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11.03.1946, Die Zukunft Deutschlands und der Ruhr". Memorandum von Ernest Bevin für den Kabinettsausschuß "Deutsche Industrie"

 

11.03.1946, "Die Zukunft Deutschlands und der Ruhr". Memorandum von Ernest Bevin für den Kabinettsausschuß "Deutsche Industrie"

 

Zusammenfassung
Ich muß meinen Kollegen eine Reihe von Problemen vorlegen, die weitreichende Fragen aufwerfen. Die Antworten sind nicht leicht, und doch müssen sie gefunden werden. Sie können nicht ewig aufgeschoben werden. Die französische Regierung drängt auf eine schnelle Antwort auf ihre Vorschläge für die Ruhr und das Rheinland, und sie hat jetzt eine Viermächtekonferenz angeregt, auf der diese Vorschläge beraten werden sollen. Zudem erwartet sie vorab eine Entscheidung im Hinblick auf die Saar. [... ]

2. Ich bitte daher meine Kollegen um ihre Meinung, welchen Kurs ich in den bevorstehenden Verhandlungen mit den Regierungen Frankreichs, der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion verfolgen soll. Um die Beratungen und Entscheidungen zu erleichtern, habe ich folgende Arbeitsthesen formuliert, die, so meine ich, sämtliche Fragen abdecken.
(1) Die Ruhr: Liegt es im britischen und allgemeinen Interesse, daß dieses Gebiet mit seiner Industrie und seinen Bodenschätzen wirtschaftlich gesunden und zu einem positiven Element beim Wiederaufbau Europas werden soll?
(2) Wenn die Antwort ja lautet, wie läßt sich das am besten verwirklichen? Indem
(a) die Industrie so lange unter britischer Kontrolle bleibt, wie die Besetzung der britischen Zone andauert, um sie dann der deutschen Regierung zu übergeben – mit oder ohne bestimmte Sicherungen;
(b) Besitz und Kontrolle der Ruhrindustrie internationalisiert werden, das Gebiet am Ende aber an Deutschland zurückgegeben wird;
(c) Besitz und Kontrolle der Ruhrindustrie internationalisiert werden – das Gebiet aber gleichzeitig von Deutschland abgetrennt und daraus ein eigener Staat unter internationaler Kontrolle gemacht wird.
(3) Was 2 (a) betrifft, so stellt sich die Frage, wie lange wir noch in der Lage sind, die militärische Besetzung unserer Zone und die Ernährung der Deutschen dort fortzusetzen. Wenn die Aussichten in diesem Punkt schlecht sind, sollten wir dann nicht auf die frühzeitige Bildung einer deutschen Zentralregierung hinarbeiten, die für ganz Deutschland, einschließlich der Ruhr, verantwortlich ist?
(4) Wenn entschieden wird, das Ruhrgebiet bei Deutschland und unter deutscher Oberhoheit zu lassen, können wir dann damit rechnen, daß Amerikaner und Sowjets ihre Zustimmung geben für eine Anhebung des Industrieniveaus für ganz Deutschland über das hinaus, was sie als notwendig für ihre Sicherheit erachten, d. h. Änderung der in Potsdam getroffenen Entscheidung? Können wir darauf hoffen, zu einer Vereinbarung für eine positive und nicht lediglich negative und obstruktive Politik im Hinblick auf eine Ruhr zu kommen, die in deutschem Besitz bleibt?
(5) Was 2 (b) betrifft: Kann die Ruhrindustrie erfolgreich arbeiten, wenn Besitz und Kontrolle internationalisiert sind, das Land aber deutsch bleibt und von einer deutschen Regierung verwaltet wird? Inwieweit müssen wir dabei damit rechnen, daß die Regierung in Berlin kommunistisch ist oder von den Sowjets kontrolliert wird? Würden damit die Risiken größer, wenn die Ruhrindustrie bei Deutschland bliebe, selbst wenn dann eher damit zu rechnen wäre, daß die Sowjets einer Verbesserung des Lebensstandards dort zustimmen würden?
(6) Was 2 (c) betrifft: Nehmen wir einmal an, unsere Forderungen könnten nur durch die Abtrennung des Ruhrgebietes von Deutschland erfüllt werden - würde eine internationale Verwaltung funktionieren? Könnten wir sicher sein, daß langfristig die politische und wirtschaftliche Situation für uns oder für die Deutschen dadurch nicht schlechter würde als bei Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes, wo wir so lange allein für die britische Zone verantwortlich sind, wie wir dort Besatzungsmacht sind?
(7) Die Saar: Sollen wir die Forderung Frankreichs unterstützen, die Bergwerke wieder in französischen Besitz übergehen zu lassen und das Gebiet selbst der französischen Zollunion anzuschließen, unbeschadet der endgültigen Entscheidung für die Ruhr und das Rheinland? Dies würde die französische Wirtschaft stärken und Frankreichs Sicherheitsgefühl steigern.
(8) Sollen wir den französischen Vorschlag unterstützen, das gesamte deutsche Gebiet westlich des Rheins in einen unabhängigen Staat umzuwandeln? Falls das Ruhrgebiet von Deutschland abgetrennt und internationalisiert wird, spräche mehr dafür, das Gebiet auf dem linksrheinischen Ufer abzutrennen. Sollten wir uns in jedem Fall gegen eine dauernde militärische Besetzung dieses Gebietes durch französische, belgische, luxemburgische und holländische Truppen aussprechen?
(9) Sollen wir dem Vorschlag von Mr. Byrnes für einen Viermächte-Vertrag zur Entmilitarisierung Deutschlands zustimmen, der nach dem Ende der alliierten Besatzung ein Viermächte-Kontrollsystem vorsieht? Sollen wir im Vertrag Vorsorge dafür treffen, daß bestimmte Schlüsselgebiete in Deutschland auch weiter auf Dauer von den vier beteiligten Mächten besetzt bleiben können und daß eine eventuelle Regelung für die Ruhr mit berücksichtigt wird?


