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Widerstand, Verfolgung und Zwangsarbeit 1934-1945

Dokument 1
Antrag des Gendameriepostenkommandos Krimml an die Bezirkshauptmannschaft Zell am See auf Abschaffung von Anton König aus dem Land Salzburg wegen Verdachts der kommunistischen Betätigung, 10. Mai 1938

Dokument 2
Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Leogang an das Bezirksgericht Saalfelden gegen Gustav Koller aus Wiesing wegen kommunistischer Betätigung, 10. Mai 1938
Schreiben der Gestapo Salzburg an das Bezirksgericht Saalfelden betreffend beabsichtigte Einweisung von Gustav Koller aus Wiesing in ein KZ, 18. Mai 1938

Dokument 3
Schreiben des Franz Jägerstätter an den Pfarrer von St. Radegund betreffend seinem Entschluß, den Wehrdienst zu verweigern, 22. 2. 1943
Abschiedsbrief des wegen Wehrdienstverweigerung zum Tode verurteilten Franz Jägerstätter aus St. Radegund an seine Gattin, 9. 8. 1943

Dokument 4
Urteil des VGH gegen Helene Kafka, Ordensname Restituta, wegen Vorbereitung zum Hochverrat, 29. 10. 1942


Dokument 1

Antrag des Gendameriepostenkommandos Krimml an die Bezirkshauptmannschaft Zell am See auf Abschaffung von Anton König aus dem Land Salzburg wegen Verdachts der kommunistischen Betätigung, 10. Mai 1938

Anton König wurde am 5. April 1938 vom hiesigen Posten wegen Beleidigung und Herabwürdigung des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler, Verdachts der kommunistischen Betätigung und Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte verhaftet und am gleichen Tage [...] dem Bezirksgerichte in Mittersill eingeliefert, von wo er am 2. 5. 1938 an das Landesgericht in Salzburg überstellt wurde.

Da Anton König laut eigener Angabe die Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte schon bei mehreren Bauern der Gemeindegebiete Wald im Oberpinzgau und Neukirchen am Großvenediger weitererzählt hatte [sic!] und daher die Gefahr besteht, daß er nach seiner Enthaftung diese Tätigkeit wieder fortsetzen werde, wird im Sinne des Gesetzes vom 27. 7. 1871, RGBI. Nr. 88 §§ I d und 2 der Antrag auf Abschaffung für immer aus dem Lande Salzburg gestellt.

Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945. Eine Dokumentation, Bd. 1, Wien 1991, S. 418.


Dokument 2

Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Leogang an das Bezirksgericht Saalfelden gegen Gustav Koller aus Wiesing wegen kommunistischer Betätigung, 10. Mai 1938

Gustav Koller machte sich dadurch einer Übertretung nach dem Ordnungsschutzgesetze schuldig, weil er am 8. Mai 1938 nachmittag in seinem leicht berauschten Zustande im Gastzimmer des Rudolf Oberschneider in Leogang Nr. 9 öffentlich über den Führer und Reichskanzler nachstehende Worte äußerte bzw. sagte: "Alle (damit vermutlich gemeint die NSDAP) sind Gauner, und der Hitler ist selber der größte Gauner."

Weiters machte sich Koller nach der Vdg. von 1933 BGBI. Nr. 200/33 einer Übertretung schuldig, nachdem er im Gastzimmer des Rudolf Oberschneider öffentlich 3- oder 4mal "Heil Moskau" schrie und sich äußerte, daß er nur für Moskau sei.


Schreiben der Gestapo Salzburg an das Bezirksgericht Saalfelden betreffend beabsichtigte Einweisung von Gustav Koller aus Wiesing in ein KZ, 18. Mai 1938

Nach einem Bericht des Gendameriepostenkommandos Leogang befindet sich Koller im Bezirksgericht Saalfelden wegen Hochverrats in Untersuchungshaft. Da ich beabsichtige, Koller für längere Zeit in ein Konzentrationslager einzuweisen, ersuche ich, mir umgehend den Ausgang des dort anhängigen Strafverfahrens mitzuteilen und Koller ohne meine Genehmigung nicht aus der Haft zu entlassen.

Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945. Eine Dokumentation, Bd. 1, Wien - Salzburg 1991, S. 419.


