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Österreich im Ersten Weltkrieg 1914-1918

Dokument 1
Schreiben Graf Berchtolds an Freiherrn von Giesl in Belgrad (Ultimatum an Serbien)

Dokument 2
Mantelnote und kaiserliche Genehmigung der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung an Serbien, vom 27. und 28.Juli 1914

Dokument 3 
Abschrift des Plakats der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung an Serbien ("An meine Völker!")


Dokument 1

Graf Berchtold an Freiherrn von Giesl in Belgrad

Wien, am 22. Juli 1914

Euer Hochwohlgeboren wollen die nachfolgende Note am Donnerstag, den 23. Juli nachmittags, der königlichen Regierung überreichen:

"Am 31. März 1909 hat der kön. serbische Gesandte am Wiener Hofe im Auftrage seiner Regierung der k. und. k. Regierung folgende Erklärung abgegeben:

"Serbien anerkennt, daß es durch die in Bosnien geschaffene Tatsache in seinen Rechten nicht berührt wurde, und daß es sich demgemäß den Entschließungen anpassen wird, welche die Mächte in Bezug auf den Artikel 25 des Berliner Vertrages treffen werden. Indem Serbien den Ratschlägen der Großmächte Folge leistet, verpflichtet es sich, die Haltung des Protestes und des Widerstandes, die es hinsichtlich der Annexion seit dem vergangenen Oktober eingenommen hat, aufzugeben, und es verpflichtet sich ferner, die Richtung seiner gegenwärtigen Politik gegenüber Österreich-Ungarn zu ändern und künftighin mit diesem letzteren auf dem Fuße freundnachbarlicher Beziehungen zu leben."

Die Geschichte der letzten Jahre nun und insbesondere die schmerzlichen Ereignisse des 28. Juni haben das Vorhandensein einer subversiven Bewegung in Serbien erwiesen, deren Ziel es ist, von der österreichisch-ungarischen Monarchie gewisse Teile ihres Gebietes loszutrennen. Diese Bewegung, die unter den Augen der serbischen Regierung entstand, hat in der Folge jenseits des Gebietes des Königreiches durch Akte des Terrorismus, durch eine Reihe von Attentaten und durch Morde Ausdruck gefunden.

Weit entfernt, die in der Erklärung vom 31. März 1909 enthaltenen formellen Verpflichtungen zu erfüllen, hat die königlich serbische Regierung nichts getan, um diese Bewegung zu unterdrücken. Sie duldete das verbrecherische Treiben der verschiedenen, gegen die Monarchie gerichteten Vereine und Vereinigungen, die zügellose Sprache der Presse, die Verherrlichung der Urheber von Attentaten, die Teilnahme von Offizieren und Beamten an subversiven Umtrieben, sie duldete eine ungesunde Propaganda im öffentlichen Unterricht und duldete schließlich alle Manifestationen, welche die serbische Bevölkerung zum Hasse gegen die Monarchie und zur Verachtung ihrer Einrichtungen verleiten konnten.

Diese Duldung, der sich die königlich serbische Regierung schuldig machte, hat noch in jenem Moment angedauert, in dem die Ereignisse des 28. Juni der ganzen Welt die grauenhaften Folgen solcher Duldung zeigten.

Es erhellt aus den Aussagen und Geständnissen der verbrecherischen Urheber des Attentates vom 28. Juni, daß der Mord von Sarajevo in Belgrad ausgeheckt wurde, daß die Mörder die Waffen und Bomben, mit denen sie ausgestattet waren, von serbischen Offizieren und Beamten erhielten, die der "Narodna Odbrana" angehörten, und daß schließlich die Beförderung der Verbrecher und deren Waffen nach Bosnien von leitenden serbischen Grenzorganen veranstaltet und durchgeführt wurde.

Die angeführten Ergebnisse der Untersuchung gestatten es der k. und k. Regierung nicht, noch länger die Haltung zuwartenden Langmuts zu beobachten, die sie durch Jahre jenen Treibereien gegenüber eingenommen hatte, die ihren Mittelpunkt in Belgrad haben und von da auf die Gebiete der Monarchie übertragen werden. Diese Ergebnisse legen der k. und k. Regierung vielmehr die Pflicht auf, Umtrieben ein Ende zu bereiten, die eine ständige Bedrohung für die Ruhe der Monarchie bilden.