I. DIE LAGE IN OSTEUROPA
[...]
II. WESTDEUTSCHLAND
(siehe Karte 1)

III. DIE ZUKUNFT DES RUHRGEBIETES
[...]

12. Angesichts dieser Situation ist klar, welche Bedeutung der Zukunft des Ruhrgebietes zukommt. Die Bodenschätze dort können nicht zerstört werden, die gut ausgebildete Bevölkerung muß leben können, aber von dem, was produziert wird, darf keine Gefahr mehr ausgehen. Ich habe eine Lösung des Problems darin gesehen zu versuchen, Europa die Angst vor der Ruhr dadurch zu nehmen, daß die Industrien in ein gemeinwirtschaftliches Unternehmen überführt werden sollten, das von einer internationalen Behörde kontrolliert werden sollte. Ich wollte damit sicherstellen, daß in diesem Gebiet keine Rüstungsgüter mehr produziert würden, sondern ganz Europa mit dringend benötigten Gütern für die Friedenswirtschaft versorgt würde, wobei die Produktion mit den entsprechenden Industrien der beteiligten Länder abgestimmt werden sollte. Ich habe daher vorgeschlagen, das Eigentum an den Schlüsselindustrien einer internationalen Gesellschaft zu übertragen; die Besitzanteile sollten dabei nicht von Privatleuten, sondern von Regierungen gehalten werden. Meine Absicht war es auch, die Produktion im Ruhrgebiet auf Halbfertigwaren zu beschränken, die Weiterverarbeitung sollte dann woanders in Europa stattfinden. Um die Zustimmung Rußlands zu diesem Plan zu bekommen, habe ich vorgehabt, Rußland von Anfang an zu beteiligen.