Dokument 3

Schreiben des Franz Jägerstätter an den Pfarrer von St. Radegund betreffend seinem Entschluß, den Wehrdienst zu verweigern, 22. 2. 1943

Euer Hochwürden,

grüße Sie noch vor allem herzlich, besten Dank noch für Ihr Schreiben. Muß Ihnen mitteilen, daß Sie vielleicht bald wieder eines Ihrer Pfarrkinder verlieren werden. Habe heute den Einberufungsbefehl bekommen und soll schon am 25. d. M. in Enns sein. Da mir aber niemand Dispens geben kann, über was ich mir bei diesem Verein an Seelenheilgefahr zuziehen würde, so kann ich halt meinen Entschluß, wie Sie ja wissen, nicht ändern. Es ist so schon so schwer, in der Vollkommenheit einen Schritt vorwärtszukommen, und dann erst bei diesem Verein. Christus hat auch Petrus nicht gelobt, weil er ihn bloß aus Menschenfurcht verleugnet hat, und wie oft würde ich dies vielleicht wieder bei diesem Verein tun, denn tut man das nicht, so weiß man ja auch fast sicher, daß man seine Lieben auf dieser Welt kaum mehr sehen wird. Es heißt zwar immer, man soll das nicht tun wie ich, wegen Lebensgefahr, ich bin aber der Ansicht, daß auch die andern, die da mitkämpfen, nicht ganz außer Lebensgefahr sind. Bei denen in Stalingrad sollen, wie man sagt, auch vier bis fünf Radegunder darunter sein. Was werden diese Armen mitgemacht haben an Seele und Leib, möge Gott ihnen all diese Leiden im Jenseits belohnen, denn für diese Welt sind ja, wie die Aussicht besteht, diese Opfer ja doch umsonst. Wenn auch bei diesem furchtbaren Verein vieles erlaubt ist, so glaub' ich, ist es dennoch besser, lieber gleich das Leben zu opfern, als sich zuerst noch in die große Gefahr zu begeben zu sündigen, und dann erst sterben! Ich bitte Sie, schließen Sie mich in das Meßopfer ein, solange ihr noch eines darbringen dürft. [...]

Es grüßt Sie noch herzlich Ihr dankschuldiger Mesner Fr. J.


Abschiedsbrief des wegen Wehrdienstverweigerung zum Tode verurteilten Franz Jägerstätter aus St. Radegund an seine Gattin, 9. 8. 1943

Gott zum Gruß, herzallerliebste Gattin und alle meine Lieben!

Deine Briefe vom 13. und 25. Juli noch mit Freude erhalten, wofür ich mich noch herzlich bedanke. Heute sind es nun 4 Wochen, da wir uns zum letztenmal auf dieser Welt gesehen. Heute früh um zirka halb 6 Uhr hieß es sofort umziehen, das Auto wartet schon, und mit mehreren Todeskandidaten ging dann die Fahrt hierher nach Brandenburg, was mit uns geschehen wird, wußten wir nicht. Erst zu Mittag teilte man mir mit, daß das Urteil am 14. bestätigt wurde und heute um vier Uhr vollstreckt wird. Will Euch nur kurz einige Worte des Abschieds schreiben.

Liebste Gattin und Mutter! Bedanke mich nochmals herzlich für alles, was Ihr mir in meinem Leben getan, für all die Liebe und Opfer, die Ihr für mich gebracht habt, und bitte Euch nochmals, verzeiht mir alles, was ich Euch beleidigt und gekränkt habe, sowie auch von mir alles verziehen ist. Ich bitte auch alle anderen, die ich jemals beleidigt habe, mir alles zu verzeihen, ganz besonders Hochwürden Herrn Pfarrer Fürthauer, wenn ich ihn durch meine Worte vielleicht noch gekränkt habe, als er mich mit Dir besuchte, ich verzeihe allen von Herzen. Möge Gott mein Leben hinnehmen als Sühneopfer nicht bloß für meine Sünden, sondern auch für (die der) anderen.

