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Planung und Politik der Alliierten 1940-1954

Dokument 1
Die Gefahren einer sowjetischen Ausdehnung nach Mitteleuropa Ende 1944

Dokument 2
Österreichs internationale und interne Sicherheitslage 1948

Dokument 3
Amerikanische und britische Standpunkte zur Neutralisierung Österreichs im Vorfeld der Berliner Außenministerkonferenz 1953/54


Dokument 1

Die Gefahren einer sowjetischen Ausdehnung nach Mitteleuropa Ende 1944

[...] Nach sorgfältigster Überlegung meine ich, daß die jüngsten Entwicklungen für uns eine Warnung sein sollten, ist [die österreichische Zonenaufteilung] doch weit mehr als nur eine lokale österreichische Angelegenheit; hier finden wir uns schon ganz tief inmitten den entscheidenden Fragen zukünftiger Weltsicherheit [...].

Bestimmte Folgewirkungen der sowjetischen Beherrschung Rumäniens und Bulgariens können schon vorausgesehen werden ... Auf jeden Fall zeichnen sich aus der Erfahrung der letzten Monate schon zwei konkrete Lehren ab. Erstens bringt in der sowjetischen Perspektive eine Besetzung die direkte Kontrolle mit sich ... Zweitens ist es ganz klar, daß ein Versäumnis, mit den Russen und Briten im voraus in Regionen wie Deutschland und Österreich, in denen wir eine gemeinsame Verantwortung tragen, eindeutige Absprachen auszuarbeiten, unweigerlich zu einer Politik des `jeder reiße sich unter den Nagel was er kann` (`grab as grab can`) führen wird [...].

Um zu verstehen, warum die Sowjets so erpicht darauf sind, daß wir in Österreich eine Zone verwalten, müssen wir zu Edens Gespräche über die Prozentabkommen in Moskau zurückgehen. Die Russen nehmen die Dinge aufs Komma genau und meinen, daß wir, die Briten und sie selbst je ein Drittel der Verantwortung tragen sollten, und zwar wegen unserer Beiträge zum gemeinsamen Sieg und der Moskauer Erklärung zu Österreich. Sollten wir nun unsere direkte Verantwortung auf die Besatzung Wiens beschränken, werden die Russen daraus die Schlußfolgerung ziehen, daß wir nicht unser Drittel Verantwortung für ganz Österreich auf uns nehmen wollen [...].

Da die sowjetische und britische Blockbildung die Gefahr heraufbeschwört, die gesamte Nachkriegspolitik zu beherrschen, täten wir gut daran, unsere Aufgabe ernst zu nehmen und gegen solche Blockbildungen vorzugehen, da sie ohne unser Zutun ganz Europa in Stücke zerreißen könnten, nicht nur was die internationalen Beziehungen angeht, sondern auch einzelne Länder, wie das unglückliche Griechenland [...].

Telegramm John C. Winant (Botschafter in London und bei der European Advisory Commission) an Edward Stettinius (Außenminister) für Präsident Roosevelt, 8. 12. 1944, in: FRUS, 1944, Bd. I, Washington 1966, S. 474-477.


Dokument 2

Österreichs internationale und interne Sicherheitslage 1948

[...] Das Problem der inneren und äußeren Sicherheit bleibt das grundlegende Problem beim Abschluß eines Vertrages zu diesem Zeitpunkt. In Bezug auf die äußere Sicherheit würde Österreichs geographische Nähe zu den Satellitenstaaten, sowie das Fehlen jeglicher Mittel zur Verteidigung, einen österreichischen Widerstand gegen einen Angriff von Außen unmöglich machen. Es können jedoch genügend Kräfte in Österreich mobilisiert werden, um innere Unruhen und kommunistische Putschversuche zu verhindern [...].

Schlußfolgerungen:

1. Unser Hauptziel für den Österreichvertrag sollte ein lebensfähiger, unabhängiger Staat sein, frei von Fremdherrschaft.

2. Wir müssen auf die Anerkennung der österreichischen Grenzen von 1937 bestehen.

3. Bis der Vertrag in Kraft tritt, sollten wir mit den Briten und Franzosen die laufenden Programme weiterführen, die österreichische Polizei in den Westzonen ausbilden und bewaffnen, sowie die Kernkader einer österreichischen Armee organisieren, ausbilden und bewaffnen.

4. Wir sollten eine Lösung für den Problemkreis Deutsches Eigentum finden, die den Möglichkeiten Österreichs gerecht ist. Der Vertrag sollte die genaue Höhe und die Bedingungen der österreichischen Verbindlichkeiten an die Sowjetunion festlegen, sowie die präzisen Geschäftsbedingungen der sowjetischen Firmen [USIA] in Österreich.

5. Wir sollten die Aufnahme Österreichs in die Vereinten Nationen zum frühest möglichen Zeitpunkt betreiben, wenn möglich noch vor dem Vertragsabschluß.

Grundsatzmemorandum des Nationalen Sicherheitrates NSC 38 vom 8. 12. 1948, in: FRUS, 1948, Bd. II, Washington 1973, S. 1510-1514.


