Hügel, JBl 1983, 529 FN 80). Da die Beklagte unter ihrem bürgerlichen Namen aufgetreten ist und unter diesem Namen sich so verhalten hat, dass sie für die Inhaberin des Kosmetiksalons gehalten werden konnte, ‚zielte‘ das Rechtsgeschäft (vgl Welser, ZAS 1976, 186) auf die Beklagte selbst. Es fehlte ein ausreichender Hinweis auf einen allenfalls von der Beklagten verschiedenen Unternehmensträger als Vertreterin. Zumindest in einem solchen Fall kann nicht davon gesprochen werden, dass sie selbstverständlich im Namen des wirklichen Geschäftsinhabers gehandelt habe. Der Einwand der mangelnden Passivlegitimation ist daher nicht berechtigt.”]
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9. Insichgeschäfte
Insichgeschäfte führen leicht zu Interessenkollissionen, daher erscheint Vorsicht geboten. – Der Begriff des Insichgeschäfts dient als Oberbegriff für:
• das Selbstkontrahieren und
• die Doppel- oder Mehrfachvertretung.
Von Selbstkontrahieren wird gesprochen wenn eine Person (als Vertreter eines anderen) den Vertrag für diesen mit sich selbst schließt. – Ein Fall der Doppel- oder Mehrfachvertretung liegt vor, wenn der Vertreter, der für beide oder mehrere Parteien vertretungsberechtigt ist, einen Vertrag zwischen (nicht mit!) diesen Parteien schließt.
Selbstkontrahieren und Doppelvertretung
Das ABGB regelt das Insichgeschäft nicht umfassend, andere Gesetze dagegen – zB das HGB – kennen Bestimmungen; so gestattet § 400 HGB unter gewissen Voraussetzungen das Selbstkontrahieren des Einkaufs- oder Verkaufskommissionärs.
Das bedeutet zB: Der Verkaufskommissionär kann das zu verkaufende Gut / Ware des Kommittenten selbst kaufen, wenn die Ware einen Börsen- oder Marktpreis hat, was regelmäßig der Fall ist. – Dies deshalb, weil dadurch die Interessen des Kommitenten nicht verletzt werden, woraus der allgemeine Gedanke abgeleitet werden kann, dass dann, wenn die Interessen des „Betroffenen” (hier des Kommitenten) gewahrt bleiben, ein Selbstkontrahieren toleriert wird.
Dies deshalb, weil dabei die erhöhte Gefahr von Interessenkollisionen besteht. Man kann üblicherweise nicht „zwei Herren gleichzeitig dienen”!
Insichgeschäfte: grundsätzlich unzulässig
So bestimmen für den Bereich der gesetzlichen Stellvertretung die §§ 271 f ABGB, dass im Kollisionsfall (zwischen den Interessen eines Minderjährigen und seines gesetzlichen Vertreters) vom Gericht ein Kollisionskurator zu bestellen ist. – Zu Vertragsschlüssen zwischen Eltern / Vormündern und den von ihnen gesetzlich vertretenen Kindern / Mündeln etc → KAPITEL 4: Die Handlungsfähigkeit .
Kollisionskurator
Insichgeschäfte werden aber als zulässig erachtet, wenn:
Ausnahmen
• der oder die vom Geschäft betroffenen Machtgeber / Vertretenen zustimmen oder genehmigen, also damit einverstanden sind; oder
• wenn durch das Geschäft die Interessen des Vertretenen / Machtgebers nicht gefährdet, sondern ausschließlich gefördert werden.
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
AnwBl 1977, 25: Doppelvertretung – Der Rechtsanwalt, der Wohnungseigentumsverträge verfasst und von den WE-Werbern bevollmächtigt wurde alles zu veranlassen, was zur Begründung von Wohnungseigentum nötig und nützlich ist, begeht eine Doppelvertretung, wenn er die Baufirma in Prozessen gegen diese Wohnungseigentümer vertritt. Bei der Doppelvertretung vertritt ein Dritter – zB ein Rechtsanwalt – beide Vertragsparteien, ist aber selbst nicht Vertragspartei. – Anders das Selbstkontrahieren: Hier ist der Vertreter selbst Vertragspartei und vertritt darüber hinaus noch den anderen Vertragsteil.
EvBl 2000/63: Unzulässige Doppelvertretung – § 18 Abs 5 und 6 GmbHG, wonach selbst die Gültigkeit eines vom Alleingesellschafter mit der von ihm vertretenen Gesellschaft abgeschlossenen außergewöhnlichen Insichgeschäfts nicht anzuzweifeln ist, wenn hierüber unverzügliche eine Urkunde errichtet wurde, gilt nicht für den Fall der Doppelvertretung. An der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Insichgeschäften hat sich durch die mit dem EU-GesRÄG geschaffene neue Rechtslage nichts geändert.
OGH 12. 4. 2000, 4 Ob 71/00w, EvBl 2000/176: Geschäftsführer der A-GmbH gründet mit Partnern die B-GmbH in der Absicht, Geschäfte mit der A-GmbH zu tätigen. – OGH: Erteilt der Geschäftsführer einer GmbH (hier: A-GmbH) ohne Wissen und Zustimmung der übrigen Geschäftsführer einer andern Gesellschaft (hier: B-GmbH), an deren geschäftlichem Erfolg er persönlich interessiert ist, einen „Auftrag” (hier: Kaufvertrag), der mit den Interessen der von ihm vertretenen Gesellschaft in Widerspruch geraten könnte, sind die von der Lehre und Rspr zur Gültigkeit von Insichgeschäften entwickelten Grundsätze analog anzuwenden. (Zu beachten ist, dass bei aufrechtem Gesellschaftsverhältnis ein Konkurrenzverbot besteht.)
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