Recht und Wirtschaft
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A. Prüfungsstoff für ReWi’s, SoWi’s und das Wirtschaftsrecht
Das Lehrbuch enthält – wie erwähnt – sowohl den juristischen Stoff („Einführung”/„Grundzüge” und „Diplomprüfung” sowie „Wirtschaftsrecht”), als auch den für die privatrechtliche „SoWi“- und Wirtschaftsrechts-Ausbildung”. – Es kann als Lehrbuch des Zivilrechts und der juristischen Methoden (samt Nachbardisziplinen) das juristische Studium begleiten.
Dieses Lehrbuch will Begleiter sein
Eine Schwierigkeit ergibt sich dadurch, dass sich der Prüfungsstoff der „Einführungen”/„Grundzüge” der rechtswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Ausbildung nicht deckt. So zählt das Familienrecht und Erbrecht traditioneller Weise (bspw in Innsbruck) nicht zum Prüfungsstoff für SoWi‘s. Für Interessierte mag er dennoch nützlich sein. Andrerseits sind gewisse Stoffteile nur für SoWi’s und Studierende des Wirtschaftsrechts gedacht und überschreiten bspw das für die juristische Einführung zumutbare; etwa die umfassendere Darstellungen des Factoring, Franchising, Leasing, des Dokumentenakkreditivs oder von Wechsel, Scheck und Bankgarantie und – seit dieser Auflage – der Bankgeschäfte.
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B. Das Recht setzt Rahmenbedingungen
Haben Sie sich die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Recht schon einmal überlegt? Braucht die Wirtschaft das (Privat)Recht? Könnte sie auch ohne Recht – und böse Juristen – auskommen? Die Antwort ist ein klares Nein! – Das politisch initiierte Rechtsetzt derWirtschaftRahmenbedingungen innerhalb derer sich diese sicher und zum Wohl aller entfalten soll. Vor einem „selbst gesetzten Recht” der Wirtschaft warnte aber schon der Ordoliberale Walter Eucken. Der Trend weist allerdings in diese Richtung.
Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Recht
Denken Sie nur an die unzähligen Warengeschäfte, die täglich allein in Österreich abgeschlossen werden. Aber das ist bei weitem nicht alles: Es wird produziert, investiert, geworben, die Produkte kommen auf den Markt und werden verkauft, verleast, vermietet – und all das erfolgt unter wesentlicher Beteiligung des Rechts, das die dafür nötigen Rechtsinstitute und Rahmenbedingungen bereitstellt. – Unter Wettbewerbern kommt es nicht selten zu Wettbewerbsverstößen, was zu UWG-Prozessen führt. Es wird erbittert um die Stellung am Markt gekämpft; mit erlaubten und unerlaubten Mitteln. Letztere hat die Rechtsordnung möglichst zu unterbinden, wobei die Entscheidung nicht immer leicht fällt.
Denken Sie etwa an das 1995 vom dtBGH gefällte Urteil gegen die Werbeplakate der Firma Benetton, die vom deutschen Höchstgericht in Zivilrechtssachen als sitten- und damit wettbewerbswidrig angesehen wurden, worüber man unterschiedlicher Meinung sein kann. Oder an die E unseres OGH, mit der dieser die FAX- und e-mail-Werbung als sittenwidrig einstufte. Neben dem UWG ist auch das KartellG zu erwähnen; denken Sie an die Affäre Maier-Melnhoff, gegen den, zusammen mit 23 anderen EU-Unternehmen, von der EU-Kommission eine Kartellstrafe in der Höhe von 280 Mio S verhängt wurde. Noch teurer kamen die österreichischen Banken ihre unerlaubten Absprachen zu stehen. – Ohne Recht geht da gar nichts! Wir würden riskieren, in mittelalterliche Praktiken zurückzufallen, wollten wir auf die ordnende und sichernde Hand des Rechts verzichten: ein Faustrecht und Recht des Stärkeren wäre die Folge.
Allein – wie wir wissen – auch der Einsatz von Recht bedeutet nicht, dass deshalb Macht keine Rolle (mehr) spielte; Markt- und Wirtschaftsmacht werden immer wieder in Rechtsmacht umgesetzt. Das gilt es nicht nur zu sehen, sondern dem ist auch mit angemessenen Mitteln zu begegnen; deshalb existieren Schutzgesetze wie das: Arbeits- und Sozialrecht, KSchG, MRG, PHG. – Aber immerhin: Im Prinzip sind vor und nach dem Recht alle gleich. Das ist ein beachtliches Programm!
