Staat und Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg
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167. Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und der Vollzugsgewalt (21. Dezember 1867), RGBl. 145.
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Fläche und Bevölkerung (Tabelle)
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Die Nationalitäten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1880-1910 (Tabelle)
4. Dokument
Auszug aus dem "Neudörfler Programm" der österreichischen Sozialdemokraten vom 5. April 1874
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Georg Ritter von Schönerer "Mein Programm" 1879:
6. Dokument
Martin Schindler: Das erste Christlich Soziale Programm 1891
167. Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und der Vollzugsgewalt (21. Dezember 1867), RGBl. 145.
Mit Zustimmung der beiden Häuser des Reichsrates finde Ich nachstehendes Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt zu erlassen und anzuordnen, wie folgt:
Art. 1. Der Kaiser ist geheiligt, unverletzlich und unverantwortlich.
Art. 2. Der Kaiser übt die Regierungsgewalt durch verantwortliche Minister und die denselben untergeordneten Beamten und Bestellten aus.
Art. 3. Der Kaiser ernennt und entläßt die Minister und besetzt über Antrag der betreffenden Minister alle Ämter in allen Zweigen des Staatsdienstes, insoferne nicht das Gesetz ein anderes verordnet.
Art. 4. Der Kaiser verleiht Titel, Orden und sonstige staatliche Auszeichnungen.
Art. 5. Der Kaiser führt den Oberbefehl über die bewaffnete Macht, erklärt Krieg und schließt Frieden.
Art. 6. Der Kaiser schließt die Staatsverträge ab. - Zur Gültigkeit der Handelsverträge und jener Staatsverträge, die das Reich oder Teile desselben belasten oder einzelne Bürger verpflichten, ist die Zustimmung des Reichsrates erforderlich.
Art. 7. Das Münzrecht wird im Namen des Kaisers ausgeübt.
Art. 8. Der Kaiser leistet beim Antritte der Regierung in Gegenwart beider Häuser des Reichsrates das eidliche Gelöbnis: "Die Grundgesetze der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder unverbrüchlich zu halten und in Übereinstimmung mit denselben und den allgemeinen Gesetzen zu regieren."
Art. 9. Die Minister sind für die Verfassung und Gesetzmäßigkeit der in die Sphäre ihrer Amtswirksamkeit fallenden Regierungsakte verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit, die Zusammensetzung des über die Ministeranklage erkennenden Gerichtshofes und das Verfahren vor demselben sind durch ein besonderes Gesetz geregelt.
Art. 10. Die Kundmachung der Gesetze erfolgt im Namen des Kaisers mit Berufung auf die Zustimmung der verfassungsmäßigen Vertretungskörper und unter Mitfertigung eines verantwortlichen Ministers.
Art. 11. Die Staatsbehörden sind innerhalb ihres amtlichen Wirkungskreises befugt, auf Grund der Gesetze Verordnungen zu erlassen und Befehle zu erteilen, und sowohl die Beobachtung dieser letzteren als der gesetzlichen Anordnungen selbst gegenüber den hiezu Verpflichteten zu erzwingen. - Besondere Gesetze regeln das Exekutivrecht der Verwaltungsbehörden, sowie die Befugnisse der bewaffneten Macht, die zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung dauernd organisiert ist oder in besonderen Fällen aufgeboten wird.
Art. 12. Sämtliche Staatsdiener sind innerhalb ihres amtlichen Wirkungskreises für die Beobachtung der Staatsgrundgesetze, sowie für die den Reichs- und Landesgesetzen entsprechende Geschäftsführung verantwortlich. - Diese Verantwortlichkeit geltend zu machen, sind diejenigen Organe der Exekutivgewalt verpflichtet, deren Disziplinargewalt die betreffenden Staatsdiener unterstehen. - Die zivilrechtliche Haftung derselben für die durch pflichtwidrige Verfügungen verursachten Rechtsverletzungen wird durch ein Gesetz normiert.
Art. 13. Alle Organe der Staatsverwaltung haben in ihrem Diensteide auch die unverbrüchliche Beobachtung der Staatsgrundgesetze zu beschwören.
Otto Frass, Quellenbuch zur österreichischen Geschichte III, Wien 1962, S. 161 f.
