PANEL 14
Der lange Schatten der Kriege – Kontinuitäten und Erinnerungsdiskurse im 20. Jahrhundert

Chair: Karin M. Schmidlechner (Graz)

11:00–12:30, Virtueller Konferenzraum 2

1918: Ende und Neuanfang oder Übergang? Imperiale Kontinuitäten nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie in Nordtirol

Christopher Wendt (Florenz)

Ein Großteil des jüngsten Gedenkens an 1918 hat das Jahr als umfassende Zäsur dargestellt: Das Ende des Weltkrieges brachte den Umsturz der großen Imperien und die Gründung mehrerer (teils) demokratischer Staaten mit sich. Eine Vielzahl neuerer Studien weisen jedoch auch auf den Fortbestand von Aspekten der imperialen Ordnung hin, die die Nachfolgerstaaten geprägt haben sollen. Um diese Kontinuitäten besser erfassen zu können, ist es nützlich, die Schlüsseljahre 1918/19 weniger als Zäsur und eher als Übergangsprozess zu verstehen. Diese Präsentation veranschaulicht solch ein Verständnis am Beispiel Nordtirols, um zu analysieren, inwieweit sich Staat und Gesellschaft in einem lokalen Kontext verwandelt haben. Wie wurde nach der Einbeziehung in (Deutsch)Österreich die Bürokratie umgestaltet? Welche Auswirkungen hatte „Demokratisierung“ für die Politik im Dorf? Wie verhalten sich die Entwicklungen in Nordtirol zu jenen in den anderen Regionen von „Altösterreich“ insgesamt?

Von der Jahrhundertschlacht zur Völkerverständigung. Verdun 1916–2016

Richard Lein (Wien)

Die Schlacht von Verdun steht stellvertretend für die Gräuel des Ersten Weltkriegs und die von ihm verursachten Opfer. Der Austragungsort der Schlacht ist jedoch auch ein exemplarisches Beispiel für das Bemühen, den Ereignissen in angemessener Weise zu gedenken, wobei augenfällig ist, dass das Erinnern einen fließenden, von Bruchlinien durchzogenen Prozess darstellt. So lassen sich in Verdun anhand der verschiedenen Denkmalsetzungen sowie der politischen Inszenierung der Gedenktage mehrere „Wellen“ der Erinnerungen identifizieren, die jeweils eine teilweise bzw. völlige Neudefinition der Gedächtniskultur mit sich brachten. Zunächst als Ort des Gedenkens an die Opfer Frankreichs eingerichtet, wandelte sich Verdun zunächst zur Stätte der deutsch-französischen Aussöhnung und schließlich, 100 Jahre nach den Ereignissen, zum gesamteuropäischen Gedächtnisort gegen den Krieg. Der Beitrag setzt sich anhand exemplarischer Beispiele mit der Transformation der Erinnerungskultur rund um die Schlacht von Verdun auseinander.

Ein „Schlachtfeld“ der Erinnerung? Erinnerungsdiskurse zum Bombenkrieg in Stadt und „Provinz“

Nicole-Melanie Goll (Wien)

Als am 1. Oktober 2018 auf der Mölker Bastei ein Denkmal für die „Trümmerfrauen“ enthüllt wurde, war das mediale Echo groß. Der Errichtung waren jahrzehntelange Diskussionen vorangegangen. Im Jubiläumsjahr 2018 konnte das Projekt nun verwirklicht werden. Es soll(t)e an jene Frauen erinnern, die den Wiederaufbau Österreichs „unter unvorstellbaren Bedingungen“ vorangetrieben hatten. Besonders hatten sie – so die Initiatoren – unter den alliierten Bombardements gelitten. Wurden wesentliche Forschungen der letzten Jahrzehnte vollkommen ausgeklammert, zeigt das neugeschaffene Denkmal dennoch eines auf: Der Bombenkrieg hatte sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Rückzugsort des österreichischen Opfermythos entwickelt. Darin eingebunden, finden sich starke Täter-Opfer-Zuschreibungen, die in den oftmals in Jubiläumsjahren errichteten Denkmälern manifest werden. Der Vortrag widmet sich diesem Spannungsfeld, analysiert anhand der in den letzten Jahren initiierten Bombenkriegs-Erinnerungs- und Gedenkzeichen den „Erinnerungsort“ Luftkrieg und fragt nach „grief communities“.


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