Marktmacht? Wirtschaftsmacht? Rechtsmacht
Überlegt, welche Folgen es für Gesellschaft und Wirtschaft hätte, wenn man sich bloß das – freilich zentrale – Rechtsinstitut des (Privat)Eigentums wegdenkt. Es bliebe kein Stein auf dem anderen! Unsere Gesellschaftsordnung bräche wohl weithin zusammen. Dennoch ist es immer wieder – und zwar seit jeher – nötig, die schrankenlose Ausübung der Macht des Eigentums einzudämmen.
Recht dient als Ordnungsfaktor, Gleichrichter, gesellschaftliches Korrektiv: gerade auch für die Wirtschaft. Recht verschafft aber auch das hohe Gut Rechtssicherheit. Wirtschaftliches Handeln wird dadurch vorausberechenbar, kalkulierbar. Der freie Markt allein, könnte dies nicht erreichen, mag er gerade heute immer wieder überschätzt werden. Der große brititische Historiker Eric J. Hobsbawn hat dies so ausgedrückt:
Ordnungsfaktor, Gleichrichter, gesellschaftliches Korrektiv
„Heute gibt es die Utopie des freien Marktes, eine Art Weltanarchismus. Doch ich fürchte, dass ein absolut freier Markt nicht einmal seine Grundlage, die Kontraktfreiheit, sichern kann. Es braucht jemanden, der das Recht garantiert.” (Die Zeit, Nr. 29, 10. Juli 2003, S. 29)
Der tiefste Zweck des Rechts ist es aber Frieden zu schaffen in einer Gesellschaft zwischen den Menschen und ihren Einrichtungen → KAPITEL 1: Frieden und Ordnung als Rechtsfunktionen. Recht will „Gesellschaft” möglich machen. – Dies trotz der Tatsache, dass es zwischen Menschen stets Probleme und Konflikte geben wird. Aber es geht darum, diese Konflikte in bestimmten Formen, eben jenen des Rechts, auszutragen und nicht eigenmächtig und gewaltsam zu handeln; vgl dazu § 19 ABGB. Die Rechtsordnung – als Summe aller Rechtsvorschriften eines Staates – ist also von ihrer Funktion her eine Friedensordnung, die auch wichtige Ordnungs- und Korrektivfunktionen wahrzunehmen hat. – Dabei ist nicht zu übersehen, dass das Recht das Handeln der Menschen nicht nur im Fall von Verstößen sanktionieren, sondern es schon von vornherein leiten und dadurch Rechtsverstöße möglichst vermeiden helfen will. Das gilt auch für den Bereich der Wirtschaft, der ebenso wie unser aller Privatleben, der ordnenden Hand des Rechts bedarf.
Das Recht als Friedensordnung
Werfen wir nun einen kurzen Blick auf einige Felder unserer Gesellschaft, in denen Recht und Wirtschaft eng verflochten sind:
Verflechtung von Recht und Wirtschaft
• ABGB: Eigentum, Bestandvertrag (Miete und Pacht), Pfandrecht, Vertragsschluss, juristische Person, Stellvertretung, die verschiedenen Vertragstypen :Kauf, Werkvertrag, Arbeitsvertrag etc
• Handelsrecht (HGB): Prokura, Handlungsvollmacht, Handelsvertreter oder -makler; Kaufmann?, die Regeln für Handelsgeschäfte; die Personengesellschaften (OHG und KG) oder das Privatstiftungswesen etc
• Gesellschaftsrecht: GmbH, AktG, GenG usw
• Wertpapierrecht: Wechsel, Scheck, Kreditkarte etc
• UWG und KartellG
• GewO
• MarkSchG; – MuSchG; – PatG
• PHG; – KSchG
• BWG
• AngG (überhaupt das gesamte Arbeitsrecht!); – VersVG uvam.
Man müsste mit Blindheit geschlagen sein, wollte man diese engen und funktionalen Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Recht leugnen.
Aber auch Sie selbst in Ihrem Privatleben werden ständig mit dem Privat-Recht konfrontiert: Sie kaufen Ihre Nahrungsmittel im Geschäft, die Zeitung in der Trafik oder beim Kolporteur um die Ecke, Ihre Kleidung im Modegeschäft, Ihre Bücher in einer Buchhandlung, Sie tanken Benzin, fahren auf Urlaub, mieten ein Zimmer, lassen Moped oder Auto in einer Werkstätte reparieren, gehen ins Theater oder Kino, fahren mit Bus, Eisen-, U- oder Straßenbahn und schließen dabei Beförderungsverträge. Sie nehmen vielleicht einen (Klein)Kredit auf, schließen in den Sommerferien oder auch während des Semesters einen Dienst- oder Arbeitsvertrag ab, weil das Geld zum Studium nicht reicht. Nicht zu vergessen, dass manche auch heiraten oder sich scheiden lassen. Mitunter erbt man auch etwas.
