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28.07.1961, Außerordentliche Sitzung des SED-Politbüros


28.07.1961, Außerordentliche Sitzung des SED-Politbüros

"Maßnahmen zur Unterbindung des Menschenhandels, den der deutsche Imperialismus zur Durchsetzung seiner Politik der Vorbereitung eines Krieges betreibt".

Der deutsche Imperialismus bedient sich in seinem Haß gegen die Arbeiter- und Bauern-Macht in der DDR und zur Vorbereitung einer Aggression gegen die sozialistischen Staaten der barbarischen Methode des Menschenhandels. Sowohl bei den Dienststellen der Bonner Behörden und den Behörden des Westberliner Senats, als auch in Konzernen und Verbänden der deutschen Großfinanz sind besondere Organisationen geschaffen worden, die sich ausschließlich mit dem Menschenhandel und der Abwerbung von Bürgern der DDR befassen. Diesen Organisationen stehen große Geldmittel zur Verfügung, die zur Korruption, zum Ankauf von Menschen und zur Bezahlung von Kopfprämien für Menschenhändler verwandt werden. An diesem Menschenhandel mit all seinen barbarischen Methoden beteiligen sich das Ostbüro der SPD und die verschiedensten Spionage- und Diversionsorganisationen der imperialistischen Mächte USA, England und Frankreich.
Westberlin, das vom Territorium der DDR abgespalten wurde, weil die deutsche Großfinanz, gestützt auf die westlichen Großmächte, eine demokratische Entwicklung ganz Berlins fürchteten und deswegen verhindert haben, wird als der hauptsächlichste Stützpunkt der Menschenhandelsorganisationen benutzt.
Hinzu kommt, daß besonders die Konzernbetriebe in Westberlin eigene Menschenhandelszentralen geschaffen haben. Aus diesen Gründen müssen alle Maßnahmen, die den Menschenhandel wirksam unterbinden sollen, besonders auf den Verkehr von Bürgern der DDR und ihrer Hauptstadt mit Westberlin als Zentrum des Menschenhandels gerichtet sein.
Die herrschenden militaristischen Kreise Westdeutschlands und die Kriegsparteien in den anderen imperialistischen Ländern der NATO benutzen die barbarische Methode des Menschenhandels, um die sozialistische Ordnung in der DDR zu untergraben, ökonomisch zu schwächen und sie mit der Lüge von der "freiwilligen Republikflucht" zu diskreditieren. Gleichzeitig aber betreiben sie den Menschenhandel mit all den verwerflichen Mitteln der Kopfprämien, Drohungen und Erpressungen, um immer mehr Menschen der kapitalistischen Ausbeutung zu unterwerfen, die den Menschenhändlerorganisationen verfallenen Opfer als Streikbrecher, Lohndrücker und nicht zuletzt als williges Kanonenfutter für die alten Hitlergenerale zu benutzen.
Die imperialistischen Mächte, voran die deutschen Konzerne und Monopole, bedienen sich bei ihrem barbarischen Menschenhandel solcher Methoden, die der Charta der Vereinten Nationen und den moralischen Grundsätzen des Humanismus schroff entgegenstehen. Sie beeinträchtigen die persönliche Freiheit der Bürger der DDR durch erpresserische Methoden imperialistischer Geheimdienste, greifen mit Drohungen über die Veröffentlichung intimer und familiärer Verhältnisse in das Leben der Menschen ein, locken willensschwache und durch die kapitalistische Wolfsmoral angegriffene Menschen mit Versprechungen in die kapitalistische Barbarei, erzeugen Panik und Furcht bei politisch unreifen Menschen und scheuen nicht vor Gewaltmaßnahmen zur Entführung von Bürgern der DDR zurück.
Zur wirksamen Unterbindung dieses Menschenhandels und damit zum Schutze der Bürger der DDR und zur Sicherung des Friedens beschließt das Politbüro:
1. Beim Zentralkomitee der SED, den Bezirks- und Kreisleitungen werden Kommissionen zum Schutze der Bürger der DDR und zur Unterbindung des Menschenhandels gebildet.