(2) Wenn die Antwort ja lautet, wie läßt sich das am besten verwirklichen? Indem
(a) die Industrie so lange unter britischer Kontrolle bleibt, wie die Besetzung der britischen Zone andauert, um sie dann der deutschen Regierung zu übergeben – mit oder ohne bestimmte Sicherungen;
(b) Besitz und Kontrolle der Ruhrindustrie internationalisiert werden, das Gebiet am Ende aber an Deutschland zurückgegeben wird;
(c) Besitz und Kontrolle der Ruhrindustrie internationalisiert werden – das Gebiet aber gleichzeitig von Deutschland abgetrennt und daraus ein eigener Staat unter internationaler Kontrolle gemacht wird.
(3) Was 2 (a) betrifft, so stellt sich die Frage, wie lange wir noch in der Lage sind, die militärische Besetzung unserer Zone und die Ernährung der Deutschen dort fortzusetzen. Wenn die Aussichten in diesem Punkt schlecht sind, sollten wir dann nicht auf die frühzeitige Bildung einer deutschen Zentralregierung hinarbeiten, die für ganz Deutschland, einschließlich der Ruhr, verantwortlich ist?
(4) Wenn entschieden wird, das Ruhrgebiet bei Deutschland und unter deutscher Oberhoheit zu lassen, können wir dann damit rechnen, daß Amerikaner und Sowjets ihre Zustimmung geben für eine Anhebung des Industrieniveaus für ganz Deutschland über das hinaus, was sie als notwendig für ihre Sicherheit erachten, d. h. Änderung der in Potsdam getroffenen Entscheidung? Können wir darauf hoffen, zu einer Vereinbarung für eine positive und nicht lediglich negative und obstruktive Politik im Hinblick auf eine Ruhr zu kommen, die in deutschem Besitz bleibt?
(5) Was 2 (b) betrifft: Kann die Ruhrindustrie erfolgreich arbeiten, wenn Besitz und Kontrolle internationalisiert sind, das Land aber deutsch bleibt und von einer deutschen Regierung verwaltet wird? Inwieweit müssen wir dabei damit rechnen, daß die Regierung in Berlin kommunistisch ist oder von den Sowjets kontrolliert wird? Würden damit die Risiken größer, wenn die Ruhrindustrie bei Deutschland bliebe, selbst wenn dann eher damit zu rechnen wäre, daß die Sowjets einer Verbesserung des Lebensstandards dort zustimmen würden?
(6) Was 2 (c) betrifft: Nehmen wir einmal an, unsere Forderungen könnten nur durch die Abtrennung des Ruhrgebietes von Deutschland erfüllt werden – würde eine internationale Verwaltung funktionieren? Könnten wir sicher sein, daß langfristig die politische und wirtschaftliche Situation für uns oder für die Deutschen dadurch nicht schlechter würde als bei Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes, wo wir so lange allein für die britische Zone verantwortlich sind, wie wir dort Besatzungsmacht sind?
(7) Die Saar: Sollen wir die Forderung Frankreichs unterstützen, die Bergwerke wieder in französischen Besitz übergehen zu lassen und das Gebiet selbst der französischen Zollunion anzuschließen, unbeschadet der endgültigen Entscheidung für die Ruhr und das Rheinland? Dies würde die französische Wirtschaft stärken und Frankreichs Sicherheitsgefühl steigern.
(8) Sollen wir den französischen Vorschlag unterstützen, das gesamte deutsche Gebiet westlich des Rheins in einen unabhängigen Staat umzuwandeln? Falls das Ruhrgebiet von Deutschland abgetrennt und internationalisiert wird, spräche mehr dafür, das Gebiet auf dem linksrheinischen Ufer abzutrennen. Sollten wir uns in jedem Fall gegen eine dauernde militärische Besetzung dieses Gebietes durch französische, belgische, luxemburgische und holländische Truppen aussprechen?
(9) Sollen wir dem Vorschlag von Mr. Byrnes für einen Viermächte-Vertrag zur Entmilitarisierung Deutschlands zustimmen, der nach dem Ende der alliierten Besatzung ein Viermächte-Kontrollsystem vorsieht? Sollen wir im Vertrag Vorsorge dafür treffen, daß bestimmte Schlüsselgebiete in Deutschland auch weiter auf Dauer von den vier beteiligten Mächten besetzt bleiben können und daß eine eventuelle Regelung für die Ruhr mit berücksichtigt wird?