In all diesen und vielen anderen Fällen bedienen Sie sich des bürgerlichen oder Zivilrechts, mag Ihnen das auch oft gar nicht bewusst sein. Das Privatrecht „wirkt” nämlich idR zurückhaltend, fast unbemerkt. Die Privatrechtsordnung legt ihre Gestaltung bewusst in die Hände der Beteiligten (etwa der Vertragsparteien) und hält sich selber möglichst heraus; sog Privatautonomie → KAPITEL 1: Privatrecht: Keine Über- und Unterordnung. – Die Rechtsordnung verlangt auch nicht, dass sich die an einem Rechtsgeschäft Beteiligten über alle rechtlichen Details des zu schließenden Geschäfts/Vertrags im Klaren sein müssen. Es genügt, wenn sie eine Art rechtlich-wirtschaftliche Rahmenvorstellung von dem besitzen, was sie tun: dh auf rechtlich gesichertem Weg einen wirtschaftlichen Erfolg erzielen wollen. Wir werden diese Fragen im Allgemeinen Teil und hier wiederum in der Rechtsgeschäfts- und der Lehre vom Vertragsschluss besprechen → KAPITEL 1: Das Privatrecht als Teil der Rechtsordnung.
Privatrecht „wirkt” im Hintergrund
Zwischen Wirtschaft und Recht gibt es also vielfältige, idR aber wenig beachtete Zusammenhänge, von denen hier nur einige beispielhaft angesprochen wurden.
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C. Die Rechtsfächer als Ergänzungs- und Kontrastprogramm
Die Rechtsfächer- und insbesondere auch das bürgerliche oder Zivilrecht – stellen für Studierende der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, aber auch andere Disziplinen, ein aus-bildungspolitisches Ergänzungs- und Kontrastprogramm zur ökonomischen oder sonstigen Ausbildung dar. – Ein weiteres Stück Kultur moderner Gesellschaften, eben Rechtskultur. Das Gleiche gilt – vice versa – für Juristen/innen, wenn sie Fächer der Ökonomie oder sonstige Disziplinen studieren. Alle Disziplinen müssen sich immer wieder darum bemühen, um unter den gegebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf der Höhe der Zeit, dh zukunftsfähig zu bleiben. Dazu gehört es auch, sich selber nicht zu überschätzen und selbstkritisch zu bleiben.
Rechtskultur und Wirtschaftskultur
Ohne rechtliches Wissen ist heute auch keine Wirtschaftskompetenz mehr denkbar. Rechtskenntnisse fördern zudem die wirtschaftliche Entscheidungsfähigkeit. Es ist von Vorteil, wenn man weiß, wie Verträge geschlossen werden und wo Probleme auftreten können und nicht für alles ein Anwalt benötigt wird. Es ist auch von Vorteil zu wissen, was es bedeutet mit einer juristischen Person, einem Verein oder einer Gmbh umzugehen und um deren Haftung Bescheid zu wissen. Auch über die Stellvertretung, die Zession, das Factoring oder das Grundbuch sollten Studierende der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften grundsätzlich Bescheid wissen.
Wirtschaftskompetenz
Das Lehrbuch „Zivilrecht” enthält den Prüfungsstoff für das Fach Privatrecht, nicht dagegen das Handelsrecht, mögen auch immer wieder Brücken zum Handelsrecht und seinen Teilgebieten geschlagen werden; vgl etwa die Ausführungen zur Prokura, der Mängelrüge, den Handelsvertreter, bestimmte Gesellschaftsformen, die Treuhand oder die Bankgeschäfte.
Der Stoff für das Prüfungsfach Handelsrecht kann wahlweise folgenden Unterlagen entnommen werden:
• Hannak-Skripten: – HR I: Handelsstand, Handelsgeschäfte (200012); – HR II: Gesellschaftsrecht (200012); – HR III: Wertpapierrecht (200010).
• Kastner / Doralt / Nowotny, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts (19976).
• Orac-Skripten: Handelsgeschäfte (Gruber: 2000); Handelsstand (Schummer: 2000); Personengesellschaften (Schummer: 2000); Kapitalgesellschaften (Mader: 1998); Wertpapierrecht (Grünwald / Schummer: 1999).
• Roth/Fitz, Handels- und Gesellschaftsrecht (2000).
• Roth, Wertpapierrecht (19992).
• Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht (20003).
• Krejci, Grundriss des Handelsrechts (20022)