Diese Kommissionen haben die Aufgabe, Maßnahmen zur Unterbindung des Menschenhandels zu ergreifen, die barbarischen Methoden des Menschenhandels als eine Waffe im Kalten Krieg öffentlich zu entlarven und die Bürger der DDR über die Barbarei des Menschenhandels aufzuklären und sie davor zu schützen.
Diese Kommissionen setzen sich unter Leitung eines Sekretärs (Politbüromitglied) aus den Vertretern der Sicherheitsorgane, eines Vertreters der Abt. Agit.-Prop und eines Vertreters des Nationalrates bzw. des Ausschusses der Nationalen Front zusammen.
2. In allen Industriebetrieben, LPG und Institutionen werden Komitees zum Kampf gegen den Menschenhandel gebildet. Ihre Aufgabe besteht in der Erziehung der Belegschaften bezw. Genossenschaftsmitglieder zur Wachsamkeit gegen Menschenhändler, im Schutze dieser Menschen vor imperialistischen Menschenhändlern, in der Entlarvung des Charakters und der Methoden des Menschenhandels, im Schutze der Belegschafts- bezw. Genossenschaftsmitglieder vor kapitalistischer Ausbeutung als Ergebnis des Menschenhandels und zum Schutze der Bürger der DDR vor der Pressung in die aggressive NATO-Armee.
Deswegen entscheiden diese Kampfkomitees gegen den Menschenhandel auch über Anträge auf Reisen nach Westdeutschland.
3. Die Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei ist durch den Minister des Innern anzuweisen, solchen Bürgern, die in Verdacht stehen, den Menschenhändlern zuzuarbeiten oder die im Begriffe sind, den Menschenhändlern ins Garn zu gehen, den Deutschen Personalausweis abzunehmen und auf den vorläufigen Personalausweis die Aufschrift "Nicht gültig für Berlin" anzubringen.
4. Der Ministerrat der DDR wird angewiesen, zum Schutze der Jugend vor Menschenhändlern eine Verordnung zu erlassen, daß [sic!] allen Jugendlichen im Alter von 18-23 Jahren (wehrfähiges Alter) untersagt, Reisen nach Berlin und Westdeutschland zu unternehmen (im einzelnen genehmigungspflichtig).
5. Um den Menschenhandel von Westberlin aus wirksam zu unterbinden, wird jeder Bürger der DDR und ihrer Hauptstadt, der ein Arbeitsverhältnis in Westberlin eingegangen ist, einer Registrierpflicht bei den Ämtern für Arbeit unterworfen (Verpflichtung mit Strafbestimmungen).
Anweisungen erteilen der Magistrat von Groß-Berlin und die Bezirksräte der Randbezirke.
6. Jeder Bürger der DDR und seiner Hauptstadt, der gegenwärtig noch in einem Arbeitsverhältnis in Westberlin steht, dessen Geld in der Währung der Notenbank West berechnet wird, wird verpflichtet, die Miete, die öffentlichen Abgaben wie Strom, Gas und Wasser, in Westgeld zu entrichten.
7. Diese Verpflichtung besteht auch, wenn 1 Familienmitglied 1. Grades den Haushalt bewohnt bezw. teilt. Bei Nichtzahlung der Miete oder Weigerung, hohe Mietschulden bis zu 3 Monaten zu tilgen, wird vom staatlichen Recht der Exmittierung Gebrauch gemacht.
8. Das Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs wird angewiesen, die Paketkontrollen zu verschärfen und Pakete solchen Inhalts, die den Menschenhandel bezwecken oder fördern, zu beschlagnahmen. Den betreffenden Bürgern ist Mitteilung zu machen.
9. Die Fahrten (Besichtigungsfahrten oder Delegationen) von Bürgern Westberlins in die DDR sind stärker zu kontrollieren. Bei Fahrgenehmigungen haben die Bürger Westberlins einen Genehmigungsbetrag von DM 5,- West zu entrichten.
10. Alle diese Maßnahmen und die Begründung dieser Maßnahmen sind in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der Parteiorganisationen zu beraten und die entsprechenden Beschlüsse für den Bereich der Grundorganisationen zu fassen.
11. Die im Anhang vorgeschlagenen und z.T. schon verwirklichten Maßnahmen des Ministeriums des Innern werden bestätigt.

(Anlage 5 zum Protokoll der außerordentlichen Sitzung des SED-Politbüros am 28.7.1961, im Umlauf am 3.8.1961 bestätigt. SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2/780)