Bildung und
Ausbildung | |
In der juristischen (Aus)Bildung
sollte es darum gehen, die autonome und kritische Kraft Studierender
zu stärken und nicht – wie das leider immer wieder geschieht – junge
Menschen einer mnemotechnischen Dressur zu unterwerfen, sie zu konditionieren,
wie Pawlov seine Hunde. Dagegen sollte man sich wehren! – Leider
wird „pädagogisch” oft kaum reflektiert, was getan wird. Die Universität
sollte aber auch in Zukunft keine Anstalt zur Ausbildung hochspezialisierter
„Fachidioten” sein. Sie trägt vielmehr gesellschaftliche Verantwortung
für die Vermittlung eines fächerübergreifenden und für Leben und
Beruf brauchbaren Wissens und Verständnisses. Interdisziplinarität darf
daher nicht zum Schlagwort verkommen. Der Sinn universitärer Aus-Bildung
kann auch künftig nicht darin liegen, vorgegebene ökonomische oder
politische Ziele unkritisch zu erfüllen. Die Gefahr einer Entwicklung
in diese Richtung ist gegenwärtig aber groß. – Damit wird in keiner Weise
einem „billigen” Studium das Wort geredet. | Bildung
durch Wissenschaft |
Das Ziel
universitärer Aus-Bildung wurde in §
1 AHStG 1966, der leider nicht in das UniStG 1997 übernommen wurde,
vorbildlich umschrieben: Danach zählte zu den „Grundsätzen und Zielen”
des Studiums: „Bildung durch Wissenschaft”. Studierende
sollten „jene Haltung erwerben, die in sachlicher Einstellung, klarer
Urteilsfähigkeit, intellektueller Redlichkeit und Toleranz sowie
erhöhter Verantwortlichkeit gegenüber der Republik Österreich und der
menschlichen Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Sie sollen ferner
die Bedeutung ihres Faches im Ganzen der Wissenschaft und die Bedeutung
der Wissenschaft im Ganzen der Kultur begreifen lernen.” | § 1 AHStG 1966 |
Übrigens:
Auch das Lernen will gelernt sein. Hier muß jede/r
eine individuelle Lösung finden. Experimentieren und gegenseitiger
Erfahrungsaustausch ist angezeigt. – Bildet Lerngruppen!
Sie haben sich bestens bewährt. Die Gruppe bietet nicht nur verständnismäßige
Vorteile, sondern auch lerntechnische und emotional-psychische.
– Eine andere gute Übung besteht darin, vermeintlich Verstandenes
kurz und in einem möglichst ansprechenden Deutsch mit eigenen Worten
zu wiederholen oder niederzuschreiben. Verstanden hat man etwas
dann, wenn man dies auch sprachlich auszudrücken vermag. Diese Übung
fördert, über längere Zeit beibehalten, das mündliche und schriftliche
Ausdrucksvermögen. Nicht unterschätzt werden sollte auch die heilsame
Kraft guter (nicht juristischer) Literatur. | Lernen will gelernt sein |
Eine
Herausforderung des Jus-Studiums (und idF juristischer Berufe) ist
der Umgang mit großen Stoffmengen, die zudem weiterwachsen und sich
ständig auch noch verändern. Dagegen hilft – neben dem Wiederholen
wichtiger Teile – nur ein radikales Zusammenfassen, Auswählen, Sichten und
Sich-Beschränken. Das aber will gelernt sein. – Ein erster Rat:
Lösen Sie sich von der fatalen Vorstellung, alles lesen, wissen
und erfassen zu können. – Ein zweiter Tip: Der Umgang mit großen Stoffmengen
kann spielerisch geübt werden. Fangen Sie mit dem Lesen einer guten
(!) Zeitung an – zB der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit” – und
lesen Sie nur jene Artikel, die Sie wirklich interessieren oder
die Sie brauchen und realistischerweise auch lesen können. Sie erlangen
dadurch allmählich einen Blick für’s Wesentliche, der sich auf Fachliches
übertragen lässt. Sie gewinnen dann die Fertigkeit zu erkennen,
dass ein Gutteil der Fachliteratur nicht sofort gelesen werden muß und
man sich manches, es wird immer mehr, überhaupt sparen kann. Nachschlagen
im Bedarfsfall ist ja auch möglich. Ein durchdachtes eigenes und
einfaches Dokumentationssystem kann dabei gute
Dienste leisten. Informationen sind dann gut verwahrt, wenn man
sie im Bedarfsfall auch wieder findet. Seine Qualität erweist sich
darin, dass es wenig Zeit kostet und dennoch seine Aufgabe erfüllt. | Umgang mit großen Stoffmengen |
Ein
weiterer Tip, um trotz gigantischer Papier- und Infofluten überleben
zu können, besteht schlicht darin, die Grund(lagen)ausbildung wirklich
ernst zu nehmen und auch später nicht zu vernachlässigen; zB durch
die erneute Lektüre dieses Lehrbuchs, das dann in vielen Punkten
schon wieder ein anderes geworden sein wird. (In diesem Buch wurde
für Sie bereits gezielt ausgewählt, was Sie nicht daran hindern
soll, eine weitere sinnvolle Auswahl zu treffen; Gefahr: Subjektive
Willkür oder Reduktion auf Skriptenniveau mit Verlust der Lernfreude!)
– Natürlich heißt es da und dort Wasser in den eigenen (Interessen)Wein
zu gießen, was heißen will: Man muß mitunter auch „Dinge” lesen
und lernen die langweilig sind oder jedenfalls nicht spannend. Sie
können dennoch wichtig sein! Aber im Großen und Ganzen lässt sich
der oben beschriebene Modus – mit sich entwickelnden individuellen
Besonderheiten – durchhalten. | Grund(lagen)ausbildung ernst nehmen |
Auch im Falle
des Gelingens des Studiums ist zu bedenken, dass das Ergebnis nur
das etwas abgewandelte sokratische Understatement sein kann: Ich
weiß, dass ich – noch immer – nicht viel weiß. Nachadjustierungen,
lebenslanges Lernen, bleiben nicht erspart. | Sokrates als Vorbild |
Helga Novotny,
Es ist so. Es könnte auch anders sein. – Über das veränderte Verhältnis
von Wissenschaft und Gesellschaft (1999). | |