Liebste Gattin und Mutter! Es war mir nicht möglich, Euch von diesen Schmerzen, die Ihr jetzt um meinetwegen zu leiden habt, zu befreien. Wie hart wird es für unsern lieben Heiland gewesen sein, daß er durch sein Leiden und Sterben seiner lieben Mutter so große Schmerzen bereiten mußte und das haben sie alles aus Liebe für uns Sünder gelitten. Ich danke auch unsrem lieben Jesus, daß ich für ihn leiden durfte und auch für ihn sterben darf. Ich vertraue auch auf seine unendliche Barmherzigkeit, daß mir Gott alles verziehen hat und mich auch in der letzten Stunde nicht verlassen wird. Liebste Gattin! Denke auch daran, was Jesus denen verheißen hat, die welche die neun Herz-Jesu-Freitage halten. Und auch jetzt wird dann Jesus in der heiligen Kommunion noch zu mir kommen und mich stärken auf die Reise in die Ewigkeit. In Tegel hatte ich auch noch die Gnade, viermal die heiligen Sakramente zu empfangen.

Grüßet mir auch noch herzlich meine lieben Kinder, [...], Schwiegereltern, Schwägerinnen und alle Verwandten (und) Bekannten. Grüßet mir auch noch Bruder Majer, und laß mich noch für seinen Brief bedanken, der mich noch sehr gefreut hat. Auch bei Hochwürden Herrn Pfarrer Karobath laß ich mich noch bedanken für sein Schreiben.

Und nun, alle meine Lieben, lebet alle wohl, und vergesset mich nicht im Gebet, haltet die Gebote, und wir werden uns durch Gottes Gnade bald im Himmel wiedersehen! Herzliche Grüße auch noch an meinen Firmpaten.

Es grüßt Euch nun alle noch vor seiner letzten Reise Euer Gatte, Sohn

und Vater, Schwiegersohn und Schwager.

Gordon C. Zahn, Er folgte seinem Gewissen. Das einsame Zeugnis des Franz Jägerstätter, Graz - Wien - Köln 1967, S. 71, 121 ff.


Dokument 4

Urteil des VGH gegen Helene Kafka, Ordensname Restituta, wegen Vorbereitung zum Hochverrat, 29. 10. 1942

Im Namen des Deutschen Volkes

In der Strafsache gegen

die Ordensschwester und Operationsschwester am Städtischen Krankenhaus in Wien-Mödling Helene Kafka, Ordensname "Restituta", aus Wien-Mödling, geboren am 1. Mai 1894 in Husowitz bei Brünn (Mähren),

zur Zeit in dieser Sache in gerichtlicher Untersuchungshaft, wegen Vorbereitung zum Hochverrat hat der Volksgerichtshof, 5. Senat, auf Grund der Hauptverhandlung vom 29. Oktober 1942, an welcher teilgenommen haben 

als Richter:
Senatspräsident Dr. Albrecht, Vorsitzer,
Kammergerichtsrat Dr. Stäckel,
SA-Brigadeführer Liebel,
SA-Gruppenführer im Stabe der OSAF Lasch,
SS-Standartenführer Polizeipräsident von Dolega-Kozierowski
als Vertreter des Oberreichsanwalts:
Staatsanwalt Friedrich,
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle:
Justizsekretär Kramp,

für Recht erkannt:

Die Angeklagte Kafka wird wegen landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat zum

T o d e

und zum Ehrenrechtsverlust auf Lebenszeit verurteilt.

Die Angeklagte hat auch die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Im Dezember 1941 ersuchte die Angeklagte die in der Röntgenabteilung des gleichen Krankenhauses als Kanzleiangestellte beschäftigte Zeugin Margarete Smola, ihr von zwei staatsfeindlichen Flugblättern, die sie im Besitz hatte, je eine Schreibmaschinenabschrift nebst einem Durchschlag herzustellen. Die Zeugin führte diesen Auftrag der Angeklagten, die ihr zum Teil den Text der Hetzschriften in die Maschine diktierte, auch weisungsgemäß aus. Bei diesen Flugblättern, von denen je ein Abdruck alsbald nach der Herstellung der Abschriften sichergestellt werden konnte, handelt es sich um eine Schmähschrift mit der Überschrift "Soldatenlied" sowie um eine mit den Worten "Deutsche katholische Jugend" beginnende Hetzschrift, welche die Tagesangabe 8. Juni 1941 trägt. Das "Soldatenlied" hat folgenden Wortlaut: 