I. DIE LAGE IN OSTEUROPA
[...]
II. WESTDEUTSCHLAND
(siehe Karte 1)3
[...]
III. DIE ZUKUNFT DES RUHRGEBIETES

12. Angesichts dieser Situation ist klar, welche Bedeutung der Zukunft des Ruhrgebietes zukommt. Die Bodenschätze dort können nicht zerstört werden, die gut ausgebildete Bevölkerung muß leben können, aber von dem, was produziert wird, darf keine Gefahr mehr ausgehen. Ich habe eine Lösung des Problems darin gesehen zu versuchen, Europa die Angst vor der Ruhr dadurch zu nehmen, daß die Industrien in ein gemeinwirtschaftliches Unternehmen überführt werden sollten, das von einer internationalen Behörde kontrolliert werden sollte. Ich wollte damit sicherstellen, daß in diesem Gebiet keine Rüstungsgüter mehr produziert würden, sondern ganz Europa mit dringend benötigten Gütern für die Friedenswirtschaft versorgt würde, wobei die Produktion mit den entsprechenden Industrien der beteiligten Länder abgestimmt werden sollte. Ich habe daher vorgeschlagen, das Eigentum an den Schlüsselindustrien einer internationalen Gesellschaft zu übertragen; die Besitzanteile sollten dabei nicht von Privatleuten, sondern von Regierungen gehalten werden. Meine Absicht war es auch, die Produktion im Ruhrgebiet auf Halbfertigwaren zu beschränken, die Weiterverarbeitung sollte dann woanders in Europa stattfinden. Um die Zustimmung Rußlands zu diesem Plan zu bekommen, habe ich vorgehabt, Rußland von Anfang an zu beteiligen.

Der E. I. P. S.-Plan
13. Ich habe daher E. I. P. S. beauftragt, entsprechend diesen Überlegungen einen Plan auszuarbeiten, bei dem das Gebiet, um das es geht, bei Deutschland verbleibt, aber auf unbestimmte Zeit von einer internationalen Truppe besetzt wird.
14. Der Plan, den E. I. P. S. ausgearbeitet hat, ist als Annex A beigelegt. Allgemein gesagt sieht er vor, wirtschaftliche Kontrolle durch Besitz oder Teilbesitz von ganz bestimmten Unternehmen auszuüben. Er geht davon aus, daß der in Potsdam festgelegte Reparationsplan durchgeführt wird, daß ganz Deutschland für mindestens fünf weitere Jahre besetzt bleibt, und daß das Gebiet, in dem die Schlüsselindustrien liegen, um die es geht, von einer internationalen Streitmacht auf Dauer besetzt wird. Er geht auch davon aus, daß die Sowjets an der Kontrolle teilnehmen. Bei dem vorgeschlagenen Gebiet handelt es sich um den nördlichen Teil der Rheinprovinz und den südlichen Teil Westfalens. Der Plan sieht auch vor, daß unter gewissen Umständen zur Abrundung der Kontrolle bestimmte Unternehmen außerhalb dieses Gebietes übernommen werden können.
15. Bei den Industrieunternehmen handelt es sich um die wichtigsten Kohle- und Stahlkonzerne, einschließlich der Hermann Göring Werke in Salzgitter (außerhalb dieses Gebietes), sowie um Chemie-, Maschinenbau- und öffentliche Versorgungsunternehmen. Die Besitzanteile an diesen Unternehmen würden einer internationalen Holdinggesellschaft übertragen, das Stimmrecht würde bei den beteiligten Mächten liegen.[...]

Der französische Plan (siehe Karte 2)

