03.06.1946, Aufzeichnung von Sir Oliver Harvey für Ernest Bevin

Ich wäre Ihnen für Hinweise dankbar, wie ich mich in folgender Angelegenheit verhalten soll.
Am Donnerstag findet unter meinem Vorsitz ein Treffen im Foreign Office statt, an dem General Robertson, Sir William Strang, Sir P. Mills, Vertreter des Kontrollamtes, des Schatzamtes sowie der Stabschefs teilnehmen und auf dem es um die Grenzen des neuen Landes an der Ruhr geht. Uns liegt sehr daran, daß das neue Land so schnell wie möglich gegründet wird, damit eine Landesregierung gebildet werden kann und wir vorbereitet sind, wenn es zu einer wie auch immer gearteten Vereinbarung über eine langfristige internationale Kontrolle der Ruhr kommt.
Es gibt zwei Denkschulen.
Der französische Plan sieht den kleinstmöglichen Ruhrstaat vor, der nur das Industriegebiet umfaßt. In unserem Plan haben wir einen geringfügig größeren Ruhrstaat vorgeschlagen, der das Gebiet westlich des Rheins bis zur holländischen Grenze umfaßt, um etwas mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Grundsätzlich besteht kein großer Unterschied zwischen diesen beiden Plänen, und die Franzosen würden beide akzeptieren.
Auf der anderen Seite ist die Kontrollkommission in Berlin dafür, wenn ich das richtig sehe, das Ruhrgebiet in ein sehr viel größeres Land zu integrieren, das aus ganz Westfalen und der Nordrheinprovinz besteht. Dieses neue Gebiet wäre eine von drei großen Provinzen oder Ländern in der britischen Zone, die am Ende Bundesländer in einem föderalistisch organisierten Deutschland wären. Die Argumente für ein großes bzw. kleines Land, werden in der als Anlage C beiliegenden Aufzeichnung von Mr. Burrows zusammengefaßt - es ist die am Rand rot angestrichene Passage.
Ich persönlich bezweifle, ob es politisch klug ist, das Ruhrgebiet in ein großes Land zu integrieren, wie auch immer die militärischen und verwaltungstechnischen Gründe dafür lauten. Ich meine, wir sollten den besonderen Charakter des Ruhrgebietes auch durch eine besondere Regelung ausschließlich für dieses Gebiet kennzeichnen. Falls es zu einer internationalen Kontrolle kommt, was wir hoffen, dann gilt, je kleiner das zu kontrollierende Gebiet, um so besser. Ich meine auch, daß, wenn wir uns auf das eigentliche Ruhrgebiet konzentrieren, unsere Entscheidung bei unseren Alliierten weniger Verdacht erregen und auch nicht so aussehen wird, als ob wir in Westdeutschland ein neues Preußen aufbauen wollten.
Es gibt vielleicht eine dritte Möglichkeit, nämlich das Ruhrgebiet nur zu einem Bezirk innerhalb des Landes zu machen, aber das würde in gewisser Weise im Widerspruch zu Ihrer Idee stehen, das Ruhrgebiet zu einem eigenen Land zu machen.
Es ist klar, daß ich mir als Vorsitzender des Treffens die Argumente der Männer vor Ort anhören muß, aber deren Meinung ist notwendigerweise nur eine Teilansicht. Bei der Ruhr geht es um mehr als nur Verwaltung und Politik in Deutschland.
Vielleicht haben Sie einen Moment Zeit, um mit mir über diese Sache zu sprechen?