Um diesen Zweck zu erreichen, sieht sich die k. und k. Regierung gezwungen, von der serbischen Regierung eine offizielle Versicherung zu verlangen, daß sie die gegen Österreich-Ungarn gerichtete Propaganda verurteilt, das heißt die Gesamtheit der Bestrebungen, deren Endziel es ist, von der Monarchie Gebiete loszulösen, die ihr angehören, und daß sie sich verpflichtet, diese verbrecherische und terroristische Propaganda mit allen Mitteln zu unterdrücken.

Um diesen Verpflichtungen einen feierlichen Charakter zu geben, wird die königlich serbische Regierung auf der ersten Seite ihres offiziellen Organs vom 26./13. Juli nachfolgende Erklärung veröffentlichen:

"Die königlich serbische Regierung verurteilt die gegen Österreich-Ungarn gerichtete Propaganda, das heißt die Gesamtheit jener Bestrebungen, deren letztes Ziel es ist, von der österreichisch-ungarischen Monarchie loszutrennen, die ihr angehören, und sie bedauert aufrichtigst die grauenhaften Folgen dieser verbrecherischen Handlungen. Die königlich serbische Regierung bedauert, daß serbische Offiziere und Beamte an der vorgenannten Propaganda teilgenommen und damit die freundnachbarlichen Beziehungen gefährdet haben, die zu pflegen sich die königliche Regierung durch ihre Erklärung vom 31. März 1909 feierlichst verpflichtet hatte.
Die königliche Regierung, die jeden Gedanken oder jeden Versuch einer Einmischung in die Geschicke der Bewohner was immer für eines Teiles Österreich-Ungarns mißbilligt und zurückweist, erachtet es für ihre Pflicht, die Offiziere, Beamten und die gesamte Bevölkerung des Königreiches ganz ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, daß sie künftighin mit äußerster Strenge gegen jene Personen vorgehen wird, die sich derartiger Handlungen schuldig machen sollten, Handlungen, denen vorzubeugen und die zu unterdrücken sie alle Anstrengungen machen wird."

Diese Erklärung wird gleichzeitig zur Kenntnis der königlichen Armee durch einen Tagesbefehl Sr. Majestät des Königs gebracht und in dem offiziellen Organe der Armee veröffentlicht werden.

Die königlich serbische Regierung verpflichtet sich überdies:

1. Jede Publikation zu unterdrücken, die zum Haß und zur Verachtung der Monarchie aufreizt und deren allgemeine Tendenz gegen die territoriale Integrität der letzteren gerichtet ist,

2. sofort mit der Auflösung des Vereines "Narodna Odbrana" vorzugehen, dessen gesamte Propagandamittel zu konfiszieren und in der selben Weise gegen die anderen Vereine und Vereinigungen in Serbien einzuschreiten, die sich mit der Propaganda gegen Österreich-Ungarn beschäftigen; die königliche Regierung wird die nötigen Maßregeln treffen, damit die aufgelösten Vereine nicht etwa ihre Tätigkeit unter anderem Namen oder in anderer Form fortsetzen,

3. ohne Verzug aus dem öffentlichen Unterricht in Serbien, sowohl was den Lehrkörper als auch die Lehrmittel betrifft, alles zu beseitigen, was dazu dient oder dienen könnte, die Propaganda gegen Österreich-Ungarn zu nähren,

4. aus dem Militärdienst und der Verwaltung im allgemeinen alle Offiziere und Beamten zu entfernen, die der Propaganda gegen Österreich-Ungarn schuldig sind und deren Namen unter Mitteilung des gegen sie vorliegenden Materials der königlichen Regierung bekanntzugeben sich die k. und k. Regierung vorbehält,

5. einzuwilligen, daß in Serbien Organe der k. und k. Regierung bei der Unterdrückung der gegen die territoriale Integrität der Monarchie gerichteten subversiven Bewegung mitwirken,

6. eine gerichtliche Untersuchung gegen jene Teilnehmer des Komplotts vom 28. Juni einzuleiten, die sich auf serbischem Territorium befinden; von der k. und k. Regierung hiezu delegierte Organe werden an den bezüglichen Erhebungen teilnehmen,

7. mit aller Beschleunigung die Verhaftung des Majors Voija Tankosic und eines gewissen Milan Ciganovic, serbischen Staatsbeamten, vorzunehmen, welche durch die Ergebnisse der Untersuchung kompromittiert sind,

8. durch wirksame Maßnahmen die Teilnahme der serbischen Behörden an dem Einschmuggeln von Waffen und Explosivkörpern über die Grenze zu verhindern; jene Organe des Grenzdienstes von Schabatz und Loznica, die den Urhebern des Verbrechens von Sarajevo bei dem Übertritt über die Grenze behilflich waren, aus dem Dienste zu entlassen und strenge zu bestrafen,

9. der k. und k. Regierung Aufklärung zu geben über die nicht zu rechtfertigenden Äußerungen hoher serbischer Funktionäre in Serbien und im Auslande, die, ihrer offiziellen Stellung ungeachtet, nicht gezögert haben, sich nach dem Attentat vom 28. Juni in Interviews in feindlicher Weise gegen Österreich-Ungarn auszusprechen,

10. die k. und k. Regierung ohne Verzug von der Durchführung der in den vorigen Punkten zusammengefaßten Maßnahmen zu verständigen.