21. Die französische Regierung hat sich ebenfalls Gedanken über das Ruhrproblem gemacht. Schon im August 1944 hat M. Massigli Mr. Eden den Wunsch seiner Regierung unterbreitet, das Rheinisch-Westfälische Industriegebiet auf Dauer zu besetzen, ein besonderes politisches Regime dort zu installieren und seine Wirtschaft nach Westen auszurichten. Auf der Außenministerkonferenz in London im September 1945 hat M. Bidault ein Memorandum vorgelegt, in dem es hieß, „die endgültige Abtrennung dieses Gebietes, einschließlich des Ruhrgebietes, von Deutschland ist unerläßlich für den Schutz der französischen Grenze und eine wesentliche Voraussetzung für die Sicherheit Europas und der Welt." Die Konferenz beschloß, die in dem französischen Memorandum aufgeworfenen Fragen in Sondierungsgesprächen auf diplomatischem Wege abzuklären und dann zur weiteren Beratung und Beschlußfassung dem Rat der Außenminister vorzulegen.
22. Kurz nach der Londoner Konferenz sind französische Experten nach London gekommen, um die französischen Vorschläge zu erläutern. Der Abschlußbericht über diese Gespräche ist als Annex B beigelegt. Die Franzosen haben inzwischen auch Gespräche mit den Regierungen der USA, der Sowjetunion, Belgiens und der Niederlande geführt, aber deren Haltung ist uns noch nicht mitgeteilt worden. Wie zu sehen ist, geht es den Franzosen bei ihren Vorschlägen um zukünftige Sicherheit. Sie vertreten die Ansicht, daß die Deutschen außerordentlich unzufrieden sein werden mit der endgültigen Friedensregelung, weil darin der Verlust der Ostgebiete festgeschrieben wird, und nur durch die Abtrennung von Ruhrgebiet und Rheinland könnten sie mit Erfolg an einer erneuten Aggression gehindert werden. Die Franzosen versuchen nicht, ihre Vorschläge mit wirtschaftlichen Überlegungen zu begründen; aus ihrer Sicht sprechen allerdings keine wirtschaftlichen Gründe gegen ihre Vorschläge. Sie behaupten, daß nur so die großen Ressourcen des Ruhrgebietes gefahrlos zum allgemeinen Wohl genutzt werden können. Die Franzosen geben jedoch offen zu, daß es sehr gefährlich wäre, ein neues Regime im Ruhrgebiet zu errichten und dies dann irgendwann später aufgrund von Meinungsverschiedenheiten unter den Kontrollmächten oder aus anderen Gründen wieder aufzugeben.

(a) Das Ruhrgebiet
23. Der französische Plan sieht die vollständige und dauerhafte Abtrennung der Gebiete westlich des Rheins und des Ruhrgebietes von Deutschland vor. Das Ruhrgebiet würde als separate politische Einheit mit etwa 5 Mio. Einwohnern organisiert, die politisch und wirtschaftlich einem internationalen Regime unterworfen ist. Die vier Besatzungsmächte in Deutschland würden dieses Regime errichten, Belgien, Luxemburg und Holland würden später aufgefordert, sich zu beteiligen. Während die einheimische Bevölkerung auf kommunaler Ebene wählen kann, später möglicherweise auch an der Regierung beteiligt wird, würde diese Regierung selbst in den Händen einer Regierungskommission liegen, deren neun Mitglieder durch Mehrheitsbeschluß der direkt betroffenen Mächte bestimmt würden. Nach der Ernennung würden die Mitglieder nicht als Vertreter von Regierungen, sondern gemeinsam als internationales Gremium agieren. Die Kommission wäre die mit allen Vollmachten ausgestattete Regierung und würde Gendarmerie und Polizei aufbauen. Zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung würde eine von den direkt beteiligten Staaten aufgestellte und von der Ruhr finanzierte Truppe von 50 000 Mann unter der Befehlsgewalt der Regierungskommission auf Dauer im Ruhrterritorium stationiert. Die Signatarstaaten würden für die Aufrechterhaltung des Regimes verantwortlich sein und die territoriale Integrität des Gebietes in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der UNO garantieren.
24. Die Industriekonzerne würden von internationalen Gesellschaften übernommen, die Besitzanteile an die beteiligten Mächte übergehen, die auch so weit wie nötig Kapital zur Verfügung stellen würden; die Gewinne würden unter den Alliierten aufgeteilt oder als Reparationen verwendet. Im Ruhrgebiet wie auch in Rest-Deutschland würde die Rüstungsindustrie völlig abgebaut, Eisen- und Maschinenbauindustrie stark reduziert, die Kohleförderung dagegen erhöht. Stahlproduktion und Kohleförderung sollten eng mit jener Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs abgestimmt werden. Es würde eine neue Währung mit einer eigenen Notenbank geben. Es würden keine besonderen Zollschranken um dieses Ruhrterritorium errichtet; der Export von Ruhrprodukten nach Deutschland wäre erlaubt.