Fläche und Bevölkerung
a) Österreichisches Staatsgebiet
König- reiche und Länder |
Flächen- inhalt in Qua- drat- kilo- metern |
Einwohner nach der Zählung vom 31. Dez. 1910 |
Ein- wohner auf 1 km2 |
% der Gesamt- fläche von Öster- reich |
% der Gesamt- bevölke- rung von Öster- reich |
Zu- nahme gegen 1900 in % |
Österreich unter der Enns |
19.822 | 3.531.000 | 178 | 6.6 | 12.4 | 13.9 |
Österreich ob der Enns |
11.981 | 853.000 | 71 | 4.0 | 3.0 | 5.2 |
Salzburg | 7.153 | 215.000 | 30 | 2.4 | 0.8 | 11.5 |
Steiermark | 22.426 | 1.442.000 | 64 | 7.5 | 5.1 | 6.3 |
Kärnten | 10.327 | 395.000 | 38 | 3.4 | 1.4 | 7.5 |
Krain | 9.955 | 525.000 | 53 | 3.3 | 1.8 | 3.3 |
Küstenland | 7.969 | 894.000 | 112 | 2.6 | 3.1 | 18.2 |
Tirol u. Vorarlberg |
29.284 | 1.092.000 | 37 | 9.8 | 3.8 | 11.2 |
Böhmen | 51.948 | 6.774.000 | 130 | 17.3 | 23.7 | 7.2 |
Mähren | 22.222 | 2.621.000 | 118 | 7.4 | 9.2 | 7.5 |
Schlesien | 5.147 | 756.000 | 147 | 1.7 | 2.6 | 11.2 |
Galizien | 78.493 | 8.022.000 | 102 | 26.2 | 28.1 | 9.7 |
Bukowina | 10.442 | 801.000 | 76 | 3.5 | 2.8 | 9.7 |
Dalmatien | 12.833 | 646.000 | 50 | 4.3 | 2.2 | 8.5 |
Summe | 300.002 | 28.567.000 | 95 | - - | - - | 9.2 |
b) Länder der ungarischen Krone
Ungarn | 282.296 | 18.172.000 | 64 | - | - | 8.2 |
Fiume u. Gebiet Kroatien- Slawonien |
21 42.534 |
49.000 2,619.000 |
- - 62 |
- - - - |
- - - - |
25.6 8.4 |
Summe | 324.851(1) | 20.840.000 | 64 | - - | - - | 8.2 |
c) Bosnien und die Herzegowina
Bosnien und die Herzegowina |
51.028 | 1.898.000 | 37 | - - | - - | - - |
Gesamt- summe |
675.881 | 51.305.000 | 76 | - - | - - | - - |
Renate Basch-Ritter, Österreich-Ungarn in Wort und Bild, Graz - Wien - Köln 1989, S. 337.
(1) Nach A. Penck hat Ungarn mit Kroatien-Slawonien 325.325 km2.
Die Nationalitäten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1880-1910
1880 | 1910 | |||
Deutsche | 9.963.000 | 26,4% | 11.987.000 | 24,2% |
Magyaren | 6.445.000 | 17,1% | 10.050.000 | 20,3% |
Tschechen | 5.181.000 | 13,7% | 6.436.000 | 13,0% |
Slowaken | 1.864.000 | 5,0% | 1.968.000 | 4,0% |
Serbo-Kroaten | 2.916.000 | 7,7% | 3.528.000 | 7,6% |
Slowenen | 1.141.000 | 3,0% | 1.253.000 | 2,5% |
Polen | 3.239.000 | 8,6% | 4.686.000 | 10,0% |
Ukrainer(Ruthenen) | 3.149.000 | 8,3% | 3.991.000 | 8,1% |
Rumänen | 2.596.000 | 6,0% | 3.224.000 | 6,5% |
Italiener | 669.000 | 1,7% | 768.000 | 1,6% |
Sonstige | 623.000 | 1,6% | 1.090.000 | 2,2% |
Insgesamt | 37.786.000 | 100,0% | 49.263.000 | 100,0% |
Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge Nr. 186, Wien 1987, 2. Teil: 1980-1916 Glanz und Elend, S. 41.