Soldatenlied
Erwacht, Soldaten, und seid bereit,
Gedenkt Eures ersten Eid [s).
Für das Land, in dem ihr gelebt und geboren,
Für Österreich habet ihr alle geschworen.
Das sieht ja schon heute jedes Kind,
Daß wir von den Preußen verraten sind.
Für die uralte heimische Tradition
Haben sie nichts als Spott und Hohn.
Den altösterreichischen General
Kommandiert ein Gefreiter von dazumal.
Und der österreichische Rekrut
Ist für sie nur als Kanonenfutter gut.
Zum Beschimpfen und Leuteschinden
Mögen sie andere Opfer finden.
Mit ihrem großen preußischen Maul
Sind sie uns herabzusetzen nicht faul.
Dafür haben sie bis auf den letzten Rest
Die Ostmarkzitrone ausgepreßt.
Unser Gold und Kunstschätze schleppten sie gleich
In ihr abgewirtschaftetes Nazireich.
Unser Fleisch, Obst, Milch und Butter
Waren für sie ein willkommenes Futter.
Sie befreiten uns, und ehe man's glaubt
Hatten sie uns gänzlich ausgeraubt.
Selbst den ruhmvollen Namen stahl uns die Brut,
Und jetzt wollen sie auch noch unser Blut.
Der Bruder Schnürschuh ist nicht so dumm,
Gebt acht, er dreht die Gewehre um.
Der Tag der Vergeltung ist nicht mehr weit,
Soldaten, gedenkt eures ersten Eid(s).
Österreich!
Wir Österreicher, auf uns gestellt,
Hatten Frieden und Freundschaft mit aller Welt.
Die Welt vergiftet mit ihrem Haß,
Sie machen sich jedes Volk zum Feind,
Sie haben die Welt gegen sich vereint.
Die Mütter zittern, die Männer bangen,
Der Himmel ist schwarz mit Wolken verhangen.
Der schrecklichste Krieg, den die Menschheit gekannt,
Steht furchtbar vor unserem Heimatland.
Es droht uns Elend und Hungersnot,
Der Männer und Jünglinge Massentod.
Kameraden, trotzt dem verderblichen Wahn,
Was gehen uns die Händel der Preußen an.
Was haben uns die Völker getan?
Wir nehmen die Waffen nur in die Hand
Zum Kampf fürs freie Vaterland.
Gegen das braune Sklavenreich,
Für ein glückliches Österreich!

In der Flugschrift "Deutsche katholische Jugend" wird eine angebliche Störung einer katholischen Jugendkundgebung in Freiburg im Breisgau zum Anlaß genommen, die Führung der Hitlerjugend in niederträchtiger Weise zu verdächtigen und zu beschimpfen und die katholische Bevölkerung gegen die nationalsozialistische Staatsführung aufzuhetzen.

Die Angeklagte will sich die Urschrift des Hetzgedichtes "Soldatenlied" Anfang Dezember 1941 von zwei ihr dem Namen nach unbekannten Soldaten, die Verbandzeug zum Sterilisieren in das Spital brachten, zwecks Herstellung von Abschriften ausgebeten haben. Sie will die Urschrift dann nach der Anfertigung der Abschriften verloren und sie deshalb den beiden Soldaten nicht mehr haben zurückgeben können. Die konfessionelle Flugschrift wurde der Angeklagten, wie sie behauptet hat, bereits im Sommer oder Herbst 1941 von einer anderen Klosterschwester überlassen, an deren Person sie sich angeblich nicht mehr erinnern kann.

Nach der Herstellung der Vervielfältigungen las die Angeklagte das Hetzgedicht "Soldatenlied" den ebenfalls im Krankenhaus in Wien-Mödling beschäftigten Ordensschwestern Anna Mittasch ("Angelika") und Magdalena Schmid ("Kajetana") vor, wobei auch, wenigstens zu Beginn, die Zeugin Josefine Mittasch, die als Operationsgehilfin im Krankenhaus tätig ist, zugegen war. Als die Angeklagte dieser Zeugin erzählte, daß die Soldaten dieses Lied sängen, erklärte die Zeugin verständlicherweise, daß sie das nicht glaube, worauf sie von der Angeklagten weggeschickt wurde.

Widerstand und Verfolgung in Wien 1934-1945. Eine Dokumentation, Bd. 3, Wien 1975, S. 66-69.