(b) Das Rheinland
25. Das Rheinland, d. h. das deutsche Gebiet westlich des Rheins, würde ebenfalls vollständig und endgültig von Deutschland abgetrennt werden. Es würden dort ein, zwei oder drei neue Staaten entstehen mit einem hohem Maß an Unabhängigkeit, allerdings mit einer Ausnahme: es würden dort auf Dauer alliierte Truppen stationiert werden.
26. Frankreich würde, gemeinsam mit Belgien und Luxemburg, die militärische Besetzung des Gebietes auf dem linken Rheinufer bis einschließlich Köln übernehmen. Weiter nördlich wäre das dann eher eine Angelegenheit für Belgien, Holland und das Vereinigte Königreich, falls wir uns beteiligen wollen.
27. Nach Auffassung der Franzosen darf Deutschland niemals mehr in die Lage versetzt werden, das Rheinland, wie in der Vergangenheit geschehen, als Sprungbrett für einen Angriff gegen Frankreich zu benutzen, und dies kann ihrer Meinung nach nur erreicht werden durch die dauernde Stationierung von Truppen – falls möglich unter Beteiligung der übrigen Westmächte – entlang dem gesamten rechten Rheinufer.

(c) Das Saarland
28. [... ]
32. Wenn die Franzosen heute diese Forderungen stellen, so muß das im Zusammenhang mit den bitteren Erfahrungen gesehen werden, die sie in der Vergangenheit gemacht haben. Für sie ist eine Lösung dieser Frage in ihrem Sinne Dreh- und Angelpunkt ihrer Politik. Falls wir ihre Forderungen zurückweisen oder sie so verwässern, daß ihrer Meinung nach ihr Sicherheitsbedürfnis nicht befriedigt wird, können wir die Hoffnung fast aufgeben, enge Beziehungen mit den Franzosen aufrechtzuerhalten und Einfluß auf sie auszuüben. Sie werden sich ihre Sicherheit woanders holen, wahrscheinlich in Moskau. [... ]
33. Was die französischen Vorschläge betrifft, so kann man sagen, sie sind völlig klar und in sich logisch und haben den Vorzug, daß damit das Problem endgültig gelöst würde und daß sie ohne jene Kompromisse sind, die sich beim Versailler Vertrag als so erfolglos erwiesen haben. Wenn der Plan funktioniert, was die Franzosen glauben, dann würde das ohne Zweifel die absolute Sicherheit gegen eine erneute deutsche Aggression sein.
34. Auf der anderen Seite sind mit dem französischen Plan zahlreiche Schwierigkeiten verbunden. Die Tatsache, daß die Regierungskommission ausländischen Mächten und nicht der Bevölkerung gegenüber verantwortlich ist, läßt sich nur schwer mit den politischen Prinzipien vereinbaren, für die wir stehen und die wir gerade den Deutschen beizubringen versuchen. Alle deutschen Parteien und Gewerkschaften würden eine politische Abtrennung erbittert bekämpfen, und sie würden von deutschen Sympathisanten im Ausland dabei Unterstützung erhalten. Es ist leicht vorstellbar, daß die Kontrollmächte angesichts solchen Widerstandes im Laufe der Zeit nicht mehr die notwendige Entschlossenheit aufbringen, um die Abtrennung aufrechtzuerhalten.
35. Mit dem Plan sind auch erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten verbunden. Obwohl die Franzosen das Gegenteil behaupten, sind unsere Wirtschaftsexperten der Meinung, daß die Errichtung einer Verwaltungsgrenze zwischen dem Ruhrgebiet und dem übrigen Deutschland für beide Gebiete wirtschaftlich katastrophale Folgen haben und in Krisenzeiten die Kontrollmächte zwingen wird, für die Bevölkerung im Ruhrgebiet Hilfsmaßnahmen zu organisieren.

