PANEL 40
Die mémoire croisée des Exils. Austro-mexikanische Erinnerungsarbeit zum „Anschluss“-Jubiläum 2018

Chair: Noam Zadoff (Innsbruck)

Samstag, 18. April 2020, 10:50–12:20, U 1

Das Projekt „Gekreuzte Geschichten“ auf dem Wiener Mexikoplatz war interdisziplinär, international und transkulturell angelegt. 50 bildende Künstler_innen, Theater- und Filmemacher_innen, Geschichts- und Kulturwissenschaftler_innen und Vermittler_innen thematisierten ein halbes Jahr lang Exilerfahrungen in Mexiko und Österreich – und viel mehr, denn die Beteiligten brachten persönliche Hintergründe aus Afghanistan, Bulgarien, Guatemala, Irak, Iran, Mexiko, Nigeria, Österreich, Somalia, Syrien und der Türkei mit. Ausgehend vom Protest der mexikanischen Regierung gegen den „Anschluss“ 1938 fokussierten die künstlerischen Arbeiten, Performances und historischen Interventionen nicht nur auf globalhistorische Kreuzungspunkte der 1940er-Jahre, sondern auf deren diachrone Verbindungen zu Asylgeschichten im Österreich der Gegenwart. In diesem Panel reflektieren drei der kuratorischen Leiter_innen des Projektes die Zugänge partizipativer Erinnerungsarbeit im öffentlichen Raum zur Diskussion.

Gekreuzte Geschichten. Der März 1938, Diktatur, Exil und Migration im globalhistorischen Licht österreichisch-mexikanischer Beziehungen

Berthold Molden (Wien)

Der inhaltliche Bogen dieses Projektes spannte sich von den historischen Wurzeln des österreichischen Antisemitismus über österreichisch-mexikanische Beziehungen seit dem 19. Jahrhundert bis herauf zur Realität von Flüchtenden rund um den Mexikoplatz in Wien. Gemeinsam mit Historiker_innen aktualisierten Künstler_innen in Wien und Mexiko das Gedenken an Diktatur und deren Überwindung, an Flucht, Migration und Neuanfang mit Blick auf die Gegenwart. Sie luden zu künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum, Ausstellungen, themenspezifischen Konzerten, Vorträgen, Lesungen und Filmvorführungen, sowie zu einer wissenschaftlichen Tagung. Ebenso vielfältig wie die Methoden waren die Zielgruppen des Projektes: historisch und kulturell interessiertes Publikum ebenso wie Anrainer_innen und Asylsuchende sowie Schüler_innen, quer durch soziale Konstellationen sollte Geschichte neu betrachtet und aus diesen Erkenntnissen ein neues Identitätsangebot entwickelt werden.

Erinnerungskultur | Geschichtsschreibung: Exiled Gaze

Doris Posch (Wien)

Ausgehend vom Projekt „Exiled Gaze | Der exilierte Blick“, das unterschiedliche filmische und künstlerische Positionen (eigens) durchlebter Migrationserfahrungen im öffentlichen Raum zur Debatte stellte, wurden mögliche Erzählformen von Exil ausgelotet und aus gegenwärtiger Perspektive miteinander verwoben. Anhand dreier Themenkomplexe werden Schnittstellen zwischen Geschichtsbild(ern) und aktueller Geschichtsschreibung durch audiovisuelle Medien aufgezeigt: 1.) Verortung gegenwärtiger Perspektiven von Migration durch prozesshafte thematische Auseinandersetzung der Filmemacher_innen und Künstler_innen, 2.) künstlerische Umsetzung spezifischer Erinnerungskulturen zu Flucht und politischer Verfolgung und 3.) Beitrag zu aktueller Geschichtsschreibung aus visueller Perspektive. Zudem werden aus kuratorischer Sicht diskursive Überlegungen zur Rolle von Kunst im öffentlichen Raum und ihrer nachhaltigen Teilhabe am und Mitgestaltung des Geschichtsbilds Österreichs ausgewiesen.

Und was kann ich dagegen tun?“ Geschichtsvermittlung und antiautoritäre Praxis

Renate Höllwart (Wien)

Das Projekt „Gekreuzte Geschichten. Mexikoplatz 1938–2018“ ermöglichte es dem Vermittlungsteam von trafo.K, mit einem öffentlichen Programm und Workshops unterschiedliche Akteur_innen zu involvieren und die vielfältigen Zugänge zu Geschichte, die das Projekt selbst bereits zusammenführte, vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Österreich zu diskutieren und voranzutreiben. Im Zentrum standen daher die beiden Fragen danach, was geschehen ist und was dies für die Gegenwart bedeutet. Wie kann Gedenken in aktuelle, solidarische Handlungsformen transformiert werden? Und welche Möglichkeiten gibt es heute, angesichts einer sich faschisierenden Gesellschaft gegen Unrecht aufzutreten – auch wenn viele still sind?

 

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