Die k. und k. Regierung erwartet die Antwort der königlichen Regierung spätestens bis Samstag, den 25. d. M. um 6 Uhr nachmittags.

Österreichisch-ungarisches Rotbuch. Diplomatische Aktenstücke zur Vorgeschichte des Krieges 1914. Volksausgabe, Wien 1915, S. 15-18. 


Dokument 2

Mantelnote und kaiserliche Genehmigung der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung an Serbien, vom 27. und 28. Juli 1914

Vortrag an den Kaiser, 27. Juli 1914.

Ich nehme mir die ehrerbietigste Freiheit, Euer Majestät in der Anlage den Entwurf eines Telegrammes an das serbische Ministerium des Äußern zu unterbreiten, welches die Kriegserklärung an Serbien enthält und erlaube mir alleruntertänigst anzuregen, Euer Majestät wollen geruhen mich zu ermächtigen, dieses Telegramm morgen Früh abzusenden und die amtliche Verlautbarung der Kriegserklärung in Wien und Budapest gleichzeitig zu veranlassen. Mit Rücksicht auf die dem k. und k. Gesandten Baron Giesl am 25. d. M. durch Herrn Pa`´si´c übergebene, sehr geschickt verfasste Antwortnote der serbischen Regierung, welche inhaltlich zwar ganz wertlos, der Form nach aber entgegenkommend ist, halte ich für nicht ausgeschlossen, daß die Tripelententemächte noch einen Versuch machen könnten, eine friedliche Beilegung des Konfliktes zu erreichen, wenn nicht durch die Kriegserklärung eine klare Situation geschaffen wird. Einer Meldung des 4. Korpskommandos zufolge haben serbische Truppen von Donaudampfern bei Temes-Kubin gestern unsere Truppen beschossen und es entwickelte sich auf die Erwiderung des Feuers hin ein größeres Geplänkel. Die Feindseligkeiten sind hiemit tatsächlich eröffnet worden und es erscheint daher umsomehr geboten, der Armee in völkerrechtlicher Hinsicht jene Bewegungsfreiheit zu sichern, welche sie nur bei Eintritt des Kriegszustandes besitzt. Die Notifikation des Kriegszustandes an die neutralen Mächte würde, vorbehaltlich der Allerhöchsten Genehmigung Euer Majestät, gleichzeitig mit der Kriegserklärung an deren hiesige Vertreter abgesendet werden. Ich erlaube mir zu erwähnen, daß Seine k. u. k. Hoheit der Oberkommandant der Balkanstreitkräfte, Erzherzog Friedrich, sowie der Chef des Generalstabes gegen die Absendung der Kriegserklärung morgen Vormittag nichts einzuwenden hätten.

Auf der Ausfertigung: Ich genehmige den beiliegenden Entwurf eines Telegrammes an das serbische Ministerium des Äußern, welches die Kriegserklärung an Serbien enthält, und erteile Ihnen die erbetene Ermächtigung. Bad Ischl, am 28. Juli 1914.

Franz Joseph

Österreich-Ungarns Außenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914, Bd. 8, Wien - Leipzig 1930, S. 811, Dokument Nr. 10855.


Dokument 3

An meine Völker!

Es war Mein sehnlichster Wunsch, die Jahre, die Mir durch Gottes Gnade noch beschieden sind, Werken des Friedens zu weihen und Meine Völker vor den schweren Opfern und Lasten des Krieges zu bewahren.

Im Rate der Vorsehung ward anders beschlossen.

Die Umtriebe eines haßerfüllten Gegners zwingen mich, zur Wahrung der Ehre Meiner Monarchie, zum Schutze ihres Ansehens und ihrer Machtstellung zur Sicherung ihres Berufstandes nach langen Jahren des Friedens zum Schwerte zu greifen.

Mit rasch vergessendem Undank hat das Königreich Serbien, das von den ersten Anfängen seiner staatlichen Selbständigkeit bis in die neueste Zeit von Meinen Vorfahren und Mir gestützt und gefördert worden war, schon vor Jahren den Weg offener Feindseligkeiten gegen Österreich-Ungarn betreten.

