PANEL 19
Jüdische Lebenswelten, NS-Opfer und -Täter

Chair: Noam Zadoff (Innsbruck)

17:30–19:00, Virtueller Konferenzraum 1

Getrennte Lebenswelten? Sozialbeziehungen zwischen Juden und Nichtjuden am Beispiel einer Gemeinde in Niederösterreich 1867–1938

Stefan Eminger (St. Pölten)

Das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden in Österreich wird oft von seinem katastrophalen Ende her und in Bezug auf städtische Lebenswelten untersucht. Mein Vortrag fragt hingegen nach dem alltäglichen Zusammenleben dieser Bevölkerungsgruppen im ländlichen Kontext vor der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung. Das ist hierzulande noch kaum erprobt worden und erfordert eine längerfristige, mikrohistorische Perspektive. Das Referat versteht sich als Beitrag zur Forschung über das Judentum im ländlichen Raum und als Teil einer kulturwissenschaftlich angereicherten Regionalgeschichte.

Die Analyse fragt nach den Veränderungen im Zusammenleben von Juden und Katholiken in der Gemeinde Wolkersdorf und lotet die Reichweite antijüdischer Diskurse und Handlungen im Alltag aus. Sie zeigt, dass die Verbindungen vielfach recht eng waren und über eine bloße Koexistenz hinausreichten. Sie stellt die Vielfalt der Sozialbeziehungen dar und vermisst sie im Spektrum zwischen Integration und Ausgrenzung.

Vermögensentzug durch die Nationalsozialisten in Südmähren

Christoph Peschak (Wien)

In meiner Dissertation rekonstruiere ich auf Grundlage von Beständen österreichischer Archive sowie regionaler Stadtarchive in der Tschechischen Republik die Auswirkungen der nationalsozialistischen Politik auf die jüdischen und tschechischen Bewohner*innen in der geografischen Region rund um die Landkreise Nikolsburg/Mikulov, Neubistritz/Nová Bystřice und Znaim/Znojmo. Diese wurden im Herbst 1938 in den Reichsgau „Niederdonau“ eingegliedert. Die Dissertation ist eine regionalhistorische Studie, die den strukturellen Aufbau und die Praxis von Enteignungen durch das NS-System in Südmähren im Zeitraum von 1938 bis 1945 analysiert.

Der Fokus des Vortrags liegt darauf, die mit Enteignungen in „Niederdonau“ befassten Behörden, Ämter und politischen Akteure vorzustellen und ihre Arbeitsweise anhand eines Fallbeispiels aus dem Landkreis Znaim/Znojmo zu rekonstruieren.

Der NS-Soldatenring. Verschwörer und prahlerische Opportunisten

Siegfried Göllner (Wien)

Der NS-Soldatenring (NSR) war ein 1936–1938 in Österreich bestehender illegaler Verband nationalsozialistischer Soldaten, Offiziere und Exekutivbeamten. Diese Organisation, die im Sinne der nach der gescheiterten Machtübernahme von den Nationalsozialisten eingeschlagenen evolutionären Strategie verdeckt operierte, wurde bisher von der zeithistorischen Forschung kaum beachtet. Der Vortrag versucht die illegalen Propaganda- und Organisationstätigkeiten des NSR sowie die beim Anschluss opportunistisch übertriebene Selbstdarstellung ebenso zu skizzieren wie die Involvierung der Mitglieder in die „Säuberungen“ des Offizierskorps von Bundesheer und Gendarmerie und ihre koordinierte Exkulpierungsstrategie im Zuge der Entnazifizierung, die den Verband letztlich als marginale Angelegenheit einer Hand voll Personen darstellte. Dies gibt auch den Blick frei auf die begrenzte Funktionalität der bürokratischen Entnazifizierung, die im Falle der NSR-Mitglieder auch an Gesetzeslücken scheiterte.

 

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