Dokument 3

Amerikanische und britische Standpunkte zur Neutralisierung Österreichs im Vorfeld der Berliner Außenministerkonferenz 1953/54

166. Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates vom 13. 10. 1953 und das neue Grundsatzmemorandum betreffend Österreich NSC 164/1

[...] Außenminister Dulles meinte, daß wir natürlich eine Neutralisierung Österreichs bei jeglichen Verhandlungen so weit als möglich verhindern sollten, am Ende würde aber eine Entscheidung darüber bei den Österreichern selbst liegen. Wenn die österreichische Regierung sich weigern würde, der NATO beizutreten, um damit die Russen zu einem Abzug aus Österreich zu bringen, so könnten die USA kaum etwas dagegen unternehmen, es sei denn, wir würden uns weigern, den Vertrag zu unterzeichnen. Natürlich können wir den Österreichern unseren Standpunkt klar zum Ausdruck bringen, unseren Willen können wir ihnen jedoch nicht aufzwingen. Auch die Briten und Franzosen können wir nicht auf unsere Seite bringen, sollten sie mit dem österreichischen Standpunkt übereinstimmen. Auf jeden Fall würde ein verbittertes Österreich sowieso nie ein verläßlicher Verbündeter der Vereinigten Staaten werden.

Admiral Radford antwortete darauf, die Vereinigten Stabschefs könnten wohl den Standpunkt von Außenminister Dulles verstehen, beharrten aber darauf, daß ein neutralisiertes Österreich uns in Europa arg schwächen würde [...].

Außenminister Dulles antwortete, er könne zwar die Wichtigkeit des Arguments der Vereinten Stabschefs nachvollziehen, es ändere sich aber nichts daran, daß Österreich letztendlich Herr seines eigenen Schicksals sei. Wir hatten nie eine rechtliche Handhabe gegen die österreichische Regierung, und jetzt, da die wirtschaftlichen Hilfsprogramme auslaufen, gehen uns auch diese Druckmittel auf die österreichische Regierung bald verloren.

Admiral Radford betonte, ihn treibe nicht allein die Sorge um ein neutralisiertes Österreich um, sondern noch viel mehr die Angst, man könnte in Deutschland plötzlich vor einer ähnlichen Situation stehen. Und ein neutralisiertes Deutschland wäre weit gefährlicher [...].

[...] Die strategische Bedeutung Österreichs leitet sich aus seiner zentralen Lage am Schnittpunkt der Vormarschstraßen nach Westeuropa und des Einfallstores der Donau in die Satellitenstaaten her. Zudem hat das Land eine weltweite psychologische Bedeutung als ein Symbol des Widerstandes gegen sowjetische Subversion. Angesichts der ausgiebigen Unterstützung des Westens im österreichischen Abwehrkampf wäre eine Kapitulation an die Sowjets eine gefährliche Niederlage der gesamten freien Welt. Zudem würde eine Schwächung von Österreichs politischer und wirtschaftlicher Stabilität im Inneren eine Stärkung des sowjetischen Infiltrations- und Subversionspotentials bedeuten, was ein ernstzunehmender Rückschlag für die Sicherheitsinteressen der U.S.A. wäre.

FRUS, Bd. VII/2. Teil, Washington 1986, S. 1909-1922.

Britisches Kabinettsmemorandum "Germany, Austria and Security Arrangements" vom 13. 11. 1953

[...] Jedem sowjetischen Vorschlag einer Neutralisierung Österreichs zum Nachteil westlicher und österreichischer Sicherheitsinteressen muß von vornherein Widerstand entgegengesetzt werden. Die österreichische Regierung hat bereits eine öffentliche Absage erteilt, an militärischen Bündnissen nach dem Vertragsabschluß teilzunehmen. Wir sollten darauf verweisen, das sollte ausreichend sein, um sowjetische Ängste zu beschwichtigen. Wenn die Österreicher auf weiteren formellen Erklärungen dieser Art bestehen, sollten die Westmächte auf Nummer sicher gehen, daß solche Erklärungen Österreich weiterhin die Freiheit geben, Assoziationen auf der Grundlage der Vereinten Nationen beizutreten. Es ist wichtig, daß eine solche Erklärung auf keinen Fall in den Anhang des Vertragswerk gelangt. Wenn es auch nicht genau deckungsgleiche Fälle sind, sollten wir zudem die möglichen Auswirkungen einer Neutralisierung Österreichs auf Deutschland und anderswo bedenken. Zudem würde es die Schwierigkeiten für den Westen nicht nur in der Entwicklung einer ausreichenden österreichischen Armee, sondern auch in den gemeinsamen Verteidigungsplanungen zwischen Österreich und dem Westen, für die Zeit nach dem Vertragsabschluß vergrößern.

PRO, CAB 129/64, C (53) 316, 13th November, 1953.

Aus den Gesprächsaufzeichnungen einer Frühstückskonferenz zwischen Präsident Eisenhower und Außenminister Dulles vor der Berliner Außenministerkonferenz am 20. 1. 1954

[...]er [Eisenhower] hatte keine Einwände gegen eine Neutralisierung Österreichs, solange diese nicht zu einer Entmilitarisierung führe. Wenn Österreich einen Status erlange, der in etwa dem der Schweiz vergleichbar sei [bewaffnete Neutralität], so wäre diese aus der militärischen Perspektive ausreichend.

Princeton University, John Foster Dulles Papers, White House Memoranda Series, Box 1, Mappe 4 der "Meetings with the President."