Als Ich nach drei Jahrzehnten segensvoller Friedensarbeit in Bosnien und der Hercegovina Meine Herrscherrechte auf diese Länder erstreckte, hat diese Meine Verfügung im Königreiche Serbien, dessen Rechte in keiner Weise verletzt wurden, Ausbrüche zügelloser Leidenschaft und erbitterten Hasses hervorgerufen. Meine Regierung hat damals von dem schönen Vorrechte des Stärkeren Gebrauch gemacht und in äußerster Nachsicht und Milde von Serbien nur die Herabsetzung seines Heeres auf den Friedenstand und das Versprechen verlangt, in Hinkunft die Bahn des Friedens und der Freundschaft zu gehen.

Von demselben Geiste der Mäßigung geleitet, hat sich Meine Regierung, als Serbien vor zwei Jahren im Kampfe mit dem türkischen Reiche begriffen war, auf die Wahrung der wichtigsten Lebensbedingungen der Monarchie beschränkt. Diese Haltung hatte Serbien in erster Linie die Erreichung des Kriegszweckes zu verdanken.

Die Hoffnung, daß das serbische Königreich die Langmut und Friedensliebe Meiner Regierung würdigen und sein Wort einlösen werde, hat sich nicht erfüllt.

Immer höher lodert der Haß gegen Mich und Mein Haus empor, immer unverhüllter tritt das Streben zutage, untrennbare Gebiete Österreich-Ungarns gewaltsam loszureißen.

Ein verbrecherisches Treiben greift über die Grenze, um im Südosten der Monarchie die Grundlagen staatlicher Ordnung zu untergraben, das Volk, dem Ich in landesväterlicher Liebe Meine volle Fürsorge zuwende, in seiner Treue zum Herrscherhaus und zum Vaterlande wankend zu machen, die heranwachsende Jugend irrezuleiten und zu frevelhaften Taten des Wahnwitzes und des Hochverrates aufzureizen. Eine Reihe von Mordanschlägen, eine planmäßig vorbereitete und durchgeführte Verschwörung, deren furchtbares Gelingen Mich und Meine treuen Völker ins Herz getroffen hat, bildet die weithin sichtbare blutige Spur jener geheimen Machenschaften, die von Serbien aus ins Werk gesetzt und geleitet wurden.

Diesem unerträglichen Treiben muß Einhalt geboten, den unaufhörlichen Herausforderungen Serbiens ein Ende bereitet werden, soll die Ehre und Würde Meiner Monarchie unverletzt erhalten und ihre staatliche, wirtschaftliche und militärische Entwicklung vor beständigen Erschütterungen bewahrt bleiben.

Vergebens hat Meine Regierung noch einen letzten Versuch unternommen, dieses Ziel mit friedlichen Mitteln zu erreichen, Serbien durch eine ernste Mahnung zur Umkehr zu bewegen.

Serbien hat die maßvollen und gerechten Forderungen Meiner Regierung zurückgewiesen und es abgelehnt, jenen Pflichten nachzukommen, deren Erfüllung im Leben der Völker und Staaten die natürliche und notwendige Grundlage des Friedens bildet.

So muß Ich denn daran schreiten, mit Waffengewalt die unterläßlichen Bürgschaften zu schaffen, die Meinen Staaten die Ruhe im Inneren und den dauernden Frieden nach außen sichern sollen.

In dieser ernsten Stunde bin Ich Mir der ganzen Tragweite Meines Entschlusses und Meiner Verantwortung vor dem Allmächtigen voll bewußt.

Ich habe alles geprüft und erwogen.

Mit ruhigem Gewissen betrete ich den Weg, den die Pflicht Mir weist.

Ich vertraue auf meine Völker, die sich in allen Stürmen stets in Einigkeit und Treue um Meinen Thron geschart haben und für die Ehre, Größe und Macht des Vaterlandes zu schwersten Opfern immer bereit waren.

Ich vertraue auf Österreich-Ungarns tapfere und von hingebungsvoller Begeisterung erfüllte Wehrmacht.

Und ich vertraue auf den Allmächtigen, daß er Meinen Waffen den Sieg verleihen werde. 

Franz Joseph m. p.

Abschrift des Plakats der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung an Serbien. (Die auf dem Plakat aufscheinenden Vermerke der kaiserlichen Genehmigung vom 28. Juli 1914 sowie andere Kanzleivermerke wurden nicht übernommen.)