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22.11.1947, Memorandum des britischen Außenministers Ernest Bevin zur “Wirtschaftlichen Einheit Deutschlands”, streng geheim

 

22.11.1947, Memorandum des britischen Außenministers Ernest Bevin zur Wirtschaftlichen Einheit Deutschlands, streng geheim

 

1. »Wirtschaftseinheit« kann überhaupt nur sinnvoll sein, wenn bestimmte politische Garantien hinzukommen und alle Besatzungsmächte den ehrlichen Willen haben, wirklich zusammenzuarbeiten und nationale Interessen hinter der gemeinsamen Sache zurückzustellen [...]
8. Ich befürchte, so wie die Dinge im Moment aussehen, können wir nicht ernsthaft hoffen, daß die Russen wirklich mit uns zusammenarbeiten, wenn es zu einer Wirtschaftseinheit kommen sollte. Im Gegenteil, wir können praktisch sicher sein, daß sie die neue Situation ausnutzen würden, um ihre Ziele in Deutschland zu erreichen, nämlich ihre Position im Westen zu verstärken und den übrigen Besatzungsmächten das Leben so schwer wie möglich zu machen. Es gibt auch keinen Grund zu der Annahme, daß die Russen, selbst wenn sie vorgeben, die politischen Bedingungen, Bewegungsfreiheit in ihrer Zone etc. zu akzeptieren, diese auch einhalten. Sie würden alle Anstrengungen darauf konzentrieren, ihr Hauptziel zu erreichen, nämlich die politische und wirtschaftliche Penetration des Ruhrgebietes, während sie weiter dafür sorgen würden, daß ihnen in ihrer eigenen Zone niemand in die Quere kommen könnte.
9. [...] Es würde daher nicht in unserem Interesse liegen, käme es auf der bevorstehenden Außenministerkonferenz zu einer Einigung über die »Wirtschaftseinheit«. Bei den bekannten Vorstellungen der Russen würde uns die Fortsetzung des Status quo oder gar eine Verschärfung der gegenwärtigen Spaltung zwischen Ost und West (vorausgesetzt, dies führt nicht dazu, daß wir Berlin aufgeben müssen) besser in den Kram passen als die Errichtung einer Pseudo-»Wirtschaftseinheit«.
10. [... ] Auf jeden Fall ist die wirtschaftliche Spaltung Deutschlands politisch weniger gefährlich als eine deutsche Einheit, die es den Russen erlaubt, nicht nur auf die Wirtschaft, sondern auch auf Verwaltung und Politik Einfluß zu nehmen und sie zu untergraben.
Westdeutschland sollte seine Waren nach Rußland und Polen exportieren, um dafür von dort Lebensmittel zu erhalten – und nicht etwa in die Länder des Westens, wo es unser Konkurrent werden würde. Dieser Handel sollte ermöglicht werden, selbst wenn es keine deutsche Wirtschaftseinheit gibt; und da nach Lage der Dinge die Anglo-Amerikaner Westdeutschland besser kontrollieren können als ein vereintes Deutschland, sollten wir daher auch eher dafür sorgen können, die deutschen Exporte so zu lenken, daß es zu keinem Wettbewerb mit britischen Waren kommt.
12. [...] Wenn wir die Pläne der Russen akzeptieren, führt dies nicht zur Einheit, sondern zu wachsendem Einfluß der Russen und zunehmender wirtschaftlicher und politischer Zerrüttung Deutschlands [...]

(Public Record Office, London, CAB 134/599)