Auszug aus dem "Neudörfler Programm" der österreichischen Sozialdemokraten vom 5. April 1874
[...] Die österreichische Arbeiterpartei erstrebt im Anschluß an die Arbeiterbewegung aller Länder die Befreiung des arbeitenden Volkes von der Lohnarbeit und der Klassenherrschaft durch Abschaffung der modernen privatkapitalistischen Produktionsweise. Sie erstrebt an deren Stelle die gemeinschaftliche, staatlich organisierte Produktion der Güter ... Als Ziel zur Verwirklichung ihrer Grundsätze [...] stellt die Partei folgende Forderungen:
1. Allgemeines, gleiches, direktes Wahlrecht für alle Staatsbürger vom 20. Lebensjahr an [...]
2. Vollständige Presse-, Vereins-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit.
3. Trennung der Kirche vom Staat und Trennung der Schule von der Kirche.
4. Obligatorischer Unterricht in den Volksschulen und unentgeltlicher Unterricht in allen öffentlichen Lehranstalten.
5. Errichtung der Volkswehr an Stelle der stehenden Heere.
6. Unabhängigkeit der Richter, Wahl der Richter durch das Volk [...] unentgeltliche Rechtspflege.
7. Einführung eines Normalarbeitstages, Einschränkung der Frauen- und Abschaffung der Kinderarbeit in den Fabriken [...]
8. Abschaffung aller indirekten Steuern und Einführung einer einzigen, direkten, progressiven Einkommens- und Erbschaftssteuer.
9. Staatliche Förderung des freien Genossenschaftswesens [...]
Walter Kleindel, Österreich: Daten zur Geschichte und Kultur, Wien 1995, S. 176.
Georg Ritter von Schönerer "Mein Programm" 1879
[...] Österreich muß, seines Ursprunges und seiner Geschichte eingedenk, den Deutschen die Gewähr bieten, daß deren Nationalität nicht gefährdet werde und soll an der Solidarität der Deutschen in Österreich entschieden festgehalten werden [...] Überhaupt sind den bisher bevorzugt gewesenen Interessen des beweglichen Kapitals, - und der bisherigen semitischen Herrschaft des Geldes und der Phrase, - die Interessen des Grundbesitzes und der produktiven Arbeit, sowie die Kräfte und Rechte der ehrlichen Arbeit in Hinkunft mit Entschiedenheit entgegenzustellen und zu fördern [...] Zum Schlusse kann es aber nicht oft genug betont werden, daß in einem parlamentarischen Staate für die Fehler und Unterlassungssünden der Regierung nicht diese allein, sondern in erster Linie die konstitutionellen Vertretungskörper als eigentlich schuldtragend von der Bevölkerung verantwortlich gemacht werden sollten [...]
Walter Kleindel, Österreich: Daten zur Geschichte und Kultur, Wien 1995, S. 276.
Martin Schindler: Das erste Christlich Soziale Programm 1891
- Allgemeine Forderungen
1. Besteuerung des mobilen Kapitals
2. energische Wahrung der wirtschaftlichen Interessen aller Berufsklassen
3. Wahlreform, zunächst Sicherung des direkten Wahlrechtes [...]
4. weitere Einschränkung des Legalisierungszwanges
5. Dienstpragmatik für die öffentlichen Beamten [...]
6. Festhaltung der achtjährigen Schulpflicht [...]
- Bezüglich des Grundbesitzes
1. Fortentwicklung der Gesetzgebung zur Erhaltung eines lebenskräftigen Bauernstandes [...]
4. Ausschließung des Zwischenhandels bei staatlichen Einkäufen landwirtschaftlicher Produkte.
- Bezüglich des Kleingewerbes und des Kleinhandels
1. Strenge Durchführung der Gewerbenovelle [...]
5. Erweiterung des Markenschutzgesetzes
6. Neuregelung des Verfahrens bei Bemessung der Erwerbs- und Einkommenssteuer.
7. Einschränkung der Konsumvereine [...]
- Bezüglich der Großindustriearbeiter
1. Strenge Durchführung der Arbeiterschutzgesetze [...]
2. Erweiterung der Arbeiterschutzgesetze [...]
3. Vorkehrungen gegen Monopolisierungstendenzen bezüglich allgemeiner Bedarfsartikel.
Walter Kleindel, Österreich: Daten zur Geschichte und Kultur, Wien 1995, S. 285.