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02.09.1944, Auszug aus dem Memorandum des Economic and Industrial Planning Staff über die Nachteile einer Zerstückelung Deutschlands

 

02.09.1944, Auszug aus dem Memorandum des "Economic and Industrial Planning Staff" über die Nachteile einer Zerstückelung Deutschlands

 

Unsere Schlußfolgerungen können demnach wie folgt zusammengefaßt werden:
1. Eine politische Zerstückelung Deutschlands würde seine Wirtschaftskraft im Landesinnern schwächen. Sie würde anfangs große Störungen verursachen und sehr schwere Probleme heraufbeschwören, insbesondere auf den Gebieten Verwaltung, Finanzwirtschaft und Eigentum.
2. Eine solche Aufteilung würde die wirtschaftliche Sicherheit insofern erhöhen, als sie die neuen Staaten mehr von nicht-deutschen Ländern abhängig machen würde. Andererseits könnte es sich schwierig gestalten, die Produktion gewisser strategisch wichtiger Industriezweige direkt zu beschränken, da so der Lebensstandard der neuen Staaten bis zu einem Punkt absinken dürfte, an dem ihre weitere Unabhängigkeit in Gefahr geriete.
3. Eine Zerstückelung würde Deutschlands Leistungsfähigkeit in bezug auf Reparationen reduzieren.
4. Sie würde bewirken, daß der Handel zwischen den drei neuen Staaten untereinander sinkt und ihr Handel mit nicht-deutschen Ländern wächst.
5. Eine Zerstückelung würde eine Verarmung Deutschlands zur Folge haben, die Erholung der ganzen Welt von den Kriegsschäden verlangsamen, und somit auf lange Sicht auch den britischen Wirtschaftsinteressen schaden.
6. Wir möchten hinsichtlich des Zeitpunktes des politischen Akts der Aufteilung keine Empfehlung geben, aber auf die Notwendigkeit hinweisen, einige Organe der zentralen Wirtschaftsverwaltung in Deutschland für eine bestimmte Zeit nach der Beendigung der Feindseligkeiten bestehen zu lassen.
7. Eine Zerstückelung würde die Belastung der alliierten Regierungen mit der Kontrolle und Überwachung der Wirtschaft erheblich anwachsen lassen.
Um zu diesen Schlußfolgerungen zu gelangen, mußten wir voraussetzen, daß den neuen Staaten im Interesse einer wirklich erfolgreichen Aufteilung nicht erlaubt sein darf, Vorzugszölle oder andere Regelungen in Anspruch zu nehmen, die speziell darauf ausgerichtet sind, ihre Handels- oder Finanzbeziehungen untereinander zu fördern. Die Durchsetzung solcher Verbote würde jedoch gerade zu Beginn sehr schwierig sein, wenn ihre Umgehung durch starke wirtschaftliche Anreize herausgefordert würde. Selbst wenn sie durchgesetzt werden könnten, bleiben wir doch bei unserer allgemeinen Überzeugung, daß die wirtschaftlichen Nachteile einer Zerstückelung sehr groß sein würden. Obschon wir einsehen, daß politische und strategische Argumente für eine Aufteilung entscheidend sein mögen, sind wir der Auffassung, daß eine vollständige Teilung auf wirtschaftlichem Gebiet unerreichbar sein dürfte.

(Jacobsen,17, S. 395 f.)