Industrieniveau für Deutschland und unsere Sicherheit

36. Beide Pläne, der E. I. P. S.-Plan, bei dem das Ruhrgebiet bei Deutschland bleibt, und der französische Plan, bei dem es von Deutschland abgetrennt werden soll, müssen im Lichte der z. Zt. laufenden Beratungen über das künftige Industrieniveau in Deutschland gesehen werden. Die Verhandlungen darüber in Berlin sind in eine Sackgasse geraten; beide, Russen und Amerikaner, versuchen, ein Industrieniveau für Deutschland festzulegen, das so niedrig ist, daß dies unserer Meinung nach verhängnisvoll sein wird für die deutsche Wirtschaft, da die Importe nicht mehr mit den Exporten ausgeglichen werden können.
37. Ich wollte das Ruhrgebiet zu einem positiven Element des Wiederaufbaues und der Zusammenarbeit in Europa machen, indem dort unter internationaler Kontrolle die für die Friedenswirtschaft in Europa notwendigen Dinge produziert werden sollten. Ich habe nicht an die Errichtung einer internationalen Gesellschaft gedacht, um damit im negativen Sinne die Produktion zu behindern und alles zu kontrollieren. Wenn allerdings der Ruhr kein Industrieniveau zugestanden wird, das erheblich über dem liegt, was jetzt für das übrige Deutschland vorgeschlagen wird, dann sehen die Aussichten für eine erfolgreiche Arbeit der Dachgesellschaft alles andere als rosig aus. Die französischen Vorschläge sehen keine Änderung des Industrieniveaus für das Ruhrgebiet vor, und damit wäre das Gebiet, für das die Alliierten die Verantwortung übernehmen sollen, von Beginn an bankrott.
38. Für den Erfolg eines jeden Plans ist es daher meiner Meinung nach absolut notwendig, dem Ruhrgebiet - ob als Teil Deutschlands oder als separatem Staat – eine höhere Industrieproduktion als dem übrigen Deutschland zuzugestehen.
39. Wenn diese Auffassung akzeptiert wird, stellt sich die Frage, ob wir das, was wir brauchen, eher erreichen, wenn wir vorschlagen, das Ruhrgebiet von Deutschland abzutrennen und einer internationalen Regierung zu unterstellen, oder es bei Deutschland in der Verfügungsgewalt einer deutschen Regierung zu lassen. Wie schon oben gesagt, geht der E. I. P. S.-Plan von einer Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung aus, dem deutschen Management werden nur geringe Beschränkungen auferlegt, und tatsächlich hängt sein Erfolg vom guten Willen der Deutschen ab. Offen gesagt, erscheint es hoffnungslos zu erwarten, daß die Sowjets und die Vereinigten Staaten ihren starken Widerstand gegen ein höheres Industrieniveau aufgeben würden zugunsten eines Plans für das Ruhrgebiet, der den deutschen Unternehmen so große Freiheiten läßt.
40. Wenn ein angemessenes Industrieniveau eine Bedingung für den Erfolg des Plans ist, so besteht die andere in der Sicherheit gegenüber Versuchen der Deutschen, zu intervenieren und die Kontrolle zurückzugewinnen. Bei diesem Punkt muß zugegeben werden, daß der französische Plan einer völligen Abtrennung größere Sicherheit bietet als der E. I. P. S.-Plan. Über die wirtschaftlichen Aspekte des französischen Plans müßte offensichtlich noch einmal nachgedacht werden.
41. Es ist an sich nichts Unmögliches dabei, das Gebiet unter fremde Oberhoheit zu stellen. Die Saar unterstand so viele Jahre der Aufsicht des Völkerbundes. [...]
42. Falls die Abtrennung beschlossen würde, wird vorgeschlagen, daß das in Frage kommende Gebiet größer sein sollte als das im französischen Plan vorgeschlagene engere Ruhrgebiet; es sollte um das Gebiet westlich des Rheins bis zur holländischen Grenze erweitert werden. Dies würde die Verwaltung enorm erleichtern. Aus diesem ganzen Gebiet könnte ein separater Staat gebildet werden, mit lokaler Selbstverwaltung unter einem von der UNO ernannten Regierungskommissar oder einer Regierungskommission [...]